25. Akt
Auf dem Weg zum Frühstück stelle ich fest, dass die Wände zwar
frisch gestrichen aussehen, aber doch irgendwie schattig wirken.
Beinahe feucht. Ich widerstehe dem Impuls dem weiter nachzugehen.
Manchmal ist ignorieren die beste Methode sich nicht den Tag zu
versauen. Heute soll es mir egal sein. Heute muss ich einkaufen. Ich
brauche neue Arbeitskleidung.
Dass ich von Oberpollinger bis Beate Uhse (!) jeden Laden der
Nachtwäsche führt, auf den Kopf stellen werde, ahne ich jetzt noch
nicht.
Äh... ja... Nachtwäsche. Ich brauche einen Pyjama. Dienstlich.
In weniger als 48 Stunden habe ich eine Lesung. Und die steht unter
dem Motto „Kunst im Schlafzimmer“. Das heißt, ich lese den
geneigten Zuhörern in einer Galerie Auszüge aus meinem neuen Buch
vor. Während ich im Bett liege. Im Pyjama. Eigentlich wollte ich
ein Abendkleid anziehen, das auch prima als Nachthemd durchgeht.
Schwarz, lang, edel. Zu edel für den Inhalt des Buches. Und zu sexy
um sich darin vor 60 Leuten im Bett zu wälzen. Also muss ein Pyjama
her. Sollte ein Kinderspiel sein, denke ich. Lange Seidenhose und
Kimonoartiges Oberteil. Und dann auch noch zu einem Preis, für den
ich nicht meine Nieren verkaufen muss. Hunkemöller, Palmers,
Intimissimi und – ja auch H&M hat eine Nachtwäsche-Abteilung.
Ich bin etwas irritiert. Die letzte Verkäuferin hat versucht mir
einen hellgrauen Flanell-Plüschi-Schlafanzug in die Hand zu drücken.
„Den müssen Sie probieren! Ganz warm und kuschelig. Und sooooooo
süüüüüüüüß!!!“
Hallo??? Hab ich mich nicht klar ausgedrückt? Lesung? Galerie?
Schwarz und Seide?
Ich bin doch keine Fünfzehnjährige, die eine gemischte Pyjama-Party
besucht. Süüüüüß ist definitiv das falsche Adjektiv, nach dem
ich suche. Für Alter, Zweck und überhaupt. Zwei Stunden später weiß ich, dass auch „sexy, aber
nicht vulgär“ verschiedentlich interpretiert wird. So ziemlich
genau alles was nach Straßenstrich oder
„Mutti-macht-auf-50-shades-of-grey“ aussieht, wird mir angeboten.
Oder eben Plüschstrampler. Und auch ein Still-Nachthemd. Weil es so
flauschig ist. Vielleicht hätte ich bei den Damen auch den Titel des
Buches nennen sollen, aus dem ich vorlesen werde. Wem bei „33
Grausamkeiten“ noch ein Baumwollstrampler mit Hasendruck einfällt.
Dem ist einfach nicht mehr zu helfen.
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