Dienstag, 27. Juni 2017

365. Akt

Ich fahre Rad. Nicht, dass ich damit die einzige bin, aber es ist verhältnismäßig selten, so dass ich immer gerne mal drauf hinweise.
Ich will nur schnell mal die zehn Kilometer zu meiner Freundin Anja nach Vaterstetten fahren. Also keine große Tour, die Radlerwäsche bedarf. Stattdessen bloß eine Jeansshort und ein T-Shirt. Schließlich hat es draußen etwas über dreißig Grad.
Ich radel los und bin guter Dinge. Bis sich mir wieder etwas bestätigt, was ich schon ein paarmal erlebt habe. Ein Anzugträger in einer dunkelgrauen S-Klasse fährt langsam ein bisschen neben mir her, hupt und winkt mir fröhlich zu, bevor er mir eine Kusshand zuwirft und einäugig blinzelt. Okay, vielleicht ist ihm durch das geöffnete Fenster auch bloß eine Fliege ins Auge geflogen und er hat gar nicht geblinzelt. Aber die Kusshand ließ wenig Interpretationsspielraum.
Als ich nicht reagiere hupt er erneut und fährt dann Vollgas davon.
Ja, ja, denke ich mir. Wenn zu niedrig eingestellte Klimaanlagen auf heiße Außentemperaturen treffen, dann verursacht das bei dem ein oder anderen einen kolossalen Hormon-Flash. Nicht weiter wild.
Ich radel weiter.
Nur zwei Kreuzungen später muss ich stehen bleiben. Rot gilt auch für Radler. Neben mir signalisiert ein LKW-Fahrer, wie toll er die rasante Bedienung seines Schaltgetriebes beherrscht. Offenbar hat er den raschen rauf und runter-Wechsel vom ersten in den zweiten Gang und zurück derart gut geübt, dass er es mir nun zeigen muss. Anders lässt sich diese Handbewegung kaum erklären.
Egal. Ich fahre weiter. Sind ja nur noch vier Kilometer.
Auf einer langen Geraden rollen dann zwei Jungs auf einer Vespa neben mir her. Sie tragen lustige Helme und sehen aus, als ob sie gerade die Mittlere Reife hinter sich haben. Als sie auch noch beginnen lustige Dinge zu sagen, weise ich sie darauf hin, dass ich alterstechnisch sicher ihre Mutter sein könnte. Dementsprechend verabschieden sie sich dann auch mit dem eigenartigen Kompliment „Traum-Milf“ von mir und sausen davon.
Ich schaue an mir herunter. Kann es sein, dass ich unterwegs mein T-Shirt verloren habe? Irre ich mich und ich fahre gar nicht in Shorts, sondern in Wäsche und mit Victorias Secrets Flügelchen auf dem Rücken durch die Botanik? Mache ich bei hohen Temperaturen irgendwelche obszönen, kreisenden Bewegungen mit der Zunge, um mich abzukühlen? Nee? Alles nicht.
Okay, dann muss es an der Strecke liegen. Denn so scharf ist mein klappriges, altes Kettler Fahrrad nun auch wieder nicht.


Montag, 26. Juni 2017

364. Akt 

An das Paar, das es auf der Flughafentoilette in der Kabine neben mir getrieben hat, als gäbe es kein Morgen mehr:

1. Die Trennwände sind - auch, wenn sie euch noch irgendwie standhalten - nicht aus Backstein oder Granit. Wenn ich müde mit dem Kopf an der Wand gelehnt hätte, wäre mir eine Gehirnerschütterung nicht erspart geblieben.

2. Die Akustik in öffentlichen Toiletten entspricht in etwa der einer gut beschallten Stadthalle in klein.

3. Die Kabine ist so winzig. Seid ihr Akrobaten? Schlangenmenschen? Humanes Tetris? Man kommt ja alleine kaum aus seiner Jacke raus. Vor allem, wenn einem der Trolley schon vor den Kniescheiben hängt.
Und zu guter Letzt:
Wie zum Teufel kann man noch erotische Gefühle bekommen, wenn man sich gegenseitig als geile Qualle und scharfes Bärchen bezeichnet?

Ich bin vor Lachen fast von der Schüssel gefallen.
Also nichts für ungut, aber ihr habt gerade mindestens vier Toilettenbenutzerinnen mit euren Sprüchen bespaßt und zu stillen Lachtränen gerührt. 
Wir wünschen euch einen guten Flug und künftig ein bisschen mehr Platz. Sonst werdet ihr noch orthopädische Notfälle. 


Dienstag, 20. Juni 2017

363. Akt

Wenn ich mal zu viel Zeit habe, und das passiert nicht oft, dann beschäftige ich mich gerne mal mit der Werbung. Das muss nicht immer sowas wie Parship sein, wo sich ein armseliger solitärer Single alle elf Minuten verliebt, das kann auch was gänzlich un-zwischenmenschliches sein. Heute war es zum Beispiel mal Zahnpasta.
Ich stehe im Drogeriemarkt und bin ein wenig irritiert.
Es gibt nicht nur verschiedene Zahnpasten in allen Farben, Geschmacksrichtungen und Tuben. Nein, es gibt auch noch ganz andere Unterschiede. Da ist nämlich zum einen die mit Kariesschutz, dann die mit wirksamen Kariesschutz und zum dritten die mit wirklich hochgradigem Kariesschutz.
Äh ja... Was soll das bedeuten? Klingt ein bisschen so, als sagte man: „Hier haben wir es bloß draufgeschrieben.“ versus „Hier haben wir es draufgeschrieben und es ist auch irgendwas drin, was helfen soll.“ versus „Hier ist voll echt Kariesschutz drin. Ich schwöre!!!!“
Übertragen wir das ganze mal auf Kondome.
Sollte dort auf einer Packung stehen „Qualitätskondome“, „echte Qualitätskondome" oder „Qualitätskondome mit geprüfter Sicherheit!“ (by the way möchte ich mir reelle, lebensnahe Tests gar nicht näher vorstellen), was dann?
Doch lieber ne Tüte vom Tengelmann drüberziehen? Also bei der ersten Variante? Weil sicher ist sicher und „Qualität“ kann ja in diesem Fall für den blanken Tragekomfort stehen.

Mich machen diese ganzen Steigerungen ein bisschen nervös. Aber was soll´s? Das hier ist ja zum Beispiel auch kein Qualitätsblog mit sicherheitsgeprüften Garantie-Stempel. Es sind bloß meine Gedanken aus dem Drogeriemarkt. Und die haben nun mal keine Sicherheitsstandards. 

Montag, 19. Juni 2017

362. Akt

Dem aufmerksamen Instagram-Verfolger meiner Person ist vermutlich schon meine neue Leidenschaft fürs Wandern aufgefallen. Bis ich in meinen Schuhen bin, schreit blöderweise noch ganz viel in mir „Hey, du hast ein cooles Laufband im Keller. Da gibt’s zwar keine Berge, aber klasse TV-Programm. Vorausgesetzt, es gibt klasse TV-Programm.“
Hartnäckig widersetze ich mich aber diesem Ausbremsmanöver meines inneren Schweinehundes und begebe mich auf neue Pfade. Die frische Luft, der Trainingseffekt und das ganze Grün tanken die Akkus auf, die ich beim Sitzen am Laptop immer wieder tiefen-entleere.
Und kaum bin ich unterwegs, kann mich nur noch wenig aufhalten. Um es auf den Punkt zu bringen, hält mich nur eines auf. Und das sind Kühe. Es ist mir wurscht, wie friedlich sie rechts und links am Wegesrand grasen, ich habe immer das Gefühl, dass sie sich völlig vorurteilend denken „So, wieder so ne Steak-Fresserin. Die mischen wir gleich mal ordentlich auf.“
Es klingt ja albern, und ja, es sieht auch albern aus, aber bevor ich da auf Tuchfühlung gehe, ziehe ich es vor, den Hang in der direkten Geraden zu nehmen. Egal, ob es sich anfühlt, als liefe ich gerade stumpf eine Hauswand hoch. Doof ist natürlich auch, wenn man glaubt, sich zur Not mal seitlich in die Büsche schlagen zu können, dann aber feststellt, man hat nur Menthol-Taschentücher dabei. Da bekommt die Blase des weiblichen Wanderers gleich mal eine unerwartete Herausforderung in Sachen Ausdauer.
Wenn man aber erstmal oben ist und beglückt ins Tal schaut, dann ist alles toll. Man hat´s geschafft. Ist ein bisschen erschöpft. Mampft seine Meerrettich-Frischkäse-Käse-Semmel mit einem breiten Grinsen im Gesicht und meint vor Freude das „Heidi“-Lied anstimmen oder zumindest eine Runde jodeln zu müssen.

Und wenn ich dann wieder runter ins Tal laufe, dann hält mich nichts mehr auf. Obwohl. Äh... dahinten sind Kühe. Ich muss woanders lang.    

Mittwoch, 7. Juni 2017

361. Akt

Yepp!!! Der Sommer steht derart unmittelbar vor der Tür, dass man kaum noch dran vorbei kommt. Und ebenfalls wahr: Bikinifiguren werden auch bei Nieselregen und sechzehn Grad gemacht. Ausreden bringen nichts, es sei denn man denkt sie sich beim Joggen aus.
Also nix wie rein in die Turnschuhe, mein retro-mega-vintage-quasi-antiken MP3 Player angestöpselt und husch husch, raus in Richtung See. Hin, zwei Runden rum und wieder zurück. Das ist der Plan. Also trab ich munter los.
Das letzte Stück bis zum See ist eine etwa achthundert Meter lange Gerade.
Und da seh sich sie auch schon. Knapp zweihundert Meter vor mir biegen sie auf. Ich ächze. Unsere Seniorengruppe, die sich ebenfalls in Richtung See in Bewegung setzt. Zirka fünfzehn Mann bzw. Frau stark und ausgestattet mit Hightech Nordic Walking Stöcken.
Das ist jetzt doof, denke ich mir. Selbst wenn ich nicht jogge, sondern nur sehr schnell gehe, werde ich gleich mein Headset aus den Ohren nehmen müssen, fünfzehn Mal „Guten Morgen!“ sagen und dabei unkoordiniert den Parcours durch die Nordic Walking Stöcke nehmen.
Hach, das ist doch wie eine Trecker Parade durch die Innenstadt. Nett anzusehen, aber sie hält einen auf.
Und so laufe ich weiter, höre meine Musik und bereite mich in Kürze auf die ersten Überholmanöver vor.
Nach drei Liedern fällt mir auf, dass die Gestalten mit den Stöcken noch keinen Meter näher bei mir sind. Ganz im Gegenteil. Die ersten zehn der Gruppe haben sich offensichtlich sogar ein bisschen abgesetzt.
Hallo??? Ich laufe so zügig, wie immer. Trainieren die jetzt auch nachts heimlich? Ich lege einen Gang zu. Mittlerweile haben wir den See erreicht. Vielmehr ich habe ihn erreicht. Die running Rentners sind schon das erste Viertel rum. Wieso hab ich Idiotin nicht einfach die andere Richtung eingeschlagen? Also entgegen dem Uhrzeigersinn. Dann würde mir jetzt nicht so deutlich klar werden, dass die walkenden Pensionäre mich eiskalt abgehängt haben. Bei der zweiten Runde dann kann ich endlich aufschließen und sogar überholen. Allerdings nur, weil die Herrschaften gerade in Höhe der Tischtennistische ausgiebig Dehnungsübungen machen.
Ich bin ein wenig demoralisiert. Klar finde ich es toll, wenn die hier so sportlich unterwegs sind. Allerdings würde der Gedanke, nicht in diese Gruppe aufgenommen werden zu können, weil ich schlichtweg zu langsam bin, mich nachhaltig frustrieren.
Als ich vorbeitrabe grüßen sie mich freundlich. Ja, klar. Wahrscheinlich feuern sie mich jetzt insgeheim an. Nach dem Motto „Sie schafft es hoffentlich noch bis nach Hause“.

Und eins ist mir klar, künftig werde ich mich noch häufiger umdrehen, wenn ich beim laufen bin. Es könnte sich ja ein Rudel olympischer Rentner von hinten nähern. Und unter diese spitzen Stöcke möchte ich nun garantiert nicht kommen.   

Donnerstag, 1. Juni 2017

360. Akt

Ich will einkaufen fahren. Auf dem Parkplatz hat einer so geschickt geparkt, dass sein Wagen mit beiden Hälften jeweils einen Parkplatz besetzt. Weiter in Richtung links steht ein Motorrad, so dass mir nix anderes übrig bleibt, als mich auch ungünstig hinzustellen. Ich werde quasi genötigt auf zwei Parkplätzen zu stehen. Ich steige aus, zucke mit den Schultern und rausche mit meinem großen Korb in Richtung Tengelmann. Als ich zurückkomme, ist auf beiden Seiten frei. Sowohl das Motorrad zur Linken als auch der Wagen rechts ist weg. Nur vor meinem Auto ist besetzt. Ein älterer Herr mit Dackel an der Leine sieht sich dazu befleißigt, mein geparktes Auto zu kritisieren. Vielmehr kritisiert er meine Fertigkeiten beim Einparken des Wagens. Sein Dackel knurrt mich an, als wäre er Hulk.
Ich überlege, welches Ende der Leine ich gerade unsympathischer finde und entscheide mich für das Menschliche.
Mein Wagen steht so, weil irgendein Vollpfosten vor mir (an dieser Stelle weise ich auf die Beifahrerseite) seinen Wagen entsprechend geparkt hat. Noch Fragen?“
Ja ja. Blöde Ausreden. Ihr Weiber könnt doch gar nicht richtig einparken!“
Ich denke: „Ähem.... könntest du mal kurz den Hund loslassen, damit er sich in Sicherheit bringen kann, wenn ich gleich das D und das R verwechsle, wenn ich losfahre?“
Ich sage:
...“ nichts!
Warum bin ich in manchen Situationen immer erst zehn Minuten später spontan? Natürlich werde ich ihn nicht überfahren. Der Wagen kommt ja gerade erst aus der Waschanlage. Mittelfinger zeigen? Nee, ist nicht mein Stil. Außerdem wird er dann auch noch die Farbe des Nagellacks kritisieren.
Kaum bin ich aus der Parklücke, fährt ein BMW X5 auf den freien Platz.
Er stellt sich: Tadaaaaa! Genau in die Mitte. Also wieder auf zwei Parkplätze. Und das, obwohl rechts und links alles frei ist. Ein junger Mann mit siebenundzwanzig-Tage-Bart springt raus und läuft dynamisch in Richtung Bank. Und der Dackel-Opa? Der zieht von dannen. Kein fieser Kommentar zum neuen Parkplatz-Terroristen. Kein Kopfschütteln. Kein gar nix!
Und dann wird mir klar warum. Es sind ja nur die Frauen, die lausig parken. Bei Männern läuft sowas dann unter kreativer Auto-Abstellung. Das hat Stil und weist auf Durchsetzungsvermögen und Stärke hin.

Oder halt auf Idioten.