30. Akt
Wenn man brav Lufthansa und ihre Partner genutzt hat, dann
wird man FTL. Wenn man sie unfassbar oft und meist die Business Class
bucht, dann auch gerne SEN. Und bei derart exorbitanter Nutzung,
dass man seine Kinder nur noch per Skype aufwachsen sieht und den
Rest der Zeit in der First Class in der Luft verbringt, kann man es
auch zum HON schaffen. Dann wird man sogar in einer schwarzen
Limousine über´s Rollfeld zum Flugzeug gebracht. SEN steht für
Senator, HON steht für Honour Member. Und FTL steht für Frequent
Traveller. Regelmäßig Reisender. Ich bin FTL und fahre, so wie alle
anderen auch mit dem Bus zum Flieger. Aber einen Vorteil hat das
Ganze dann doch. Man darf nämlich, während man auf seinen Abflug
wartet, die Lufthansa Lounges nutzen. Dort sitzt man dann mit den
anderen FTLern in Kunstledersesseln, trinkt Gratis-Kaffee, liest
Gratis-Zeitungen und schaut bei den olympischen Spielen am
Gratis-Buffet zu.
Wenn die Gäste die Lounge betreten, dann meist
einheitlich gestresst mit dunkelblauem Kostüm oder anthrazitfarbenem
Anzug. Dazu der obligatorische Trolley in Handgepäcksgröße
und der gehetzte Blick im Gesicht. Hin und wieder sieht man auch
einen rebellischen Kreativen in Jeans und Wollschal. Aber vor dem
Buffet, da sind dann alle gleich. Kaum wurde der Trolley bei irgendeinem
der semi-bequemen Sessel oder – mit ein bisschen Glück – bei
einem der Tische abgestellt, geht es los. Die Inspektion von
Vollkornbrot, Kartoffelsalat und Marmeladentöpfen. Die Schlacht ums
Rührei. Die Integration vor der Schlange am Kaffeeautomaten. Wenn
man passend da ist, wird um 11.30 Uhr um die Disziplinen „Leberkäs“,
„Frikadellchen“ und „Mousse au chocolat-im Glas“ erweitert.
Dann gibt es kein Halten mehr. Ich habe mal einen älteren Herren im
edlen Zweireiher gesehen, der fast geheult hat, als ihm einer den
letzten Nachtisch vor der Nase wegschnappte.
Nachher im Flieger sind dann alle wieder normal, zivilisiert und
mega-busy.
Ich stehe auf und wage den Schritt zur Kaffeemaschine. Möge ich
nicht von einem Mitreisenden überrannt werden, der entdeckt hat,
dass der Kartoffelsalat noch nicht ganz leer ist.
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