175. Akt
Manche Dinge hat man schon drei,
vier, dreißig Mal gemacht und denkt, man weiß, wie es geht. Und
dann kommt das einunddreißigste Mal und es haut einen völlig um. Es
geht hier nicht um Zwischenmenschliches, sondern banal um Lesungen.
Wobei, banal sind die eigentlich nie.
Jetzt steht also eine Lesung in
Ingolstadt an, und ich gehe davon aus, dass es von Aufwand und
Durchführung den bisherigen Vorlese-Erlebnissen entspricht. Aber nix
da. Es fängt schon damit an, dass der Veranstalter Florian drei
Wochen vorher täglich Kontakt zu mir aufnimmt, um irgendwas zu
besprechen. Irgendwann platzt mir der Kragen, und ich sage, dass das
Alles dem Aufwand einer Nato-Sitzung in Krisenzeiten entspricht. Da
weiß ich aber noch nicht, dass und wie sehr sich die ganze Mühe
rentiert. Heute muss ich kleinlaut gestehen, dass sich jedes einzelne
Gespräch, jede Nachricht gelohnt hat. Also, Asche auf mein Haupt.
Als es endlich soweit ist, reise
ich an.
Super! Erster Ferientag. Ich
hätte auch das Fahrrad nehmen oder auf einem Bein im
dreiviertel-Takt in diese Richtung hüpfen können. Länger würde die Fahrt nur dauern, wenn ich einen zweiwöchigen Urlaub
einschieben würde.
Vor Ort wartet nicht nur der
Vorlese-Platz auf mich, sondern auch noch ein Hotel, das mir und
einigen Gästen zur Verfügung gestellt wird. Ralf, der Eigentümer
ist witzig (aber nicht nervig), ruhig (aber nicht langweilig) und
engagiert (aber nicht erdrückend). Ich wähle ein Zimmer, gehe zum
Soundcheck und ruhe mich dann noch ein bisschen aus.
Aufgeregt bin ich nicht. Meine
Freundin Eva Leopoldi unterstützt die Lesung mit ihrer Kunst, denn
sie ist eine grandiose Malerin. Und sie ist mein Baldrian, wenn ich
nervös oder ungeduldig werde.
Um 19.30 Uhr soll es losgehen.
Und um kurz vor 19 Uhr kommen die ersten Gäste zum Sektempfang.
Alles ist liebevoll hergerichtet, junge Leute helfen beim Service,
und mein Platz ist vorbereitet. Ich lese aus einem Wandschrank.
Geöffnet natürlich. Sonst hätte es ja ein bisschen was
Zoo-mäßiges. Über jeden Gast freue ich mir ´nen Knopf ans Knie.
Zum Schluss sind es dann so viele Knöpfe, dass wir die Studiotüre
offen lassen müssen und einige Menschen von einer Bierbank im Eingangsbereich
zuhören. Genial!
Ich bin beeindruckt über die
Herzlichkeit der vielen Ingolstädter Gäste und ebenfalls beeindruckt
darüber, dass zahlreiche Menschen den Weg aus München auf sich
genommen haben (nicht vergessen – erster Ferientag!!!)
Meine Freundin Eva und ich
werden von einer ortsansässigen Politikerin präsentiert.
Eigentlich. Aber so völlig uneigentlich würde ich diese Dame sofort
in den Kreis meiner näheren Freundinnen aufnehmen. Veronika ist
patent, klug, herzlich und witzig. Und durch und durch Powerfrau. So wie wir. Dann geht es los.
Ich leite die Lesung ein und
weise darauf hin, dass wir unter den Gästen zwei Hochschwangere
haben. In den folgenden neunzig Minuten zucke ich jedes Mal zusammen,
wenn ich aus der Richtung der werdenden Mütter eine unerwartete
Bewegung bemerke. Irgendwann mal behaupten zu müssen, dass mein Buch
wehenfördernd ist, läuft nur bedingt unter Werbewirksamkeit.
Nach zwei mal vier Geschichten
und einigen Gedichten klappe ich das Buch zu. Der Applaus ist riesig.
Ich fühle mich wohl. Yepp. Ich bin geschmeichelt! Und wie ich noch
so da sitze, denke ich, dass sich manchmal ein bisschen mehr Aufwand
exorbitant auswirkt. Dann werde ich bei der nächsten Lesung halt
auch ein mehr Gas geben. Denn das Event in Ingolstadt hat,
inklusive vorheriger und anschließender Medienberichterstattung, die
Latte ordentlich hochgehievt.
Und auch, wenn ich überall
gerne lese, freue ich mich schon auf das nächste Mal hier bei Josef im
Wandschrank.
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