306. Akt
Während mein Körper nach
Entgiftung und Schlaf schreit, ruft mein Verantwortungsbewusstsein,
dass ich heute Abend noch was zu tun habe. Der Kammerchor Cantus ad
libitum hat ein Konzert. Meine Tochter gehört dazu und ich
fotografiere die Veranstaltung. So wie fast jedes Mal.
Vor ein paar Wochen habe ich den Chor
mal versehentlich als Corpus et libido bezeichnet. Tochterkind hat
ganz entsetzt geschaut. Tja, mein Lateinunterricht ist eben viel
länger her als ihrer. Da macht man halt mal Fehler.
In einem älteren
Blog habe ich mal geschrieben, als was für ein Megaschnittchen der
Chorleiter bezeichnet wird und was für eine spürbare Leidenschaft er für die Musik hat. Darauf werde ich künftig verzichten. Alles, was verstanden wurde, ist "Megaschnittchen" und "Leidenschaft". Zu groß ist meine Sorge, dass irgendwelche Leserinnen versuchen, sich mit Klampfe in der Hand werbend unter
seinem Schlafzimmerfenster zu versammeln. Wenn das eskaliert, möchte ich dafür nicht
verantwortlich sein.
Also sitze ich mit der Kamera in
der Kirche und mache Fotos vom Konzert.. Die Stimmung ist gut und die
Musik weihnachtlich wunderbar. Gänzlich unbesinnlich ist bloß der
kleine Dorfdrachen in der Bank hinter mir. Sie beschwert sich über
das Klicken meiner Kamera. Was soll´s? Leiser klicken kann ich
nicht. Und malen kann ich die Bilder auch nicht. Sie motzt so lange, bis sich zwei anderen Gäste über ihr Gemotze beschweren. Ätsch! so kann´s gehen.
Drei Stunden später liege ich
im Bett. Der Mordskater vom Vortag hat sich auf Plüschkatzengröße
relativiert, aber die Erinnerung an die letzten Stunden lässt mich
immer noch fröhlich grinsen. Wenn sich in vierundzwanzig Stunden
eine Lesung, ein Drift hinter die übliche Promillegrenze und ein
Adventskonzert inklusive Dorfdrachen und Megaschnittchen staut, dann
stoße ich an meine Grenzen. In dem Bewusstsein, dass ich solche Tage
früher leichter weggesteckt hätte, mit den Weihnachtsliedern und
dem Drachen-Gemotze im Kopf, schlafe ich lächelnd ein. Was für eine
wunderbare Vorweihnachtszeit. Ich liebe meinen Job.
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