Freitag, 9. Dezember 2016

304. Akt

Ich bin mit meinem Sohn in einem Restaurant. Es ist mittelvoll. Der Tisch zur Linken ist leer. Am Tisch zur Rechten sitzt eine Familie. Die jüngere Frau ist bestenfalls Mitte dreißig. Der dazugehörige Mann ebenfalls. Und dann noch ein älteres Paar. Könnten ihre Eltern sein, aber wer weiß? Vielleicht sind es auch bloß die Nachbarn. Die Leute unterhalten sich nett und plötzlich scheint die jüngere der beiden Frauen zu merken, dass etwas fehlt. Sie schaut sich um. Dann ruft sie laut:
Ilja Hanko Ronaldo!“
Oha... Das klingt spannend. Ein Junge kommt angetrabt. Er ist vielleicht acht oder neun Jahre alt. Könnte Ilja sein. Ich warte auf Hanko und Ronaldo. Aber es bleibt bei einem Kind. Der Junge ist blass, trägt eine dünnrandige Brille und einen Teller mit Wackelpudding.
Ich lehne mich in meiner subtilen Neugier ein wenig nach rechts, um zu lauschen. Mein Sohn fragt, ob mir schlecht sei. Wegen dieser eigenartigen Haltung. Aber ich grinse nur. Wann immer die Familie das Wort an den Jungen richtet, sagt sie den vollen Namen. Ich bin davon überzeugt, dass es sich bei Ilja Hanko Ronaldo um einen echt super Junge handelt. Allerdings bin ich noch viel doller davon überzeugt, dass er es nicht unbedingt leicht haben wird. Egal, ob er irgendwann mal beim Tengelmann an der Kasse sitzt oder als Chef eines Transportunternehmens seine Mitarbeiter rund macht. Wer Ilja Hanko Ronaldo heißt und auch noch mit vollem Namen gerufen wird, der wird sich ein dickes Fell zulegen müssen. Als mein Sohn und ich das Restaurant verlassen, möchte ich dem Jungen gerne auf die Schulter klopfen und sagen: „Hey Hank, deine Eltern fanden den Namen toll. Und, du wirst es nicht glauben, aber sie lieben dich trotzdem.“
Aber ich lasse es sein. Vielleicht findet er meinen Namen ja auch beknackt. Und es gibt wichtigeres, als eigenartige Rufnamenskombinationen. Sie hätte ihn ja auch Hulk-Lilifee-Pumuckl nennen können. Das wäre doch deutlich schlimmer. Obwohl? Nee, Ilja Hanko Ronaldo reicht völlig.

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