34. Akt
Um 11 Uhr soll mein Flugzeug gehen. Dann vierzig Minuten Aufenthalt in
Wien und weiter mit dem Anschlussflieger nach Hause. Eine Stunde
später soll ich dann eigentlich in München landen. Eigentlich.
So kurze Aufenthalte regen bei mir immer einiges an. Unter anderem
panische Schweißausbrüche. Mir ist durchaus klar, dass ich bei
einem Zwischenaufenthalt nicht vom Planeten falle oder auf ewig
irgendwo auf der Welt strande. Tom Hanks hatte im Film „Terminal“
kein Visum und nix. Ich habe meinen Ausweis und das Anschlussticket
ja quasi ständig in der Hand. Heim komm ich immer. Irgendwie. Am
besten aber mit genau den Flügen, die ich auch gebucht habe. Also bin ich rechtzeitig am Gate. Natürlich. Oben auf der Tafel
stehen Abflugs- und Zielort. Am Abfertigungsschalter steht: Niemand.
Keiner in neckischem Airline-Kostümchen oder -Anzug. Kein Halstuch
oder Käppi weit und breit. Und in 5 Minuten soll das Boarding
beginnen. Selbst die anderen Fluggäste fehlen. Nur langsam trottet
eine kleine Gruppe italienischer Rentner in Richtung Gate 9. Ich
recke den Hals und sehe beim besten Willen kein Flugzeug da unten.
Kein Problem. Ist ja nicht selten, dass man von hier aus erst mit dem
Bus zum Flieger muss. Aber ich kann mein Ticket ja nicht selber über
den Scanner ziehen und dann einen Bus auswürfeln. Noch inmitten
meiner Denkerei werde ich von einer untersetzten Mitarbeiterin der
Airline über den Haufen gerannt. Halb so schlimm. Hurtig hinter den
Schalter und ein paar Telefonate getätigt. In den letzten zwei
Minuten sind auch schon rund zwanzig weitere Fluggäste am Gate
angekommen. Sieht ja nicht mehr ganz so bescheiden aus. Ich stehe in
der Pole Position und werde nur von einigen Business-Class-Kandidaten
rechts überholt. Ist nicht schlimm. Die wissen wie es geht.
Boardingpass und Ausweis hingehalten und ab durch die Tür. Ich sehe
meine 40 Minuten Aufenthalt wieder als realistisch machbar. Aber als
ob sich jemand einen Scherz mit meiner Geduld leisten will, peppt
mir die Untersetzte ein blaues Schild an meinen Koffer und meint, ich
muss ihn am Flugzeug abgeben. Pöh! Soweit kommt`s noch. Mein Koffer
ist Handgepäck. Klein und leicht. Der kommt mit in das Flugzeug.
Sonst kann ich meinem Anschlussflugzeug nachwinken, während ein
höchst unambitionierter Flughafenmitarbeiter noch nach dem
verteilten Gepäck sucht. Also rein in den Bus. Das Schild
unauffällig unter den Griff geschoben und mit hastigen Schritten am
Bodenpersonal vor dem Flugzeug vorbeigezischt. Denkste! „Lady,
lady! Put your suitcase here!“
„No!“
„Yes!“
Pech! Sie nimmt mir meinen Koffer ab, als ob da drei Pfund Kokain
drin wären und ich ein ganz schrecklich böses Mädchen bin. Mist!
Die Aufenthaltsdauer zwischen den Flügen wird gerade erheblich in
Frage gestellt. Es ist, als ob das Team in der Maschine und am Boden
sich gerade vor Lachen kringelt. „Guck mal Hermann! Wieder so eine
Idiotin, die glaubt, wir bringen sie rechtzeitig zum nächsten Flug.“
Kicher …
Ich gehe an Bord und hoffe, dass sie meinen Computer im Koffer nicht
allzu sehr schänden. Alles schon erlebt. In einem Teil abgegeben und
als Puzzle zurückbekommen. Bad luck.
Dann geht es los. Bis jetzt nur zehn Minuten Verspätung. Alles noch
machbar.
Gleich nach Landung springe ich geschmeidig wie ein junges Reh und
schweißnass wie eine Kaulquappe zur Treppe. Unten werden die
Handgepäckstücke verteilt. Ja! Das schaff ich. Wieder rein in den
Bus, raus aus dem Bus. Noch sechs Minuten bis zum Gate. Jaaaaaaaa!
Anschlussflug erreicht. Ich klopfe mir auf die Schulter. Dann springt
die Ansage vor mir um. „Ihr Flug hat 40 Minuten Verspätung“.
Ja und wieder höre ich irgendwo in meinem Kopf ganz leise einen
Piloten mit seiner Crew kichern. Ganz leise.
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