Montag, 30. Januar 2017

327. Akt 

Ja, es gibt sie. Die Autowaschanlagenterroristen. Und es gibt auch die suizidalen „Ich drängel mich vor und ignoriere die folgenden Drohungen“-Rebellen. Erst heute wieder erlebt. Künftig brauche ich für solche Situationen eine gut funktionierende Kamera und ein Richtmikrofon im Auto.
Es ist einer der ersten minimal sonnigen Tage mit Temperaturen um 0 Grad. Das heißt, man kann sein Auto waschen lassen, ohne danach darin festzufrieren.
Und obwohl ich noch grob weiß, dass die Farbe meines Wagens ein sattes Obsidianschwarz sein muss, möchte ich mich diesbezüglich selber überzeugen. Die salzgraue Schicht auf dem Lack könnte - dick und farbintensiv wie sie gerade ist - theoretisch auch ein Feuerwehrauto oder einen Leichenwagen verbergen, 
Also nichts wie los zur Autowaschanlage. Bis vor ein paar Monaten hatte ich noch eine geradezu pathologische Panik in Waschstraßen zu fahren. Irgendwas in meiner Phantasie trat noch vor der Einfahrt mit beiden Füßen auf die Bremse. Und so bog ich immer wieder vorher ab und fuhr in eine der Waschboxen, in denen man seinen Wagen von Hand waschen kann. Im Sommer mit Shorts und T-Shirt, sehr unterhaltsam. Im Winter hatte man bisweilen den halben Mantel nass und Erfrierungen an beiden Händen.
Warum auch immer, habe ich die Angst irgendwo verloren und kann mich innerhalb meines Blechs jetzt souverän durch rotierende Bürsten, Sprühsysteme und Trocknungsgebläse bewegen.
Nun bin ich heute aber nicht die einzige, die sich nur noch grob an die Farbe ihres Wagens erinnern kann. Vor mir stehen rund fünfzehn Fahrzeuge mit dem gleichen Anliegen. Schön, schön. Bei manchem Wagen lässt sich in der Tat kaum noch das Modell erkennen. Es wird höchste Zeit. 
Neben der Reihe mit Autos, die in die Waschstraße wollen, steht ein Grüppchen von Fahrzeugen, die sich vor den Waschboxen drapiert haben.
Ich gehe nicht davon aus, dass die Fahrer alle eine ähnliche Waschstraßen-Neurose haben, wie ich sie hatte. Ihre Gründe für die Waschboxen-Wahl ist mir quasi wurscht. 
In der Regel wissen die Fahrer immer ganz genau, wer an der Reihe ist, eine der freiwerdenden Waschboxen zu befahren.
Man muss keine Nummer ziehen und sich auch nicht hintereinander aufreihen. Jeder schaut genau, wer schon steht und wer nach einem dran ist.
So lange man sich an diese Regel hält, gelingt das Befahren und Reinigen des eigenen Autos eigentlich recht geschmeidig und gefahrlos.
Dieses Mal saust aber ein silberner Audi Kombi, ohne sich auch nur kurz zu orientieren, an dem Pulk der Wartenden vorbei und hinein in eine der Nasszellen.
Ich halte ein bisschen die Luft an und öffne das Seitenfenster. Ich bin froh, noch so weit hinten in der Schlange zu stehen, denn jetzt wird es spaßig.
Als erstes macht sich die Oma aus der B-Klasse auf den Weg. Ihr Wagen ist gar nicht so schmutzig, aber die Dame schleudert mit ihrem Gehstock in Richtung des Audi-Fahrers, wie Harry Potter mit seinem Zauberstab. Auch der schmächtige Typ aus dem Vito steigt aus (Klar hinter einer solch energischen Großmutter würden ganze Kompanien siegreich in die Schlacht ziehen). Der Audi-Fahrer lässt sich nicht beirren, kramt seine Münzen aus der Tasche und stopft sie offenbar in die Maschine, die die Anlage einschaltet. Als sich die Oma weiter laut schimpfend nähert hebt er die Sprühdüse fast so, als ob er sie mit dem Wasserstrahl zurück in ihre B-Klasse blasen will. Da hat er die Rechnung aber nicht mit dem schwarzen Kadett und dem salzgrauen Nissan gemacht. Ich bin ein bisschen geknickt, dass es hier so laut ist und ich nicht alle Beschimpfungen hören kann. Der Audi-Fahrer scheint in der Waschbox um Jahre zu altern, aber er gibt nicht auf und setzt die Reinigung seines Wagens einfach fort.
Blöd, ich bin nun selber an der Reihe in die Waschstraße zu fahren und würge meinen Motor erstmal gepflegt ab.
Dann lese ich erneut „Automatik auf N stellen“. Äh ja... wo war das noch gleich. Ich lasse den Motor nochmal an und schalte ihn erneut ab. Jetzt ist „N“. Prima.
Während ich berieselt, gereinigt und getrocknet werde, überlege ich, ob der Audi-Fahrer bereits zwischen den Zapfsäulen gevierteilt wird, währen die B-Klasse-Oma ihn gerechtfertigt mit satanischen Flüchen überzieht. Als ich selber aus der Waschstraße fahre (und ja. Ich habe ihn nochmal abgewürgt), hat sich die Situation vor den Waschboxen schon wieder beruhigt. Nirgendwo liegen Reste eines rebellischen Audi-Fahrers und auch die anderen Waschfreudigen sind zur Tagesordnung übergegangen. Auf dem Heimweg rechne ich damit einen silbergrauen Kombi mit einem schweißgebadeten Fahrer am Straßenrand zu begegnen, aber es ist alles frei.

Ein bisschen enttäuscht fahre ich in meine Garage und überlege, was ich getan hätte, wenn ich neben der Omi auf eine Waschbox gewartet hätte. Je nach Tagesfassung hätte ich bloß gelächelt. Oder würde jetzt, nass von den Waschdüsen, auf einer silbernen Kühlerhaube herumspringen.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen