Mittwoch, 31. Mai 2017

359. Akt

Mittlerweile ist es ja schon geradezu langweilig, welche obstrusen Offerten einem in den sozialen Netzwerken gemacht werden. Verwitwete US Officers verlieben sich schockartig einzig und allein in mein Profilbild (Das bei all meinen weiblichen Kontakten müssen dann andere Officers sein). In Dubai und diversen ehemaligen Krisengebieten wissen sie gar nicht wohin mit der Kohle und machen mich als einzige Nachfolgerin verschiedener Millionäre aus. Dann gibt es noch ein paar weibliche Pornosternchen die mich so rattenscharf finden, dass sie mir laufend Kontaktanfragen schicken. Und zu guter Letzt noch die Leute, die mir notorisch Vorschläge meine Website zu optimieren anbieten. Jeden Tag. Alles. Immer wieder.
Als ich heute aber mein Email-Postfach öffne, schneit noch die Meldung eines Kommentars herein. Jemand hat seinen Senf zu meinem Blog abgegeben. Eigentlich steh ich da drauf. Sowohl auf Senf, als auch auf Kommentare. Ich mag Kommunikation. Am liebsten die mit Menschen, die sich mit Real-Namen dort verewigen. Alles andere wirkt immer so ein bisschen komisch.
Was sich dort heute findet, hat mich aber für eine ganze Weile (locker siebeneinhalb Sekunden und damit Bestzeit) sprachlos gemacht. Der Text lautet wie folgt:
Möchtest du deine Niere verkaufen? Oder suchen Sie nach einer Gelegenheit, Ihre Niere für Geld wegen finanzieller Pause zu verkaufen und Sie wissen nicht, was zu tun ist, dann kontaktieren Sie uns heute und wir bieten Ihnen gute Menge für Ihre Niere. Mein Name ist (Doktor Elvis Whyte) bin ein Phrenologe in unserem Krankenhaus Ich spezialisierte mich auf Nierenchirurgie und wir beschäftigen uns auch mit dem Kauf und der Transplantation von Nieren mit einem Leben ein entsprechender Spender. Kontakt E-Mail: doctorelviswhyte@gmail.com 
Das jemand hin und wieder sein Herz verschenkt, ein Auge auf jemanden wirft oder gerne Hirn vom Himmel regnen lassen möchte, ist ja nicht neu. Aber sowas? Soll das es echt ein Werbeschild für den virtuellen Organhandel sein? Ich glaub´s ja nicht.
Also: He du Spinner! Der echte Elvis ist tot. Und bei dir handelt es sich dann zumindest um geistige Verblichenheit. Ja ja, mir ist schon klar, dass es einen Dr. Elvis Whyte, der scharf auf meine Niere ist, nicht wirklich gibt.
Aber ist das jetzt allen Ernstes eine neue Methode?
Springt da drauf jemand an? Und was kommt dann? „Nö, du. Für deine kleine, schrabbelige Niere können wir dir nur zweihundert Euro geben, aber wie sieht es mit deiner Leber aus? Alkoholiker? Und die Lunge? Wenn sie nicht pfeift, gibt’s noch nen Extra-Tausender.“
Ich bin da knausrig. Ich wurde mit sämtlichen Organen ausgeliefert und werde das – insofern es mir gesundheitlich möglich ist – nicht ändern. Lediglich mein Blinddarm hat sich aus seinem bisherigen Umfeld verabschiedet, dem wurden die Darmbewegungen in der ersten Schwangerschaft zuviel. Aber das ist auch schon eine ganze Weile her.
Ich bin gespannt, was so alles noch kommen wird.
Die virtuelle Großmutter-Kollekte“ (nee, Mutti wir geben dich nicht her!), „Die Ex-Partner-Entsorgungs-Mafia“ (nö, dafür habe ich mit allen ein viel zu gutes Verhältnis) oder die „Wir ziehen deine Kinder auf. Vollpension garantiert. Dein örtlicher Bergbaubetrieb.“ (Darf ich da nochmal drüber nachdenken?)
Aber das Schöne ist ja, dass man zumindest bei virtuellen Angeboten dieser Art immer noch die Möglichkeit hat, einfach auf „Löschen“ zu drücken.
Also nochmal: Nein! Eine neue Niere brauche ich nicht. Aber wer mir ein Jahres-Abo von Häagen Dazs Pralines & Cream besorgt, der kann gerne die übrigen Haare vom Spitzenschnitt behalten oder kann jemand abgeschnittene Finger- und Fußnägel verwerten???


Dienstag, 23. Mai 2017

358. Akt

 „Mann! Wie mir diese ständigen Anglizismen auf den Sack gehen. Kannst du mir nicht einfach alles Gute zum Geburtstag wünschen? Was soll dieses dämliche „Happy Birthday“? Über ein einfaches „Ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag“ hätte ich mich ehrlich mehr gefreut.“
Kurz bevor ich diesen Facebook-Kontakt lösche, schaue ich mir nochmal das Profil an. Wir kennen uns nicht wirklich gut, aber dennoch persönlich. Der Mann wirkt eigentlich normal. Zumindest normal genug, um in einem normalen Geburtstagsgruß nicht gleich eine komplette Verweigerung meiner Muttersprache zu vermuten. Aber irgendwas muss hier für ein bisschen Krawall im Blut gesorgt haben. Es ist ja nunmal so, dass uns Facebook allmorgendlich ein paar Leute um die Ohren haut, die an diesem oder jenen Tage Geburtstag haben. „xyz hat heute Geburtstag“ heißt es dann, „gratuliere ihm/ihr, damit er/sie weiß, dass du an sie denkst.“
Es ist ja nicht so, dass ich dann vom Schreibtisch aufspringe und dreimal vor Freude um den Tisch tanze, während ich singe „Wie schön, dass du gebooooooren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisssssst.“ Nein, das tu ich sicher nicht. Aber ich reagiere durchaus. Je nachdem wie nah mir die Person steht, rufe ich an, schicke eine Email, backe einen Kuchen oder schreibe ein mit Sternen dekoriertes „Happy Birthday“ in die Chronik.
Eine Reaktion wie diese ist mir aber bisher noch nicht untergekommen. Das ist ja so ein bisschen, als ob ich zum Essen zum Italiener einlade und der Eingeladene bemängelt meine Affinität zu Klößen und Braten.
Hallo??? Happy Birthday ist ja schon fast so deutsch wie „Hi!“, „Ciao!“ oder „Servus! (kommt nämlich aus dem Lateinischen, ätsch!)“.
Wer also künftig in irgendeiner speziellen Art und Weise, bestimmten Sprache, Dialekt oder Handzeichen von mir zum Geburtstag gegrüßt werden will, der teile mir das bitte mit.
Diese Kontakte kann ich dann nämlich, tadaaaaaa(!) in mindestens sieben Sprachen und einem Klick löschen. Weil´s mir einfach zu blöd ist.

Da bin ich nun mal eigen. Dann sag ich ein letztes Mal „Ciao!“, „Bye bye!“ oder „Habe die Ehre“ und mache mich vom virtuellen Acker. Im echten Leben sind wir nämlich alle viel normaler.         

Sonntag, 21. Mai 2017

357. Akt

Ich war übers Wochenende weg. Von Freitag bis Sonntag. Nichts Spektakuläres. Einfach ein ruhiges Wochenende. Kind 1.0 und 2.0 hüten derweil das Haus. Beide sind ja (Hosianna-praise-the-lord) mittlerweile der gröbsten Pubertät entwachsen und ich muss sie nicht mehr rund um die Uhr bis an die Zähne bewaffnet beaufsichtigen. Wenn ich das Haus verlasse, geht es ihnen gut und sie sind versorgt und wenn ich zurückkomme ist in der Regel auch noch alles prächtig. Wenn, ja wenn man nicht einen entscheidenden Fehler macht.
Ich weiß ja, dass manche Eltern schon das erste sturmfreie Hinterlassen des Hauses mit niedergerbrannten Grundmauern, vierzig Strafanzeigen wegen Ruhestörung und Erregung öffentlichen Ärgernisses bitter büßen, aber bei mir? Nee, immer alles in Ordnung. Kein Nachbar schaut mich schief an und ich muss auch keine restalkoholisierten Teenager oder Twens aus dem Keller ins Freie zerren. Ja, ja, auf Ratz und Rübe ist Verlass.
Auch dieses Mal. Sicherlich. Heute Mittag haben mich beide noch angeschrieben, wann ich wieder Zuhause bin. Ich bin ganz gerührt von so viel Fürsorge und Interesse. Ich schreibe zurück „So gegen 19 Uhr.“
Jetzt im Auto ist es zwar erst 17 Uhr, aber was soll´s? Überrasche ich sie eben mit meiner früheren Rückreise. Ist doch nett. Wenn sie schon so lieb nachfragen.
Ich biege mit meinem Auto auf´s Grundstück und rolle in der Garage aus.
War das gerade meine Tochter mit panischem Blick am Fenster? Nö, kann nicht sein. Warum auch?
Zündschlüssel raus, Gepäck geschultert und Schlüssel ins Schloss. Eine Welle hektischer Betriebsamkeit wabert mir entgegen. Vom Flur aus ist gar nichts Schlimmes zu erkennen. Mich irritiert, dass mein Sohn mich mit Nichtigkeiten ablenkt, während es in der Küche scheppert.
Übers Wohnzimmer (Äh... was ist mit dem Sofa passiert? Wieso liegen alle Kissen auf dem Boden und was machen die Socken auf der Fernbedienung?) drehe ich in mich in Richtung Küche. Mich trifft fast der Schlag. Tochterkind grinst mich mit einer Flasche Spüli und einem Küchentuch in der Hand an.
Ich schaue mich um. Wie viele Kartons sind das? Wie viele von diesen Tiefkühl-Pizzen kann man denn innerhalb von 48 Stunden zu sich nehmen? Für wen wurden denn die ganzen Kuchen gebacken, deren Zutaten jetzt noch unterhalb der Dunstabzugshaube und an drei verschiedenen Backblechen kleben?
Ist das eine Anti-Rutsch-Beschichtung auf dem Boden oder ist hier Superkleber ausgelaufen? Ich drehe mich zurück zu Kind 1.0 und 2.0. Ich bin ein bisschen fassungslos. Beide stehen in nettester Eintracht Seite an Seite  nebeneinander. Geschwisterlich vereint wie Hänsel und Gretel und zucken mit den Schultern.
Mein erster Impuls ( verlasse dieses Haus und komme vor 2021 nicht zurück) weicht dem Wissen, dass das nur eine Form von desaströser Katastrophen-Prokrastination ist.
Also stelle ich meine Handtasche weg, lege das Handy auf den Kühlschrank und reagiere auch nicht auf Anknuddeln durch Erst- und Zweitgeborene(n).
Es gibt viel zu tun. Packen wir´s an.“ hieß irgendein Werbespruch und mir wird klar, dass dieser Text von einem alleinerziehendem Elternteil kommen muss. Nach einigen „Wir helfen dir.“- und „Du kommst ein bisschen früh“- Bekenntnissen ist beiden eingefallen, dass man noch dringend für Uni und Abi lernen muss. Naja... so habe ich zumindest Platz um Ordnung zu schaffen. Und beim nächsten Mal sage ich, ich komme um neunzehn Uhr heim und komme dann erst am nächsten Morgen. Vielleicht haben sie dann die Zeit genutzt und auch noch die Fenster geputzt und den Keller aufgeräumt. Hach...

Man wird ja noch träumen dürfen.       

Dienstag, 9. Mai 2017

356. Akt

Ich reiße mich gerade figürlich am Riemen. Nicht, dass es schon aus dem Ruder läuft, aber ich habe in den nächsten Monaten einen Haufen Fototermine und Modenschauen. Und da will ich vollständig aufs Bild, beziehungsweise auf den Laufsteg passen. Also kaufe ich mir Salat, Tomaten und das ganze bunte Zeug. Um Chips, Schokolade und Eiscreme mache ich anfangs einen großen Bogen. Dann kaufe ich doch ein Eis für meine Tochter und etwas Süßes für Kind 1.0.
Weil ich ja aber schlau bin, greife ich hier nur zu dem Eis und der Schokolade, die bei mir sowieso nicht auf der Hitliste stehen. Erdbeereis – pöh, reizt mich nicht, und Ritter Sport Marzipan – damit kannste mich jagen.
Tja, was sag ich? Problem gelöst. Kinder glücklich und ich komme nicht in Versuchung. Innerlich klopfe ich mir auf die Schulter.
Weil ich aber noch was am Gemüse vergessen habe, geh ich zurück in den vorderen Bereich des Ladens. Der große Aufsteller neben dem Beerenobst ist mir vorhin gar nicht aufgefallen.
Kann ich da was für? Nein, kann ich nicht. Direkt im Eingangsbereich vom Tengelmann steht so ein riesiger Aufbau mit diesem Genuss in Nuss-Zeug. Also Edle Tropfen-Dingens in Schokolade. Ich erinnere mich, dass ich mal ganz schrecklich auf diese Form der Süßigkeiten abgefahren bin. Kleine Einheiten von Kirschwasser, Zwetschgen- und Birnenschnaps und Himbeergeist in Mantel dunkler Nussschokolade,
Und weil ich gleich einen Freund besuchen will, nehme ich gleich mal eine Packung mit. Quasi als Geschenk. Ist ja eingeschweißt, reizt mich üüüüüüüüüüberhaupt nicht.
Als ich Zuhause alle Einkäufe wegräume, hab ich natürlich auch wieder die Pralinenschachtel in der Hand. Komisch. Was hatte mich damals so sehr daran gereizt? Ich kann sie mir ja mal kurz anschauen. Nur mal ansehen. Nicht essen natürlich. So ein Quatsch. Essen will ich sie gar nicht. Nur mal anschauen.
Während ich noch darüber sinniere, wie dämlich der Gedanke ist, sich Pralinen bloß anschauen zu wollen, hab ich die Folie schon runter und eines dieser Schokodinger in der Hand.
Mannmannmann... das ist ja nun doof. Ich kann doch keine Pralinen verschenken, die ich schon mal angelangt habe oder? Nee, das geht ja wirklich nicht. Und schwupps, Ist das Ding entsorgt.
Äh... ja... lecker. Aber den Rest sperre ich weg. Verschenken geht ja jetzt nicht mehr, aber ich muss sie aus meinem Blickfeld räumen. Also alle anderen, außer die beiden, die sich nun auch schon wieder in meiner Hand befinden.
Ich horche nach oben. Wenn die Kinder mich jetzt hier so sehen, dann bricht wieder ein Eckchen aus meiner pädagogischen Mutter-Konsequenz-Krone. Hab ich doch vorhin erst gesagt, dass ich auf Salat umsteige. Aber es kommt keiner.
Die Packung landet ganz oben im Regal in der Besenkammer. Nur noch zwei, dreimal muss ich sie in die Hand nehmen. Mal um nachzuzählen, wie viele noch da sind und mal um zu verifizieren, dass ich schon wieder zwei gegessen hab.
Jetzt habe ich ein ganz anderes Dilemma. Ich kann nämlich angebrochenes Zeug nicht gerne rumstehen lassen (zumal, wenn für den vollzogenen Konsum der Packung nur einer in Frage kommt), andererseits kann ich doch keine ganze Packung Pralinen aufessen.

Doch! Ich kann! Den Besuch heute muss ich verschieben. Der Schnaps wirkt auch im Schoko-Versteck. Ansonsten tu ich einfach so, als wär nix gewesen. Und diese dämliche, verführerisch-verräterische Verpackung knall ich ganz unten in den Müll. Künftig betrete ich den Tengelmann nur über den Kassenbereich. Für alles andere bin ich offenbar zu schwach. 

Donnerstag, 4. Mai 2017

355. Akt

Mama, der neue Drogeriemarkt im Ort hat endlich aufgemacht. Der ist echt cool. Doppelt so groß wie vorher. Außerdem haben die jetzt viel mehr als vorher. Sieht richtig gut aus. Außerdem gibt es zur Zeit zehn Prozent Rabatt auf alles, und wenn man was kauft, dann bekommt man gratis noch den Handseifenspender, den wir auch haben.“
Das kann jawohl nicht wahr sein? Da lässt sich mein Tochterkind doch mal gepflegt von Werbung und guter Beleuchtung um den Finger spulen? Na, das hätte ich aber nicht gedacht.
Pöh...“ sage ich, „von sowas lass ich mich doch nicht einwickeln. Zehn Prozent Rabatt auf Dinge, die ich nicht brauche, bedeuten immer noch 90% rausgeschmissenes Geld. Und die Handseife kostet eh nur zwei, drei Euro oder so.“
Bloß, weil irgendwo ein neuer Laden aufmacht, kriege ich doch nicht gleich nen Kauf-Flash und falle in Konsum-Ekstase. Nee, ich nicht. Sowas passiert nur denen, die ihre Bedürfnisse nicht im Griff haben.
Auf dem Weg zur Buchhandlung sehe ich auch, wie gleich eine Hand voll von Drogeriemarkt-Animateuren ein paar Passanten in den Laden schleust. Ich schüttel mit dem Kopf. Mit den bestellten Büchern in der Tasche, entschließe ich mich, die Lemminge mal im Hamsterrad des neuen Marktes zu beobachten. Ist ja immer das selbe. Man geht wohin, weil man ein Tütchen Vanillezucker braucht und verlässt den Laden mit zwei Tüten Kuchendekorationen, Zuckerstreusel und kompletter Backvorlage. Ist mir auch schon ein- zweimal passiert. Tsstss... passiert mir so schnell nicht wieder. Und so schleiche ich durch die Gänge, treffe alte Nachbarn, Schulfreunde meiner Kinder, den halben alten Elternbeirat und mein leicht manipulierbares Ich.

Fazit: Ja... okay... die beiden neuen Nagellacke hat es nun wirklich nicht unbedingt gebraucht. Aber den bio Schnell-Entkalker, das Ansatz-Haarfarbe-Set, die Haarbürste, die zwei Tuben Zahnpasta, den Verdauungstee, die Tube Klebstoff, das Haargel und die Gesichtsmaske. Doch, doch, die habe ich alle sowieso kaufen wollen. Äh ja... außerdem gab es zehn Prozent Rabatt und eine tolle Handseife gab´s auch gratis.     

Mittwoch, 3. Mai 2017

354. Akt 

 „Da hat der Gerd doch dem Niels sein Osterkörbchen leer gegessen. Ist das nicht gemein?“
Die Frau, die empört vor mir sitzt, macht den Eindruck, als hätte ihr Mann den letzten Grund für Scheidung oder Mord im Affekt vollzogen.
Der liebe, nette, okay ein wenig dickliche, aber ansonsten feine Gerd hat sich also erdreistet, seinem verwöhnten, vierzehnjährigem Filius die Reste eines Lindt-Hasens wegzunaschen. Unfassbar!
Mein Gegenüber rechnet gerade damit, dass ich jetzt aufspringe und rufe: „Knüpft diesen Scheißkerl und unwürdigen Vater sofort an der nächsten Ampel auf.“ Aber ich kann nur mit den Schultern zucken. Ich hake nochmal nach.
Ja. Genau. Bloß ein bisschen Vollmilchschokolade aus einem Nestchen, welches bereits zwischen Cola- und Red-Bull-Dosen vor sich hingammelte.
Ich kann mich noch nicht mal zu einem „Wie schändlich!“ hinreißen lassen.
Meine Kinder sind seit vielen Jahren gewohnt, dass sie sich freuen können, wenn ihnen knappe 50% ihrer Oster-, Weihnachts- oder Geburtstags-Schokolade bleibt. Wann immer ich ihr Zimmer betrete, um frische Wäsche zu bringen, zum Essen zu rufen oder einfach mal zu schauen, ob sie hier noch wohnen, schaue ich nach, ob es noch was zu entsorgen gibt. Gerne eben auch Schokolade. Und ja, es hat einen Grund, warum ich fürs Verschenken in Richtung Kind 1.0 und Kind 2.0 gerne Material verwende, welches mir selber gut schmeckt.
Auf meinen Tipp, dem lieben Gerd zu Ostern oder an ähnlichen Feiertagen einfach auch ein Körbchen zu bereiten, bekomme ich nur ein „So weit kommts noch!“
Dann folgt der Satz, der Gerd in Sachen Verständnis noch ein wenig enger an mich heranrückt.
Gerd und ich leben seit zwei Jahren Zucker-reduziert und möglichst fettarm. Weil es gut für uns ist.“
Aha, denke ich mir. Und eines weiß ich genau. Spätestens zu Weihnachten kriegt der Schokoladen-technisch unterversorgte Mann einen Fresskorb von mir. Dann muss er sich nicht des Diebstahls am Kindereigentum schelten lassen und hat vielleicht endlich mal wieder ein Lächeln im Gesicht.


Dienstag, 2. Mai 2017

353. Akt 

Sehr geehrte Frau Thoma-Adofo, hallo Manuela!
Ich habe mit Entsetzen von ihrem Buch „Der Fall A.“ gehört und selbiges gekauft und gelesen. Wie Ihnen sicherlich klar ist, habe ich mich auf Anhieb in einer der beschriebenen Personen wiedererkannt. Ich rate Ihnen dringlichst, das Buch vom Markt zu nehmen, da ich sonst umgehend eine einstweilige Verfügung erwirken und anwaltlich gegen sie vorgehen werde. Blablabla... tröröröööö....“
Gezeichnet irgendein Typ, dessen Name mir so überhaupt nix sagt. Gar nix!
Bis auf das Blablabla und trörörö welches ich in der Tat böswillig hinzugefügt habe, entspricht der Text fast demselben, den ich vor über einem Jahr erhalten habe. Auch damals wusste ich nicht, wen ich in meinem Buch verwurstet haben sollte. Hatte aber zumindest eine grobe Ahnung, an welcher Stelle ich mich angeblich bedient hätte. Aber hier? Null! Niente! Nada!
Noch nicht mal die Rolle, in denen sich der Schreiber dieser Zeilen angeblich wiederfindet, ist benannt.
Nun geht es ja in „Der Fall A.“ um Mord, Totschlag, Entführung, Sex, Prostitution auf höchster Ebene und einer ähem... eigenartigen Berichterstattung der Medien. Es gibt also viele Rollen, in denen sich der mit einstweiliger Verfügung Drohende identifizieren kann.
Nehmen wir alle weiblichen Teile heraus, könnte er sich als Leiche in einer Werkstatt, enthauptet im Treppenhaus, als Chef eines TV-Senders oder auch als leidlich potenter Escort-Kunde textlich begegnet sein.
Blöd nur, dass das Buch hintergrund-technisch langwierig recherchiert ansonsten aber völlig fiktiv ist.
Aber vielleicht MÖCHTE sich hier auch jemand gerne wiederfinden. (Sicherlich nicht verhackstückt und entmannt. Aber möglicherweise in einer anderen Rolle.)
Wie auch immer. Ich werde es wohl drauf ankommen lassen, lieber Schreiber. Der Verfügung sehe ich mit Spannung und Spaß entgegen. Es fehlt quasi nur noch die Schokolade und Spiel zum Überraschungs-Ei.

Ansonsten natürlich herzlichen Dank für´s Buch Kaufen und gründliche Lesen. Ach ja... Und wenn du dich in 33 Grausamkeiten Teil I und II nicht wiederfindest, dann warte noch ein bisschen. Im dritten Teil bist du garantiert drin. So eine Steilvorlage kann ich mir einfach nicht entgehen lassen.     

Montag, 1. Mai 2017

352. Akt 

Klar doch. Nee, brauch ich nicht. Geht auch so. Ganz prima. Und steht mir sowieso nicht.“
Mir wird gerade eine Radfahrhose angeboten. Ich könnte mich schlapplachen. Nö. Sowas trag ich nicht. Passt nicht zum Outfit. Und überhaupt. Funktionskleidung ist doch völlig überbewertet. Und frohen Mutes entscheide ich mich die Fahrradtour in normaler Straßenkleidung zu absolvieren.
Zum sportlich aussehen brauche ich doch keine Sportkleidung. 
Die ersten zehn Kilometer ist es auch kein Problem. Gut das geliehene Mountainbike hat einen Sattel, der quasi vollständig auf jede Polsterung verzichtet und sich somit bereits jetzt nach blankem Granit anfühlt, aber ich jammere nicht.
Weitere zwei Kilometer später gehe ich dazu über, die bergab Teile der Strecke im Stehen hinter mich zu bringen und nach zwanzig Kilometern weiche ich dem klitzekleinsten Stück Splitt aus, da es sich auf meiner Kehrseite anfühlt, wie ein gewaltiger Hieb mit einem Backstein. Das Ziel erreiche ich äußerlich schweigend und innerlich jaulend wie ein angeschossener Wolf.
Das Absteigen ist ebenfalls schmerzhaft. Drei Minuten brauche ich, um nicht mehr nach vorne übergebeugt zu laufen, wie ein Primat.
Es muss sich ähnlich anfühlen, wenn man aus dem fünften Stock fällt und hintereinander Kontakt zu einer Laterne, einem Straßenschild und einem Hydranten hat. Alles an der selben Stelle.
In Folge werde ich natürlich von allen möglichen Leuten darauf hingewiesen, wie ich diese Schmerzen hätte vermeiden können. Gelsattel und gepolsterte Hosen... ja ja... ich kann es nicht mehr hören. Es war der blanke Muskel auf schierem in Sattelform geklöppeltem Granit. 
Noch Stunden später gehe ich wie ein Neandertaler. Mein sanft verzerrtes Gesicht lässt auch kein ablenkendes Lächeln zu. Aber eines ist mir klar.
Nachdem es mir nun gelungen ist, mich wieder vollständig aufzurichten und mir nicht sofort die Tränen in die Augen schießen, wenn ich mich sanft aufs Sofa niederlasse, öffne ich meinen Laptop. Bei Amazon werde ich fündig. Und es ist mir sowas von grotten-wurscht, ob das Ding aussieht, als hätte man mich in einen Kinderluftballon geschossen. Ich bestelle ohne zu zögern. Radfahrhose für Damen. Mit Extrapolster. Und zur Not leg ich mir noch ein Sofakissen auf den Gelsattel.