Montag, 30. Januar 2017

327. Akt 

Ja, es gibt sie. Die Autowaschanlagenterroristen. Und es gibt auch die suizidalen „Ich drängel mich vor und ignoriere die folgenden Drohungen“-Rebellen. Erst heute wieder erlebt. Künftig brauche ich für solche Situationen eine gut funktionierende Kamera und ein Richtmikrofon im Auto.
Es ist einer der ersten minimal sonnigen Tage mit Temperaturen um 0 Grad. Das heißt, man kann sein Auto waschen lassen, ohne danach darin festzufrieren.
Und obwohl ich noch grob weiß, dass die Farbe meines Wagens ein sattes Obsidianschwarz sein muss, möchte ich mich diesbezüglich selber überzeugen. Die salzgraue Schicht auf dem Lack könnte - dick und farbintensiv wie sie gerade ist - theoretisch auch ein Feuerwehrauto oder einen Leichenwagen verbergen, 
Also nichts wie los zur Autowaschanlage. Bis vor ein paar Monaten hatte ich noch eine geradezu pathologische Panik in Waschstraßen zu fahren. Irgendwas in meiner Phantasie trat noch vor der Einfahrt mit beiden Füßen auf die Bremse. Und so bog ich immer wieder vorher ab und fuhr in eine der Waschboxen, in denen man seinen Wagen von Hand waschen kann. Im Sommer mit Shorts und T-Shirt, sehr unterhaltsam. Im Winter hatte man bisweilen den halben Mantel nass und Erfrierungen an beiden Händen.
Warum auch immer, habe ich die Angst irgendwo verloren und kann mich innerhalb meines Blechs jetzt souverän durch rotierende Bürsten, Sprühsysteme und Trocknungsgebläse bewegen.
Nun bin ich heute aber nicht die einzige, die sich nur noch grob an die Farbe ihres Wagens erinnern kann. Vor mir stehen rund fünfzehn Fahrzeuge mit dem gleichen Anliegen. Schön, schön. Bei manchem Wagen lässt sich in der Tat kaum noch das Modell erkennen. Es wird höchste Zeit. 
Neben der Reihe mit Autos, die in die Waschstraße wollen, steht ein Grüppchen von Fahrzeugen, die sich vor den Waschboxen drapiert haben.
Ich gehe nicht davon aus, dass die Fahrer alle eine ähnliche Waschstraßen-Neurose haben, wie ich sie hatte. Ihre Gründe für die Waschboxen-Wahl ist mir quasi wurscht. 
In der Regel wissen die Fahrer immer ganz genau, wer an der Reihe ist, eine der freiwerdenden Waschboxen zu befahren.
Man muss keine Nummer ziehen und sich auch nicht hintereinander aufreihen. Jeder schaut genau, wer schon steht und wer nach einem dran ist.
So lange man sich an diese Regel hält, gelingt das Befahren und Reinigen des eigenen Autos eigentlich recht geschmeidig und gefahrlos.
Dieses Mal saust aber ein silberner Audi Kombi, ohne sich auch nur kurz zu orientieren, an dem Pulk der Wartenden vorbei und hinein in eine der Nasszellen.
Ich halte ein bisschen die Luft an und öffne das Seitenfenster. Ich bin froh, noch so weit hinten in der Schlange zu stehen, denn jetzt wird es spaßig.
Als erstes macht sich die Oma aus der B-Klasse auf den Weg. Ihr Wagen ist gar nicht so schmutzig, aber die Dame schleudert mit ihrem Gehstock in Richtung des Audi-Fahrers, wie Harry Potter mit seinem Zauberstab. Auch der schmächtige Typ aus dem Vito steigt aus (Klar hinter einer solch energischen Großmutter würden ganze Kompanien siegreich in die Schlacht ziehen). Der Audi-Fahrer lässt sich nicht beirren, kramt seine Münzen aus der Tasche und stopft sie offenbar in die Maschine, die die Anlage einschaltet. Als sich die Oma weiter laut schimpfend nähert hebt er die Sprühdüse fast so, als ob er sie mit dem Wasserstrahl zurück in ihre B-Klasse blasen will. Da hat er die Rechnung aber nicht mit dem schwarzen Kadett und dem salzgrauen Nissan gemacht. Ich bin ein bisschen geknickt, dass es hier so laut ist und ich nicht alle Beschimpfungen hören kann. Der Audi-Fahrer scheint in der Waschbox um Jahre zu altern, aber er gibt nicht auf und setzt die Reinigung seines Wagens einfach fort.
Blöd, ich bin nun selber an der Reihe in die Waschstraße zu fahren und würge meinen Motor erstmal gepflegt ab.
Dann lese ich erneut „Automatik auf N stellen“. Äh ja... wo war das noch gleich. Ich lasse den Motor nochmal an und schalte ihn erneut ab. Jetzt ist „N“. Prima.
Während ich berieselt, gereinigt und getrocknet werde, überlege ich, ob der Audi-Fahrer bereits zwischen den Zapfsäulen gevierteilt wird, währen die B-Klasse-Oma ihn gerechtfertigt mit satanischen Flüchen überzieht. Als ich selber aus der Waschstraße fahre (und ja. Ich habe ihn nochmal abgewürgt), hat sich die Situation vor den Waschboxen schon wieder beruhigt. Nirgendwo liegen Reste eines rebellischen Audi-Fahrers und auch die anderen Waschfreudigen sind zur Tagesordnung übergegangen. Auf dem Heimweg rechne ich damit einen silbergrauen Kombi mit einem schweißgebadeten Fahrer am Straßenrand zu begegnen, aber es ist alles frei.

Ein bisschen enttäuscht fahre ich in meine Garage und überlege, was ich getan hätte, wenn ich neben der Omi auf eine Waschbox gewartet hätte. Je nach Tagesfassung hätte ich bloß gelächelt. Oder würde jetzt, nass von den Waschdüsen, auf einer silbernen Kühlerhaube herumspringen.  

Donnerstag, 26. Januar 2017

326. Akt

Ja, okay, ich oute mich. Ich bin dabei. An jedem Abend an dem es mir möglich ist, sitze ich mit einer imaginären Tüte Popcorn vorm realen Flachbildschirm und pfeife mir die Dschungelshow in vermutlich zu hohen Dosen rein. Manchmal schüttel ich mit dem Kopf und manchmal kann ich gar nicht hinschauen, aber in der Regel lache ich mich tot, wie Menschen Probleme lösen, die sie nicht hätten, wenn sie nicht so exorbitant selbstdarstellerisch wären. Vielleicht ist es ja auch die mangelhafte Eigenwahrnehmung, die einen vor einem Millionenpublikum vier-Augen-Gespräche führen lässt. Manche der Kandidaten lernt man mögen, andere möchte man gerne mit einem Spiegel und ohne Sonnencreme in der Wüste aussetzen. Mich unterhält es. Letztens wurde mir diese Sehgewohnheit als primitiv vor die Füße geworfen. Komischerweise von jemandem, der trotz aller Ablehnung dieser Sendeformate bestens über Honey, Kader und Konsorten informiert war. Auf meine Nachfrage, woher sie denn so gut Bescheid wüsste, meinte sie, dass sie die Dschungelberichte täglich in der Bild liest.
Na dann bin ich aber ob des intellektuellen Anspruchs hochgradig beruhigt. Andere für dämlich erklären und sich dann hinterrücks über die Bild auf dem Laufenden zu halten, hebt echt meinen Respekt. Äh nee... das Wort hieß anders.
Generell finde ich es eigenartig, den Intellekt und geistigen Horizont eines Menschen an dem Konsum diverser Sendungen festzumachen.
Nachrichten, Wirtschaftssendungen, Arte = schlau und integer.
Talkshows, Entertainment, Bernd das Brot = gerade nicht blöd genug, um nicht vom Planeten zu fallen. Ich halte diese Einstellung für ein bisschen beschränkt.

Ich liebe Opern und ich steh auf HipHop. Ich besuche Museen und ich mag Autokino mit Nachos nach Mitternacht. Ich rede gerne mit Wissenschaftlern und lasse mich auch mal von einem Fünfjährigen über seine Sicht des Lebens informieren. Um meinen geistigen Horizont mache ich mir keine Sorgen. Ich tu und sehe, was ich mag und pfeif auf das was „man tut“. Und heute Abend sitze ich wieder vor der Glotze. Basta.  

Montag, 23. Januar 2017

325. Akt 

Baby, ich weiß, wie du es brauchst!“
Äh, ja klar, wurde ja auch mal wieder Zeit für einen „vBd“.
vBds“ sind virtuelle Begatter deluxe. Banale „vBs“ sind die, die es nicht über ein einziges Wort wie z.B. „F***en???“ oder einen zwei Wort-Satz wie „Hast Bock???“ hinausbringen.
Aber hier weiß mal wieder jemand exakt, wie ich es brauche. Kurz bin ich versucht zu fragen, was er genau meint. Ob er vielleicht Ahnung hat, wie ich meinen Kaffee gerne mag? Oder die Einstellung meiner Heizdecke, bevor ich ins Bett gehe? Dann lass ich es aber bleiben.
Keine Antwort ist in solchen Fällen meist die beste Antwort.
Allerdings findet das mein Gegenüber nicht. Kurzerhand teilt er mir ein paar Spielarten mit, die er für meine Alltagsgestaltung gerne bereithalten würde. Hui! Da hat jemand aber eifrig die Pornos der letzten zwanzig Jahre studiert und gedanklich in sein Leben integriert. Jeder ach so sexuelle Freigeist bekommt bei den Beschreibungen schon Lust. Lust seinen Physiotherapeuten oder Osteopathen anzurufen und eventuelle Rückenbeschwerden zu diskutieren.
Ich würde meinem „vBd“ alternativ gerne fünf mal zwei Stunden wöchentlich im Fitness-Studio vorschlagen. Einfach, weil er sich da faktisch besser abreagieren könnte und weil es dem Querformat seines angehängten Fotos sehr zuspräche. Aber ich lasse auch das sein.
Stattdessen sende ich ein offenbar viel zu Kreativitäts-anregendes Smiley. Also Doppelpunkt, Minus, Klammer zu.
In seiner Phantasie wendet er mich vermutlich gerade wie ein Schnitzel auf seiner ausgeleierten Spiralfedermatratze, die Mutti ihm Ende der 80er gekauft hat.

Ihm zu schreiben, dass ich mehr Spaß daran hätte aus dem fünften Stock auf einen Hydranten zu springen, lass ich besser sein. Er würde mich sicherlich für die fortgeschrittene Variante seiner selbst halten und dass möchte ich mir noch nicht mal gedanklich vorstellen. Also weise ich ihn darauf hin, dass ich meinen Kaffee mit zwei Löffeln Zucker und etwas Milch nehme und meine Heizdecke auf Stufe 2 am liebsten mag. Dann reagiere ich gar nicht mehr. Er wird das mit dem Kaffee und der Heizdecke sicherlich nicht verstehen, aber vielleicht hält er es für einen Code, der ihm neue Ideen bringt. Na dann – viel Spaß. Und tu dir nicht weh vBd. 

Freitag, 20. Januar 2017

324. Akt

Ich bin ein Selfie -Loser. Ein Versager hinter der Handykamera. Jedes Mal, wenn ich es ausprobiere, sieht das Ergebnis aus, als sei ich im Vollrausch und bei Schummerlicht vor eine Laterne gelaufen.
Meine Freunde Chris Hanisch, Christine la Jambe oder auch mein Tochterkind beherrschen das Selfie-Knipsen geradezu professionell. Wann immer sie ihr Handy in die Luft halten, kommt etwas sensationell fantastisches dabei heraus. Mit leuchtenden Augen und toller Beleuchtung. Nie so eine grenzdebil grinsende Gestalt mit Wasserleichen-Optik wie bei mir. Ich habe es mittlerweile aufgegeben.
Und, wie ich schon früh erfahren musste, war das nie wirklich anders.
Schon in den Fotoboxen galt ich seit Kindesbeinen als optisch ablichtbarer Dilettant. Während meine Mutter im Hintergrund die Vorhänge wechselte, schaute ich stets irritiert nach ihren Handlungen und so wurde meist nur mein rechtes Ohr abgelichtet. In den Fällen, in denen vier Fotos gemacht wurden, war das erste Bild eine juvenile Manu auf einem viel zu hoch gedrehtem Hocker, das zweite war der Blick aus der Kabine heraus, das dritte wiederum war – wie schon erwähnt mein rechtes Ohr – und das letzte war ein Foto von meinem Hintern, da ich dachte, dass die Bilderserie schon beendet sei.

Dass ich letztendlich nicht völlig unbelichtet blieb, liegt eindeutig am Talent und der Technik der weltweit besten Fotografen und an meinem Talent auf Zuruf reagieren zu können. Nicht geschadet hat natürlich, zu wissen, dass „rechts“ und „links“ variabel auslegbar sind. Kommt immer auf den Menschen hinter der Kamera an. Aber, wie gesagt. Das „mich-selbst-Fotografieren“ mit dem Handy wird nie so meins werden. Keine App der Welt sorgt dafür, dass ich mich auf den jeweiligen Fotos wieder erkenne. Obwohl... wenn ich die Frau auf meinen Handyfotos sehe, bin ich darüber gar nicht so unglücklich.

Montag, 16. Januar 2017

323. Akt

Wow!!! Was für ein Abend! Ich bin hellbegeistert. Mit meinem alten Freund und Kollegen Michael Diehl bin ich in die Jury für einen Model-Contest gebeten worden und das Ganze findet im Marmorsaal im Stuttgarter Weißenburgpark statt.  So weit so gut. Hier handelt es sich aber nicht um die „Miss Aral Super Plus“ oder „Miss Rasendünger Senior 2017“, sondern um einen Model Wettbewerb unter gehörlosen Frauen. Die neun Teilnehmerinnen haben in den letzten Wochen bereits zehn Wettkampf-Runden hinter sich gebracht. Ja, okay, dieser Wettkampf hatte keinen Germanys Next Top Model Etat und deswegen wurde statt mit Schlangen mit Mehlwürmern geshootet, und die Reise ging auch nicht um die halbe Welt. Dafür mussten die Kandidatinnen aber auch nicht Heidi Klums Stimme ertragen und konnten sich selbst treu bleiben. Und die Mädels und das Team hatten bis jetzt jede Menge Spaß und Freude, wie man in den jeweiligen Einspielern sieht.
Dass hier keine Modelmaße erfüllt werden und auch die drei Durchgänge nicht auf einem glamourösen Laufsteg stattfinden, stört kein bisschen. Die Frauen geben sich selbstbewusst und von einer unfassbaren Lebensfreude.
Das Team gestaltet, moderiert und unterhält mit einer gestenreichen Hingabe und mit Tanja und Rita stehen den sehr, sehr wenig Hörenden im Raum gleich zwei witzige und herzliche Gebärden-Dolmetscherinnen zur Seite. Die Stimmung ist so gut, dass ich mich sogar mit meinen rudimentären Gebärdenkenntnissen aus dem Eck wage und herzlichen Zuspruch bekomme. Keiner wendet sich ab und gebärdet dem Nächsten, dass ich irgendwas Obszönes von mir gegeben habe oder einen Striptease im Park vor der Tür angekündigt hätte. Cool! Das muss ich ausbauen.
Aber eigenartig ist es für uns Hörenden manchmal schon.
Die gesamte Veranstaltung findet nämlich vollständig ohne Musik und (bis auf die Dolmetscherinnen ausgenommen) ohne Worte statt.
Statt Klatschen wird mit den Händen in der Luft gewedelt. Das hat was. Und dennoch geht mir an dieser Stelle ein bisschen lautstarke Begeisterung ab. Die Veranstalter, die Models, der Koch und die Kellner – alle taub. Nie zuvor habe ich mich so prächtig mit Menschen unterhalten, die mich nicht hören konnten (an dieser Stelle sprechen meine Kinder von einem eindeutigen Vorteil der Gehörlosen). Wenn irgendwo ein paar Gläser runterfallen, dann schreckt nur die Handvoll hörender Gäste auf. Der Rest lächelt weiter fröhlich in Richtung Bühne.
Mein Fazit: Es war leise, aber nicht ruhig, und Gehörlosen fehlt nur und ausschließlich ihr Gehör. Sonst fehlt ihnen nix! Nix! Nix! Die Lebensfreude hat mich in aller Stille einfach umgehauen.
Und wenn man ehrlich ist, dann ist es durchaus mal ganz angenehm, wenn einem nicht ständig ins Wort gefallen wird. Blöde Gelaber gibt es an vielen Stellen schon ausreichend genug.

Obwohl.... Blödes Gelaber gibt es sicherlich auch in der Gebärdensprache, aber so weit reichen meine erlernten Gesten vermutlich noch nicht. So hat „Nichtkönnen“ mal wieder einen klaren Vorteil.

Samstag, 14. Januar 2017

322. Akt

Ich packe mal wieder mein Köfferchen. Dieses Mal geht die Reise nach Stuttgart, wo ich am Samstag als Jurymitglied bei einem Modelwettbewerb für taubstumme Frauen geladen bin. Einen Tag später werde ich mit einem meiner allerliebsten Lieblingsfotografen arbeiten. Cool. Ich freu mich.
Um mich für meine Aufgabe in der Jury vorzubereiten, erarbeite ich mir eine Begrüßung beziehungsweise Moderation in Gebärdensprache.
Früher war ich im Gebärden gar nicht so schlecht. Aber das ist halt schrecklich viele Jahre her und auch die Gebärdensprache verlernt man, wenn man sie nicht benutzt. Ich stehe also im Wohnzimmer und übe diverse Gesten. Meine beiden Kinder beobachten das Ganze grinsend. Dann meint Kind 2.0, ob ich mir sicher wäre in dem, was ich da von mir gebe. Kind 1.0 bringt es auf den Punkt.
Mama, was soll das heißen? Hätte das nicht auch bedeuten können ´Ich hatte gerade hemmungslosen Sex mit deinem Rasenmäher, und morgen fang ich ein Eichhörnchen´.“?
Nun fangen beide an wie wild zu gestikulieren und erklären sich dann, was es bedeuten könnte.
Hab ich wirklich auch nur einen Hauch zu dieser Erziehung beigetragen? Ich kann es kaum glauben. Kreativ sind sie ja, aber so wirklich weiter bringen tut mich das nicht. Also arbeite ich weiter an "Guten Abend und herzlich Willkommen zu der heutigen Veranstaltung". Was aber, wenn ich auf der Bühne stehe und meinen Händen tatsächlich Obszönes oder Beleidigendes einfällt?
Wie nah sind die Gebärden von „ich wünsche euch viel Spaß und Erfolg“ zu „Achtung Feueralarm, alle sofort raus hier?“
Ach, ich glaube ich lass es. Wir haben ja auch amtliche Übersetzer vor Ort. Konzentriere ich mich eben bloß auf Optik und Sympathiewert der Teilnehmerinnen und das gute Essen im Anschluss. Mögen die Spiele beginnen und die Beste gewinnen. Zur Not deute ich halt auf die, die ich am tollsten finde. Und so ein paar Nettigkeiten werde ich mit meinen Händen schon hinkriegen.
Von wegen Rasenmäher... nee, nee, nee



Donnerstag, 12. Januar 2017

321. Akt

Verflixt, was ist das da für ein schöner Pulli in meinem Schrank. Cremefarben, lang genug, weich und passen tut er auch noch. Warum noch mal habe ich ihn seit Ewigkeiten nicht getragen? Keine Ahnung.
Heute Abend ist er fällig. Wir treffen uns im Gesprächskreis, um zu besprechen, wie wir uns in unserem Ehrenamt besser, intensiver oder auch nur erfüllender einsetzen können. Irgendwer hat Lebkuchen, Marzipan und Nougat mitgebracht. Selbiges steht in der Mitte des Kreises und reizt mich geradezu unerhört dazu, mich in einem simulierten Schwächeanfall nach vorne zu werfen und genau mit meinem Mund auf die Schale mit dem Nougat/Marzipan zu fallen. Ich will ja nicht so gierig aussehen, aber ich glaube, ich bin die einzige, die schon dreimal zu den Süßigkeiten und nicht einmal zu den Wasserflaschen gegriffen hat.
Und während ich so da sitze und meinen wunderbaren Kollegen zuhöre, überlege ich, wie ich unauffällig an den Leckerkram kommen kann.
Hin und wieder werde ich aber abgelenkt. Ist es die Hitze in dem Raum? Sind es die vielen Leute. Ich sitze in der Runde, und aus irgendeinem Grund riecht es seit ein paar Minuten nach nasser Hund.
Und dann fällt es mir wieder ein. Es ist gar nicht das tatsächliche „nasse-Hund-Aroma“, welches mir (und glücklicherweise nur mir) in die Nase steigt. Es ist der Geruch von nasser Wolle. Ich sitze und schwitze und der Pulli beginnt zu riechen, als hätte man einen Bernhardiner durch die sommerliche Isar getrieben. Ja, genau, das war der Grund, warum ich den Pulli so selten getragen habe. Ich schaue unauffällig nach links und rechts. Rümpft da schon jemand die Nase? In der Regel gestikuliere ich recht einfallsreich, wenn ich spreche. Jetzt aber presse ich die Arme fest an den Körper und überlege, ob ich nicht zusätzlich meinen Mantel überziehe, ganz einfach zur Geruchssperre für meine Mitstreiter. Die Situation ist doof, denn mit anliegenden Armen kann ich nun rein gar nicht mehr nach dem Marzipan-Zeug greifen. Ich bin ein bisschen verzweifelt, denn während ich versuche still zu sitzen, greifen andere beherzt zu. Je hartnäckiger ich versuche nicht zu schwitzen, umso intensiver riecht dieser vermaldeite Pulli, als hätte ich frisch geduscht und mich dann nass im Skianzug in die Sauna gesetzt. Es sind nur noch drei Stück Marzipan/Nougat in der Schüssel. Ich schaue in die Runde. Gelüstet gerade einem nach diesen Leckereien? Hat jemand den klassischen Marzipan-Blick. Ich kann nichts erkennen, aber ich will die Süßigkeiten auch nicht unnötig gefährden. Zwei aus der Gruppe stehen auf und holen sich ein Stück Lebkuchen. Das ist meine Chance. Bei drei Personen ist die Ablenkung groß genug. Ich stehe auf. Mein „nasse Hund Odeur“ hinter mich herschleifend.
Wenn ich gleich zwei Stücke nehme kann ich für den Rest der Stunde mit angepressten Armen in meinem Wollpulli vor mich hinschwitzen ohne in Panik zu geraten, und genau so mache ich es auch.

Als sich die Gruppe auflöst, habe ich schon lange wieder meinen Mantel an. Ich öffne für einen Moment das Fenster. Und dann schleiche ich mich von dannen. Vermutlich ist mein wollener Geruch gar nicht bis zu meinen Sitznachbarn vorgedrungen, und vermutlich hätte es sie gar nicht weiter gestört. Ein bisschen schlechtes Gewissen habe ich schon, dass ich fast alles von dem Riegel aufgegessen habe. Und eins ist mir klar. Der Pulli wird gewaschen und kommt dann wieder ganz nach hinten und nur für Notfälle in meinen Schrank. Zum einen wegen des Geruchs und zum anderen wegen der Schokoflecken.  

Mittwoch, 11. Januar 2017

320. Akt 

Ich warte mal wieder auf ein Paket. Und sollte es mir wieder von dem widerwärtigsten Mitarbeiter von DHL zugestellt werden, dann möge dieser beim Aussteigen auf einer verbliebenen Eisscholle ausrutschen und sich im Gartenzaun des Nachbarn bis zum jüngsten Tag verheddern. Ich kletter dann schon ganz alleine hinten rein und hole es mir raus. Alle anderen Mitarbeiter wurden von mir in der Vorweihnachtszeit mit Mon Cherie und Rocher-Packungen beschmissen. Diesem speziellen Honk hätte ich allerdings bestenfalls einen Holzscheit an die Birne geballert. Im Laufe der Jahre hat sich zwischen uns so etwas wie eine Beziehung aufgebaut. Sehr inspirierend, wenn man Mord- und Totschlag-Geschichten schreibt.
Zwischen 11 und 14.30 Uhr soll geliefert werden und ich gehe schon seit 10.30 Uhr nicht mehr aufs Klo, weil es sonst wieder heißt, ich wäre nicht anzutreffen gewesen. Wenn ich nämlich nicht sofort die Tür aufreiße sobald der Wagen hält, dann wird der Zustellversuch durch einen Zettel im Briefkasten ersetzt.
Ich sitze also und warte. Dann fällt mir ein, dass irgendwo die Sendungsverfolgungs-Nummer stand. Ich gebe die zwanzigstellige Nummer auf der Website ein. 
Dort steht „in der Zustellung“. Als ich um 14 Uhr noch mal aktualisiere, steht dort „Im Ziel-Paketzentrum bearbeitet“. Hä? Musste der Bote das Paket wieder mitnehmen, weil irgendwas gefehlt hat? Nach erneutem Aktualisieren steht nur noch im „Start-Paketzentrum eingegangen“. Hallo? Zeitreise? Das ist die falsche Richtung.
Kopfschüttelnd sitze ich vor meinem Rechner. Dann läuft eine neue Email rein. Von der DHL. Voraussichtlicher Liefertermin morgen zwischen 11 und 14.30 Uhr. Aaaaaarghhhhhh!!! Wollt ihr mich versch***ern???
Bei so einem hin und her krieg ich noch Verstopfung. Ich verzichte auf weiteres Aktualisieren, weil ich damit rechne, dass beim nächsten Klick darauf hingewiesen wird, dass ich das Bestellte noch gar nicht wirklich bestellt habe.
Ich bin frustriert, als es plötzlich klingelt. Der nette (ja, so welche gibt es auch) Bote steht mit meinem Paket vor der Tür. Was soll das? Ich erzähle ihm von meiner Sendungsverlauf-Verfolgung. Er schüttelt mit dem Kopf, grinst und zuckt mit den Schultern. Na ja. Egal. Jetzt ist es da und ich muss morgen nicht hinter der Tür auf den Boten lauern. Und was ab jetzt im Sendungsbericht steht, ist mir schnuppe.



Sonntag, 8. Januar 2017

319. Akt

Ab in Klausur. Wann immer ich Zuhause arbeiten will, fällt mir ein, dass ich mal wieder Staub wischen, Geschirr spülen oder Rasen mähen muss.
Okay. Im Moment fällt letzteres eher dem Schneeschippen zum Opfer, aber ändern tut es nichts.
Deswegen habe ich meinem Zuhause mal für zwei Tage den Rücken gekehrt. 48 Stunden irgendwohin, wo mich niemand stört, wenn ich die Abenteuer meiner Buch-Protagonisten erarbeite und gestalte. Das Doofe ist wiederum, dass alles, was nicht mein Alltagsumfeld ist, mich derart interessiert, dass ich gerne mal etwas dumpf in der Gegend rumschaue. Ich schaue mal aus diesem, mal aus jenem Fenster. Bisweilen lenkt mich schon alleine die Veränderung in der Schneefall-Dichte zu sehr vom Arbeiten ab. Und dann leg ich mich aufs Bett und versuche gedanklich in dem jeweiligen Werk ein wenig voran zu kommen. Gerne schlafe ich bei dieser Gelegenheit ein bisschen ein, da niemand irgendwo ums Eck kommt und Frühstück, Mittagessen oder familiäres Dinner von mir wünscht.
Alles in allem schrumpft so die Zeit meines effektiven Arbeitens beträchtlich. Sollte zu diesem aushäusigen Aufenthalt auch noch Kontakt mit anderen Menschen dazu kommen, dann gestaltet sich das Ganze noch ein bisschen unproduktiver. Oder zumindest nicht so zielführend, wie ich es erwarte. Menschen liefern nämlich stets neue Geschichten. Eine Person zu beobachten, die Schluckauf hat, inspiriert mich zum Beispiel zu – Tadaaaaa!!! - einer neuen Geschichte für den letzten Teil von „33 Grausamkeiten“. Für den geneigten Leser mag in bloßem Schluckauf ja nicht gleich ein Ideenfunke für eine schwarzhumorige Geschichte zu finden sein, aber mich lässt so eine Situation umgehend zu Papier und Stift greifen. Meine Phantasie vermag es nämlich aus dem banalsten Moment etwas zu stricken, das meine Leser in ein paar Monaten schaudern lässt.
Menschenkontakt ist also in den heißen Arbeitsphasen eigentlich zu umgehen. Zumal ich feststelle, dass die Arbeit an einem Kinderbuch nicht fortwährend mit Rückfällen in die „Grausamkeiten-Phase“ gespickt sein sollte. Ich möchte schließlich nicht, dass irgendwann eine Generation an Zweitklässlern schwer traumatisiert wird, bloß weil ich zwischen den Zeilen klitzekleine sarkastische Horrorszenarien aufgebaut habe.
Nun denn. Das Ende vom Lied ist, dass ich in meiner Arbeit eher mangelhaft vorwärts gekommen, neue Theorien über Schneefall-Dichte und zwei Geschichten für ein ganz anderes Buch entwickelt habe.
Aber was soll´s. Ich hatte gute Vorsätze und bin nun zumindest ordentlich ausgeschlafen. Der Rest vom Buch wird dann eben doch Zuhause fertiggestellt.


Mittwoch, 4. Januar 2017

318. Akt

Was für ein Dilemma. Kaum habe ich mich entschieden zwischen „33 Grausamkeiten II – (Alp-)Träume für jedermann“ und dem dritten und letzten Teil der Grausamkeiten-Serie ein Kinderbuch reinzuschieben, kriege ich diese Nachricht.
Ist ja nunmehr kein Geheimtipp mehr, dass ich ich auch für andere Menschen Bücher schreibe.
Ghostwriting mag vielleicht nicht immer Spaß machen und zusätzlich taucht man außer auf dem Honorar-Scheck meist nirgendwo namentlich auf, aber dafür sind diese Aufträge oft ziemlich lukrativ.
In diesem Fall sogar in einer Höhe, die mich kurz über einen Winterurlaub nachdenken lässt.
Für andere Leute Bücher zu schreiben hat was. Es ist spannend. Vorausgesetzt, dass es sich über die „Das ist die Geschichte ihres Lebens. Was ich mit meinen Nachbarn erlebt habe, ist unglaublich.“-Grenze erhebt.
In diesen Fällen ist meine Rechnung hoch, aber das Buch-Interesse für den eigentlichen „Autoren“ sehr ernüchternd.
Anders herum ist es, wenn man für jemanden ein Buch schreibt, alle Rechte verkauft und sich dann acht Wochen lang ganz oben auf der Spiegel-Bestseller-Liste sieht. Allerdings nicht mit seinem Namen.
Ja, da fühlt man sich dann ein bisschen grässlich. Und auch schäbig.
Ein nachträgliches „Hey, das ist meins.“ zieht ein fulminantes Ende für eine Ghostwriter-Karriere nach sich. Immer! Und womit? Mit Recht! 
Loyalität und Verlässlichkeit sind unerlässlich. Gerade dann, wenn man mit anderer Leute Geschichten hantiert.
Ich telefoniere ein bisschen herum und mein Auftraggeber (der Neutralität halber auch noch meine Auftraggeberin) möchte nicht auf einen anderen Kollegen ausweichen (Hach, tut das meinem kleinen geschundenen Ego gut) und verschiebt um ein halbes Jahr.
Prima! So kriege ich mein Kinderbuch an den Start und kann schauen, wie weit ich mit meinem 33-er Finalpart komme.
Das Leben ist cool. Und das neue Jahr startet vielversprechend. Außerdem liebe ich es zu verwirren. Und zwischen zwei schwarzhumorigen Kurzgeschichten-Bänden ein witziges Kinderbuch herauszubringen ist durchaus verwirrend. Und vielleicht erschrecken sich meine Leser bei Paulas Abenteuergeschichten noch viel mehr als bei Mord und Totschlag von Hinz und Kunz. Warten wir es ab.


Montag, 2. Januar 2017

317. Akt

Ich brauche immer ein Jahr bis ich es richtig drauf habe. Ja, genau. So ziemlich exakt 365 Tage. Dann klappt es reibungslos mit dem Datum bei Schriftverkehr und neben erwünschten Unterschriften. Bis Mitte 2016 habe ich immer erst säuberlich eine 2015 hingepinselt, selbige dann durchgestrichen und auf die aktuelle Jahreszahl korrigiert. Und wenn ich ehrlich bin, mache ich mir keine große Hoffnung, dass es dieses Mal anders sein wird.
Was sich auch nicht ändern wird, ist mein bisweilen uferloses Mitteilungsbedürfnis. Kaum habe ich den Rechner mit dem inneren Mantra „Nein – du machst dieses Mal keine Neujahrsansprache bei Facebook“ geschlossen, fließt es mir wieder aus den Fingern. Okay, dieses Mal allerdings nur ganz kurz und neckisch. Na ja... ist nicht wirklich länger geworden als im Vorjahr. Das verbuche ich als Teilerfolg.
Dann mach ich wieder einen gedanklichen Haken an die Maßregler, die auf Leute schimpfen, die anstatt das Geld fürs Ballerzeug für gute Zwecke zu spenden, es in die Luft geschossen haben. Ich habe es ja letztens bereits erwähnt. Wenn diese Leute auch nur einen Teil für gute Zwecke spenden würden, was sie für teure Fummel, Autos oder Schnickschnack ausgeben, dann wäre vieles sicher gerechter verteilt. Und auch die Zeit des Nörgelns ist viel besser investiert, wenn man stattdessen nett mit jemanden spricht. Ich begrüße das neue Jahr IMMER mit einem kleinen Feuerwerk UND ich spende. Zeit und Geld. Und ich lass mir beides garantiert nicht von „Hach-die-Welt-ist-schlecht-(durch euch)“-Menschen madig machen. Immer hübsch mit gutem Beispiel voran. Da braucht es keine vielen Worte, die Damen (und Herren).
Diese Meinung halte ich aber aus meinem Neujahrs-Tralala heraus. Soll ja was nettes und nützliches sein.
Der Vorabend steckt mir noch ein bisschen in den Knochen. Ja, okay, es hat mich durchaus aufgeweckt, als es meinem Neffen gelang, eine unserer Raketen durch das Zeitungsfach des Briefkastens hindurch beinahe in mein Haus zu lenken. Richtig cool wurde es dann doch etwas später.
Ich trinke nie viel. Aber wenn ich doch mal mehr trinke als normal, dann hab ich da so viel Spaß dran, dass ich nicht mehr drüber nachdenke. Noch immer bin ich fassungslos, dass es Trinkspiel-Apps gibt. Nicht, weil dadurch Gelage eskalieren können (Nicht bei uns – Hurra!), sondern weil man dort nach der dritten Runde oft sehr viel über die Mitspielenden erfährt. Das das auch für die anderen gilt, habe ich erst dann begriffen, als mein Sohn immer wieder meinte „Nee, Mama. Das will ich von dir gar nicht wissen.“
Nun denn. Der Einzug des neuen Jahres ließ sich auch durch Tochterkinds genialen Bratapfellikör nicht aufhalten. Jetzt ist 2016... 2017 und das Jahr liegt zur öffentlichen Nutzung jungfräulich vor uns. Machen wir das Beste draus. Ich für meinen Teil lege mich allerdings erst nochmal einen Moment hin. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte er den doppelten Umfang und mein Blick ist noch ein bisschen unstet. Aber wie gesagt. Das Jahr ist jung. Es kann alles noch viel besser werden. Ein frohes Neues.