Donnerstag, 31. März 2016

54. Akt

Wie verdammt laut darf man eigentlich in Bussen und S-Bahnen telefonieren? Mit 160 Dezibel mit Hard Rock oder Helene Fischer beschallt zu werden – und zwar durch Kopfhörer und Fahrgastkopf hindurch – macht nicht nur mich bisweilen atemlos. Aber an Telefonaten zu partizipieren, die man ja doch immer nur zur Hälfte versteht, ist schon ziemlich enervierend.
Wenn die Hilde der Fritzi wenigstens nur mitteilen will, wann sie wo ankommt, ist das kein Problem. Aber wenn die Fritzi dann auch noch wissen will, wo die Hilde herkommt, was sie da gemacht hat, wie sie mit wem Zeit verbracht hat und ob die Pille danach ganz sicher wirke, dann haben alle Passagiere eine Meinung über Hilde, die ihr vermutlich nicht so gefällt. Und über die Fritzi sicherlich auch.
Manchmal wird es ja auch an den wirklich interessanten Stellen zu laut im Zug. Eine Durchsage wird gemacht oder Passagiere steigen zu. Darf man dann bitten, dass Gespräch kurz zu unterbrechen, weil man sonst den Anschluss verliert? Darf man generell nachfragen, wenn man irgendwelche Zusammenhänge nicht versteht?
Ich meine ja bloß, dass – wenn ich schon genötigt werde, akustisch am Intimleben meiner Mitfahrer teilzuhaben – auch ein wachsendes Interesse am Ausgang der Geschichte besteht.
Irgendwann setze ich mich mal neben eine laut telefonierende Person und tue so, als ob ich Steno kann. Und wenn das Gespräch beendet ist, frage ich freundlich nach, ob ich die letzten drei Sätze richtig verstanden habe. Wenn mir dann eigenartig ins Gesicht geschaut wird, steh ich auf, pack den Zettel weg und sage: „Kein Problem! Falls was falsch ist, dann lassen Sie es mich einfach wissen. Mein Blog heißt übrigens „Warum ich allen erzähle, dass ich Herpes habe.de“ Wenn ich noch ihren vollständigen Namen haben dürfte????“


 Und dann steige ich aus.

Mittwoch, 30. März 2016

53. Akt

Ich liebe meinen kleinen Tengelmann hier ums Eck. Der Laden ist vielleicht so groß wie mein Garten. Und das heißt?
Ich verlaufe mich nicht? Ja. Auch!
Aber es ist alles viel einfacher. Ich kann kaufen, was da ist. Und was nicht da ist, krieg ich auch nicht. Und wenn ich was nicht kriege, dann stelle ich oft ganz begeistert fest, dass ich es auch gar nicht brauche.
Da ist das Obst, dort das Brot, Milch und Eier, Zeitungen, alles easy.
Und dann gibt es Tage, da befinde ich mich mit einer Stunde Wartezeit in der Nähe von einem der großen Supermärkte.
Wenn ich in meinem Tengelmann eine Stunde Zeit habe, dann kann ich zwischendurch noch mal nach Hause gehen, Wäsche aufhängen, zwei Hemden bügeln oder ein paar Runden Candy Crush spielen.
Heute ist es aber der Kaufland im PEP. Ich muss warten, bis mein Sohn von einer Prüfung kommt. Kein Problem. Nur mal kurz rein, denke ich. Walnüsse, Yoghurt, Honig, etwas Salat, Tomaten, Avocado und ein Knäckebrot.
Kaum hat mich das eigenartige „Laufen-Sie-hier-lang“-System in das Untergeschoss geschleust, geht es aber schon los.
„Oh! Koriander! Und frische Minze!“
Das Dilemma beginnt. Koriander und Minze im Topf oder als Bund? Ist der Koriander dort hinten frischer? Und welchen Salat? Alles so schön bunt hier. Ach ja. Äpfel noch. Auf jeden Fall Äpfel. Fünf Stück. Und Mango. Unbedingt. Dann geht es weiter. Der Osterschlussverkauf bietet mir lecker Zeug zum halben Preis an. Ich gehe drei Mal dran vorbei. Dann greif ich zu. Nicht für mich. Nee, nee! Für mich gibt es heute Salat. Nur zwei Tüten Blätterkrokant-Eier für den Junior. Weil der die Dinger so mag.
Mir fällt ein, dass ich Batterien für die Fernbedienungen zuhause brauche und auch noch Fensterreiniger. Nur welchen? Klopapier und Zewa brauch ich auch. Eine Flasche Wein für den Abend und Haushaltsschwämme. Kaffee sowieso. Wird ja nicht schlecht. Und weil die Zeit drängt, nur noch schnell eine Familienpackung Twix auf der Rolltreppe.
Letzten Endes habe ich die Walnüsse, Knäckebrot und den Yoghurt vergessen, weiß nicht mehr, auf welchem Parkdeck mein Auto steht und habe noch fünf Minuten, um rechtzeitig am Abholort meines Sohnes zu sein.
Als ich dort mit 30 sekündiger Verspätung ankomme, werde ich gefragt, ob ich zufällig etwas Süßes dabei habe. Ich bejahe stolz. Und überreiche die eine (!)Tüte mit den Blätterkrokant-Eiern. Wenn ich in Stress komme, brauch ich Zucker. Und bei der Autosuche im Parkhaus war ich gestresst genug für 125 Gramm Zucker und Fett.

Ab morgen wieder stressfrei den Laden an der Ecke. Und dann kauf ich meine Walnüsse und den Yoghurt.      

Dienstag, 29. März 2016

52. Akt

 Ja... ich bin eine Romantikerin, ein Emotions-Junkie, ein „oh mein Gott ich sollte jeden Tag ein bisschen dankbarer als gestern sein“- Anhänger. Und wenn´s mich richtig trifft, dann gehen die Gäule diesbezüglich auch ordentlich mit mir durch.
Heute zum Beispiel ist es ein kolossaler Heimat-Flash. Wer mehr als 25 mal umgezogen ist, kann das vielleicht etwas nachfühlen.
Im Anflug auf München erwischt es mich voll. Voraussetzung dafür war natürlich, dass ich dieses Mal nicht die komplette Landung verschlafen habe und meine Tochter nach einer Wette ihren Fensterplatz an mich abtreten musste. Es ist in der Regel immer so, dass ich mich freue, wenn ich bei einem Blick aus dem Flugzeugfenster schöne Dinge sehe.
Meer? Schön! Flaches Land? Schön! Berge? Schön! Brennende Tragfläche? Nicht schön! Aber zum Glück auch noch nicht passiert.
Ich sitze also versonnen am Fenster einer Boing und stelle fest, dass München, Bayern, die Welt von hier oben aus gerade besonders schön aussieht. Die Felder einen Tick grüner als sonst und anderswo, die Häuser schmuck, sogar das Kraftwerk wirkt idyllisch.
Mein Herz klopft mir bis in den Hals und wenn ich eine Klampfe hätte... aber zum Glück habe ich keine.
Gedanklich sehe ich mich im Dirndl über Felder und Wiesen springen und befürchte, dass ich gleich nach Landung meine Kinder umarmen, an den Händen fassen und mit ihnen im Kreis tanzen will.
Okay, dann hätten sie einen Grund mich einweisen zu lassen. Ich muss meine Freude für mich behalten.
Beim Verlassen des Flugzeugs wünsche ich der Crew euphorisch lächelnd einen schönen Weiterflug. Und irgendwas in ihrem Blick sagt, dass sie künftig keinen Alkohol an Bord mehr ausschenken wollen. Pöh! Ich hatte nur Tee. Ich brauch keinen Alkohol für diese Stimmung.
Auf dem Weg mit der S-Bahn nach Hause sieht es immer noch fast so schön aus, wie aus dem Flugzeug. Die letzten hundert Meter zu meinem Haus gehe ich beinahe im Hopserlauf.
Aufgeschlossen. Alle Rollos hoch. Zuhause! Schön. Ich habe das Gefühl, ich atme gerade Herzchen ein und aus.
Dann mache ich einen dramatischen Fehler. Ich nehme den Postschlüssel und schaue in den Briefkasten.
Hallo?? Es sind doch Osterferien? Wer arbeitet denn da? Bei der Krankenkasse und im Finanzamt? Können die mir nicht ihre Post schicken, wenn ich eh schon schlecht drauf bin?

Egal. Die Restfreude reicht noch für zehn idyllische Minuten im Garten. Dann hat mich der Alltag wieder. Zumindest ein bisschen.   

Montag, 28. März 2016

51. Akt  

Äh... ja... alles hat seine Zeit. Aber das muss mir ja nicht immer gefallen. Nachdem ich meine Kinder in den vergangenen Jahren immer dazu nötigen konnte, zumindest so zu tun, als ob sie an Weihnachtsmann, Nikolaus und Osterhase glaubten, ernte ich nun komplette Verweigerung.
Okay, wenn die Kinder größer sind als die Mutter, dann wird das Ganze auch etwas unrealistisch. Der erfreute, neugierige und fröhliche Blick von unten nach oben und das nach dem Osterhasen Fragen wird etwas unglaubwürdig, wenn die Blickrichtung von oben nach unten geht.
Ich bin geknickt. Sie könnten schon noch bis zur Eheschließung oder zumindest bis zu ihrem Auszug so tun, als ob an diesen Geschichten was dran ist. Erst karrt man den Schokokram ins Haus und dann bleibt man drauf sitzen. Auf meinen Kommentar, dass ich nicht vorhabe, die Sachen völlig ungesucht auf den Tisch zu stellen, kommt nur ein: "Dann kaufen wir uns das Zeug am Dienstag selber. Dann kostet es auch noch die Hälfte."
Mist! Ich habe zwei Pragmatiker großgezogen. Völlig unromantisch.

Okay, kein Problem. Dann esse ich den ganzen Senf halt alleine. Vielleicht sollte ich auch über Adoption, späte Schwangerschaft oder Motivation zum Enkelkind nachdenken. Geht ja nicht an, dass künftig keiner mehr durch den Garten springt und sich mit dem Geschwisterkind um die Schokolade streitet. 
Und wenn im Dezember keine geputzten Stiefel mehr an der Tür stehen, dann zieh ich aus.      

Sonntag, 27. März 2016

50. Akt 

 Okay, ich bin so ziemlich zufrieden mit mir. Ich bin keine zwanzig mehr und muss deswegen auch nicht gleich nach dem Aufstehen aussehen wie ein frischer Pfirsich. Wenn es in meiner Physis etwas obstiges gibt, dann bekenne ich mich eher zu ein wenig Orangenoptik im Oberschenkelbereich. Nach einer halben Stunde im Bad fühle ich mich in der Regel optisch ansprechend und wenn das nicht der Fall ist, dann bleib ich halt noch eine halbe Stunde drin. Bad hair days sind mir natürlich so wie allen anderen Frauen auch ein Begriff. Dann seh ich auf dem Kopf eben aus wie ein Vileda Wischmopp oder ein geplatztes Kissen. Ist mir wurscht. Das gehört zum Frau-sein dazu oder wird als „kreatives Frisieren“ verkauft. Genetisch habe ich ja nicht allzu schlechte Karten gezogen und kann noch dem Impuls widerstehen, mit dem Glätteeisen auch ein paar Falten um die Augen wegzubügeln. Brauch ich nicht. Die, die da sind gehören da auch hin. Für den Rest reicht Abdeckcreme.
Der graue Ansatz am Kopf wird, wenn ich mal Zeit habe ordentlich eingefärbt. Zur Not tut es auch Wimperntusche. Dann darf ich aber nicht verlegen über den Kopf streichen oder schwitzen. Es sei denn man mag schwarze Streifen auf der Handinnenfläche oder an den Schläfen.
Einzig mein Hautton stellt manche Kosmetikfachverkäuferin vor ein Problem. Für mich Make up zu kaufen, entspricht der Auswahl einer Sonderlackierung, die einfach nie passt. Ich bin nunmal nix ganz. Nicht adlig blass. Nicht rabenschwarz. Und das Feld dazwischen ist weit.
Wenn ich verreise, ist mein Make up neben Ausweis, Kreditkarte und irgendwas zu Essen eigentlich immer das Wichtigste in meiner Tasche. Eigentlich. Dieses Mal habe ich das kleine Fläschchen vergessen. Warum auch immer. Das heißt, ab auf die Suche zu einem Laden, der meine Linie führt.
Aber – Pech gehabt. Entweder gibt es die ganze Linie nicht oder meine Farbe ist aus, war nie da, oder ist einfach unbekannt.
Nachdem sich die ein oder andere Kosmetikerin an mir austoben darf, sehe ich entweder aus, wie Winnetou nachdem er zwei Nächte im Solarium verbracht hat, oder wie Michael Jackson nach einem Fruchtsäure-Peeling.
Ich glaube, die ersten Kunden machen schon Bilder für ein „Wie-man-es-nicht-machen-sollte“-Tutorial.
Aber so völlig ohne Farbe im Gesicht hab ich das Gefühl eines Nudisten in einer Hotellobby. Ich möchte den Bildern die ich hin und wieder poste doch wenigstens ein bisschen ähnlich sehen.

Also entscheide ich mich für drei Töne, die ich in etwa auf meine Farbe zusammen mixen kann. Und sollte es mir nicht gelingen, dann nenn ich es eben – passend zum kreativen Frisieren an einem Wischmopp-Tag – kreatives Schminken.  Basta!

Samstag, 26. März 2016

49. Akt 

So im Großen und Ganzen halte ich mich ja nicht für überbordend neurotisch. Eigentlich. Aber es gibt ein paar Situationen, in denen ich dann doch ein klitzekleines bisschen auffällig werde. Bei schief hängenden Bildern zum Beispiel oder bei der Kontrolle, ob ich Türen tatsächlich korrekt verschlossen habe.
Oder, wenn es um das Stellen von Weckern geht.
Mein Flieger heute morgen geht um 7 Uhr. Das heißt für mich 4 Uhr aufstehen. Und das wiederum bedeutet, dass alle verfügbaren Wecker zu stellen sind. Mein Radiowecker hat die Möglichkeiten zwei Weckzeiten einzustellen. Und das tue ich auch. Er wird einmal um 4 Uhr anspringen und dann nochmal um 4.01 Uhr. Dann natürlich mein Handy. Ebenfalls exakt 4 Uhr. Mein altes Handy zur Sicherheit auch noch. Ach ja, ich hab ja auch noch ein altes iPad mit Weckfunktion. So, und dann liege ich inmitten meiner gestellten Wecker und kann nicht schlafen. Was, wenn heute Nacht Stromausfall ist und der Radiowecker ausfällt? Sind alle Akkus von Telefonen und iPad aufgeladen?
Ich mach nochmal das Licht an und kontrolliere den Ladezustand. Alle zwischen 80 und 100%. Das wird reichen. Ist ja auch schon kurz nach 1 Uhr. Ich wälze mich hin und her. Dann überlege ich, ob ich die Haustür wirklich ordentlich abgeschlossen hab und alle Lampen aus sind. Und weil ich ja eh noch wach bin, sause ich, so schnell, wie meine ausgefransten Hausschuhe es zulassen die Treppe runter. Okay, alles dicht. Alles aus. Also wieder ins Bett. Obwohl? Lassen da nicht einige Pflanzen die Köpfe hängen? Kein Problem. Fünf Minuten später ist jeder Topf gewässert. Also ab zurück ins Bett.
Ich kontrolliere nochmal alle Wecker und lege mich hin. Ich schaue die Decke an und freue mich, dass sie so frisch gestrichen aussieht. Weil sie ja auch frisch gestrichen ist. Dann fällt mir ein, dass ich das Licht ausschalten sollte. Also Licht aus.
Es ist kurz nach 2 Uhr. Lohnt sich schlafen eigentlich noch? Während ich nachdenke, spiele ich noch eine Runde Candy Crush. Und genau hierbei passiert es. Ich schlafe ein. Gefühlte 30 Sekunden später tobt um mich der Bär. Zwei Handys, ein iPad und der Radiowecker schlagen an. Vor Schreck hänge ich einen Moment nur knapp unter meiner frisch gestrichenen Decke. Dann hantiere ich wie eine Krake auf Speed, um alle Geräte sofort wieder auszuschalten. Das alte Handy ist unter das zweite Kissen gerutscht, das iPad liegt unterm Bett und beim Radiowecker ziehe ich letztendlich einfach den Stecker.
Egal. Es ist jetzt wieder leise. Und ich bin wach. Ziel erreicht. Ich stehe auf, falle über meine Pantoffeln und erreiche halbwegs aufrecht das Badezimmer. Okay, wach sieht anders aus. Aber im Flugzeug kann ich ja dann wieder schlafen. Die wecken mich dann spätestens, wenn alle anderen draußen sind. Da braucht es keinen weiteren Wecker.

Hat ja auch was Gutes.           

Freitag, 25. März 2016

48. Akt

Was für ein genialer Abend. Fünf Frauen treffen sich in einer Bar und sind sich für nix zu blöd. Wir brauchen keine drei Flaschen Champagner um uns  schön zu trinken. Da tät´ es auch eine heiße Milch mit Honig. Wir sind genau richtig, wie wir sind. Wenn sich Frauen in dem Alter befinden, wo sie nicht mehr überlegen, wie weit der zwanzigste Geburtstag zurückliegt, wird es erst so richtig entspannt. Für die Teilnehmerinnen zumindest. 
Frauenrunden dieser Art schrecken aber auch ein bisschen ab. Nur die mutigsten vorbeigehenden Herren trauen sich einen Kommentar abzugeben oder versuchen eine kurze Kommunikation. Und dann gehen sie weiter und machen einen zusätzlichen Haken in der „Baum gepflanzt, Kind gezeugt, Haus gebaut“-Liste.
Ja, okay. Wir haben was von dem Sex and the City Team. Aber die Rollenverteilung ist nicht so einfach. Wir sind alle gleichzeitig Carrie, Samantha, Charlotte und Miranda. Also fünfmal der ultimative Mix mit einer gehörigen Portion „Hoppla hier komm ich“.
Eine aus unserem Team kommt sogar extra aus dem Sauerland angereist, um dabei zu sein. Yepp! Coole Mädels. Es ist ein Fest.
Nach zwei Prosecco und einem Haufen lauter, fröhlicher, völlig unverschämter Worte, mache ich mich auf den Heimweg. Als ich am Residenztheater vorbeilaufe, sehe ich einen Haufen von Damen und Herren in Abendkleid und Smoking. Es ist wohl gerade Pause auf der Bühne. Inmitten der ganzen Pinguine rieche ich etwas. Riecht ein bisschen nach Salbei. Nur anders.
Ich schaue mich um. Irgendeiner der Pinguine kifft. Gras im Theater. Ne Tüte zum Smoking. Was ist denn das für ein Accessoire?? Ist die Aufführung zu langweilig und raucht sich einer das Event jetzt lustig?

Hoffentlich ist es nicht der Dirigent. 
Der Gedanke, dass der Dirigent mit einem Fressflash und Lachkrampf in den Orchestergraben fällt, erheitert mich noch bis zum Auto. Dann fahr ich heim. Es war ein super Abend für mich. Ich hoffe, die im Theater können das auch in ein oder zwei Stunden behaupten. Und der Dirigent auch. Es sei denn, er sitzt dann mit einer Tüte in der Hand irgendwo hinter dem Theater und grinst.

Donnerstag, 24. März 2016

47. Akt

Internet ist cool. Aber manchmal auch lästig. Früher konnte man noch sagen: „Wie, du hattest angerufen? Sorry, hab ich nicht mitgekriegt. Um was geht es denn?“ Heute wird man erreicht. Basta!
Email, Chat, WhatsApp. Kein Entkommen. Drei Minuten, nachdem beim Kommunikationspartner der blaue Haken auf dem Handy erscheint, fängt man sich schon einen Rüffel wegen „nicht rückmelden“ ein. Blöd, wenn man sich noch Gedanken über eine Antwort machen wollte. Ähnlich ist es mit Facebook. Einerseits phänomenal. Ein Fenster in anderer Leute Leben oder eben in das, was sie als ihr Leben verkaufen. Andererseits aber auch Angriffsfläche für Leute, die ohnehin alles doof und scheiße finden. Ich halte es bei Facebook so, dass ich ausschließlich poste, was ich auch an eine Litfaßsäule pinnen würde. Und da ich nicht möchte, dass mich jemand beim Zehennägel schneiden, Rasen mähen oder betrunken über´m Zaun hängen sieht, wird es dort solche Bilder auch nicht geben. Andererseits möchte ich auch niemanden dabei zusehen, wie er oder sie nach einer Party über einem Eimer hängt oder dem Nachbarn in den Garten pinkelt. Ist ja ganz einfach. Jeder ist seines Facebook-Glückes Schmied. Und zur Not helfen erweiterte Talente in den Fächern „Ignorieren“, „Drüber stehen“ und „Wegklicken“. Beherrsche ich prima.
Was mich bei Facebook bisher immer ein wenig verblüfft, ist die eigenartige Unsitte des „Anstupsens“. Was bedeutet denn das? Virtuelles auf die Schulter Klopfen? Ein sanfter „nimm mich wahr“-Schubs? Vielleicht ein freundlich getarnter Tritt vor´s Schienbein?
Erst kürzlich habe ich mir die Liste derer angesehen, die mich angeblich angestupst haben sollen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die Personen das allen Ernstes gemacht haben. Irgendwie scheint es, dass Facebook bei jedem zwölften Tipp-Fehler irgendwohin eine „Stups-Meldung“ aussendet. Was mich aber dann völlig aus den Pantinen haut, ist, dass bei einigen Leuten steht Hinz und Kunz hat „zurückgestupst“.
Hallo???? Was heißt hier „zurückgestupst“? Das setzt ja voraus, dass ICH zuerst gestupst haben muss. Und wenn ich eines weiß, dann dass ich nicht stupse. Gar nicht. Niemals. Wer mich ärgert, der kriegt einen Ellbogen zwischen die Rippen, und wer mich erfreut, der wird schon mal umarmt. Stupsen ist für Verlierer, die sich nicht trauen, einen anzuschreiben und eine Nachricht zu senden. Stupsen ist unverbindlich. Es klingt nach „Oh, versehentlich auf die Stups-Taste geraten. Aber wo ich schon mal da bin...“. Wird es auch irgendwann die Funktion „Anrempeln“ und „Auf den Fuß treten“ geben? Vielleicht auch „Kitzeln“ oder „an den Haaren ziehen“?
Irgendwann werde ich noch das Prinzip des Stupsens begreifen. Oder ich finde die Taste, mit der ich diese Funktion ausschalten kann. Irgendwo.


Mittwoch, 23. März 2016

46. Akt

Könnte es sein, dass ich in letzter Zeit viel unterwegs bin? Äh... ja. Ist wohl so. Aber so lange die Kinder nicht die Schlösser austauschen und ich noch ihre Namen und Geburtsdaten weiß, kann es so schlimm nicht sein.
Heute jedenfalls steht wieder mal in Heimflug an. Mit den Nachrichten aus Brüssel und der dazugehörigen Portion Wut im Bauch, treibe ich mich schon zwei Stunden vor Abflug am Flughafen rum. Der Gedanke, dass mir in dieser Verfassung wieder ein „Dennis“ begegnet, macht die Sache nicht entspannter, aber es kommt noch besser.
In der Lounge kann ich einen Herrn im besten Alter beobachten. Schütteres Haar, Lodenmantel und Hut. Mir ist klar, dass ich dem sicher noch in meinem Flieger nach München begegne. Er mustert das Personal. Dann steht er auf. Gerade befüllt ein Dame den Kühlschrank mit den Säften, als der Typ so nah an ihr vorbei geht, dass er mit der Hand ihren Po streift. Ich denke, ich guck nicht richtig. Offensichtlich entschuldigt er sich, nimmt sich ein Getränk und geht zurück zu seinem Platz. Ich bin irritiert. Meines Erachtens ist der Kerl viel zu zielstrebig zum Kühlschrank gelatscht, als dass die Berührung zufällig gewesen sein könnte. Er hat auch nicht ihren Arm gestreift oder ihren Rücken. Nein! Einmal mit den Flossen an den Allerwertesten. 
Er bleibt sitzen, nuckelt an seinem Apfelsaft und beobachtet so ziemlich genau alles, was einen Rock trägt und an ihm vorbei läuft.
Eine Weile später steht er auf und geht in Richtung Gate 11. Ich ebenfalls. Dachte ich mir. Air Dolomiti nach München. Auf der Rolltreppe stellt er sich so nah an eine Frau in Pelzjacke und Jeans ran, dass man meinen könnte, er möchte ihr mit seiner imaginären Brustbehaarung den Rücken kraulen. Sein Mund ist bestenfalls 20 Zentimeter von ihrem Nacken weg. Der Brünetten kommt das wohl auch doof vor. Sie geht drei Stufen runter und am Ende der Rolltreppe bekommt der „Kontakt-Fetischist“ einen bösen Blick von ihr. Ab dann wird es echt widerlich. Auf dem Weg ins Flugzeug drängelt der Sack derart, dass er jeder Frau zwischen Reihe 1 und Reihe 15 auf´s Unangenehmste auf die Pelle rückt. Ich sitze auf 16 F. Ganz rechts, wie immer. Eigentlich in Schlafposition, aber das Verhalten des Mannes hält mich wach. Würde mich nicht wundern, wenn er der Flugbegleiterin nachher beim Service ein Bein stellt und sich dann total versehentlich drauf schmeißt. Was tut man mit so einem Typen? Anzeigen? Nach vorne gehen, der Stewardess das Mikro aus der Hand nehmen und rufen „Da! Schaut alle hin! Auf 15 C sitzt Gerd der Grabscher!“ „Fred, der Fummler“ oder „Richard, der Reiber“?
Hat doch alles keinen Sinn. Ich fasse andere Pläne. Und da ich ohnehin in Stimmung bin, soll das auch nicht wirklich zärtlich ausfallen.

Gleich nach Landung, kämpfe ich mich zu meinem Trolley durch, der ein paar Reihen weiter vorne im Overhead bin, also im Staufach über den Sitzen, liegt. Diesmal suche ich die Nähe des widerwärtigen Fummel-Frosches. Kurz bevor ich die Maschine verlasse, spüre ich auch schon den Lodenmantel hinter mir. Ab dann geht es fix. Köfferchen abstellen. Oben am Griff fassen und ZACK!!!! Das Gestänge zum Hinterherziehen mit einer solchen Wucht herausziehen, dass es mit dem Gestänge des Kontaktsportlers kollidiert. Wie praktisch, dass die Länge des Griffes nicht nur streift, sondern genau da landet, wo es weh tut. Da bekommt der Begriff „Hartschalenkoffer“ gleich völlig komplexere Bedeutung. Dem Fummler fällt schier der Hut vom Kopf und er krümmt sich. Ich lächle, sage „Sorry“, drehe mich um und gehe weiter. Für heute hat es sich bestimmt ausgefummelt. Von der Rolltreppe zum Ausgang schaue ich noch mal zurück. Theo, der Tatscher hat es bestenfalls zwei Meter weiter geschafft. Er geht schon wieder ein bisschen aufrechter. Vielleicht sollte ich oben noch mal warten und aufpassen, dass mein Koffer nicht gleich noch die Rolltreppe runterfällt. Dann entscheide ich mich aber dagegen. Da ist mein Rechner drin und meine Kamera. Das hat er nicht verdient. Ich hoffe nur, dass die nächste Frau, die er begrabbelt, sich nicht durch Entschuldigungs-Gestammel abschrecken lässt, sondern sich umdreht und dafür sorgt, dass ihm die kommenden vier Wochen nicht mehr nach Eierspeisen ist. Genau das braucht der Typ vermutlich. Oder Handschellen.            

Dienstag, 22. März 2016

45. Akt 

Manchmal könnte man meinen, dass einen der eigene Körper hin und wieder gehörig auf den Arm nehmen will.
Nach einem anstrengendem Tag, fällt mir ein besonderes Angebot meines Hotels ins Auge. Entspannungsmassagen, Sportmassagen und irgendwelche weiteren Schnickschnack-Massagen. Ich habe Zeit und entscheide mich für eine Entspannungsmassage. Wenn ich schon von früh bis spät durch die Gegend rödle, dann hab ich mir mal so einen chilligen Nachmittag mit Fahrstuhlmusik auf einer beheizten Liege verdient. Kurzerhand an der Rezeption angerufen. Alles klar gemacht. Yepp! So soll es laufen. Mit Hotel-Badeschlappen und Hotel-Bademantel schlurf ich ein Stockwerk nach unten. Dort hinter der Tür, auf der in geschwungenen Lettern Spa & Kosmetik geschrieben steht, dort bin ich richtig. Tür auf, reingeschlurft und mein Erscheinen bei der Dame, die da hinter Duftkerzen am Empfang steht, angemeldet. Innerhalb von wenigen Minuten liege ich auf weißem Frottee bei kuscheliger Musik auf der Liege.
Und da ist es wieder. Den ganzen Tag war er ruhig. Jetzt rumort er. Mein Bauch. Und zwar in einer Lautstärke, dass man die Kuschel-Mucke auch auf 10 drehen könnte und die Geräusche meines Bauches trotzdem klar lokalisieren würde.

Ich fass es nicht. Ich hasse das. Es ist ja nicht so, dass ich mir auf dem Weg ins Spa ein Pfund Erbsen reingepfiffen hätte. Und ich rechne auch nicht damit, dass ich abhebe wie ein Fesselballon. Aber allein der Lärm ist störend. Klingt ein bisschen nach Free-Jazz. Bevor ich mich versehe, ist die Masseurin da. Nett und entspannt beginnt sie meinen Rücken zu bearbeiten. Sie sagt nix und dreht die Musik auch nicht lauter. Selbst als es klingt, als ob in meinem Magen eine Samba-Party stattfindet. Sie ist höflich. Knautscht hier, lockert da. Cool. Sollte ich öfter machen. Als sie mit meiner Rückseite fertig ist, bittet sie mich, mich umzudrehen. Mach ich gern. Schultern, Arme, tob dich aus, Baby. Mein Bauch hat mittlerweile dir Ruhestörung eingestellt und ich beginne, mich zu entspannen. Und da passiert es. Es können nur Sekunden gewesen sein, aber es war eindeutig. Ich wache auf. Ruckartig und erschreckt reiße ich die Augen auf. Nein, nicht, was man meinen könnte. Gott behüte, ich wäre vor Scham zwischen Frotteetuch und Liege gekrochen. Nein, das Geräusch was mich geweckt hat, klang nach Kreissäge im Leerlauf. Ich habe geschnarcht. Eindeutig. Laut und Holzfällerartig. Mit „oh-mein-Gott-das-war-jetzt-aber-nicht-ich“-Blick schaue ich die Masseurin an. Ich befürchte, dass sie sich ein Kichern nicht unterdrücken kann oder zumindest breit grinst. Aber sie lächelt mich nur an. Ja, so kann Entspannung gehen. Ich bin aber trotzdem froh, als ich wieder im Bademantel auf dem Weg in mein Zimmer bin. Ab jetzt wird mein Körper wieder so lange ruhig sein, bis er mich wieder in peinliche Situationen bringen kann. Dieser Verräter.

Montag, 21. März 2016

44. Akt

Was ist ein kontraproduktives Bett? Ein kontraproduktives Bett ist es, wenn man sich zum Arbeiten ins Bett legt und Zack! Schon ist man eingeschlafen. Aber was soll ich tun? Mich über die Bequemlichkeit des Bettes beschweren? Mir Kieselsteine als Kissenfüllung wünschen? Vielleicht eine Baustelle vor dem Fenster provozieren? Hier ist alles ganz anders als vor ein paar Tagen. Als ich mein Hotel in Leipzig verließ, wurde ich gefragt, wie es mir in dem Hotel gefallen hat und ob alles in Ordnung war. Ich hab gelächelt, gesagt „Das wollen Sie nicht ernsthaft wissen.“ und das Haus verlassen. Was hätte ich ihnen denn sagen sollen? Dass die Betten die Breite eines Sprungbrettes in einem Städtischen Schwimmbad haben? Dass die Temperierung des Zimmers nur im Durchschnitt auszuhalten ist? Das werden sie doch alles wissen. Die nächste Leipziger Buchmesse wird wieder ein Jahr dauern. Dann nehm ich mir nen Schlafsack mit und Dichtungsmaterial für´s Fenster. Nur für alle Fälle. Aber hier? Das Hotel ist unschlagbar.
Alles aus Holz und Stein. Die Betten nicht zu weich und nicht zu hart und mehr als ausreichend breit. Das Personal zuvorkommend und freundlich. Der einzige Nachteil ist eben, dass spätestens zehn Minuten nach Betreten des Zimmers eine Ganzkörper-Entspannung eintritt. Ich war vor zwei Jahren mal mit meiner Tochter hier. Sie wollte sich nur kurz ins Bett legen und rief mir zu: „Ich lese noch ein, zwei Geschichten und dann...“ Dann kam nix mehr. Sie schlief. Zwischen all den zauberhaften Kissen. Und jetzt? Jetzt liege ich hier und überlege, ob ich nicht noch ein, zwei Geschichten schreiben kann, aber dann denke ich...  

Sonntag, 20. März 2016

43. Akt 

Mal wieder im Zug. Auf dem Weg zu einem Termin fällt mir auf, dass Ferien begonnen haben müssen und stelle fest: Ja, es sind Osterferien in Bayern. Der Zug ist rappelvoll und ich sitze in einem Abteil mit einem älteren Paar und einer dreiköpfigen Familie. Der etwa neunjährige Sohn gehört der Sorte Kind an, dem offensichtlich sein ganzes Leben lang eingebläut wurde, dass er in jedem Moment ganz zauberhaft ist und jeder sich zu aller Zeit über alles(!) was er tut freut. Ich mag Kinder. Ich mag sie sogar so sehr, dass ich mir selber zwei von ihnen angeschafft habe. Ich nenne sie gern Kind 1.0 und Kind 2.0, aber ich rufe sie in der Regel bei ihrem Namen und ich würde für ihr Wohlbefinden über Leichen gehen.
Dieser Junge hier – Dennis heißt er, wie ich schon nach dreißig Sekunden erfahre – gehört zur Sorte „Mir gehört die Welt und deine Sachen auch“.
Ich sitze zwischen dem alten Herrn und Dennis Mutter. Der Junge beschimpft gerade seinen Vater, der offensichtlich vergessen hat, das Aufladegerät für seinen iPad einzupacken. Es fallen Schimpfworte, bei denen ich meinen Kindern vermutlich bis zur Rente das Taschengeld gestrichen hätte. Das alte Paar schaut aus dem Fenster. Sie sprechen kein Deutsch. Das habe ich schon mitbekommen. Ich frage mich, wo sie wohl herkommen, aber da steht auch schon Dennis vor mir. „Hast du Spiele auf deinem Handy?“
Ich bin etwas verblüfft. Mit neun Jahren haben die Kinder die Verwendung von der Anrede „Sie“ eigentlich ganz gut im Griff. Aber egal. Es ist ein Kind und ich bejahe die Frage. Dummerweise. Das Handy in meiner Hand fühlt sich zunehmend warm an. „Kann ich mal?“
Ich verneine und sage, das ich das Telefon selber brauche und füge noch hinzu, dass es für mich ein Arbeitsgerät ist. Ich lache.
„Die Dame gibt es dir bestimmt, wenn sie nicht mehr arbeiten muss, Dennis.“ Jetzt lach ich nicht mehr. Hat die ein Rad ab? Seit wann haben fremde Mütter Verfügungsgewalt über mein Equipment? Ich erspare mir einen Kommentar und tippe gebannt auf meinem Telefon rum. Dann reicht es mir irgendwann und ich packe es in meine Handtasche. Prompt steht Dennis wieder vor mir. „Kann ich es jetzt dann mal haben??“ Es ist weniger eine Frage, als eine konkrete Aufforderung. Ich lächle ihn an und sage laut und deutlich „Nein!“ Einen Moment habe ich das Gefühl, der Zug müsste auf der Stelle stehen bleiben. „Nein“ ist offenbar eines der Worte, die Dennis in seinem Leben viel zu wenig gehört hat. Abgesehen davon, dass ihm auch die Verwendung der Worte „Bitte“ und „Danke“ vollständig abgeht.
„Spinnst du? Du hast gesagt, dass ich es gleich haben kann!“ Dem Jungen scheint gleich die Halsschlagader zu platzen. Er fasst nach meiner Tasche und ich ziehe sie von ihm weg. Er dreht sich um und schreit seine Mutter an. Ich denke nach. Wie kann man diesen Eltern helfen? Dennis passt garantiert nicht mehr in die Babyklappe. Eindeutig zu groß.
Dann spricht mich die Mutter an und fragt mich allen Ernstes, ob Dennis jetzt mal kurz mit meinem Handy spielen darf.

Ich fass es nicht. Erneut verneine ich und ernte von beiden Elternteilen böse Blicke. Bevor Dennis jetzt vollständig in die Luft geht, fragt ihn die Mutter, ob er mal mit ihr nach ganz vorne gehen mag. Da wo man manchmal den Zugführer sehen kann. Mir wird flau. Ich hoffe, der Zugführer hat feste abgeschlossen. Dennis streckt mir die Zunge raus und während Mutter und Sohn das Abteil verlassen, höre ich sie noch sagen: „Die Frau mag bestimmt keine Kinder, die ist doof.“ Dennis lacht und ich würde beide am liebsten bei voller Fahrt Kontakt mit dem Gleisbett schließen lassen. Der Vater bleibt stumm sitzen und tut so, als ob er in einem Buch liest. „Angewandte Psychologie“. Ich würde es ihm am liebsten rektal einführen, damit er weiß, was sie da erziehungstechnisch murksen. In Innsbruck steigt die Familie dann endlich aus. Ich schließe die Augen, atme ein und atme aus. Die alte Dame gegenüber beginnt zu kichern. Dann spricht sie mich an. Auf Bayerisch. „Ihr Gemüt hätte ich gerne. Der Junge war ja ein Ausbund an schlechter Erziehung.“ Von links spricht der ältere Herr. „Ich habe mir überlegt, wer von den Dreien am meisten eine Watschn verdient hätte. Letztendlich hätte ich mich für die Mutter entschieden.“ Mir bleibt die Spucke weg. Die beiden haben die ganze Zeit so getan, als ob sie kein Deutsch sprächen. Nur damit sie von dem kleinen Familienrudel verschont bleiben. Wie geschickt ist das denn?? Als der Service kommt, lade ich die beiden zu einem Glas Wein ein. Ab jetzt wird die Fahrt deutlich entspannter. Und beim nächsten mal mach ich es ganz genau so. „Sorry, nix verstehn.“     

Samstag, 19. März 2016

42. Akt 

Es ist acht Uhr und fünfzehn Minuten. Die obligatorische Kürbiskern-Semmel mit Honig ist verdrückt. Der Rechner hochgefahren. Die Arbeit ruft.
Die Email-Konten geben allerlei her, was man schon länger mal nicht gelesen haben will. Es finden sich Penis-Verlängerungen und heiratswillige Mitglieder der US Army. Dann auch immer gerne arabische und afrikanischen Witwen und Waisen, die die Millionen ihrer verblichenen Väter über eines meiner Konten transferieren wollen. Vier, fünf Millionen Dollar würden da auch auf jeden Fall für mich herausspringen. Des Weiteren kommen auch wieder Irinas, Lenas und Natalias ums Eck, die sich allein beim Lesen meiner Email-Adresse in mich verliebt haben. Und nicht fehlen dürfen natürlich auch die Abnehm- und Fitnessdrogen. 100% wirksam und 200% legal. 
Ich lösche mich zügig durch die Nachrichten und vermeide dabei, die Post von Verlagen, Medienanstalten und so weiter gleich mit zu eliminieren. Dann fällt mir eine Nachricht auf. Eine Agentur fragt mich zur Zusammenarbeit an. Also jetzt nicht so was wie Parship oder Elitepartner, die wieder jemanden für alle elf Minuten brauchen. Nein. Mir wird ein Management angeboten. Ich komme ins Grübeln. Die Mail liest sich gut. Nach einem kurzen Google-Exzess stelle ich fest, dass die Agentur gut etabliert und anerkannt ist. Umso mehr frage ich mich natürlich, wie man dort darauf kommt, mich managen zu können oder wollen. Was muss denn bei mir gemanagt werden? Die paar Termine, Flüge, Reisen und Gespräche kriege ich doch noch selber auf die Reihe. Ich brauche auch keinen der mich managt, wann ich das Altglas wegbringe oder bei Tengelmann einkaufe. Aber was wäre wenn? Wenn ich für das was ich tue jemanden hätte, der mir per Anruf oder Mail rechtzeitig mitteilt, wann ich wo zu tun habe und was mitzubringen ist? Ich lasse meinen Blick schweifen und stelle fest, dass ich mal wieder die Blumen gießen sollte. Okay, für so was ist natürlich auch kein Management zuständig. Ich lösche die Mail erst mal nicht. Sie haben für Nachmittag ihren Anruf angekündigt. Ich hänge mir ein Post-it mit der Uhrzeit an den Rechner. Bisher sah mein Management ja quasi immer genau so aus. Aber warten wir ab. Vielleicht sind die ja viel besser als Post-its.     

Freitag, 18. März 2016

41. Akt 

Die Nacht ist rum und die Messe steht an. Mit dem Hotel-Shuttle fahre ich erst mal ins Presse-Zentrum. Weil – genau – da gibt es Kaffee! Auf dem Weg in die erste Halle stolpere ich über ein Fabelwesen. Vor mir steht ein Junge (?) mit blassem Gesicht, grauem Haar, schwarzem Zaubererhut und feuerroten Kontaktlinsen. Er läuft gemächlich in Richtung der unteren Eingänge und ich frage mich, ob das Schlafdefizit schon mal solch exorbitante Auswirkungen auf mich hatte. Ein Blick über die Brüstung zeigt mir, dass sich vor dem Eingang weitere dieser eigenartig gekleideten Gestalten befinden. Rosa Perücken, Flügel, groß geschminkte Augen, Besucher männlichen und weiblichen Geschlechts im japanischen Schulmädchen-Look. Langsam dämmert es mir. Im Rahmen der Buchmesse findet hier die Manga-Comic-Con statt. Das heißt rudelweise fallen die meist jugendlichen Besucher in den ausgeflipptesten Outfits ein. Da sag mal einer der Osten ist nicht bunt. Auf dem Weg zu meinem ersten Gespräch muss ich die auf Einlass wartende Menge einmal komplett durchqueren. Ich überlege, was ich tun würde, wenn meine Kinder sich hier befänden, bin froh, dass sie es nicht tun und beschließe ihr Taschengeld zu erhöhen.
Ich treffe meinen Literaturagenten und stelle fest, dass ich bereits meinen fünften Kaffee trinke. Wenn das so weiter geht, blute ich nachher aus den Augen und meine Interviews werden nur noch in Zeitlupe verständlich sein. Jenseits der Manga-Halle wirken die Besucher dann wieder blass und farblos wie zuvor. Kleidung in den grauesten Graustufen bestimmen das Bild. Mit meiner roten Bluse und der Lederjacke komme ich mir exotischer vor, als die Manga-kids vorhin. Ich besuche Podiumsdiskussionen, diverse Radiostationen und Journalisten, die mich zum Gespräch eingeladen haben.

Als ich alle meine Termine durch hab, setze ich mich noch in eine Diskussionsrunde. Einer der Zuschauer fragt, warum in der Literatur ständig Mord und Totschlag thematisiert werde. Alles sei so grausam geworden. Ich schleiche mich still und leise aus dem Publikum. Mit einem Titel der „33 Grausamkeiten“ heißt und einem Roman, wo einer mit einem Aufzug getötet wird, fühle ich mich zu unausgeschlafen, um diese Diskussion zu verfolgen. Zwei Stunden vor der Zeit fahre ich zum Flughafen. So wie es aussieht, werde ich mit dem Einschlafen dieses Mal schon vor dem Boarding beginnen. Also stelle ich mir einen Wecker. Sicher ist sicher.      

Donnerstag, 17. März 2016

40. Akt

 In meinem Hotelzimmer stehen zwei Betten. Nicht unnormal. Die Betten stehen aber nicht nur eineinhalb Meter auseinander, sondern befinden sich quasi in zwei völlig unterschiedlichen Klimazonen. Das kann ich aber noch nicht ahnen. Schon um 21 Uhr liege ich im Bett am Fenster.  Von hier aus kann ich besser sehen, wie sich der Bachelor zwischen falsch und falscher entscheidet. Vielleicht sollte er es ja mit einem der Kameramänner probieren. Die Aussicht auf Erfolg wäre sicher nicht geringer. Nach zwanzig Minuten, spüre ich, wie mir das undichte Fenster einen Tinnitus in mein rechtes Ohr bläst. Ich halte weitere zehn Minuten durch. Dann wechsel ich ins Bett an der Heizung. Zwanzig Minuten später scheint mein linker Arm Blasen zu schlagen. Die Heizung lässt sich auch nicht abdrehen. Okay, denke ich mir. Ich habe also die Wahl zwischen Gefrierbrand und Mumifizierung durch Dehydration. Ich kann ja schlecht auf dem Schreibtisch schlafen, der zwischen den Betten steht. Ich entscheide mich für das Grillbett. Während ich mich ganz behutsam hin und her wende, wird mir klar, dass das mit dem Schlafen schwierig wird. Nicht nur die Wahl zwischen Grill und Kühltruhe beschäftigt mich. Auch die Breite des Bettes kommt mir komisch vor. Wenn ich auf dem Bauch liege, kann ich die Matratze quasi umarmen. Mit Zeigefinger und Daumen messe ich meinen Schlafplatz einmal quer ab. Zur Sicherheit nehme ich eines meiner Bücher und messe damit nochmal nach. Das Buch ist genau 14,8 Zentimeter breit. Und es passt viermal nebeneinander ins Bett. Ich fass es nicht. Haben die hier nur Betten für Heidi Klums GNTM-Mädels? Etwas über sechzig Zentimeter Breite für ein Gästebett? Egal. Ich lege mich auf den Rücken und beschließe mich besser überhaupt nicht mehr zu bewegen. Eine Stunde, nachdem ich den Fernseher abgeschaltet habe, fällt mir auch noch auf, dass das Zimmer durch den hell blau leuchtenden Standby-Knopf des Fernsehers komplett illuminiert wird. Ich bin zu faul aufzustehen und das Kabel aus der Steckdose zu reißen. Einen Aus-Knopf kann ich von hier aus nicht erkennen. Es wirkt so, als ob gleich ein UFO landet. Na ja. Wäre vielleicht nicht das Schlimmste. Denke ich und döse kopfschüttelnd ein.     
39. Akt 

Früher, als ich noch regelmäßig auf Sport- oder Modemessen gearbeitet habe, war die Abendgestaltung immer klar. After-Show-Party mit lauter Musik, Stimmung, Tanz und Tralala. Sogar schon am Abend vor den Messen.
Aber auf der Leipziger Buchmesse? Sitzt man dort zusammen im Messe-Club und ruft sich gegenseitig Buchtitel zu? Kleiner Stuhlkreis in Halle 3 gefällig? Das Lektorat auf dem Prüfstand oder die „Ich-bin-ein-Rebell-und-bleibe-bei-der-alten-Rechtschreibung“-Exzesse in Halle 5? Ich werde es erfahren. Morgen. Dann wird es nämlich losgehen.
Die heutige Anreise war recht entspannt. Klar, ich habe ja auch wieder den ganzen Flug nach Leipzig verschlafen. Bei der Betrachtung der Landschaft kurz vor der Landung musste ich dann feststellen, dass die Gegend hier auch von oben ein klitzekleines bisschen brauner wirkt, als in Bayern oder dem Rest von Deutschland. Aber was soll´s. In Leipzig bin ich geboren. Leipzig ist cool.
Ich habe ein kleines günstiges Hotel in der Nähe der Messe gebucht. Wobei „günstig“ eher relativ ist. Zu Messe-Zeiten meinen alle Hotels immer, sie seien das Adlon. Zumindest preistechnisch.
Am Abend sitze ich in der Region, die sie „Bar“ nennen. Ich nenne es „Rückseite der Rezeption“. Denn genau das ist es auch. Bloß mit Getränken. Ich tippe in meinen Computer, trinke Weißburgunder und bereite mich auf die Messe vor. Auf einmal wird es schattig vor mir.
„Hallo du süßer Hase!“
Äh... hat der Typ, der mir gerade das Licht zum Schreiben nimmt, mich gerade „süßer Hase“ genannt???
Mir gegenüber lässt sich ein Kerl in blassblauem Anzug nieder und – Achtung, eigentlich ein Todesurteil – er schließt meinen Laptop mit einem Lächeln, dass sexy sein soll und einem Finger, den ich ihm jetzt gerne abhacken möchte. Zum Glück, habe ich kurz vorher alle Daten gesichert, sonst wäre die Arbeit der letzten Stunde den Bach runter gegangen.
„Jetzt ist mal Schluss mit Arbeiten.“ grinst er und bemerkt nicht, dass ich kurz davor bin zu hyperventilieren. Da ich nicht reagiere, ihn nur mit großen, entsetzen Augen ansehe und meinen Rechner hektisch wieder aufklappe, versucht er es in Englisch. Glücklicherweise nicht mit „Hello you sweet rabbit.“ Sondern mit einem „Speak English?“
Ich bekomme meine Atmung wieder in den Griff und gebe ihm zu verstehen, dass ich durchaus des Deutschen mächtig bin. Der Typ ist so attraktiv wie Danny de Vito nach 24 Stunden Sonnenbank, animalisch wie Kermit und sexy wie Müsli. Altes Müsli. Sehr altes Müsli.
Er ruft die Kellnerin (ja, sie macht auch die Rezeption) zu sich und fragt mich, was ich trinken möchte. Ich atme ein und atme aus. Dann nehme ich die Karte. Ich suche mir den teuersten Cocktail aus, den dieses Haus hat. Und bestelle ihn. Gleich zwei Mal.
Gerd, wie er sich nennt, schwafelt mich zu. Ich habe beschlossen ihm nicht eine Sekunde zuzuhören. Ich habe mich mit "Helga" vorgestellt. Als die Cocktails kommen bezahlt er und versucht dabei keine Miene zu verziehen. Ich nippe kurz an einem Glas. Dann fahre ich meinen Rechner wieder runter. Nö, schmeckt nicht. „Gute Nacht Gerd!“ Ich packe meinen Rechner zusammen, nehme mein Glas Weißburgunder in die Hand und gehe zielstrebig in Richtung mein Zimmer. Gerd guckt blöd, aber ich schaue nicht lange hin. Ich wünsche ihm noch viel Erfolg für heute Abend. Kann aber nicht glauben, dass er das noch bei irgendeiner hinkriegt. Kann mir wurscht sein. Das einzige, was mich beunruhigt ist, dass ich gesehen habe, dass auch er zur Messe gehört. Also irgendwie. Seine Akkreditierung baumelte ihm nämlich gleich neben seiner scheußlichen Krawatte um den faltigen Hals.
Na ja. Schauen wir mal. Die Messe ist groß und wenn ich Glück habe, dann begegne ich ihm weder dort, noch morgen früh im Frühstücksraum. Kein Problem.



Mittwoch, 16. März 2016

38. Akt 

Kannst du nicht mal was Fröhliches schreiben?“
Oh mein Gott, wie ich diese Frage hasse.
„Irgendwas Lustiges, Erheiterndes?“
Ich schaue in ein Gesicht, das ich schon Ewigkeiten nicht gesehen habe. Jetzt fällt mir auch wieder ein, warum. Es gibt Menschen die strahlen sechzehn Stunden am Tag eine solche Dauerfreude aus, dass mir ganz anders wird. In den verbleibenden acht Stunden lächeln sie vermutlich sogar im Schlaf und glucksen vor Fröhlichkeit, wie ein liebeskranker Frosch.
Ich bin doch kein depressiver Frustkloß, bloß, weil ich nicht immer kichernd durch die Straßen ziehe und den etwas dunkleren Humor bevorzuge??
„Äh... ich werde mal drüber nachdenken“ sage ich und packe meine Einkäufe in meinen lustig-bunten Einkaufskorb. Einen Moment wünsche ich mir, der Korb wäre dunkelgrau. Das Bunte könnte auf mein Gegenüber noch zusätzlich motivierend wirken.
„Ich traue mich ja gar nicht deine Bücher zu lesen. Immer diese Fiesigkeiten...“
Hallo?? Es sind Grausamkeiten. Nette, kleine Gemeinheiten. „Fiesigkeiten“ klingt so, als ob Bambi vorm Tierarzt steht und sich über Durchfall beklagt.
„Ich habe auch schon ein Kinderbuch geschrieben.“ bringe ich hervor. „Sogar zwei, wenn man das Drehbuch dazu zählt.“
„Ja, ich hab das schon gehört, aber selbst die sind nicht einfach nur lustig sondern eher spannend.“
Ich vermeide es, mir vor den Kopf zu schlagen und jemandem versehentlich zwei bis dreimal mit dem leeren Einkaufswagen vor das Schienbein zu donnern.
„Was stellst du dir denn vor? Also, was ich Lustiges schreiben soll?“
„Irgendwas mit Tieren vielleicht? Oder eine Liebesgeschichte. Oder Comedy halt.“
Meine frühere Nachbarin schaut mir mit einem unfassbar fröhlichem Flutlicht-Lächeln ins Gesicht. Ich schaue mit der Fröhlichkeit einer 7-Watt-Birne zurück.
„Doch, doch, du kannst das. Probier´ es einfach mal.“
Ich bekomme ein Küsschen rechts und eines links und werde kurz an einen vor lauter Fröhlichkeit glühenden Körper gedrückt. Dann werde ich vor meinem Auto allein gelassen. Endlich.
Ich muss jetzt zügig nachhause. In den vergangenen fünf Minuten, sind mir mindestens drei neue Geschichten für das nächste Buch eingefallen, die ich ganz schnell zu Papier bringen muss. Mindestens drei neue grauenhaft-grausig-gemeine Geschichten. Und sobald ich beim Schreiben ins Stocken komme, dann denke ich an das Parkplatz-Gespräch und an völlig unlustige Fiesigkeiten. Ich bin sicher, dann bin ich sofort wieder motiviert.




Dienstag, 15. März 2016

37. Akt 

Das mit dem Blog hier ist ja so eine Sache. Mir gefällt er, sonst würde ich ihn ja nicht fabrizieren. Wenn ich Nachrichten bekomme, dass eine Altenpflegerin meine Texte liest, um vorm Einschlafen noch mal richtig zu lachen, oder sich jemand als mein Blog-Fan bezeichnet, dann freu ich mir nen Knopf ans Knie. Hallo? Dafür mach ich das ja auch. Let me entertain you :-)
Ich bekomme zahlreiche Nachrichten von Lesern, aber leider gibt es nur verhältnismäßig wenig Feedback in Form von direkten Kommentaren.
Es ist ja nicht so, dass ich gramgebeugt ins Bett gehe, wenn man mir nicht vorher noch mal lobend über den Kopf tätschelt. „Geil geschrieben! Ein paar Kommata zu viel, aber wieder einmal seeeehr unterhaltsam“ . Nö, ich mag das, aber brauchen tu ich es nicht. Aber was mache ich mit einem Kommentar, in dem steht: „Sie haben Talent und schreiben ganz nett“?
„Sehr nett geschrieben“ klingt ein kleines bisschen wie: „Sie können sicher auch gut häkeln“. Wenn ein Mann nach dem ersten Mal fragt: „Wie war ich“ und die Frau antwortet: „Yo. Ging so. War ganz okay.“ Dann ist das die sexuelle Version von „ganz nett geschrieben“. Vielleicht bin ich auch nur zu ehrgeizig, was die für mich verwendeten Adjektive angeht. Also beschließe ich, Ihr Kompliment als das zu nehmen was es ist. Ein Kompliment und Basta. Also vielen Dank für Ihre freundlichen Worte. Ich hoffe, Sie finden auch diese Zeilen -ähem... zumindest nett und bleiben mir als Leser treu. Ich freue mich sehr.




Montag, 14. März 2016

36. Akt 

So einfach Zuhause zu sitzen, Füße hoch und eine Runde professionelles Hochleistungs-Entspannen steht mal wieder an. Unbedingt. Nur nicht bei mir. Ich bin nämlich eingeladen. Als Gastsprecherin bei einem Frauenfrühstück. Dort soll ich zum Thema Menschlichkeit reden. Ein Kinderspiel. Zwölf Stunden vor dem Event befällt mich dann eine leise Panik. Was wenn mir schlagartig nichts einfällt, wenn ich vor all den wartenden Frauen stehe und kein Wort herausbekomme? Ich setze mich entgegen meiner Erfahrung hin und schreibe eine Rede. Drei Seiten in 12er Größe mit anderthalb Zeilen Abstand. Meine Ansichten von Menschlichkeit. Dann druck ich alles aus und lege die Zettel auf meine Handtasche. Jetzt geht’s mir besser. Zettel an denen man sich bei Lampenfieber festhalten kann, sind fast so gut wie Stehtische oder zwei Prosecco. Am nächsten Morgen nehme ich die Zettel und schmeiße sie ins Altpapier. Dann greife ich nach einer Din A6 großen Karteikarte und schreibe ein paar Begriffe auf. Wäre ja gelacht. Ich brauch weder Zettel noch einen Stehtisch. Okay, die zwei Prosecco kann ich mal als in Ordnung durchwinken. Das wird. Und es wird cool.
Ich telefoniere mit meinem Bruder. Bei dem Begriff Frauenfrühstück scheint ihm nichts besseres einzufallen als Zickenterror und Menstruations-Talk.
Entweder Make up oder Männer verachtender Feminismus. Dann fragt er noch, ob wir all unsere Besen in den Fahrradständer vor dem Haus parken.
Als ich verneine wünscht er mir noch viel Spaß und legt erheitert auf.
Ich sollte noch mal mit meiner Mutter über unsere Erziehung reden. Aber wahrscheinlich hat er den Witz mit den Besen sogar von ihr.


 Oder einer meiner Schwestern. Oder mir.

Sonntag, 13. März 2016

35. Akt

Das mit dem Fliegen ist ja so eine Sache. Früher bin ich immer sehr gerne und viel geflogen. Dann kam eine Zeit, da bin ich ungern, aber sehr viel geflogen. Und jetzt ist es mir wurscht. Flugzeug, Bahn, Inlineskates. Hauptsache ich komme Zuhause an. In der Zeit, als ich hin und wieder Panik im Flieger hatte, halfen nur noch Beruhigungsmittel. Mittlerweile brauch ich noch nicht mal mehr einen Prosecco. Und je nachdem von wo nach wo ich fliege, verschlafe ich ohnehin alles zwischen Start und Landung. Dann steige ich ein, lehne mich ans Fenster und die Lichter gehen aus. Und weil ich so ein Gewohnheitstier bin, sitze ich deswegen auch fast ausschließlich auf der rechten Seite irgendwo am Fenster. Beim Einschlafen hab ich sonst Orientierungsschwierigkeiten und mein Kopf fällt wie bei einem Wackeldackel die ganze Zeit recht unschön hin und her.
Blöderweise konnte ich in diesem vermaldeiten, ohnehin zu spät abfliegenden Flugzeug keine Sitzplatzwahl vornehmen. Und dementsprechend saß ich nun zur Abwechslung zwar am Fenster aber links.
Es kommt wie es kommen muss. Das Flugzeug geht an und Manu geht aus. Noch bevor der ganz zauberhaft geföhnte Flugbegleiter erklären kann, wie man die bereits geschlossenen Gurte schließt und was man nun genau mit der Sauerstoffmaske anstellen soll, bin ich im Land der Träume. Alles halb so wild. Als ich aufwache, liegt mein Kopf gewohnheitsmäßig rechts an der Scheibe. Nur dass da keine Scheibe ist. Da ist ein Sakko. Es ist grau und hat Nadelstreifen. Und meines ist es nicht. Ganz, ganz vorsichtig öffne ich meine Augen. Das Sakko riecht gut, aber – oh Schreck – es hat einen Fleck. Dunkel zieht sich eine Spur in Richtung Knopfleiste. Mir schwant Übles. Der Sakko-Mann hat noch nicht entdeckt, dass die fremde Frau an seiner Seite gerade aufgewacht ist. Und er hat auch nicht entdeckt, dass selbige ihm in der letzten halben Stunde im Schlaf sein Sakko vollgesabbert hat. Was tun? Weiter schlafend stellen, den Kopf auf die andere Seite werfen und tun als wäre nichts gewesen? Oder ruckartig ein Taschentuch aus der Handtasche reißen und rubbeln wie eine Gestörte? Ich entschließe mich zu einem moderaten Aufwachen, einem netten „Entschuldigung“-inklusive rot anlaufen und einem „äh... Sie haben da was.“
Dann reiche ich ihm ein Taschentuch. Das Rubbeln an fremden Männern geht leicht schief, deswegen lasse ich ihn den Schaden selber beheben. Zehn Minuten später steigen wir aus. Ich sprinte Richtung S-Bahn und sehe noch, wie er grinst und sich einen Mantel über das Sabber-Sakko zieht. Pah! Vermutlich behält er den Fleck noch ein kleines Weilchen als Trophäe.
Ist mir egal. Ich will jetzt heim. Und in der S-Bahn schlaf ich garantiert nicht noch mal ein.





Samstag, 12. März 2016

34. Akt

 Um 11 Uhr soll mein Flugzeug gehen. Dann vierzig Minuten Aufenthalt in Wien und weiter mit dem Anschlussflieger nach Hause. Eine Stunde später soll ich dann eigentlich in München landen. Eigentlich.
So kurze Aufenthalte regen bei mir immer einiges an. Unter anderem panische Schweißausbrüche. Mir ist durchaus klar, dass ich bei einem Zwischenaufenthalt nicht vom Planeten falle oder auf ewig irgendwo auf der Welt strande. Tom Hanks hatte im Film „Terminal“ kein Visum und nix. Ich habe meinen Ausweis und das Anschlussticket ja quasi ständig in der Hand. Heim komm ich immer. Irgendwie. Am besten aber mit genau den Flügen, die ich auch gebucht habe. Also bin ich rechtzeitig am Gate. Natürlich. Oben auf der Tafel stehen Abflugs- und Zielort. Am Abfertigungsschalter steht: Niemand. Keiner in neckischem Airline-Kostümchen oder -Anzug. Kein Halstuch oder Käppi weit und breit. Und in 5 Minuten soll das Boarding beginnen. Selbst die anderen Fluggäste fehlen. Nur langsam trottet eine kleine Gruppe italienischer Rentner in Richtung Gate 9. Ich recke den Hals und sehe beim besten Willen kein Flugzeug da unten. Kein Problem. Ist ja nicht selten, dass man von hier aus erst mit dem Bus zum Flieger muss. Aber ich kann mein Ticket ja nicht selber über den Scanner ziehen und dann einen Bus auswürfeln. Noch inmitten meiner Denkerei werde ich von einer untersetzten Mitarbeiterin der Airline über den Haufen gerannt. Halb so schlimm. Hurtig hinter den Schalter und ein paar Telefonate getätigt. In den letzten zwei Minuten sind auch schon rund zwanzig weitere Fluggäste am Gate angekommen. Sieht ja nicht mehr ganz so bescheiden aus. Ich stehe in der Pole Position und werde nur von einigen Business-Class-Kandidaten rechts überholt. Ist nicht schlimm. Die wissen wie es geht. Boardingpass und Ausweis hingehalten und ab durch die Tür. Ich sehe meine 40 Minuten Aufenthalt wieder als realistisch machbar. Aber als ob sich jemand einen Scherz mit meiner Geduld leisten will, peppt mir die Untersetzte ein blaues Schild an meinen Koffer und meint, ich muss ihn am Flugzeug abgeben. Pöh! Soweit kommt`s noch. Mein Koffer ist Handgepäck. Klein und leicht. Der kommt mit in das Flugzeug. Sonst kann ich meinem Anschlussflugzeug nachwinken, während ein höchst unambitionierter Flughafenmitarbeiter noch nach dem verteilten Gepäck sucht. Also rein in den Bus. Das Schild unauffällig unter den Griff geschoben und mit hastigen Schritten am Bodenpersonal vor dem Flugzeug vorbeigezischt. Denkste! „Lady, lady! Put your suitcase here!“
„No!“
„Yes!“
Pech! Sie nimmt mir meinen Koffer ab, als ob da drei Pfund Kokain drin wären und ich ein ganz schrecklich böses Mädchen bin. Mist! Die Aufenthaltsdauer zwischen den Flügen wird gerade erheblich in Frage gestellt. Es ist, als ob das Team in der Maschine und am Boden sich gerade vor Lachen kringelt. „Guck mal Hermann! Wieder so eine Idiotin, die glaubt, wir bringen sie rechtzeitig zum nächsten Flug.“ Kicher …
Ich gehe an Bord und hoffe, dass sie meinen Computer im Koffer nicht allzu sehr schänden. Alles schon erlebt. In einem Teil abgegeben und als Puzzle zurückbekommen. Bad luck.
Dann geht es los. Bis jetzt nur zehn Minuten Verspätung. Alles noch machbar.
Gleich nach Landung springe ich geschmeidig wie ein junges Reh und schweißnass wie eine Kaulquappe zur Treppe. Unten werden die Handgepäckstücke verteilt. Ja! Das schaff ich. Wieder rein in den Bus, raus aus dem Bus. Noch sechs Minuten bis zum Gate. Jaaaaaaaa! Anschlussflug erreicht. Ich klopfe mir auf die Schulter. Dann springt die Ansage vor mir um. „Ihr Flug hat 40 Minuten Verspätung“.
Ja und wieder höre ich irgendwo in meinem Kopf ganz leise einen Piloten mit seiner Crew kichern. Ganz leise.



Freitag, 11. März 2016

33. Akt

Es gibt einfach Dinge, die passen nicht zusammen. Marmelade und eingelegter Hering, RTL und anspruchsvolles Fernsehen, Teenager und Frühstück vor 8 Uhr, Manu und Wintersport.
Mein Fahrstil sähe nicht sehr elegant aus, sagt mein Skilehrer. Zu weit unten in den Knien, zu breites Grinsen, zu wenig Kurven und zu schnell.
Pöh! Ist mir doch schnuppe. Wenn ich elegant aussehen will, dann trage ich ein Abendkleid und winke aus dem Taxi. Wenn ich Ski fahre, dann will ich nicht elegant aussehen. Dann will ich verflixt noch mal die Schnellste sein. Egal, ob ich es kann oder nicht. Bei zu vielen Leuten auf der Piste vergeht mir dann aber doch der Spaß. Okay, mehr Leute auf der Piste sind auch mehr Leute, die ich mangels Bremstechnik hinter mir lassen kann. Aber es birgt auch die Gefahr, dass Skifahren für mich zum Kontaktsport wird. Das ist mir dann doch bei aller Kommunikationsfreude zu gefährlich. Ich weiß ja nicht, was ich mir alles brechen kann. Bücher schreiben kann ich ja auch mit einem gebrochenen Bein. Aber ich habe einfach keine guten Klamotten, die zu Gips passen. Also beschließe ich, es für diese Saison gut sein zu lassen. Mein Ehrgeiz war geweckt. Nun schläft er wieder ein paar Monate.
Also hat die ganze Wintersportlerei jetzt ein Ende. Es geht wieder heim. Bücher schreiben, Interviews geben, Lesungen vorbereiten und schauen, was meine Mutter in meiner Abwesenheit in Sachen Erziehung vergurkt hat. Meine Ma ist da kreativ. Vielleicht zelten alle im Garten, vielleicht machen sie auch gemeinsam Yoga im Wohnzimmer. Alles möglich.  Eigentlich alles Wurst. So lange sie dabei den Putz im ersten Geschoss in Ruhe lassen.

Donnerstag, 10. März 2016

32.  Akt  

Oh! Mein! Gott!
Was ist passiert? Die Muskulatur meine Körpers fühlt sich so geschmeidig an, wie sechs Stunden lang gegartes Rindfleisch. Die Schwerkraft gibt mir den Rest. Ich überlege, wie ich aus dem Bett kommen soll und entschließe mich, es erst mal mit einem sanften Rollen nach links zu probieren. Meine Füße kommen mir unendlich weit weg vor, und ich habe nicht das Gefühl, dass wir uns heute noch näher kommen. Um zehn Uhr soll es wieder zum Skifahren gehen. Im Moment habe ich nicht den Eindruck, dass ich es auch bloß bis ins Bad schaffe. Hallo? Ich bin ausgebildete Tänzerin. Wenn auch vor mehr als fünfundzwanzig Jahren. Ich muss hier geschmeidig aus den Federn hopsen können. Beim Wort „Hopsen“ muss ich lachen und stelle fest, dass auch die Bauchmuskulatur mit dem gestrigen Tag gänzlich überfordert ist. Lachen abhaken – check! Laufen abhaken – check! Skifahren? Ich muss wieder lachen. Ich sehe mich in meinem schicken Skianzug oben am Berg aus den Latschen kippen. Und zwar direkt nach dem Aussteigen aus dem Lift. Diese Bilder vor meinem geistigen Auge lassen mich wieder lachen. Vielmehr lassen sie nichts anderes zu, als ein desolates Grunzen. Mein Gott bin ich froh, dass meine Kinder mich gerade nicht sehen. Sie würden sich wahrscheinlich fünf Minuten lang um mich sorgen und dann überlegen, wer mein Schlafzimmer nutzen darf, so lange ich in Reha bin. Mit eisernem Willen schaffe ich es mich in eine mehr oder minder aufrechte Position zu bringen. Ja. Tschakkaaaa! Das war schon mal ganz prima. Jetzt noch die Füße aus dem Bett. Dieser Teil der morgendlichen Übung ist schon mal etwas schwieriger. Nach wenigen Minuten ist auch das geschafft. Das Anwinkeln der Beine, so dass die Füße den Boden berühren braucht allerdings auch wieder seine Zeit. Es ist 8.30 Uhr und ich habe noch anderthalb Stunden zum vollständigen Aufstehen, Anziehen, Frühstücken und Skibus-Erreichen. Aber wer wäre ich, wenn ich nicht all diese Hindernisse mit Bravour nehmen würde?

Schon 30 Minuten später gelingt es mir, mich vorwärts zu bewegen, ohne bei jedem Schritt bemitleidenswerte Geräusche von mir zu geben. Lässig wie Pinocchio gehe ich zum Frühstücks-Buffet. Die freundliche Bedienung bringt den Kaffee und weist darauf hin, dass es ein ganz wunderbarer Skitag werden wird. Ich lächle und frage mich, wie ich es schaffen soll, die Tasse bis zum Mund zu führen. Ja, ja, ein großartiger Skitag wird es werden. Für Leute, die im Vollbesitz ihrer physischen Kräfte sind. Ich überlege, ob ich mich schon direkt VOR dem Einsteigen in die Gondel mit einem kleinen fingiertem Schwächeanfall vor den Erwartungen meines Skilehrers retten soll. Dann siegt aber der Ehrgeiz. Wenn ich nur will, schaff ich auch diesen Tag auf den Brettern. Und während die vernünftige Manu in mir wieder einem Lach-Flash erliegt, bewege ich mich geschmeidig wie eine schon seit Tagen tote Katze in Richtung Skikeller.        

Mittwoch, 9. März 2016

31.   Akt 

Nach gefühlten dreißig Meetings in den letzten 24 Stunden, setze ich meinen Plan um, Skifahren zu gehen. In den Dolomiten. Ich habe in den letzten Wochen ein paarmal im Fernsehen gesehen, wie das geht. Rechts, links, wedeln und zügig den Berg runter. Schaff ich locker. Denk ich. Die Bedingungen sind grandios und jeder Skifahrer würde sich nach diesen Schnee- und Wetterverhältnissen die Finger lecken. Wohl gemerkt jeder Skifahrer. Ich hingegen gelte, seitdem ich diese Sportart probiere, eher als der optisch ansprechende Dilettant auf Brettern. Cooler Skianzug, cooler Helm, coole Handschuhe, Skistiefel und Ski, aber absolut talentfrei. So lange ich irgendwo nur rumstehe, sehe ich aus, als hätte ich es echt drauf. Sobald sich die Skispitzen aber in Richtung Hang bewegen, neigen die umstehenden Skifahrer dazu, das Handy herauszuholen. Entweder, um schon mal die Bergrettung zu verständigen oder eben um irgendwelche Fail-Videos zu machen, die sie später auf YouTube teilen können.
Mein Skilehrer hat es echt drauf. Er weist mich darauf hin, dass ich die Schulter nicht so früh eindrehen soll, dass mein linker Stock deutlich höher mitgeführt gehört, dass ich auf den Buckeln leichter drehen kann und dass ich hin und wieder einfach mal rechts ran fahren soll, damit sich der Stau hinter mir auflösen kann.

Ich höre brav zu und versuche alles umzusetzen. Wobei ich meine oberste Regel nicht aus den Augen lasse. Vorm Hinfallen in die Hocke gehen. Es tut einfach viel weniger weh, wenn man aus der unattraktiven Hock-Position mit dem Gesicht voran in den Schnee fällt, als wenn man aus 1,80 m Höhe zwischen seinen Skiern hindurch eine Lärche umarmt. Aus voller Fahrt. Nach zwei Stunden machen wir Mittag. Das Essen ist lecker, die Stube ist warm, und von mir aus könnte jetzt ein Schneesturm einsetzen, so dass eine weitere Rumfahrerei nicht mehr möglich ist. Aber mein Skilehrer kennt sich aus. Nach zwei Wein zum Essen und einem Grappa zum Abschluss, gibt es noch einen Bombardino mit Sahne. Das ist ein Eierlikör ähnliches Gebräu. Direkt im Anschluss fällt mir das Skifahren deutlich leichter. Die Buckel sehe ich einfach nicht mehr, die anderen Skifahrer werden von mir freundlich mit breitem Grinsen begrüßt, und ich selber fühle mich wie Lindsey Vonn auf Speed. Echt fix, diese Bretter. Richtig cool bin ich dann aber, als ich einer älteren Dame wieder auf die Beine helfe. Sie hat es kurz vor Ende der Piste ordentlich hingebrezelt und ich frage sie, auf Deutsch, Englisch und Französisch, ob sie Hilfe braucht. Dann reiche ich ihr meinen Skistock, so dass sie sich wieder aufrichten kann. Sie bedankt sich mit einem „Grazie“ und mir fällt ein, dass hier ja weitgehend Italienisch gesprochen wird. Ich salutiere mit einem „De nada“ und fahre weiter. Erst nach der nächsten Kurve fällt mir ein, dass das wiederum Spanisch war. Egal. Ich erreiche den Parkplatz ohne größere Verletzungen und bin stolz auf mich. Morgen werde ich den Tag direkt mit einem Bombardino beginnen. Zum Frühstück. Das erhöht offensichtlich mein Ski-Talent. Ja, so mach ich das. Und jetzt schnall ich meine Skier ab und folge meinem Skilehrer zum Bus.              

Dienstag, 8. März 2016

30. Akt

Wenn man brav Lufthansa und ihre Partner genutzt hat, dann wird man FTL. Wenn man sie unfassbar oft und meist die Business Class bucht, dann auch gerne SEN. Und bei derart exorbitanter Nutzung, dass man seine Kinder nur noch per Skype aufwachsen sieht und den Rest der Zeit in der First Class in der Luft verbringt, kann man es auch zum HON schaffen. Dann wird man sogar in einer schwarzen Limousine über´s Rollfeld zum Flugzeug gebracht. SEN steht für Senator, HON steht für Honour Member. Und FTL steht für Frequent Traveller. Regelmäßig Reisender. Ich bin FTL und fahre, so wie alle anderen auch mit dem Bus zum Flieger. Aber einen Vorteil hat das Ganze dann doch. Man darf nämlich, während man auf seinen Abflug wartet, die Lufthansa Lounges nutzen. Dort sitzt man dann mit den anderen FTLern in Kunstledersesseln, trinkt Gratis-Kaffee, liest Gratis-Zeitungen und schaut bei den olympischen Spielen am Gratis-Buffet zu.      
Wenn die Gäste die Lounge betreten, dann meist einheitlich gestresst mit dunkelblauem Kostüm oder anthrazitfarbenem Anzug. Dazu der obligatorische Trolley in Handgepäcksgröße und der gehetzte Blick im Gesicht. Hin und wieder sieht man auch einen rebellischen Kreativen in Jeans und Wollschal. Aber vor dem Buffet, da sind dann alle gleich. Kaum wurde der Trolley bei irgendeinem der semi-bequemen Sessel oder – mit ein bisschen Glück – bei einem der Tische abgestellt, geht es los. Die Inspektion von Vollkornbrot, Kartoffelsalat und Marmeladentöpfen. Die Schlacht ums Rührei. Die Integration vor der Schlange am Kaffeeautomaten. Wenn man passend da ist, wird um 11.30 Uhr um die Disziplinen „Leberkäs“, „Frikadellchen“ und „Mousse au chocolat-im Glas“ erweitert. Dann gibt es kein Halten mehr. Ich habe mal einen älteren Herren im edlen Zweireiher gesehen, der fast geheult hat, als ihm einer den letzten Nachtisch vor der Nase wegschnappte.
Nachher im Flieger sind dann alle wieder normal, zivilisiert und mega-busy.

Ich stehe auf und wage den Schritt zur Kaffeemaschine. Möge ich nicht von einem Mitreisenden überrannt werden, der entdeckt hat, dass der Kartoffelsalat noch nicht ganz leer ist.       

Montag, 7. März 2016

29. Akt  

Ich bin auf dem Weg zum Flughafen. Mit der S-Bahn. Die Abteile sind nur mäßig befüllt. Meinen Koffer platziere ich so, dass nicht gleich jeder drüber fällt, der seinen Blick nicht vom Handy lösen kann. Irgendwie spannend und langweilig zugleich. Also, dass alle auf ihre Handys starren. Vom Schüler, der garantiert die ersten beiden Stunden schwänzt, bis hin zur Oma mit dem Rollator.
Manchmal würde ich gerne über die ein oder andere Schulter schauen und rufen:“Nein! Schreiben Sie das jetzt nicht, das gibt nix als Ärger.“ oder „Also, dass SIE so was bestellen, hätte ich gerade von IHNEN nicht gedacht.“
Einfach nur um zu sehen, wie sie dann reagieren. Manche Leute sind beim Tippen derart konzentriert, dass man ihnen vermutlich die Schuhe ausziehen und zwei Abteile weiter tragen könnte, bevor sie es merken.
Vor ein paar Jahren hab ich mal gesehen, wie einer in der S-Bahn ein älteres Buch von mir gelesen hat. Mir war damals fast das Herz stehen geblieben. Ständig hab ich versucht an seinen Augen abzulesen, ob er gut fand, was er las und wie weit er schon war. Ich konnte nichts in seinem Gesicht sehen, als Konzentration. Kein Lächeln, kein Widerwille, aber auch keine Langeweile. Ich hätte ihm gerne auf die Schulter geklopft und zur Wahl der Lektüre beglückwünscht, habe es aber gelassen. Was wenn er gesagt hätte „Ist nicht so meins. Hier Sie können es haben.“? Ob er verstanden hätte, wenn ich es ihm dann an den Kopf geschmissen hätte?
Heute kann man den Leuten fast auf den Kopf zu sagen, was sie gerade machen. WhatsApp mit der besten Freundin, Emails vom Ex, Candy Crush oder Bestellereien bei Amazon.
Jede Zeit hat ihre eigenen Zeichen. Die der Jetzt-Zeit sind eben Smileys.

Ich überlege noch, ob ich beim Aussteigen ein paar meiner Werbeflyer hinter die Prospekte im Eingangsbereich schieben soll. Dann lass ich es lieber. Unter Umständen suchen die Leute dann mein Buch beim ALDI, weil sie denken, es ist ein Teil der Beilage. Und dann sind sie enttäuscht, wenn sie es dort nicht finden. Also besser nicht. Dann lieber eine Runde Candy Crush.

Sonntag, 6. März 2016

28. Akt

Es ist Sonntagmorgen und ich gehe Brötchen holen. Zwei Kürbiskern und drei Sesam. So wie immer. Ich bin ja so herrlich unflexibel und sogar meiner Brötchensorte seit Ewigkeiten treu. Dass manche Bäcker sonntags offen haben ist mir sehr sympathisch. Außerdem sind es gerade mal 600 Schritte durch den Ort. Es ist schön, dass man die Leute kennt. Und es ist schön, namentlich begrüßt zu werden. Das hat so etwas „zuhausiges“. Und so kommt es, dass mich die Brötchen-Fachverkäuferin auch namentlich anspricht.
„Frau Thoma-Adolfo (das „L“ im Namen ist zwar falsch, aber als Tribut an die Fremdartigkeit meines Namens, nehme ich es hin). Ich hab Ihr neues Buch gelesen.“
„Aha, welches denn?“ Ich platze jedes Mal vor Stolz, wenn ich so was höre. Aber ich weise auch gerne darauf hin, dass es im vergangenen Jahr gleich zwei(!) neue Bücher von mir gab.
„Na, das kleine Schwarze. Dieses „33 Gemeinheiten““.
„Äh, Sie meinen „33 Grausamkeiten“?“
„Ja, genau das.“
Pause... Ich packe meine Brötchen in den Korb und warte auf das, was jetzt kommt.
„Es ist gut.“
„Oh, Danke. Das freut mich.“ Und das tut es auch. Nix motiviert mich mehr, als wenn Leute meine Bücher 1. kaufen und 2. auch noch lesen.
„Nur...“
Nur was? Wenn ich die Brötchen noch in der Hand hätte, wären vor Schreck vermutlich alle Kürbiskerne von der Semmel gefallen.
„Nur finde ich die Zahl „33“ doof.“
Ich schaue hin und her. Steht da vielleicht irgendwo eine versteckte Kamera?
„Sie finden die Zahl „33“ doof? So als Zahl generell oder auf meinem Buch?“
„Nee, ich fände es schöner, wenn es entweder 30 oder 35 sind. 33 ist doch irgendwie so dazwischen.“
„Äh... und so inhaltlich? Ich meine, haben Ihnen die Geschichten gefallen?“ Ich überlege, ob ich wirklich unbedingt Brötchen zum Frühstück brauche. Eine Banane hätte es sicher auch getan.
„Nö, die finde ich klasse. Schön eklig und gemein.“
Tja... nächsten Sonntag vielleicht doch Brötchen. Ich hebe meinen Korb hoch und wende mich zum Gehen.
„Danke schön. Freut mich, dass Ihnen die Geschichten gefallen.“
„Ja. Können Sie das jetzt noch ändern?“
„Was denn?“
„Das mit der Zahl. Der „33“?“
„Äh... ich werde drüber nachdenken. Schönen Tag noch.“
„Ja, auch schönen Tag noch. Tolles Buch.“

Ich laufe wieder nach Hause. Die Brötchen schmeiß ich nicht weg. Die können nix dafür. Aber, ob ich nächsten Sonntag Brötchen holen werde, wage ich gelinde zu bezweifeln.