304. Akt
Ich
bin mit meinem Sohn in einem Restaurant. Es ist mittelvoll. Der Tisch
zur Linken ist leer. Am Tisch zur Rechten sitzt eine Familie. Die
jüngere Frau ist bestenfalls Mitte dreißig. Der dazugehörige Mann
ebenfalls. Und dann noch ein älteres Paar. Könnten ihre Eltern
sein, aber wer weiß? Vielleicht sind es auch bloß die Nachbarn. Die
Leute unterhalten sich nett und plötzlich scheint die jüngere der
beiden Frauen zu merken, dass etwas fehlt. Sie schaut sich um. Dann
ruft sie laut:
„Ilja
Hanko Ronaldo!“
Oha...
Das klingt spannend. Ein Junge kommt angetrabt. Er ist vielleicht
acht oder neun Jahre alt. Könnte Ilja sein. Ich warte auf
Hanko und Ronaldo. Aber es bleibt bei einem Kind. Der Junge ist
blass, trägt eine dünnrandige Brille und einen Teller mit
Wackelpudding.
Ich lehne mich in meiner
subtilen Neugier ein wenig nach rechts, um zu lauschen. Mein Sohn
fragt, ob mir schlecht sei. Wegen dieser eigenartigen Haltung. Aber
ich grinse nur. Wann immer die Familie das Wort an den Jungen
richtet, sagt sie den vollen Namen. Ich bin davon überzeugt, dass es
sich bei Ilja Hanko Ronaldo um einen echt super Junge handelt.
Allerdings bin ich noch viel doller davon überzeugt, dass er es
nicht unbedingt leicht haben wird. Egal, ob er irgendwann mal beim
Tengelmann an der Kasse sitzt oder als Chef eines
Transportunternehmens seine Mitarbeiter rund macht. Wer Ilja Hanko
Ronaldo heißt und auch noch mit vollem Namen gerufen wird, der wird
sich ein dickes Fell zulegen müssen. Als mein Sohn und ich das
Restaurant verlassen, möchte ich dem Jungen gerne auf die Schulter
klopfen und sagen: „Hey Hank, deine Eltern fanden den Namen toll.
Und, du wirst es nicht glauben, aber sie lieben dich trotzdem.“
Aber ich lasse es sein.
Vielleicht findet er meinen Namen ja auch beknackt. Und es gibt
wichtigeres, als eigenartige Rufnamenskombinationen. Sie hätte ihn
ja auch Hulk-Lilifee-Pumuckl nennen können. Das wäre doch deutlich
schlimmer. Obwohl? Nee, Ilja Hanko Ronaldo reicht völlig.
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