Freitag, 30. Dezember 2016

316. Akt 

Es ist kurz vor 2017. Das Meiste meiner Arbeit ist erledigt, und in mir macht sich eine große Leere breit.
Also jetzt nix von wegen Einsamkeit oder Vorjahreswechsel-Depression. Nein. Ich habe schlichtweg Hunger.
Die Kinder sind schon länger abgefrühstückt und so sieht jetzt der Kühlschrank aus. Dort ein kleines Eckchen Parmesan und hier noch ein Fitzelchen von der Salami. In der Tür schimmert etwas Buntes. Ach nee, das sind ja meine Nagellacke. Ich habe mal gehört, dass sie länger halten, wenn man sie kühl lagert. Blöd nur, dass ich sie im Kühlschrank dann doch nicht suche, wenn ich sie gerne hätte. Sie lagern dementsprechend schon länger dort und vermutlich sind sie nicht mehr benutzbar. Egal. Ich hab Hunger und da helfen mir diverse Rottöne auch nicht weiter.
Eigentlich ist so ein leerer Kühlschrank ja ein unfassbar guter Start, wenn man einen Diätwunsch unter seinen guten Vorsätzen für´s neue Jahr hat.
Hab ich aber nicht. Die 90-60-90 haben im Laufe der Zeit an den richtigen Stellen zugelegt, und ehrlich gesagt, hat in meinem Leben noch keiner bei einem Casting gesagt „Nu stell dich mal kurz auf die Waage, Püppi. Wir checken nur schnell, ob du beim Gewicht geschummelt hast.“
Ich bin in erster Linie Frau, und Frau achtet jetzt halt mehr auf den Wohlfühlfaktor als auf ihre Maße. Mir ist lieber, man mag mich, als man findet mich scharf. Und wer mich nicht mag, bei dem ist mir ohnehin wurscht, ob mein Schärfegrad angenehm ist.
Aber zurück zum Kühlschrank.
So ein leerer Kühlschrank schafft auch Raum. Ja, genau. Raum für den Prosecco und die Leckereien, die ich bestellt habe und nur noch abholen muss. Meine kleine Schwester kommt nämlich mit ihren Kindern und wir feiern morgen gemeinsam ins neue Jahr.
Also nutze ich die Leere des Kühlgeräts, um ihn mal wieder ordentlich zu reinigen und mache mich dann auf den Weg. Einkauf für acht Personen.
Und vorher eine Kleinigkeit für mich. Der Countdown läuft.


Donnerstag, 29. Dezember 2016

315. Akt 

Aaaaarghhhh... und da war wieder einer. Wieder einer, der genau weiß, wie man die Welt retten kann. Beziehungsweise retten muss.
Oder vielmehr, wie ich es könnte.
Dieses Mal soll ich auf die Silvester-Böllerei verzichten. Abgesehen davon, dass es die Haustiere erschreckt (Ich gebe zu, die brauchen in der Nacht echt gute Nerven), könnte ich das Geld ja spenden.
Aha“, sag ich, „Wie viel spendest du denn dann so an Silvester?“
Ich? Nichts. Aber ich böller ja auch nicht.“
Tja, da werd mal einer schlau aus der Logik. Wenn ich böllern will, dann soll ich stattdessen spenden. Aber, wenn ich nicht böllern will, dann darf ich drauf schimpfen und maßregeln? Sehr eigenartige Regelung.
Ähnlich verhält es sich generell bei Einstellungen zu Dingen, die andere Menschen tun.
Mir wurde schon mehrfach vorgeworfen, dass es zwar ganz nett ist, dass ich Zeit in die Hospizhilfe investiere, aber dass es dann doch recht lausig ist, dass ich nix oder wenig für die Kinder/Tiere/Umwelt/Denkmäler oder was auch immer täte.
Abgesehen davon, dass ich mich frage, woher die betreffenden Personen das so genau wissen wollen, ist die Antwort auf die Gegenfrage meistens recht ernüchternd.
Du könntest wirklich mal was für einen karitativen Zweck tun. Und nicht nur auf Glamour-Parties abhängen.“
Hä?“
Ja. Was Ehrenamtliches. Was von Bedeutung.“
Hä?“
Das sollten wir alle tun. Eigentlich.“
Ich verbringe im Jahr zig- bis hunderte Stunden im Pflegeheim. Ehrenamtlich. Glamour-Parties sind spärlich gesät und gehören – außer zum Spaß - auch zu meinem Job.“
Ja. Schon gehört. Aber reicht dir das?“
Ja. Langt! Und was machst du?“
Ich würde ja auch ganz gerne, aber leider habe ich kaum Zeit. Weißt ja. Ehefrau, Kinder, Tennis, Fußball und dann mein Job in der Bank.“
Hä? Ich habe zwei Jobs, ein Haus, Kinder und seit mehr als zwanzig Jahren ein Ehrenamt. Und so, wie alle anderen nur vierundzwanzig Stunden am Tag ?!?!“
Ja, trotzdem...“
Ich fass es nicht. Manche können echt nur anderen beibringen, was sie selbst nicht auf die Reihe bringen.
So. Ganz ehrlich. Es ist mir wurscht! Bei uns wird geböllert. Nicht viel und keine mehrstündige Illuminierung des örtlichen Nachthimmels, aber dennoch und mit Freude. Seit ein paar Jahren bekommen die Kinder einen kleinen Etat für den Knallkram und feuern es auch – so, wie ich in dem Alter – mit Spaß und Begeisterung ab, während meine kleine Schwester und ich den nächsten Prosecco öffnen.

Prost und guten Rutsch. Egal, ob´s knallt oder nicht.     

Montag, 26. Dezember 2016

314. Akt

Oooops.... da lassen einige ihre Weihnachtsfeierlichkeiten von mehreren Kameras direkt in die deutschen Wohnzimmer übertragen. Liebe Daniela Katzenberger, danke für deine Diskretion, wenn du mal eine Magen-Darmgrippe hast. (Oder habe ich das lediglich verpasst?)
Aber was soll´s? Man kann ja auch umschalten. Ich muss gestehen, dass ich das bloß aus dem Programmheft weiß. Gesehen habe ich es nämlich nicht. Die müssen irgendwas bei der Christmette ausgesprüht haben, was mich bei Sofa-Kontakt sofort eindösen lässt. Dabei habe ich mich doch so sehr gefreut. „Drei Nüsse für Aschenbrödel“, „Der kleine Lord“ und „Sissi“. Es ist mir wurscht, wenn mich jemand als grenzdebilen-hyperromantischen TV-Traditions-Honk bezeichnet. Ich liebe diese Filme. Allein die Musik von „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ vermittelt einem immer so schön das Gefühl, dass die einzig wahre echte Liebe direkt hinter dem nächsten Schneehaufen auf einen wartet. Der Großvater vom kleinen Lord überzeugt einen, dass unter jeder rauen Schale ein großväterlich weicher Kern steckt, den man mit einem Lächeln und einem Pagenschnitt problemlos herauskitzeln kann und von Sissi brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Wie wunderbar zauberhaft liebenswert Romy Schneider die Rolle ausfüllt, die uns jedes Mal aufschreien lässt: „Lass ihr das Kind, sie ist die Mutter!!!“ ist unfassbar. Ähnlich steigernd im Tempotaschentuch-Verbrauch ist die Szene in Rom, als ihre kleine Tochter auf sie zu läuft und alle die Mutter statt der Kaiserin feiern. Mann, mann, mann, da kommen mir sogar beim Schreiben die Tränen. Vielleicht sollte ich während dieser Filme besser vor dem Fernseher stehenbleiben. Ich kann mich ja an den Christbaum lehnen.

Oder vielleicht doch mit ein, zwei Plätzchen aufs Sofa? Wo ist die Fernbedienung? Und wieso fallen mir schon wieder die Augen.... Chrrrrr.... chrrrrr.....  

Sonntag, 25. Dezember 2016

313. Akt

Tja, da hab ich doch ausnahmsweise an alles gedacht.
Die Läden haben zu, überall ist schon längst Ruhe eingekehrt, und ich fühle mich rundum versorgt. Nix hab ich vergessen. Sogar an die ABC-Pflaster, Thermacare Bandagen und Aspirin habe ich gedacht. Prima!
Dieses Mal gibt es keinen Panikausbruch um fünf nach Ladenschluss, weil ich irgendein Geschenk, Medikamente, Kartoffeln zum Essen oder Karten für die Nachbarn vergessen habe. Ich fühle mich wie Supergirl. Wobei das Kartenschreiben in diesem Jahr stressbedingt ohnehin völlig ausfiel.
Der Baum leuchtet und die Kugeln bleiben sogar dran. Die Kinder haben sich irgendwann abgewöhnt, sie einfach nur passend auf die Zweige zu legen oder vom Sofa aus zu werfen. Ja ja... sie werden erwachsen.
Tochterkind legt gerade wert auf romantische Stimmung und schaltet Weihnachtsmusik über ihren iPad. Allerdings konterkariert sie das Ganze hartnäckig, indem sie eigene Textstellen an die jeweiligen Lieder anpasst.
In der Regel merkt man es kaum, denn sie singt wirklich gut.
Dass es bald wieder Zeit wird etwas zu Essen zuzubereiten merke ich, als sie statt „all I want for christmas is yoooooooooooouuuuuuuuu“ zu singen,
all I want for christmas is foooooooooood!“ trällert. Ja, so kann man auch sagen, dass man Hunger hat.
Später, sitze ich erheitert von Muttis Eierlikör (sie braut das Zeug bei Gelegenheit selber) auf dem Sofa und irgendwas stört mich. Es tickt.
Keine Ahnung, wo das herkommt. Ich schalte alles aus, was mich bei der Aufspürung des Tickens stören kann.
Es kommt eindeutig aus Richtung Weihnachtsbaum. Sollte ich dort noch ein Geschenk übersehen haben? Einen Wecker zum Beispiel, den ich sofort entsorgen müsste, da ich Ticken nicht lange ertrage?
Es dauert ein Minütchen, bevor ich drauf komme. Das ist vermutlich diesem genialen Eierlikör geschuldet (Danke Mutti).
Es ist die Zeitschaltuhr am Tannenbaum. Ich habe sie zwischengeschaltet, damit ich nicht ständig unter die Zweige kriechen muss, um zu illuminieren oder zu verdunkeln. Was nun? Das Wohnzimmer verlassen, weil ich das Ticken nicht aushalte, aber der Baum so schön leuchtet? Oder die Stecker ziehen und total unromantisch neben den Kugeln sitzen?
Mann, mann, mann... heute dauert das Denken aber lange (was ist in dem Gebräu denn alles drin???)
Dann fällt es mir ein. Irgendwo im Keller gibt es noch die Verlängerungsschnur mit Schalter. Ich laufe los, suche und finde. Die Zeitschaltuhr wird den Rest der Feiertage nicht miterleben und ich muss nicht unter dem Baum rumturnen, um ihn anzuschalten. Hach, ich liebe fixe Lösungen. Und dann fällt mir ein, dass ich so ungerne Reste hinterlasse und entsorge die Flasche (der war echt klasse, Mutti) im Altglas.

Prost und frohe Restweihnachten noch an alle.            

Samstag, 24. Dezember 2016

312. Akt

Der Baum steht. Aufrecht und so, als ob er schon immer dorthin gehört. Die Kugeln und der Schmuck liegen bereit. Säuberlich und fein kraxel ich durchs Geäst, um die Lichterketten ordentlich zu verteilen. Ich bin da eitel. Es muss ausgewogen leuchten. Einseitige Illumination macht mich nervös. Auf echte Kerzen verzichte ich vollständig. Ich habe es einmal probiert und bin in der Nacht dann fünfmal aufgestanden, um zu kontrollieren, ob wirklich, wirklich, wirklich alle gelöscht sind.
Tochterkind sitzt am Tisch und verpackt noch irgendwelche Geschenke. Kind 1.0 sitzt oben am Computer und arbeitet schon seit ein paar Stunden an irgendwas. Sobald ich hier fertig bin, sind die Kinder mit dem restlichen Schmücken des Baumes dran. Das machen wir schon immer so. Funktioniert sogar weitgehend ohne Nötigung.
Mit Nadeln in Haaren und Pulli betrachte ich mein Werk mit zwei Schritten Abstand. Dann fällt es mir ein. Ich muss die Birnchen ja erst anschalten, um zu sehen, ob alles ordentlich verteilt ist. Ich laufe in den Keller und hole die Verlängerungsschnur mit der Mehrfachsteckdose und der Zeitschaltuhr.
Beide Lichterketten werden rasch reingedrückt und dann ramme ich auf allen Vieren den Stecker in die Dose. Und Zack! Alles finster. Warum auch immer, hat irgendwas die Hauptsicherung verärgert.
Tochterkind bleibt entspannt und leuchtet mir mit der Taschenlampe auf ihrem Handy den Weg in den Keller. Ich komme leicht ins Schwitzen. Nicht wegen der Dunkelheit im ganzen Haus. Nein, mit dunkel kann ich umgehen.Von oben höre ich lautes Fluchen und höre Kind 1.0 sein Zimmer verlassen. Er hat die letzten Stunden wie gesagt am Computer gearbeitet und Worte wie Backup und Datensicherung rauschen mir durch den Kopf.
Als er im Keller vor mir steht, bin ich noch einen Moment froh, dass es finster ist. Dann drücke ich den Sicherungsschalter wieder hoch.
Alles in Ordnung?“ fragt er. Ich nicke und grinse entschuldigend.
Bei dir auch?“
Er bestätigt, dass alles okay ist und die Muskulatur zwischen meinen Schulterblättern entspannt sich wieder. Alles ist gesichert. Nix ist verloren. Ich freue mich und der Gedanke, die nächsten Tage Asche auf mein Haupt zu streuen verdünnisiert sich.

Stattdessen gehen wir hoch und ich probiere sanft, ganz sanft ein der anderen Steckdosen. Yepp! Es funktioniert. Alle Lichter geradezu perfekt verteilt und ausbalanciert. So kann der heilige Abend was werden. Zumindest Christbaumtechnisch. Ansonsten lassen wir das Ding eben aus.
Fröhliche Weihnachten!

Donnerstag, 22. Dezember 2016

311. Akt

Na klasse, ich hätte mir auch beide Hände brechen können. Dann wäre erst Mal Essig mit Schreiben. Blöd, wenn man gerne und reichlich schriftlich kommuniziert. Das Berufsbild der Schriftstellerin könnte man dann ebenfalls leicht getrübt sehen. Es sei denn, man verfügt über ein ordentliches Schreibprogram, das akustische Aufnahmen verwurstet. Das habe ich nicht. Aber ich habe ja auch nicht beide Hände gebrochen.
Stattdessen habe ich eine satte Kehlkopfentzündung mit fröhlichen Anteilen der Lunge.
Somit kann ich theoretisch zwar schreiben. Praktisch ist mein Hirn aber ein bisschen vernebelt. Und was das Schlimmste ist: Ich soll nicht sprechen!
Ich! Soll! Nicht! Sprechen! Aaaaaarghhhhhhhhhh!!!!
Das ist, als ob man einer entbindenden Frau sagt:“Nu hör mal auf mit der Hechelei!“
Wie soll ich der Frau an der Kasse erklären, dass der Salat schon welk ist und die Kartoffeln bereits Blüten kriegen?
Und dem Mann mit dem fragenden Blick? Der bestimmt nichts anderes wissen will, als den Weg zu S-Bahn-Station? Oder was mache ich, wenn meine Mutter jetzt anruft? Ich kann mich doch gar nicht wehren?
Wenn sie spitz kriegt, dass ich nix sagen kann oder soll, werden mir alle Verfehlungen meiner Teenager-Zeit auf´s Butterbrot geschmiert. Dann brauche ich nicht nur Antibiotika, sondern einen nervenstarken Therapeuten.
Siedendheiß fällt mir ein, dass ich heute noch den Chef einer PR & Management-Agentur anrufen soll. Das wäre unser erstes Telefonat und ich klinge wie Bambi auf Valium. Nee, das geht nicht. Gibt ja gleich ein völlig falsches Bild. Ich entscheide, ihm erst noch mal eine Mail, bzw. WhatsApp zu schicken. Sonst erwartet er später mal in der Zusammenarbeit einen sanften Hauch und keinen Tornado. Das wäre ein Schreck.
Nicht zu reden ist für mich ein bisschen wie nackig durch die Innenstadt zu laufen. Meine Worte, meine Stimme sind mein Schild. Also in der Regel. Und nun laufe ich schilderfrei herum und kann nur nett grinsen. Mist!
Nun denn, dann geh ich jetzt ins Bett. Dann sollen alle halt mal die ungewohnte Ruhe genießen. Sobald ich wieder fit bin, wird man es hören.

Ganz sicher.   

Mittwoch, 21. Dezember 2016

310. Akt

Es ist kurz nach drei Uhr am Morgen. Ich bin erledigt und werde mir gleich die drei Stunden Schlaf gönnen, bevor der Wecker wieder klingelt. Schnell checke ich noch die aufgelaufenen Emails und meine Nachrichten auf Facebook.
Und da ist es wieder. Sobald ich als online angezeigt werde, ploppt eine Nachricht auf.
Hallo du Schöne. Jetzt erst nach Hause gekommen?“
Ich weiß genau was jetzt kommt. Erst letzte Nacht hatte ich schon einen dieser „Entertainer“ auf meinem Profil. In der Regel antworte ich nicht darauf, aber dieses Mal ist mir danach jemanden die Nacht zu versauen. Ich schreibe zurück: „Ja.“ Mehr nicht.
Keine zehn Sekunden später kommt die Antwort:
Na, aber ganz sicher aus einem fremden Bettchen. Lach...“
Aaaaarghhh... wie sehr ich dieses ausgeschriebene „lach“, „kicher“, „freu“ lächerlich finde, kann ich gar nicht sagen.
Ich schreibe zurück. „Nein.“
Rate mal was ich hier gerade Schönes in der Hand habe?“
Tja, du Honk, ich kann es mir vorstellen. Das selbe hast du mir nämlich schon mal geschrieben. Und dementsprechend antworte ich nun explizit.
Ich bin ehrenamtliche Hospizhelferin und komme gerade von einer Patientin, die mir sehr am Herzen liegt. Was hast du in der Hand?“
Es mag gemein sein, aber ich ahne, dass, wie immer du dich über diese morgendliche Bescherung im Schritt gefreut hast, nun nix mehr davon übrig ist. Aus der erfreuten Aubergine wird eine schrumpelige Gewürzgurke. Sorry. Was hast du erwartet? Dass ich schreibe, wie wild ich auf nähere Beschreibung von Geschlechtsteilen bin? Dass ich mich vor lauter Aufregung über deine Existenz bei ausgeschalteter Heizdecke in meinem eigenen Schweiß im Bett rumsuhle? Nein. Das tue ich nicht. Ich finde das nämlich ziemlich armselig.
Diese Mal dauert es ein bisschen länger, bis du antwortest. „Oh, das tut mir leid. Dann mal gute Nacht.“
Ja, die wünsche ich dir auch. Und dann lösche ich den Kontakt. Typen wie du gehen mir gehörig auf meinen nicht vorhandenen Sack. Egal, ob ich nachts von einer Party oder, wie in diesem Fall, aus dem Pflegeheim komme. Ich finde das lächerlich und doof. Wahrscheinlich hobelst du dir gerade einen im Badezimmer (na ja... heute wohl eher nicht mehr), während deine Frau – müde vom Versorgen eurer beiden Kinder – den Schlaf der Gerechten schläft.

Gibt es echt Frauen, die auf sowas abfahren? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ist ja auch wurscht. Ich werde dann mal schlafen. Solltest du vielleicht jetzt auch tun. Und keine Sorge. Morgen kriegst du das wieder hin. Und zur Not gibt es ja auch entsprechende Websiten. Die Frauen darauf antworten nicht. Die lächeln bloß. Viel Erfolg.       

Dienstag, 20. Dezember 2016

Manche Dinge sind einfach wichtiger und fordernder, als meine Arbeit und mein Blog. Deswegen erst morgen wieder Neues von http://ich-fass-es-nicht.blogspot.de/
Dann aber mal ein bisschen expliziter... Nichts für das sanfte Gemüt.
Liebe Grüße
Eure Manu

Freitag, 16. Dezember 2016

309. Akt

Oha... ich wurde von einem Kollegen angeschrieben. Einem Autor, so wie ich. Einem netten Menschen. So wie ich... also zumindest normalerweise. Er findet meine Lesungen toll. Prima. Ich sage ja – netter Mensch.
Und er möchte selbige mit mir gemeinsam veranstalten.
Auf Anhieb kling das ja gar nicht so verkehrt. Ich mag Kooperationen. Auch im schriftstellerischen Bereich. Allerdings schreiben wir so ziemlich genau wie Tag und Nacht. Also völlig ohne Wertung, wer von uns nun Tag oder Nacht ist. Vielmehr unterscheiden wir uns schriftlich wie ein Mars-Riegel zu einer Bifi, eine Pizza zu einer Schwarzwälder Sahnetorte oder die Welt am Sonntag zu einem Bildband über gotische Kirchen.
So sehr wir bei ein oder drei Glas Weißbier harmonieren, so unterschiedlich sind wir in unseren Arbeiten. Und ich tue mich eben schwer mit einem Vortrag über gotische Kirchen.
Allein bei der Einladung des Publikums wüsste ich nicht, wo man ansetzen soll. Eine Hälfte würde doch den Saal immer kopfschüttelnd verlassen. Sehr unbefriedigend. Zumindest für uns Autoren.
Bei dem Gedanken, dass die Zuhörer meine Art vorzutragen mögen, aber nix von gotischen Kirchen verstehen, bekomme ich ein flaues Gefühl. Noch schlimmer ist das Gefühl, dass die Gäste bei seinem Vortrag meiner Geschichten die Flucht ergreifen. Mein Vorwurf, dass es dann eindeutig an seiner Vortragsweise gelegen haben muss, würde unsere freundschaftliche Beziehung nachhaltig negativ beeinflussen.
Letztendlich kommen wir darauf, dass eine Vermengung unserer Literatur nur in einem vier-Augen-Talk bei einem Kaffee, Weinchen oder Bier gut funktioniert.

Dann allerdings auch so gut, dass wir uns fortwährend kichernd vor den Kopf ballern. Und das ganz sicher nicht wegen des Alkohols   

Mittwoch, 14. Dezember 2016

308. Akt

Warum machst du das? Das ist doch gar nicht nötig. Ich bin sicher, unter deiner Brille verbirgt sich ein breites boshaftes Grinsen, während dein Arm mit dem Gerät unerbittlich hin- und herschwenkt. Was bist du für ein Typ, dort hinter dem Laubbläser?
Trägst du das Ding um seiner selbst Willen? Das ist, als würde man im Winter Rasen mähen und im Haus mit Schlittschuhen rumlaufen. Bloß weil man einen Rasenmäher und Schlittschuhe hat.
Denn wenn du ehrlich bist, dann wirst du, so wie ich feststellen, dass das Laub schon vor ein paar Wochen von den Bäumen gefallen ist und schon ein, zwei eifrige Laubbläser-Kollegen deinen Job erledigt haben.
Obwohl? Da! Jetzt kann ich es sehen. Zwei Meter vor dir. Ein bisschen rechts. Da liegt noch eins. Ja! Ein Blatt. Grünbraun und gammelig.
Ja, gut, du könntest dich bücken und es aufheben, aber das macht ja keinen Spaß. Außerdem macht es – und das ist noch viel wichtiger – überhaupt KEINEN LÄRM.
Was machst du heute Abend Laubbläser-Mann? Bist du Leiter der anonymen Laubbläser-Gruppe?
Hallo, ich bin der Horst und hätte gerne ein erotisches Verhältnis mit einem Blower HUSQVARNA 125B.“
Hallo Horst! Willkommen in unserer Gruppe. Du hast einen Makita Benziner? Wie viel Dezibel bringt der? Hassen dich deine Nachbarn?“

Ich laufe weiter. Im nächsten Jahr fange ich schon im September an Blätter zu sammeln. Und wenn du dann wieder grinsend vor Glück und taub unter deinen Kopfhörern vor mir herläufst, dann werde ich breit lächelnd hinter dir alles streuen, was mein Garten hergibt. Vielleicht mache ich dir ja damit eine Freude. Verdient hättest du es. 

Dienstag, 13. Dezember 2016

307. Akt 

Alle paar Wochen überfällt es mich wieder. Das Gefühl, Marketing und PR-technisch nicht ausreichend in eigener Sache aktiv zu werden. Dann laufe ich unruhig durchs Haus, finde auf meinem Laufband nicht die richtige Einstellung, plündere den Kühlschrank und lande letztendlich wieder vor dem Computer. Akribisch durchstreife ich dann meine Kontakte jenseits von Facebook nach Leuten, die mich unter Umständen in meiner Arbeit unterstützen könnten. Je nach der Anzahl der vorherigen Inspirations-Prosecco liest sich das Ganze dann wie folgt:

Sehr geehrter Herr...
...in einem Rausch vorweihnachtlicher Panik, schreibe ich gerade einige meiner Medienkontakte aus LinkedIn, XING und ähnlichem an. Da Sie sich absichtlich, fahrlässig, freiwillig oder vielleicht durch meine Kontaktanfrage genötigt in diesem elitären Zirkel befinden, erhalten auch Sie diese Zeilen.
Sie können diese Nachricht natürlich einfach ignorieren und sich das letzte Stück vom Stollen greifen, allerdings könnten Sie auch Gefallen daran finden und weiter lesen.
Mein Name ist Manuela Thoma-Adofo. Ich bin Autorin mehrerer Bücher, die in der Regel auf angenehmes Interesse und erfreute Leser stoßen. In den letzten Wochen befinde ich mich mit meinem aktuellen Buch “33 Grausamkeiten II– (Alp-)Träume für Jedermann” auf Lesereise. Meine Zuhörer und ich haben dabei einen Heidenspaß. So weit so gut. Nun sind angenehmes Interesse und erfreute Leser natürlich etwas sehr Schönes. Allerdings gebe ich ehrlich zu, dass mir das bei meinem ausgeprägtem Autoren-/Frauen-/Medien-Ego im Moment bei weitem nicht reicht.
Und hier kommen nun Sie ins Spiel (wie gesagt, wenn die Alternative ein guter Christstollen oder hausgemachte Plätzchen sind, habe ich Verständnis). Sollten Sie aber für mich und/oder meine Bücher die Möglichkeit sehen, irgendwie – als Person/Autorin oder als Lesetipp, in welchem Format auch immer, einen Platz in ihrer Berichterstattung zu finden, wäre das großartig. Egal wie.
Mir ist klar, dass jede Form von Öffentlichkeit einen Hauch zu meinem Erfolg beiträgt oder beitragen könnte. Also nur zu. Sollte Ihnen etwas einfallen, was sich hier positiv oder überhaupt für mich auswirkt, würde ich mich nahezu weihnachtlich freuen.
Informationen über mich finden Sie unter www.manuela-thoma-adofo.de oder auf meiner Autorenseite bei Facebook oder LinkedIn, XING oder ganz einfach unter +49 tralala....

Hier gibt es die Möglichkeit mir bei einer Lesung in München zuzusehen:

Wie auch immer. Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben eine wundervolle, angenehme und weitgehend stressarme Weihnachtszeit.
Mit besten Grüßen 
Manuela Thoma-Adofo“


Dann sende ich die Nachricht an alle möglichen Leute. Natürlich personalisiere ich brav jede Mail. Ich mag ja selber auch nicht im Massenversand landen. Wenn ich von diesen Schreiben ausreichend abgeschickt habe, dann geht es mir ein bisschen besser. Bisher habe ich mit solchen Offensiven keine schlechte Erfahrung gemacht. Man weiß nie, was kommt, aber irgendwas kommt immer. Ich bin gespannt und schaue, ob noch ein paar von den Tochterkind-Keksen da sind. Jetzt, wo ich soviel von Gebäck geschrieben habe, komme ich halt selber in Stimmung.

Und falls sich einer meiner Blog-Leser in der Verfassung oder auch nur ansatzweise durch diese Zeilen angesprochen sieht. Nur zu. Ich sitze hier, arbeite und warte. Und Kekse habe ich auch noch.... Äh...ja...Weiterleiten geht natürlich auch ;-)  

Montag, 12. Dezember 2016

306. Akt 

Während mein Körper nach Entgiftung und Schlaf schreit, ruft mein Verantwortungsbewusstsein, dass ich heute Abend noch was zu tun habe. Der Kammerchor Cantus ad libitum hat ein Konzert. Meine Tochter gehört dazu und ich fotografiere die Veranstaltung. So wie fast jedes Mal. 
Vor ein paar Wochen habe ich den Chor mal versehentlich als Corpus et libido bezeichnet. Tochterkind hat ganz entsetzt geschaut. Tja, mein Lateinunterricht ist eben viel länger her als ihrer. Da macht man halt mal Fehler.
In einem älteren Blog habe ich mal geschrieben, als was für ein Megaschnittchen der Chorleiter bezeichnet wird und was für eine spürbare Leidenschaft er für die Musik hat. Darauf werde ich künftig verzichten. Alles, was verstanden wurde, ist "Megaschnittchen" und "Leidenschaft". Zu groß ist meine Sorge, dass irgendwelche Leserinnen versuchen, sich mit Klampfe in der Hand werbend unter seinem Schlafzimmerfenster zu versammeln. Wenn das eskaliert, möchte ich dafür nicht verantwortlich sein. 
Also sitze ich mit der Kamera in der Kirche und mache Fotos vom Konzert.. Die Stimmung ist gut und die Musik weihnachtlich wunderbar. Gänzlich unbesinnlich ist bloß der kleine Dorfdrachen in der Bank hinter mir. Sie beschwert sich über das Klicken meiner Kamera. Was soll´s? Leiser klicken kann ich nicht. Und malen kann ich die Bilder auch nicht. Sie motzt so lange, bis sich zwei anderen Gäste über ihr Gemotze beschweren. Ätsch! so kann´s gehen.
Drei Stunden später liege ich im Bett. Der Mordskater vom Vortag hat sich auf Plüschkatzengröße relativiert, aber die Erinnerung an die letzten Stunden lässt mich immer noch fröhlich grinsen. Wenn sich in vierundzwanzig Stunden eine Lesung, ein Drift hinter die übliche Promillegrenze und ein Adventskonzert inklusive Dorfdrachen und Megaschnittchen staut, dann stoße ich an meine Grenzen. In dem Bewusstsein, dass ich solche Tage früher leichter weggesteckt hätte, mit den Weihnachtsliedern und dem Drachen-Gemotze im Kopf, schlafe ich lächelnd ein. Was für eine wunderbare Vorweihnachtszeit. Ich liebe meinen Job.


Sonntag, 11. Dezember 2016

305. Akt

Der gestrige Abend steckt mir noch in den Knochen. Die Lesung im Modepark Röther in Mühldorf ist klein, fein, sarkastisch und genial. Manch einer mag glauben, dass Veranstaltungen mit „nur" fünfundzwanzig Teilnehmern wischiwaschi sind. Aber da kennt man die Mühldorfer schlecht. Keiner von den Gästen erwartet bei dem Titel „33 Grausamkeiten“ Essays von Rosamund Pilcher. Niemanden muss ich erst sanft auf die fiesen Geschichten vorbereiten. Schwarzer Humor gehört hier offenbar zur Grundeinstellung. Ich kann gleich Vollgas geben. Mühldorf macht ordentlich Punkte in Sachen Spaß.
Ein bisschen eigenartig ist es ja schon, sich inmitten von schnieken Fummeln und aktueller Wintermode aufs Lesen zu konzentrieren. Aber nach zwei Prosecco bin ich ganz bei der Sache.
Zur Abwechslung lese ich sogar abwechselnd aus Teil I und II und schrecke auch vor den richtig bösen Geschichten nicht zurück. Sensibelchen sind nicht im Publikum. Keiner verlässt seinen Platz oder fragt nach einem Eimer. Blöderweise verzichte ich zugunsten des Prosecco quasi vollständig auf antialkoholische Getränke, und nach der Lesung feiern wir noch in kleiner Runde ein bisschen weiter. Ich bin in der Stimmung noch alle schönen Klamotten um mich herum anzuprobieren. So völlig ohne andere Kundschaft, ist das bestimmt genau so cool, wie eine Nacht im IKEA. Nur ich und ein Inbusschlüssel. Ich lasse das mit dem Anprobieren aber sein. In meiner Verfassung kriege ich die Sachen vermutlich gar nicht vom Bügel.
Das Ergebnis ist, dass ich heute morgen mit einem ausgesprochen anhänglichen Mordskater und einem breiten Grinsen aufwache. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte er ausgiebigen, mehrfachen und heftigen Kontakt mit einer Abrissbirne gehabt, und dennoch muss ich bei dem Gedanken an gestern Abend kichern. Was für ein geiles Publikum? Eine Freundin von mir hatte ihre Teilnahme zugesagt. Eine ausgesprochen kreative Frau. Und weil Barbara dann leider erkrankte, mich aber nicht ohne einen „personellen Ausgleich“ sitzen lassen wollte, schickte sie ihren Vater und ihren Mann zur Lesung. Letzteren integrierte ich gleich mal namenstechnisch in eine meiner Geschichten. Was haben wir gelacht, als der Hauptprotagonist in „Der Spanner“ nicht mehr Hermann sondern Herbert hieß. Da entwickelt man gleich völlig neue Ansichten.
Die Heimfahrt habe ich sicherheitshalber vertagt. Das was als Restalkohol in meiner Blutbahn rumschwirrt, wird mich nicht in mein Bettchen, sondern bestenfalls vor den nächsten Baum bringen. Ich nutze das gute Wetter und laufe noch ein bisschen am Inn entlang. Kopfweh, Übelkeit und dennoch das Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Cool. Ich muss mir die Prosecco - Marke merken. Und eins ist klar. Sobald das nächste Buch fertig ist, schlage ich hier wieder auf. Dann halte ich mich allerdings ein bisschen mehr an Wasser und Apfelschorle. Und eins ist sicher. Dann probiere ich mich – wenn alle mit den Büchern abgelenkt sind – einmal quer durchs Sortiment. Ja. Genau. Das mach ich dann.



Freitag, 9. Dezember 2016

304. Akt

Ich bin mit meinem Sohn in einem Restaurant. Es ist mittelvoll. Der Tisch zur Linken ist leer. Am Tisch zur Rechten sitzt eine Familie. Die jüngere Frau ist bestenfalls Mitte dreißig. Der dazugehörige Mann ebenfalls. Und dann noch ein älteres Paar. Könnten ihre Eltern sein, aber wer weiß? Vielleicht sind es auch bloß die Nachbarn. Die Leute unterhalten sich nett und plötzlich scheint die jüngere der beiden Frauen zu merken, dass etwas fehlt. Sie schaut sich um. Dann ruft sie laut:
Ilja Hanko Ronaldo!“
Oha... Das klingt spannend. Ein Junge kommt angetrabt. Er ist vielleicht acht oder neun Jahre alt. Könnte Ilja sein. Ich warte auf Hanko und Ronaldo. Aber es bleibt bei einem Kind. Der Junge ist blass, trägt eine dünnrandige Brille und einen Teller mit Wackelpudding.
Ich lehne mich in meiner subtilen Neugier ein wenig nach rechts, um zu lauschen. Mein Sohn fragt, ob mir schlecht sei. Wegen dieser eigenartigen Haltung. Aber ich grinse nur. Wann immer die Familie das Wort an den Jungen richtet, sagt sie den vollen Namen. Ich bin davon überzeugt, dass es sich bei Ilja Hanko Ronaldo um einen echt super Junge handelt. Allerdings bin ich noch viel doller davon überzeugt, dass er es nicht unbedingt leicht haben wird. Egal, ob er irgendwann mal beim Tengelmann an der Kasse sitzt oder als Chef eines Transportunternehmens seine Mitarbeiter rund macht. Wer Ilja Hanko Ronaldo heißt und auch noch mit vollem Namen gerufen wird, der wird sich ein dickes Fell zulegen müssen. Als mein Sohn und ich das Restaurant verlassen, möchte ich dem Jungen gerne auf die Schulter klopfen und sagen: „Hey Hank, deine Eltern fanden den Namen toll. Und, du wirst es nicht glauben, aber sie lieben dich trotzdem.“
Aber ich lasse es sein. Vielleicht findet er meinen Namen ja auch beknackt. Und es gibt wichtigeres, als eigenartige Rufnamenskombinationen. Sie hätte ihn ja auch Hulk-Lilifee-Pumuckl nennen können. Das wäre doch deutlich schlimmer. Obwohl? Nee, Ilja Hanko Ronaldo reicht völlig.

Donnerstag, 8. Dezember 2016

303. Akt   

Uihhhhh! Ein Paket. In der Regel mag ich Pakete. Hat ja immer was Überraschendes. Da die Wahrscheinlichkeit aber hoch ist, dass ich es selber bestellt habe, mache ich keinen aufgeregten Freudentanz um den Karton. Es ist eine mittelkleine Schachtel. Schuhe? Nee! Da habe ich nix bestellt. Einen Moment überlege ich, ob ich zum schnellen Öffnen ein Messer zu Hilfe nehmen soll, aber das Klebeband lässt sich auch prima so lösen.
Und, ei, da bin ich aber froh, dass ich nicht zum Schneidewerkzeug gegriffen habe, denn im Karton befindet sich der Gymnastikball, den ich für meine Mutter angefordert habe. Fünfundsechzig Zentimeter Durchmesser. Also im vollständig aufgeblasenen Zustand. Im Moment sieht es eher aus wie eine türkisfarbene Plazenta. Wochen nach der Entbindung. Die kleine Fußpumpe, die mit im Paket ist, soll mir helfen, den Ball aufzupumpen. Das wird easy. Um vorab zu checken, ob der Ball auch komplett befüllt in ihr Auto passt, gehe ich mit einem Zollstock in meine Garage. Fünfundsechzig Zentimeter passen locker auf die Rückbank. Bei ihr sicher auch. Da werden sich Opel und Mercedes nicht so gravierend unterscheiden.
Ich gehe wieder ins Haus und versuche die Pumpe in die entsprechende Öffnung zu rammen. Das funktioniert. Aber dann löst sich blöderweise der Schlauch vom Fußpumpenteil. Tja... ich grüble und greife dann nach einer Tube Sekundenkleber. Das Problem zwischen Fußpumpe und Schlauch ist somit behoben. Das kleine Stück Plastik, das aus dem Ball unters Sofa gekullert ist, soll mir erstmal wurscht sein. Ich nehme mir mal fünf Minütchen und blase den schnieken Gummiball auf.
Dreißig Minuten später schwitze ich wie ein Elch und kann erst eine grobe Ballform erkennen. So kann ich ihr das Teil nicht geben.
Hier Mutti, dein Gymnastikball. Ist die neue no-air-Variante. Viel Spaß damit.“
Nee, das geht nicht.
Also pumpe ich weiter. Duschen gehen wollte ich später sowieso. Ständig rutscht mir die Düse aus dem Loch und ich muss es mit dem Finger zuhalten. Wo verflixt nochmal, ist eigentlich der Stöpsel???
Mir schwant übles. Mit der Hand an Ball und Düse und dem Fuß auf der Pumpe beuge ich mich ein wenig hinab. Äh, ja. Das, was mir vorhin unters Sofa gerollt ist, scheint er zu sein. Und was jetzt? Ich nehme den Fuß von der Pumpe und beuge mich weiter hinab. Es klingelt an der Tür. Nein. Bitte nicht jetzt. Es klingelt wieder. Muss wichtig sein. Ich lasse den Ball Ball sein, löse den Griff und höre bei meinem Sprint zur Tür ein fröhliches PFFFFF hinter mir.
Draußen stehen zwei Damen. Zeugen Jehova. Ich lächle ein bisschen zerknirscht und sage, dass ich heute keine Zeit habe. Normalerweise plausche ich an der Tür noch zwei Minuten. Egal ob Zeugen Jehova, BoFrost-Mann oder Obstbauer. Dieses Mal fällt die Tür aber schon nach zehn Sekunden ins Schloss.

Zurück im Wohnzimmer finde ich wieder die türkisgrüne Plazenta im Ursprungszustand. Es ist zum …. Aaaaarghhhh.... Okay, Fußpumpe gerichtet, kurz unters Sofa gekrabbelt, um den Stöpsel rechtzeitig zur Hand zu haben und los geht’s. Ich rödel auf dem gelb-blauen-Plastikpumpen-Teil rum wie ein Berserker. Glücklicherweise habe ich den Plastikball in der berstsicheren Variante erstanden. So kann mir das Ding wenigstens nicht um die Ohren fliegen, wenn ich mit meiner seichten Aggression nun übers Ziel hinausschieße. Und wehe, er passt dann doch nicht in Muttis Auto und sie lässt die Luft raus. Dann kann sie die Pumpe gleich mitnehmen. Aber den Stöpsel den lass ich hier. 

Mittwoch, 7. Dezember 2016

302. Akt

Manche Dinge macht man sich durch übermäßigen und unkontrollierten Genuss selbst kaputt. Ich meine jetzt nicht das unkontrollierte Verspeisen von Dominosteinen nach 22 Uhr. Damit kann ich leben. Es ist vielmehr das Schockverlieben in Lieder. Musikstücke die es schaffen, mir auf Anhieb, manchmal nur kurzfristig, und manchmal über Monate hinweg, den Teppich unter den Füßen fortzuziehen. Zum Tanzen, Chillen oder einfach nur aus dem Fenster Grinsen. Und dann passiert es wieder. Ich kriege es einfach nicht in den Griff, und an eine angemessene Dosierung ist überhaupt nicht zu denken.
Ich höre Lieder, die ich mag, quasi bis zum Erbrechen. Es gibt was Neues, Wiederentdecktes oder Empfohlenes in der Musik? Schon läuft es bei mir in Dauerschleife. Erst kürzlich wieder geschehen mit dem armen Bruno Mars. Sein 24 K Magic wird mein Einpeitscher-Lied für alles. Ich wache damit auf und schlafe damit ein. Zelebriere dazu meinen Staubwischtanz quer durchs Wohnzimmer und koche für die Kinder. Wo andere sich verbotene Substanzen durch die Nase ziehen, brauche ich nix als ordentliche Kopfhörer und das Lied meiner Wahl.Vor allem bei Lesungen höre ich den Song in voller Lautstärke über Kopfhörer, bevor ich mich in meinem roten Fummel hinter mein rotes Buch setze. Da ist es auch völlig wurscht, ob ich vorher noch hustend am Boden krieche und eine Stunde später mit 39, 3 Grad über meiner Pizza in den Käse hechle. Die richtige Musik bringt mich auf den Punkt in Stimmung. Und dann kommt der Morgen, an dem man aufwacht und pulsmäßig tut sich nichts mehr. Weder bei den ersten Tönen noch beim Refrain. Alles klingt schal. Die Liebe ist verblasst. Pharrell Williams hatte das selbe Problem mit mir, als es um seinen Song „Happy“ ging. Anfangs habe ich dabei Bestzeiten auf meinem Laufband erzielt und nach einigen Wochen zog noch nicht mal mehr der Tee richtig durch, wenn das Lied lief.
Ich kann halt nicht haushalten. Noch nicht mal beim Konsum von Musik.

Glücklicherweise haben die Produzenten immer wieder frische Ideen. Und mein untergeordnetes Langzeitgedächtnis tut sein übriges. Nach ein paar Jahren tauchen die Stücke nämlich als Oldies wieder aus der Versenkung auf. Und dann habe ich wieder Freude dran. So zum Beispiel mit dem Lied „It´s magic“ von den Fenders. Im Moment wuschelt mich das einfach herrlich auf. Und ich habe mir fest vorgenommen, es nicht wieder bis zur Übersättigung zu hören. Obwohl? Ein-, zweimal geht sicher noch.     

Dienstag, 6. Dezember 2016

301. Akt

Über Geschmack lässt sich streiten, heißt es. Ich bin der Meinung, dass gerade Geschmack etwas ist, über das man sich im besten Fall köstlich amüsieren kann. Für einen Streit braucht es da schon ein bisschen mehr.
All diese herrlichen Ungleichheiten machen doch das Leben erst richtig bunt und lustig. Vor allem dann, wenn irgendetwas damit angestrebt wird. Zum Beispiel Coolness.
Ab wann ist cool wirklich cool und ab wann bloß noch Anlass zur Erheiterung? Ein freches Grinsen, ein durch die Haare fahren und auch ein lässiger Gang, haben etwas. Nicht immer, aber jaja, doch doch, manchmal wirkt das richtig sexy. Wenn jemand natürlich permanent mit der Hand durch´s lichter werdende Haupthaar streicht und dabei schaut, wie ein Zweitklässler, der der Lehrerin ein Furzkissen auf den Stuhl gelegt hat, wirkt das Ganze schön völlig anders. Das ist dann wirklich nicht unbedingt cool. Aber das mit dem Fremdschämen geht noch ein bisschen weiter.
Ich laufe durch die Stadt, auf der Suche nach ein paar Weihnachtsgeschenken für Leute, denen ich eigentlich nix schenken wollte. So ist es jedenfalls abgesprochen. Spaßig, wenn man die selben Leute trifft, die sich – so wie ich – über dieses eherne Gebot hinwegsetzen, weil die Schenkerei dann doch wieder Spaß macht. Und während ich so laufe, sehe ich einen Mann im besten Alter. Sein Gang wirkt ein bisschen so, als hätte er Schamhaar-Extensions bis zum Knie. Die dauergewellte und toupierte Version. Und das bei einer Hose, die ihm locker zwei Nummern zu eng ist. Das schwarz gefärbte Haar hätte ihm in grau besser gestanden, und die Veneers blinken wie Keramikteller. Auf jedem Zahn. Er läuft, bleibt stehen und macht eine Art dezente Pose. Ich schaue mich um und suche eine Kamera. Aber da ist keine. Als er an mir vorbeiläuft, scheint mein etwas irritierter Blick ihn zu bestätigen. Er bleibt kurz stehen, zwinkert mir zu und sagt etwas in der Art „Hallo Honey.“ Dabei stemmt er beide Hände in die etwas wellige Taille und spreizt das rechte Bein nach außen.
Ich nicke nur und gehe dann mit sanft fassungslosem Blick weiter.
Chance vertan.“ ruft er mir nach. Und mir ist klar, dass ich selten eine Chance so gerne vertan habe, wie diese.
Der Typ will allen Ernstes cool sein. Aber alles was er ist, ist bloß und ausschließlich lächerlich.
Cool ist authentisch. Egal, ob Rolli mit Pullunder oder Spitzenbluse zum Lederrock. Cool ist nicht „Hallo Honey.“ mit einem Outfit, das schreit, „Ich will alles sein, bloß nicht der, der ich bin.“
Nein, das ist nicht cool. Ganz bestimmt nicht.


Montag, 5. Dezember 2016

300. Akt

Yeah!!! Catwalk-time again!! Das heißt, ich lauf mal wieder eine Modenschau. Mit dabei, meine Freundin Romy und einige andere tolle Frauen. Veranstalterin ist Hosana Charmite. Brasilianerin, Mutter und tolle Frau mit mehr Feuer im Hintern, als global zum Jahreswechsel in den Himmel geschossen wird. Ein Arbeitstier, das keine großen Worte für kleine Taten schwingt.
Hundertmal habe ich von Frauen gehört, die damit überfordert sind, montags zum Friseur, mittwochs zur Maniküre und freitags zum Flachlegen des Tennislehrers anzutreten. 
Hier ist das anders. Hosana steht mit staubigen Händen und einem breiten Lächeln in ihrem Laden, der das Schmuckstück der Innenstadt werden wird.
Als sie mich vor ein paar Tagen fragt, ob ich bei ihrer Show mitlaufe, zögere ich keine Sekunde. (Ich muss gestehen, dass ich anfangs dachte, es wäre eine kleine niedliche Boutique am Stadtrand. Es war mir egal.) Ich sehe die Möglichkeit sie zu unterstützen, und da muss sie mich nicht zweimal fragen. Als ich dann mitbekomme, was meine Freundin auf die Beine gestellt hat, haut es mich förmlich um. Nix, kleine Schnickschnack-Boutique mit zwei gestressten Halbtagsverkäuferinnen. Stattdessen Mode, Beauty, Haare, Café und gute Laune auf drei Ebenen. Ich kriege mich überhaupt nicht mehr ein. Menschen, die mich nicht kennen, würden meine Reaktion als sanft hysterisch beschreiben. Aber das ist so nicht richtig. Ich bin schlichtweg zum Umfallen begeistert. Über alles. Die Klamotten, das Ambiente, einfach alles. Bei der Anprobe kaufe ich ihr – trotz selbst auferlegter pre-Weihnachts-Einkaufssperre - gleich eines der vorzuführenden Kleider aus der Hand.
Bei der Show sind wir zu elft. Plus drei bezaubernde brasilianische Kinder und Romys süßer Tochter Sarah.
Die Räume sind rappelvoll. Alle wollen dabei sein.
Wir laufen von oben durch das Treppenhaus und rauschen nach dem Kleiderwechsel von unten mit dem Lift wieder hoch, um dann erneut vor´s Publikum zu treten. Die ganze, lang angekündigte Choreographie weicht einem geschmeidigen non-Choreo-Walk. Aber wir haben Spaß. 
Der Lift kommt nicht? Wurscht! Wir haben Spaß. 
Der Reißverschluss vom Dirndl entschließt sich in die falsche Richtung zu öffnen? Macht nix. Wir haben Spaß! 
Zusätzlich wirbelt mein Kumpel Chriz Bauer in der Küche, um Platten mit Häppchen zu richten, die in Optik, Geschmack und Sinnlichkeit, das gesamte Sexleben einer mittleren Kleinstadt ersetzen können. Der Titel seines Unternehmens heißt „Fashion on a plate“. Meines Erachtens ein klares Understatement. Nach gefühlten drei Tabletts von Lachtartar-Röllchen und mit Trüffeln dekorierten kleinen Kunstwerken, bin ich froh, ihm nicht so oft zu verfallen. Ich müsste jede Saison meine Kleidergröße wechseln. Immer aufwärts. Mit einem trüffeligem Grinsen im Gesicht.
Als wir beim letzten Walk alle als Bräute unten stehen bleiben, um die Designerin und Store-Chefin Hosana Charmite zu feiern, kommt sie mit Tränen in den Augen zu uns und ist stolz, dankbar und bewegt.
Und auch ich könnte platzen vor Stolz. Diese Frau hat ohne zu nörgeln, zu jammern oder große Ankündigungen zu machen, meinen neuen Lieblingsladen aus dem Boden gestampft.

Ich ziehe mich wieder um und verschwinde mit einem weiteren Tablett mit kulinarischen Verführungen in der Speisekammer. Mann, mann, mann... Während ich mir Häppchen um Häppchen reinpfeife, wird mir wieder bewusst, was für großartige Dinge ich erleben darf. Und dann finde ich auch noch eine Flasche Bellini im Eck. Hach, das Leben kann einfach schön sein.

Samstag, 3. Dezember 2016

299. Akt 

Ich brauche eine Hose. Nicht für mich. Kind 1.0 braucht ein neues Beinkleid. Und da er schon allein beim Wort „Shoppen“ Ausschlag kriegt, habe ich ihm eine bestellt. Via Internet. Das Versandhaus gibt es schon ewig, bloß sind die dicken Kataloge mit den vier Buchstaben schon lange einem Online-Auftritt gewichen. Die Hose kommt an, wird probiert und als deutlich zu kurz befunden. Ich schaue nach, und ja, es wurde die falsche Länge geschickt. Also wieder ab in die Tüte mit der Hose und für den Rückversand klar gemacht. Um sicher zu gehen, dass als nächstes die richtige Hose ankommt, will ich noch schnell beim Versandhaus anrufen. Wenn schon so dick die Nummer vermerkt ist, dann werde ich halt über Gebühr kommunikativ. Es klingelt und innerhalb von wenigen Sekunden wird mein Anruf entgegengenommen. Ein Mann ist dran und ab dann wird es skurril.
Hallo hier ist Roberto Dingenskirchen, Sie sprechen mit dem Kundenservice des Tralala-Versands. Vielen, vielen Dank, dass sie den Kundenservice des Tralala-Versands anrufen, welchen Wunsch darf ich Ihnen erfüllen?“
Reflexartig kommen mir ein paar monitär erwerbliche und eine Hand voll unaussprechlicher Wünsche in den Sinn. Ich kann mich aber gerade noch zusammen reißen. Wäre ja noch schöner. Wir kennen uns ja gar nicht.
Seine unterwürfige Stimme hat ein südländisches Timbre und seine Worte eine leicht schwäbische Tendenz. Ich unterdrücke einen Lachkrampf.
Wenn ich eine schmutzige Phantasie hätte, würde ich ihm unterstellen, nachts, nach seinem Dienst im Callcenter, einen ähnlichen Spruch am Tresen einer Disko zu flöten. So wie er klingt, ist er vielleicht gar kein schlechter Wünscheerfüller. Vielleicht gehen aber gerade bloß meine Gedanken mit mir durch. Ich nenne den Reklamationsgrund. Die bestellte Hose wurde in der falschen Größe geliefert. Er klingt zerknirscht und bedauert den Vorfall so intensiv, als hätte er meine nicht vorhandene Katze überfahren. Zwei mal.
Es macht fast den Eindruck, als hätte er die Hose persönlich falsch eingetütet und rollt sich nun in Scham über seinen gravierenden Fehler auf dem staubigen Callcenter-Boden.
Er versichert, die Sache wieder gut zu machen. Und vermutlich wird er gleich aufstehen, gemeinsam mit seinem Vorgesetzten und unter Aufsicht der Firmenleitung die richtige Hose aus dem Regallager ziehen und mit Verzeih-mir-Aufklebern in die Tüte packen.
Ich muss mich zusammenreißen, nicht schallend zu lachen. Er klingt einerseits wie ein stolzer Spanier. Rassig und kraftvoll. Und andererseits ist der Inhalt seiner Worte derart devot, dass jeder Frau mit dominanter Ader vor Aufregung kollabiert.
Glücklicherweise nimmt er mein Kichern nicht zur Kenntnis und nimmt die Größenkorrektur am Computer vor. Zwischendurch streut er nach wie vor ein „Wie konnte das passieren“ oder „Das tut mir schrecklich leid“ ein.
Ich bestätige die neue Bestellung und den Rückversand der falschen Hose. Dann lege ich auf und kicher noch ein wenig. Wie viel lieber ist mir eine Verkäuferin im Laden, die mir ein Kleidungsstück in die Hand drückt und auf Wunsch eine andere Größe bringt. Aber Roberto, nix für ungut. Zur Not klappt es auch mit einer Telefon-Hotline für andere Zwecke. Talent hast du auf jeden Fall. Garantiert!


Freitag, 2. Dezember 2016

298. Akt

Ich besuche eine wahrhaft alte Freundin bei uns im Pflegeheim und begegne auf dem Weg Frau A.
Eine alte Dame. Eigentlich. Aber genau genommen eines der schärfsten Geschosse, die ich kenne. 94 Jahre alt und trotz der vielen Jahre immer noch geschmeidig unterwegs. Rollkragenpullover zur Schiebermütze. Cordrock zu ellbogenlangen Handschuhen. Jeden Tag läuft sie ihre Runden und wenn man sie auf ihre tolle Erscheinung anspricht, dann sagt sie, dass sie noch viel Zeit hätte zum alt werden. Und bis dahin bleibt sie eben jung, bringt ihre Rente unters Volk und hat dabei die immer ein breites Lächeln im Gesicht. Sie sagt, sie hätte im Krieg ihren Bruder verloren, an dem sie sehr hing. Und sie ist sauer, dass sie diese offene Rechnung nicht mit körperlicher Gewalt ihrerseits bei den Verantwortlichen begleichen kann. Wenn ihre Augen dabei wütend funkeln, bin ich froh, dass ich selbst mit ihr keine Rechnung offen habe. 94 Jahre hin Rollator her, die Dame hat noch jede Menge Feuer. Viele Menschen sind schon mit Mitte dreißig älter als Frau A. Sie sagt, sie ist fit und sollte sie mal dement werden, dann klebt sie sich Glitzeraufkleber auf den Rollator. Dann ist sie eben die etwas eigenartige Frau mit dem Glamour-Touch. Aber das hat auch noch Zeit. Und dann geht sie federnden Schrittes in den Tengelmann und kauft sich neuen Nagellack. . Wenn mancher im Erwachsenenalter bloß einen Hauch dieser Frau hätte, dann wäre die Welt ein bisschen bunter. Und sie hätte ordentlich Glitzer an entscheidenden Stellen.


Donnerstag, 1. Dezember 2016

297. Akt

Mein Laufband schmollt. Eindeutig. Es kann mir einfach meine trainingsfreie Zeit in den letzten Monaten nicht vergeben. Aber wie soll ich diesem blöden Teil Knieprobleme und Grippe erklären? Eben. Gar nicht!
Seit ein paar Tagen trainiere ich nun wieder eifrig und das Laufband macht eigenartige Geräusche. Immer wenn man die Steigung verstellt, klingt es, als wolle es im vorderen Bereich auseinander fallen.
Außerdem spüre ich deutlich, dass die eingestellten 7 km/h variieren. Es sind sicher mal nur 6 und dann – ganz plötzlich und kurz – mindestens 8 km/h. Bisher halte ich mich wacker. Ich bin weder hinten ins Bücherregal gesaust, als es kurz und heftig hochgeschaltet hat, noch hat es mich über die vorderen Haltegriffe katapultiert, wenn es keine rechte Lust mehr hatte.
Ich spreche schon wohlwollend zu dem Ding, wenn ich mit dem Training anfange, aber helfen tut es nix.
Technische Geräte und ich hatten schon immer ein gestörtes Verhältnis. Noch während meines Studiums hasste ich Auseinandersetzungen mit meinem - im Vergleich zu heute - antiken Computer. Befehle schreiben war nicht so meins. Mein Informatikprofessor bat mich, meine Arbeiten behalten zu dürfen, weil kein anderer Student in der Computersprache die Worte Bitte und Danke verwendete. Und so ist es heute noch. Ich spreche mit meinem Auto, meinem Radiowecker und meinem Mixer. Also nur, wenn es keiner mitkriegt natürlich.

Und während ich nun über einen technischen Therapeuten philosophiere, wird mir von Tochterkind ganz banal der Wartungsdienst von Technogym nahe gelegt. Ja, okay, wenn man es sich einfach machen will, dann kann man dort natürlich anrufen. Aber bis ich mich dazu aufraffe, tragen mein Laufband und ich unsere Differenzen noch unter uns im Keller aus. Obwohl? Wie war noch gleich die Nummer?