Dienstag, 8. März 2016

30. Akt

Wenn man brav Lufthansa und ihre Partner genutzt hat, dann wird man FTL. Wenn man sie unfassbar oft und meist die Business Class bucht, dann auch gerne SEN. Und bei derart exorbitanter Nutzung, dass man seine Kinder nur noch per Skype aufwachsen sieht und den Rest der Zeit in der First Class in der Luft verbringt, kann man es auch zum HON schaffen. Dann wird man sogar in einer schwarzen Limousine über´s Rollfeld zum Flugzeug gebracht. SEN steht für Senator, HON steht für Honour Member. Und FTL steht für Frequent Traveller. Regelmäßig Reisender. Ich bin FTL und fahre, so wie alle anderen auch mit dem Bus zum Flieger. Aber einen Vorteil hat das Ganze dann doch. Man darf nämlich, während man auf seinen Abflug wartet, die Lufthansa Lounges nutzen. Dort sitzt man dann mit den anderen FTLern in Kunstledersesseln, trinkt Gratis-Kaffee, liest Gratis-Zeitungen und schaut bei den olympischen Spielen am Gratis-Buffet zu.      
Wenn die Gäste die Lounge betreten, dann meist einheitlich gestresst mit dunkelblauem Kostüm oder anthrazitfarbenem Anzug. Dazu der obligatorische Trolley in Handgepäcksgröße und der gehetzte Blick im Gesicht. Hin und wieder sieht man auch einen rebellischen Kreativen in Jeans und Wollschal. Aber vor dem Buffet, da sind dann alle gleich. Kaum wurde der Trolley bei irgendeinem der semi-bequemen Sessel oder – mit ein bisschen Glück – bei einem der Tische abgestellt, geht es los. Die Inspektion von Vollkornbrot, Kartoffelsalat und Marmeladentöpfen. Die Schlacht ums Rührei. Die Integration vor der Schlange am Kaffeeautomaten. Wenn man passend da ist, wird um 11.30 Uhr um die Disziplinen „Leberkäs“, „Frikadellchen“ und „Mousse au chocolat-im Glas“ erweitert. Dann gibt es kein Halten mehr. Ich habe mal einen älteren Herren im edlen Zweireiher gesehen, der fast geheult hat, als ihm einer den letzten Nachtisch vor der Nase wegschnappte.
Nachher im Flieger sind dann alle wieder normal, zivilisiert und mega-busy.

Ich stehe auf und wage den Schritt zur Kaffeemaschine. Möge ich nicht von einem Mitreisenden überrannt werden, der entdeckt hat, dass der Kartoffelsalat noch nicht ganz leer ist.       

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