52. Akt
Ja... ich bin eine Romantikerin, ein Emotions-Junkie, ein „oh mein
Gott ich sollte jeden Tag ein bisschen dankbarer als gestern sein“-
Anhänger. Und wenn´s mich richtig trifft, dann gehen die Gäule
diesbezüglich auch ordentlich mit mir durch.
Heute zum Beispiel ist es ein kolossaler Heimat-Flash. Wer mehr als
25 mal umgezogen ist, kann das vielleicht etwas nachfühlen.
Im Anflug auf München erwischt es mich voll. Voraussetzung dafür
war natürlich, dass ich dieses Mal nicht die komplette Landung
verschlafen habe und meine Tochter nach einer Wette ihren
Fensterplatz an mich abtreten musste. Es ist in der Regel immer so,
dass ich mich freue, wenn ich bei einem Blick aus dem Flugzeugfenster
schöne Dinge sehe.
Meer? Schön! Flaches Land? Schön! Berge? Schön! Brennende
Tragfläche? Nicht schön! Aber zum Glück auch noch nicht passiert.
Ich sitze also versonnen am Fenster einer Boing und stelle fest, dass
München, Bayern, die Welt von hier oben aus gerade besonders schön
aussieht. Die Felder einen Tick grüner als sonst und anderswo, die
Häuser schmuck, sogar das Kraftwerk wirkt idyllisch.
Mein Herz klopft mir bis in den Hals und wenn ich eine Klampfe
hätte... aber zum Glück habe ich keine.
Gedanklich sehe ich mich im Dirndl über Felder und Wiesen springen
und befürchte, dass ich gleich nach Landung meine Kinder umarmen, an
den Händen fassen und mit ihnen im Kreis tanzen will.
Okay, dann hätten sie einen Grund mich einweisen zu lassen. Ich muss
meine Freude für mich behalten.
Beim Verlassen des Flugzeugs wünsche ich der Crew euphorisch
lächelnd einen schönen Weiterflug. Und irgendwas in ihrem Blick
sagt, dass sie künftig keinen Alkohol an Bord mehr ausschenken
wollen. Pöh! Ich hatte nur Tee. Ich brauch keinen Alkohol für diese
Stimmung.
Auf dem Weg mit der S-Bahn nach Hause sieht es immer noch fast so
schön aus, wie aus dem Flugzeug. Die letzten hundert Meter zu meinem
Haus gehe ich beinahe im Hopserlauf.
Aufgeschlossen. Alle Rollos hoch. Zuhause! Schön. Ich habe das
Gefühl, ich atme gerade Herzchen ein und aus.
Dann mache ich einen dramatischen Fehler. Ich nehme den Postschlüssel
und schaue in den Briefkasten.
Hallo?? Es sind doch Osterferien? Wer arbeitet denn da? Bei der
Krankenkasse und im Finanzamt? Können die mir nicht ihre Post
schicken, wenn ich eh schon schlecht drauf bin?
Egal. Die Restfreude reicht noch für zehn idyllische Minuten im
Garten. Dann hat mich der Alltag wieder. Zumindest ein bisschen.
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