Samstag, 12. März 2016

34. Akt

 Um 11 Uhr soll mein Flugzeug gehen. Dann vierzig Minuten Aufenthalt in Wien und weiter mit dem Anschlussflieger nach Hause. Eine Stunde später soll ich dann eigentlich in München landen. Eigentlich.
So kurze Aufenthalte regen bei mir immer einiges an. Unter anderem panische Schweißausbrüche. Mir ist durchaus klar, dass ich bei einem Zwischenaufenthalt nicht vom Planeten falle oder auf ewig irgendwo auf der Welt strande. Tom Hanks hatte im Film „Terminal“ kein Visum und nix. Ich habe meinen Ausweis und das Anschlussticket ja quasi ständig in der Hand. Heim komm ich immer. Irgendwie. Am besten aber mit genau den Flügen, die ich auch gebucht habe. Also bin ich rechtzeitig am Gate. Natürlich. Oben auf der Tafel stehen Abflugs- und Zielort. Am Abfertigungsschalter steht: Niemand. Keiner in neckischem Airline-Kostümchen oder -Anzug. Kein Halstuch oder Käppi weit und breit. Und in 5 Minuten soll das Boarding beginnen. Selbst die anderen Fluggäste fehlen. Nur langsam trottet eine kleine Gruppe italienischer Rentner in Richtung Gate 9. Ich recke den Hals und sehe beim besten Willen kein Flugzeug da unten. Kein Problem. Ist ja nicht selten, dass man von hier aus erst mit dem Bus zum Flieger muss. Aber ich kann mein Ticket ja nicht selber über den Scanner ziehen und dann einen Bus auswürfeln. Noch inmitten meiner Denkerei werde ich von einer untersetzten Mitarbeiterin der Airline über den Haufen gerannt. Halb so schlimm. Hurtig hinter den Schalter und ein paar Telefonate getätigt. In den letzten zwei Minuten sind auch schon rund zwanzig weitere Fluggäste am Gate angekommen. Sieht ja nicht mehr ganz so bescheiden aus. Ich stehe in der Pole Position und werde nur von einigen Business-Class-Kandidaten rechts überholt. Ist nicht schlimm. Die wissen wie es geht. Boardingpass und Ausweis hingehalten und ab durch die Tür. Ich sehe meine 40 Minuten Aufenthalt wieder als realistisch machbar. Aber als ob sich jemand einen Scherz mit meiner Geduld leisten will, peppt mir die Untersetzte ein blaues Schild an meinen Koffer und meint, ich muss ihn am Flugzeug abgeben. Pöh! Soweit kommt`s noch. Mein Koffer ist Handgepäck. Klein und leicht. Der kommt mit in das Flugzeug. Sonst kann ich meinem Anschlussflugzeug nachwinken, während ein höchst unambitionierter Flughafenmitarbeiter noch nach dem verteilten Gepäck sucht. Also rein in den Bus. Das Schild unauffällig unter den Griff geschoben und mit hastigen Schritten am Bodenpersonal vor dem Flugzeug vorbeigezischt. Denkste! „Lady, lady! Put your suitcase here!“
„No!“
„Yes!“
Pech! Sie nimmt mir meinen Koffer ab, als ob da drei Pfund Kokain drin wären und ich ein ganz schrecklich böses Mädchen bin. Mist! Die Aufenthaltsdauer zwischen den Flügen wird gerade erheblich in Frage gestellt. Es ist, als ob das Team in der Maschine und am Boden sich gerade vor Lachen kringelt. „Guck mal Hermann! Wieder so eine Idiotin, die glaubt, wir bringen sie rechtzeitig zum nächsten Flug.“ Kicher …
Ich gehe an Bord und hoffe, dass sie meinen Computer im Koffer nicht allzu sehr schänden. Alles schon erlebt. In einem Teil abgegeben und als Puzzle zurückbekommen. Bad luck.
Dann geht es los. Bis jetzt nur zehn Minuten Verspätung. Alles noch machbar.
Gleich nach Landung springe ich geschmeidig wie ein junges Reh und schweißnass wie eine Kaulquappe zur Treppe. Unten werden die Handgepäckstücke verteilt. Ja! Das schaff ich. Wieder rein in den Bus, raus aus dem Bus. Noch sechs Minuten bis zum Gate. Jaaaaaaaa! Anschlussflug erreicht. Ich klopfe mir auf die Schulter. Dann springt die Ansage vor mir um. „Ihr Flug hat 40 Minuten Verspätung“.
Ja und wieder höre ich irgendwo in meinem Kopf ganz leise einen Piloten mit seiner Crew kichern. Ganz leise.



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