321. Akt
Verflixt,
was ist das da für ein schöner Pulli in meinem Schrank.
Cremefarben, lang genug, weich und passen tut er auch noch. Warum
noch mal habe ich ihn seit Ewigkeiten nicht getragen? Keine Ahnung.
Heute
Abend ist er fällig. Wir treffen uns im Gesprächskreis, um zu
besprechen, wie wir uns in unserem Ehrenamt besser, intensiver oder
auch nur erfüllender einsetzen können. Irgendwer hat Lebkuchen,
Marzipan und Nougat mitgebracht. Selbiges steht in der Mitte des
Kreises und reizt mich geradezu unerhört dazu, mich in einem
simulierten Schwächeanfall nach vorne zu werfen und genau mit meinem
Mund auf die Schale mit dem Nougat/Marzipan zu fallen. Ich will ja
nicht so gierig aussehen, aber ich glaube, ich bin die einzige, die
schon dreimal zu den Süßigkeiten und nicht einmal zu den
Wasserflaschen gegriffen hat.
Und
während ich so da sitze und meinen wunderbaren Kollegen zuhöre,
überlege ich, wie ich unauffällig an den Leckerkram kommen kann.
Hin
und wieder werde ich aber abgelenkt. Ist es die Hitze in dem Raum?
Sind es die vielen Leute. Ich sitze in der Runde, und aus irgendeinem
Grund riecht es seit ein paar Minuten nach nasser Hund.
Und
dann fällt es mir wieder ein. Es ist gar nicht das tatsächliche
„nasse-Hund-Aroma“, welches mir (und glücklicherweise nur mir)
in die Nase steigt. Es ist der Geruch von nasser Wolle. Ich sitze und
schwitze und der Pulli beginnt zu riechen, als hätte man einen
Bernhardiner durch die sommerliche Isar getrieben. Ja, genau, das war
der Grund, warum ich den Pulli so selten getragen habe. Ich schaue
unauffällig nach links und rechts. Rümpft da schon jemand die Nase?
In der Regel gestikuliere ich recht einfallsreich, wenn ich spreche.
Jetzt aber presse ich die Arme fest an den Körper und überlege, ob
ich nicht zusätzlich meinen Mantel überziehe, ganz einfach zur
Geruchssperre für meine Mitstreiter. Die Situation ist doof, denn
mit anliegenden Armen kann ich nun rein gar nicht mehr nach dem
Marzipan-Zeug greifen. Ich bin ein bisschen verzweifelt, denn während
ich versuche still zu sitzen, greifen andere beherzt zu. Je
hartnäckiger ich versuche nicht zu schwitzen, umso intensiver riecht
dieser vermaldeite Pulli, als hätte ich frisch geduscht und mich
dann nass im Skianzug in die Sauna gesetzt. Es sind nur noch drei
Stück Marzipan/Nougat in der Schüssel. Ich schaue in die Runde.
Gelüstet gerade einem nach diesen Leckereien? Hat jemand den
klassischen Marzipan-Blick. Ich kann nichts erkennen, aber ich will
die Süßigkeiten auch nicht unnötig gefährden. Zwei aus der Gruppe
stehen auf und holen sich ein Stück Lebkuchen. Das ist meine Chance.
Bei drei Personen ist die Ablenkung groß genug. Ich stehe auf. Mein
„nasse Hund Odeur“ hinter mich herschleifend.
Wenn
ich gleich zwei Stücke nehme kann ich für den Rest der Stunde mit
angepressten Armen in meinem Wollpulli vor mich hinschwitzen ohne in
Panik zu geraten, und genau so mache ich es auch.
Als
sich die Gruppe auflöst, habe ich schon lange wieder meinen Mantel
an. Ich öffne für einen Moment das Fenster. Und dann schleiche ich
mich von dannen. Vermutlich ist mein wollener Geruch gar nicht bis zu
meinen Sitznachbarn vorgedrungen, und vermutlich hätte es sie gar
nicht weiter gestört. Ein bisschen schlechtes Gewissen habe ich
schon, dass ich fast alles von dem Riegel aufgegessen habe. Und eins
ist mir klar. Der Pulli wird gewaschen und kommt dann wieder ganz
nach hinten und nur für Notfälle in meinen Schrank. Zum einen wegen
des Geruchs und zum anderen wegen der Schokoflecken.
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