361. Akt
Yepp!!!
Der Sommer steht derart unmittelbar vor der Tür, dass man kaum noch
dran vorbei kommt. Und ebenfalls wahr: Bikinifiguren werden auch bei
Nieselregen und sechzehn Grad gemacht. Ausreden bringen nichts, es
sei denn man denkt sie sich beim Joggen aus.
Also
nix wie rein in die Turnschuhe, mein retro-mega-vintage-quasi-antiken
MP3 Player angestöpselt und husch husch, raus in Richtung See. Hin,
zwei Runden rum und wieder zurück. Das ist der Plan. Also trab ich
munter los.
Das
letzte Stück bis zum See ist eine etwa achthundert Meter lange
Gerade.
Und
da seh sich sie auch schon. Knapp zweihundert Meter vor mir biegen
sie auf. Ich ächze. Unsere Seniorengruppe, die sich ebenfalls in
Richtung See in Bewegung setzt. Zirka fünfzehn Mann bzw. Frau stark
und ausgestattet mit Hightech Nordic Walking Stöcken.
Das
ist jetzt doof, denke ich mir. Selbst wenn ich nicht jogge, sondern
nur sehr schnell gehe, werde ich gleich mein Headset aus den Ohren
nehmen müssen, fünfzehn Mal „Guten Morgen!“ sagen und dabei
unkoordiniert den Parcours durch die Nordic Walking Stöcke nehmen.
Hach,
das ist doch wie eine Trecker Parade durch die Innenstadt. Nett
anzusehen, aber sie hält einen auf.
Und
so laufe ich weiter, höre meine Musik und bereite mich in Kürze auf
die ersten Überholmanöver vor.
Nach
drei Liedern fällt mir auf, dass die Gestalten mit den Stöcken noch
keinen Meter näher bei mir sind. Ganz im Gegenteil. Die ersten zehn
der Gruppe haben sich offensichtlich sogar ein bisschen abgesetzt.
Hallo???
Ich laufe so zügig, wie immer. Trainieren die jetzt auch nachts
heimlich? Ich lege einen Gang zu. Mittlerweile haben wir den See
erreicht. Vielmehr ich habe ihn erreicht. Die running Rentners sind
schon das erste Viertel rum. Wieso hab ich Idiotin nicht einfach die
andere Richtung eingeschlagen? Also entgegen dem Uhrzeigersinn. Dann
würde mir jetzt nicht so deutlich klar werden, dass die walkenden
Pensionäre mich eiskalt abgehängt haben. Bei der zweiten Runde dann
kann ich endlich aufschließen und sogar überholen. Allerdings nur,
weil die Herrschaften gerade in Höhe der Tischtennistische ausgiebig
Dehnungsübungen machen.
Ich
bin ein wenig demoralisiert. Klar finde ich es toll, wenn die hier so
sportlich unterwegs sind. Allerdings würde der Gedanke, nicht in
diese Gruppe aufgenommen werden zu können, weil ich schlichtweg zu
langsam bin, mich nachhaltig frustrieren.
Als
ich vorbeitrabe grüßen sie mich freundlich. Ja, klar.
Wahrscheinlich feuern sie mich jetzt insgeheim an. Nach dem Motto
„Sie schafft es hoffentlich noch bis nach Hause“.
Und
eins ist mir klar, künftig werde ich mich noch häufiger umdrehen,
wenn ich beim laufen bin. Es könnte sich ja ein Rudel olympischer
Rentner von hinten nähern. Und unter diese spitzen Stöcke möchte
ich nun garantiert nicht kommen.
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