Sonntag, 11. Dezember 2016

305. Akt

Der gestrige Abend steckt mir noch in den Knochen. Die Lesung im Modepark Röther in Mühldorf ist klein, fein, sarkastisch und genial. Manch einer mag glauben, dass Veranstaltungen mit „nur" fünfundzwanzig Teilnehmern wischiwaschi sind. Aber da kennt man die Mühldorfer schlecht. Keiner von den Gästen erwartet bei dem Titel „33 Grausamkeiten“ Essays von Rosamund Pilcher. Niemanden muss ich erst sanft auf die fiesen Geschichten vorbereiten. Schwarzer Humor gehört hier offenbar zur Grundeinstellung. Ich kann gleich Vollgas geben. Mühldorf macht ordentlich Punkte in Sachen Spaß.
Ein bisschen eigenartig ist es ja schon, sich inmitten von schnieken Fummeln und aktueller Wintermode aufs Lesen zu konzentrieren. Aber nach zwei Prosecco bin ich ganz bei der Sache.
Zur Abwechslung lese ich sogar abwechselnd aus Teil I und II und schrecke auch vor den richtig bösen Geschichten nicht zurück. Sensibelchen sind nicht im Publikum. Keiner verlässt seinen Platz oder fragt nach einem Eimer. Blöderweise verzichte ich zugunsten des Prosecco quasi vollständig auf antialkoholische Getränke, und nach der Lesung feiern wir noch in kleiner Runde ein bisschen weiter. Ich bin in der Stimmung noch alle schönen Klamotten um mich herum anzuprobieren. So völlig ohne andere Kundschaft, ist das bestimmt genau so cool, wie eine Nacht im IKEA. Nur ich und ein Inbusschlüssel. Ich lasse das mit dem Anprobieren aber sein. In meiner Verfassung kriege ich die Sachen vermutlich gar nicht vom Bügel.
Das Ergebnis ist, dass ich heute morgen mit einem ausgesprochen anhänglichen Mordskater und einem breiten Grinsen aufwache. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte er ausgiebigen, mehrfachen und heftigen Kontakt mit einer Abrissbirne gehabt, und dennoch muss ich bei dem Gedanken an gestern Abend kichern. Was für ein geiles Publikum? Eine Freundin von mir hatte ihre Teilnahme zugesagt. Eine ausgesprochen kreative Frau. Und weil Barbara dann leider erkrankte, mich aber nicht ohne einen „personellen Ausgleich“ sitzen lassen wollte, schickte sie ihren Vater und ihren Mann zur Lesung. Letzteren integrierte ich gleich mal namenstechnisch in eine meiner Geschichten. Was haben wir gelacht, als der Hauptprotagonist in „Der Spanner“ nicht mehr Hermann sondern Herbert hieß. Da entwickelt man gleich völlig neue Ansichten.
Die Heimfahrt habe ich sicherheitshalber vertagt. Das was als Restalkohol in meiner Blutbahn rumschwirrt, wird mich nicht in mein Bettchen, sondern bestenfalls vor den nächsten Baum bringen. Ich nutze das gute Wetter und laufe noch ein bisschen am Inn entlang. Kopfweh, Übelkeit und dennoch das Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Cool. Ich muss mir die Prosecco - Marke merken. Und eins ist klar. Sobald das nächste Buch fertig ist, schlage ich hier wieder auf. Dann halte ich mich allerdings ein bisschen mehr an Wasser und Apfelschorle. Und eins ist sicher. Dann probiere ich mich – wenn alle mit den Büchern abgelenkt sind – einmal quer durchs Sortiment. Ja. Genau. Das mach ich dann.



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