31. Akt
Nach gefühlten dreißig Meetings in den letzten 24 Stunden, setze
ich meinen Plan um, Skifahren zu gehen. In den Dolomiten. Ich habe in
den letzten Wochen ein paarmal im Fernsehen gesehen, wie das geht.
Rechts, links, wedeln und zügig den Berg runter. Schaff ich locker.
Denk ich. Die Bedingungen sind grandios und jeder Skifahrer würde
sich nach diesen Schnee- und Wetterverhältnissen die Finger lecken.
Wohl gemerkt jeder Skifahrer. Ich hingegen gelte, seitdem ich diese
Sportart probiere, eher als der optisch ansprechende Dilettant auf
Brettern. Cooler Skianzug, cooler Helm, coole Handschuhe, Skistiefel
und Ski, aber absolut talentfrei. So lange ich irgendwo nur
rumstehe, sehe ich aus, als hätte ich es echt drauf. Sobald sich die
Skispitzen aber in Richtung Hang bewegen, neigen die umstehenden
Skifahrer dazu, das Handy herauszuholen. Entweder, um schon mal die
Bergrettung zu verständigen oder eben um irgendwelche Fail-Videos zu
machen, die sie später auf YouTube teilen können.
Mein Skilehrer hat es echt drauf. Er weist mich darauf hin, dass ich
die Schulter nicht so früh eindrehen soll, dass mein linker Stock
deutlich höher mitgeführt gehört, dass ich auf den Buckeln
leichter drehen kann und dass ich hin und wieder einfach mal rechts
ran fahren soll, damit sich der Stau hinter mir auflösen kann.
Ich höre brav zu und versuche alles umzusetzen. Wobei ich meine
oberste Regel nicht aus den Augen lasse. Vorm Hinfallen in die Hocke
gehen. Es tut einfach viel weniger weh, wenn man aus der
unattraktiven Hock-Position mit dem Gesicht voran in den Schnee
fällt, als wenn man aus 1,80 m Höhe zwischen seinen Skiern hindurch
eine Lärche umarmt. Aus voller Fahrt. Nach zwei Stunden machen wir
Mittag. Das Essen ist lecker, die Stube ist warm, und von mir aus
könnte jetzt ein Schneesturm einsetzen, so dass eine weitere
Rumfahrerei nicht mehr möglich ist. Aber mein Skilehrer kennt sich
aus. Nach zwei Wein zum Essen und einem Grappa zum Abschluss, gibt es
noch einen Bombardino mit Sahne. Das ist ein Eierlikör ähnliches
Gebräu. Direkt im Anschluss fällt mir das Skifahren deutlich
leichter. Die Buckel sehe ich einfach nicht mehr, die anderen
Skifahrer werden von mir freundlich mit breitem Grinsen begrüßt,
und ich selber fühle mich wie Lindsey Vonn auf Speed. Echt fix,
diese Bretter. Richtig cool bin ich dann aber, als ich einer älteren
Dame wieder auf die Beine helfe. Sie hat es kurz vor Ende der Piste
ordentlich hingebrezelt und ich frage sie, auf Deutsch, Englisch und
Französisch, ob sie Hilfe braucht. Dann reiche ich ihr meinen
Skistock, so dass sie sich wieder aufrichten kann. Sie bedankt sich
mit einem „Grazie“ und mir fällt ein, dass hier ja weitgehend
Italienisch gesprochen wird. Ich salutiere mit einem „De nada“
und fahre weiter. Erst nach der nächsten Kurve fällt mir ein, dass
das wiederum Spanisch war. Egal. Ich erreiche den Parkplatz ohne
größere Verletzungen und bin stolz auf mich. Morgen werde ich den
Tag direkt mit einem Bombardino beginnen. Zum Frühstück. Das erhöht
offensichtlich mein Ski-Talent. Ja, so mach ich das. Und jetzt
schnall ich meine Skier ab und folge meinem Skilehrer zum Bus.
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