Dienstag, 31. Mai 2016

114. Akt

Aaaaargh... ich kann es ja nicht lassen. Nachdem ich ausgiebig mein Laufband und meine Fitnessgeräte strapaziert habe, denke ich, dass ein bisschen Haushalt auch noch drin ist.
Also hole ich alles was ich brauche und will anfangen, meine Bude auf Vordermann zu bringen. Wohlgemerkt „Ich will anfangen“. Denn, als ich mich freundlich zum Staubsauger hinabbeuge, findet mein Rücken die Idee des Putzens nur noch bedingt unterhaltsam.
Irgendetwas hat sich verschoben. Wieder Mal.
Ich schmeiße meinen Kirschkernsack in die Mikrowelle und ruhe mich auf Sofa und Sack ein bisschen aus.
Tja... ich kenne die Symptome. Das wird wieder mal so eine vier, fünf Tage-Sache. Kein Problem. In der Besenkammer stehen meine feuerroten Krücken und im Medizinkoffer ist ausreichend Ibuprofen und andere nette Sachen. Aber vorerst probiere ich es mal nur mit Wärme.
Als ich zwei Stunden später über den Boden gleite wie die Titanic nach der Kollision mit dem Eisberg, komme ich auf den Gedanken, mich bei meiner Freundin Nicole zu melden. Nicole ist Reha- und Fitnesstrainerin. Mit Abstand die beste, die ich kenne. Man sagt von ihr, dass sie auch Lahme auf einen Marathon vorbereiten kann. Und genau das brauche ich jetzt auch. Ein Wunder. Also liege ich auf dem Sofa und schreibe ihr eine kurze Nachricht. „Hi meine Liebe, liege flach. Ischias etc. Liebe Grüße. Manu“
Kaum habe ich auf Absenden gedrückt, wird mir etwas mulmig. Aber es ist schon zu spät.
„Komme morgen früh um 8. Alles Liebe. Nicole.“
Ich also heute morgen rein in die Sportsachen und Yogamatte ausgerollt.
Immer noch laufe ich so, als ob ich auf das linke Bein eigentlich prima verzichten könnte.
Um 7.59 Uhr klingelt es an der Haustür. Ich stehe quasi schon im Flur, damit ich an der Tür sein kann, bevor sie sich entscheidet, erst noch woanders hinzugehen. Trotzdem brauche ich eine halbe Minute.
Nicole kommt rein, lacht fröhlich und lässt sich durch das Angebot eines leckeren Karamell-Milchkaffees nur bedingt lange ablenken.
45 Minuten später liege ich auf der Yogamatte. In den vorangegangen Minuten habe ich jede Dehnung durchgemacht, die selbst Plastic-Man nicht so tapfer hingekriegt hätte. Dafür fühle mich aber auch wieder zwanzig Zentimeter länger. Dann werde ich getaped. Mit einem lustigen rosa Tape-Blümchen im Kreuz und zwei weiteren Streifen an der Lendenwirbelsäule bringe ich sie zur Tür. Ich habe das Gefühl, dass es mir besser geht und ich für´s Erste über den Berg bin. Mit ihrem großen gelben Ball unterm Arm dreht sie sich nochmal um.
„Ich bin dann übermorgen noch mal da. Um 8 Uhr. Passt das?“ Sie lacht.
Ich nicke und frage mich, ob ich nicht einfach 48 Stunden auf dem Sofa liegen sollte. Aber mir ist klar, dass sie recht hat. Von nix kommt nix. Dann schließe ich die Tür und auf dem Weg zum Sofa würdige ich meinen Staubsauger keines Blickes.


Montag, 30. Mai 2016

113. Akt

Ich bin ein Stalker. Und ich bin es gern. Also so ganz diskret und unauffällig. Aber neugierig wie Bolle.
Manchmal wache ich morgens auf und habe Namen und Gesichter aus meinen zurückliegenden Jahren im Kopf. Und da die Erinnerung ja meist gnädig mit anderen, aber etwas ungehalten mit mir selbst ist, frage ich mich dann, was aus diesen Menschen geworden ist.
Dieser Markus M. aus der 2a. Definitiv die Liebe meines damals siebenjährigem Lebens. Was macht der eigentlich? Und auch die Silke aus der Parallelklasse, die ihn mir herz- und gnadenlos ausgespannt hat? Na ja, sie hat ihn nicht wirklich ausgespannt. Sie hat lediglich dafür gesorgt, dass ich nicht zu seinem Geburtstag eingeladen werde. Mieses Stück, mieses.
Ich stehe auf und schaue, was das Internet hergibt. Bei Silke werde ich schon am Nachnamen scheitern, denke ich. Die hat bestimmt 15 Mal geheiratet. Aber Markus M. werde ich finden. Ob er noch immer so lange dichte Haare...
Ups!
Ich finde Markus. Von Haare kann keine Rede mehr sein. Sieht eher nach Glanzpolitur oberhalb der Augenbrauen aus. Das niedliche Lächeln ist irgendwelchen Furchen gewichen. Wir können doch unmöglich ein Jahrgang sein? Tja. Der Zahn der Zeit. Hättest du mich damals eingeladen, dann wäre alles ganz anders geworden und... oder auch nicht. Heute würde ich nicht mehr zu deinem Geburtstag kommen. Ätsch!
Und wo ich hier schon mal dabei bin, gehe ich noch ein paar andere Gestalten durch, die ich mal toll, blöd oder einfach nur bemerkenswert fand.
In den meisten Fällen freue ich mich riesig. Manches ist aber auch traurig. Aber alles in allem ist das Stöbern in anderer Leute Leben (so viel das Internet eben hergibt) absolut spannend. Auf einem Papier notiere ich mir, dass ich zwei oder drei Leute einfach mal persönlich anrufen muss. Das halte ich für noch besser als virtuelles Stalking.
Silke habe ich übrigens auch gefunden. Sie ist Ordensschwester und setzt sich in der Jugendhilfe ein. Ich freue mich. Zum Einen finde ich toll, was sie macht und zum Anderen scheine ich auf dem Geburtstag damals nichts Weltveränderndes verpasst zu haben.
Zum Abschluss google ich mich selber. Ganz einfach, um zu sehen, wie andere Menschen aus meiner Vergangenheit mir virtuell begegnen.

Okay. Ich bin keine Ordensschwester geworden und ich habe noch nahezu alle meine Haare. Ein paar Kilo, Jahre, Kinder, Erfahrungen mehr als früher. Aber alles in allem noch grob erkennbar. Ich bin zufrieden.           

Sonntag, 29. Mai 2016

112. Akt 

Jeder hat bestimmte Talente. Jeder. Garantiert! Der eine kann genial tanzen, der andere ist handwerklich phänomenal, wieder andere können tolle Geschichten schreiben und ganz andere können großartig singen.
Tanzen, Handwerk und Geschichten schreiben, schrecken mich nicht. Alles mein Bereich. Aber das mit dem Singen hat mein ganzes Leben so ziemlich deprimierend gestaltet.
Im Schulchor – der nun wirklich nahezu jeden aufnahm – wurde ich abgelehnt. Zack! War ich traumatisiert. Jahre später, bei der ersten Radiostation, bei der ich arbeitete, vergaß ich mal den Regler zuzuziehen und sang lauthals mit. Zack! Waren meine Hörer traumatisiert. Das mit mir und der Singerei ist einfach nicht - Achtung Wortspiel – in Einklang zu bringen.
Im ersten Semester auf der Schauspielschule, meinte einer meiner Lehrer, dass jeder Mensch singen könne. Auch ich. Nach meinem verzweifelten Versuch, irgendwas von den Beatles auch nur ansatzweise wiedererkennbar von mir zu geben, sagte er überrascht: „Ja, es gibt doch Ausnahmen. In der Tat, es gibt Ausnahmen!“
Nach der Geburt meines Sohnes, wollte ich, so wie alle anderen Mütter auch, mein Kind in den Schlaf singen. Das Ende vom Lied war (ups, schon wieder so ein dilettantisches Wortspiel), dass die ganze Neugeborenen-Station brüllte, wie am Spieß. Also alle, die mich hören konnten. Die Neu-Mütter schauten mich bittend an, und ich stellte meinen „Der Mond ist aufgegangen“-Rap wieder ein.
In Japan gelingt es mir jedes Mal mich standhaft zu wehren, wenn man mich in einer Karaoke-Bar auf die Bühne nötigen will. Damit habe ich die deutsch-japanischen-Beziehungen sicherlich vor einigen eklatanten Krisen gerettet.
Heute singe ich nur noch, wenn ich ganz, ganz, ganz sicher bin, dass mich keiner hört.
Also im Badezimmer z.B. Mit verschlossener Badezimmer-, Flur- und Haustür. Oder im Auto, bei 150 km/h. Mit geschlossenem Fenster.
Wenn andere anderswo mitsingen, dann wippe ich mit dem Fuß und halte die Klappe. Damit habe ich einfach die beste Erfahrung gemacht.
Solltet ihr allerdings mal Schwierigkeiten haben, eine laue Party zu beenden, bin ich gerne für euch da.

Spätestens nach der zweiten Strophe könnt ihr anfangen auszufegen. Dann sind nämlich alle Gäste weg. Mit Tinnitus und Hörsturz.   

Samstag, 28. Mai 2016

111. Akt

"Die steht ihnen gaaaaaaaanz fantastisch. Wirklich! Wie für sie gemacht. Toll!"
Ich bin ein bisschen irritiert. Ich bin am Flughafen und in dem Sonnenbrillen-Laden ist außer mir und der Verkäuferin niemand zu sehen.
Ich habe noch Zeit bis zum Abflug und probiere aus Langeweile die hässlichsten Brillen auf, die der Shop hergibt. Im Moment trage ich ein Modell, dass unschöner nicht sein kann. Ich schau nochmal in den Spiegel und stelle fest, dass ich mit dem Teil aussehe, wie die Fliege Puck in 20er Jahre Version. Auf Speed.
Okay, denke ich. Mal sehen, ob sie wirklich so blind, geschmacksverirrt oder scharf darauf ist, mir etwas zu verkaufen. Irgendwas. Ich setze eine Sonnenbrille mit rotgoldenem Rahmen und grüngemusterten Bügeln auf. Die Gläser sind verspiegelt. Es kostet mich viel Beherrschung, nicht irgendwelche Grimassen zu ziehen und vor Lachen zusammenzubrechen. Was auch immer die Dame an der Kasse genommen hat, ich will das auch. Es muss einfach alles 1000 mal schöner darstellen als die Realität. Denn nun kriegt sie sich gar nicht mehr ein.
"Fantastisch! Die müssen sie nehmen. Die passt zu ihnen, wie keine Zweite. Wirklich. Schauen sie in den Spiegel. "
Na ja, das ist ja das, was ich gerade vermeide. Jetzt setze ich im Minutenrhythmus unterschiedliche Brillen auf. Die Lady quietscht verzückt, als ob sie gerade von Hulk und Superman beglückt wird. Gleichzeitig. Bei Sonnenuntergang. Auf Hawaii.
"Sie können wirklich alles tragen. Welche soll ich Ihnen einpacken?"
Ähem. Keine der Brillen kostet unter 200,-€. Also alles in allem zu viel, als dass ich - nach Hulk und Superman - für die Restbefriedigung sorgen möchte. Ich greife nach meiner Handtasche und meinem Trolley und murmle etwas von wegen noch mal drüber nachdenken.
Ich könnte jetzt zu den WCs gehen, mir eine Klobrille abmontieren und mir selbige um den Hals hängen. Dann nochmal rasch in den Laden und darauf hinweisen, dass ich was Passendes gefunden habe. Und dann noch mit einem Grinsen hinzufügen: "Sie haben recht. Mir steht einfach alles."
Aber damit komm ich bestimmt nicht ins Flugzeug. Ich lasse es besser. Auch deshalb.



Freitag, 27. Mai 2016

110. Akt

Ich weiß, dass ich mit dem Gedanken nicht alleine bin, aber es erschreckt mich kolossal. In diesem Jahr wird erschreckend viel gestorben. Sowohl im Bekanntenkreis, als auch in der Prominenz.
Morgens springt der Radiowecker an und ich hocke schon in Panikstellung im Bett, ob wieder ein Idol meiner Jugend oder der Gegenwart das Zeitliche gesegnet hat.
Wenn die Nachrichten rum sind, gibt es ein kurzes Aufatmen. Dann wird rasch die Nachbarschaft durchgezählt. So. Auch alle da. Sehr beruhigend.
Abgesehen von den Personen, die ich schon länger und besser kannte, gibt es einen großen Kahlschlag in der Liga der Künstler, Sportler, Politiker und anderen Prominenten. Und viele der Menschen, von denen sich die Welt 2016 verabschieden musste, hinterlassen Lücken, groß Kontinente.
Es verbindet ja oft eine gemeinsame Geschichte. Irgendwie.
Erika Berger, die einem gesagt hatte, wie was geht, gehen sollte und zur Not auch mit der Nachbarin funktioniert. Streitereien mit Roger Willemsen. Peter Lustig, bei dem man sich gefragt hat, was der denn noch alles in seinem Bauwagen getrieben hat und Guido Westerwelle, der mir vor vielen Jahren auf einem Tauchboot fröhlich die Hand entgegenstreckte. „Hallo, ich bin der Guido!“.
Besonders heftig trafen mich die Todesfälle Davis Bowie und Prince. Mein Gott, was haben wir für herrlich verbotene Sachen zu deren Musik gemacht?
Und ich bin sicher, dass einige ältere Semester genau dasselbe beim Tod von Hugo Strasser geseufzt haben. Es sind viele. Viele richtig gute. Und mich macht das nervös.  Man kann sagen, was man will. Ich lege abends schon immer mein Pulsmessgerät auf den Nachttisch. Ganz einfach, damit ich jederzeit checken kann, ob ich auf der Liste schon ein bisschen weiter hoch gerückt bin. Und dann schlafe ich ein und träume von Bowie und Prince und wenn es ein richtig wilder Traum ist, auch von Hugo Strasser.

Donnerstag, 26. Mai 2016

109. Akt

Vor gefühlten 253 Jahren habe ich mal als kleine, niedliche Reporterin beim Privatradio angefangen. Es war eine geniale Zeit und ja, bei uns wurden sogar noch Schallplatten aufgelegt. Ich erinnere mich an Schnittplätze mit klassischen Tonbandgeräten, elektrische Schreibmaschinen und Reportage-Rekorder, die hatten Akkus in Form und Größe von Beate Uhse Handgeräten.
Wir hatten großartige Tontechniker/innen, versierte Sekretärinnen, - wie gesagt - niedliche, kleine Reporterinnen und Moderatoren, denen man abnahm, was sie sagten. Es war eine Zeit, in der Radio noch ein klitzekleines bisschen anders war, als heute.
Nun ist es nicht so, dass ich Radio heute blöde finde und sobald jemand das Sabbeln anfängt, die Hauptsicherung rausdrehe oder mein Auto verlasse.
Aber es gibt einfach Stimmen, auf die reagiere ich ein bisschen allergisch. Ich bin sicher, dass sich hinter all diesen Stimmen wahrscheinlich herzensgute, freundliche, kompetente und liebenswerte Menschen verstecken und dennoch machen mich diese Stimmen wahnsinnig.
Wenn ich diese süßliche Flüssig-Kandis-Akustik höre, habe ich den Eindruck, dass ich bereits zwei Schritte näher an einer Diabetes bin, als vorher. Mit einer „ich bin so süß und niedlich wie eine kleine Miezekatze und ein süßer Hundewelpe zusammen“-Stimme werden die schlimmsten Meldungen verkauft. Flugzeugabstürze, Zugunglücke, Wahlergebnisse, Unfallbeschreibungen. Alles Sachen, bei denen man im besten Fall nachdenklich werden oder sich im schlimmsten Fall aus dem fahrenden Auto erbrechen müsste.
Und weil man ja so super cool und süß ist, schließt man die Meldung mit einem Satz wie:
„Das ist ja alles ganz traurig, aber dafür haben wir hier die beste und neueste Musik für euch!“
Ich komm da manchmal nicht ganz mit. Natürlich will ich nicht, dass mir ein Moderator Horrormeldungen ins Ohr heult und dann depressiv aus dem Studiofenster springt oder vor lauter Betroffenheit seinen Job hinschmeißt. Aber so ein klitzekleines bisschen den „Wow, wir sind die Coolsten“-Modus kann man doch schon mal anpassen. Denke ich. Manchmal.




Mittwoch, 25. Mai 2016

108. Akt 

Aaaaaargh.....! Nein! Nein! Nein!
Also... Daniel Craig mag nicht mehr James Bond spielen. Das ist okay. Ich finde es ausgesprochen konsequent und sexy, wenn einer sagt „Nein, heißt auch nein, wenn du mir 80 Mio. Dollar bietest!“
Ich wäre da nicht annähernd so konsequent und sexy. Also bei 80 Mio. Dollar und so einer Rolle.
Er hat auf Bond keine Lust mehr und Basta!
Soweit alles in Ordnung. Nun geht natürlich die Suche nach dem nächsten 007 los.
Heute höre ich, dass sich Gillian Anderson dafür ins Gespräch gebracht hat.
Für die, die es noch nicht wissen: Gillian Anderson hat eine der beiden Hauptrollen in Akte X gespielt. Gillian Anderson ist großartig. Supertalentiert, ausgesprochen attraktiv und überaus sexy.
Aber – sie ist eine Frau.
Bitte, bei aller Gleichberechtigung, macht mir aus James Bond 007 keine Jane Bond. Nicht, weil ich glaube, dass sie es weniger gut spielen könnte oder der Film weniger spannend wäre. Es ist nur so, dass dann etwas verloren geht. Setzt doch mit der Gleichmacherei lieber in der Rollenverteilung in der Wirtschaft an. Das wäre doch viiiiieeeel besser. Gehälter, Jobs, Chancen, Tralala.... Da hätte ich nix dagegen. Wobei es auch hier – so lange nur Frauen Kinder kriegen können - immer Schwierigkeiten geben wird.
Es gibt aber Rollen (ob im Film oder im Leben) die einfach nicht geschlechterübergreifend hin- und hergewechselt werden können. Ian Fleming hat mit dieser ganzen James Bond Sache angefangen. Wir sollten ihm nicht über Gebühr ins Handwerk pfuschen. Irgendeine andere Agenten-Geschichte für Ladies? Spitze! Aber nicht auf diese Art und Weise.
Wenn sich das durchsetzt, werden Alträume wahr....
Das Sandweibchen, Pippo Langstrumpf, 3 Angelos für Charlotte.... ach, um Himmels Willen.





Dienstag, 24. Mai 2016

107. Akt

Ich sitze im Auto und es überkommt mich wieder. Ich kann dann gar nix dagegen tun. Und bin auch völlig unschuldig. Es ist zu spät, einfach das Radio auszuschalten, denn ich habe ihn schon im Kopf. Den Beat, der mich unruhig werden lässt. Ja okay, ich habe gesagt, ich bin nicht Multitaskingfähig. In diesem Fall ist es aber gelogen.
Gerade fordert mich Justin Timberlake mit „Can´t stop the feeling“ zum Tanzen auf. Und ich will mich da auch nicht lange wehren. Ich versuche wenigstens eine Hand am Lenkrad zu lassen und beginne im Auto zu tanzen.
Da ich sitze, könnte man versucht sein, das ganze Sitztanz zu nennen, aber es ist Sitztanz Deluxe.
Also nicht das, was ihr mit eurer Oma und ihren Freundinnen im Seniorenheim macht.
Meine Moves werden nur eingeschränkt durch Seitentür, Windschutzscheibe und die Mittelkonsole.
Klar schränkt mich auch die Tatsache ein, dass ich nach wie vor aktiv am Straßenverkehr teilnehme, aber – wie gesagt – in diesem Bereich bin ich dann doch Multitaskingfähig.
Dass sich an Ampeln dann schon mal ein Handy auf mich richtet, ist mir schnuppe. Ich habe gegoogelt und bei Youtube noch kein Video gefunden, das unter dem Titel: „Die-Irre,-die-im-Auto-Moonwalk-macht“, mich oder meinen Wagen zeigt.
Das Schlimme ist ja, dass die Tanzerei nicht zwingend zu Ende ist, wenn ich irgendwo angekommen bin.
Ich kann auch im stehenden Auto weiter tanzen. Und wenn die Musik cool ist, kann ich das recht lange. Dann hilft nur noch eines. Das dann aber sicher und bestimmt. Bei voller Lautstärke das Intro zu den Nachrichten vor den Latz geballert zu bekommen. Wenn ich dann höre, was alles vorgetragen wird, bin ich schlagartig wieder mit beiden Beinen auf dem Boden. Na ja. Also zumindest, wenn ich gleich ausgestiegen bin.


Montag, 23. Mai 2016

106. Akt

Oha. Es besteht ein großer Unterschied, etwas über Menschen zu wissen, und darin, etwas mit eigenen Augen gesehen zu haben.
In diesem speziellen Falle ist es ein Foto auf Facebook. Aber von vorne.
Eine meiner Freundinnen hat mir vor geraumer Zeit erzählt, dass sie und ihr Lebensgefährte regelmäßig ganz besondere Fetischpartys besuchen.
Ich musste mich erst ein bisschen informieren, bis ich wusste, dass das so ziemlich genau gar nix mit Swingertreffen oder schmutzigem Sex in schmuddeligen Kellern zu tun hat. In edlen Outfits wird sich dort getroffen, bestaunt, promeniert und unterhalten. Und oft bestehen diese Outfits eben aus Lack, Latex oder Leder. Ich fand das hochinteressant.
Abgesehen davon, dass diese Frau für mich ohnehin ein wildes, fröhliches, umwerfend attraktives und zusätzlich schwäbisches Ausbund an Leben ist, konnte ich mir nichts weiter vorstellen.
Nun hat sie aber ein Foto bei Facebook gepostet, welches sie in vollem Ornat zeigt. Ihre wunderschönen feuerroten Haare hochgesteckt zu einer Frisur, die sie Minimum auf 2,10m aufragen lässt, dazu ein Latex-Dress in schwarz und rot.
Ich habe erst Mal eine halbe Stunde hyperventiliert, bevor ich das Bild mit einem satten Kompliment kommentieren konnte.
Die Haare, das Outfit, die Maske. Wahnsinn! Und das ist meine Freundin, auf deren Couch man so lässig Tee trinken, quatschen und lachen kann?
Bei dem Gedanken, mich in Latex zu kleiden, bekomme ich klaustrophobische Gefühle. Ich müsste aus dem zweiten Stock springen, um mich komplett in solch einen Anzug unterzubringen. Und dann würde ich mir vermutlich, in einem Akt von Selbstironie, „Bridgestone“ auf die Stirn schreiben. Ich bin definitiv zu unerwachsen für so etwas. Denke ich. Und dennoch.
Ich finde das alles sehr aufregend und frage mich, was passieren würde, wenn ich ein solches Bild von mir posten würde.
Würden sich meine Kinder freiwillig zur Adoption freigeben? Meine Mutter würde sicher vor Lachen vom Stuhl fallen. Vielleicht würde sie einfach nur nicken. „Yo. Die kenne ich. Wir besuchen die selben Partys.“
Ich hatte ja schon gesagt. Meine Mutter ist ein ausgesprochen lebhafter und kreativer Mensch.
Bevor jetzt einige Freunde panisch werden. Ganz ruhig. Ehe ich das hier von mir gebe, frage ich natürlich nach, ob ich unter Umständen irgendwas oute, was noch gar nicht raus ist. Natürlich tue ich das nicht. Meine Freundin hat gesagt, dass es völlig okay ist, wenn ich meine Entdeckung der, ähem... glänzenden Seite ihres Lebens hier beschreibe. Und das beste ist, sie hat mich gefragt, ob ich sie im Sommer zu einem ähnlichen Event begleite.

Und ich habe nicht „Nein“ gesagt. So!

Sonntag, 22. Mai 2016

105. Akt

Ich bin auf dem Weg ins Krankenhaus.
Keine Sorge, mir geht es prächtig. Ich möchte nur eine liebe Freundin besuchen. Und weil man lieben Freundinnen gerne eine Freude macht, möchte ich das triste Krankenzimmer mit einem schönen Blumenstrauß aufhübschen. Also sause ich noch schnell in ein Blumengeschäft.
Alles so schön bunt hier. Ich mag den Laden. Es ist nicht so stylisch arrangiert, dass man überlegen muss, ob man beim Floristen ist oder in einer Hotellobby. Hier gibt es Blumen, so weit das Auge reicht. Wer hier zu lange inhaliert, der wird für eine Woche nicht mehr klar geradeaus sehen können.
Ich schaue mich ein bisschen um, und gehe langsam mit einem bereits vorgefertigten Strauß in Richtung Kasse, als ein kleiner untersetzter Mann in den Laden stürmt. Im Gegensatz zu mir - die hier gleich einen Strauß raustragen will - trägt er einen rein.
Er wirkt ein bisschen zerknirscht. Und er fragt, ob er den Strauß wieder zurückbringen darf.
Der Florist und ich schauen uns an und tippen uns geistig an die Stirn. Der Mann gibt aber nicht auf. Seine Freundin will die Blumen nicht. Und ihn will sie auch nicht mehr. Sie hat Schluss gemacht.
Die Blumen wären noch in dem gleichen Zustand, in dem er sie vor gut zwei Stunden gekauft hätte, meint der untersetzte Mann im gestreiften Hemd. Sie – also die Freundin - hätte sie noch nicht mal angefasst.
Ich frage mich, wie grobmaschig man gestrickt sein muss, um ein solches Anliegen vorzutragen. Der Florist weist ihn ab. Er nimmt bereits verkaufte Blumen nicht zurück. Man kann seine Pizza ja auch nicht wieder zurückbringen, wenn man sich letzten Endes entschieden hätte, nur die Nudeln vom Lieferdienst zu essen.
Der gerade Verlassene schaut sich unzufrieden um. Dann grinst er mich an und drückt mir den Strauß in die Hand. Er würde sie mir schenken, sagt er.
Und der Florist und ich schauen uns jetzt noch viel verblüffter an, als zuvor. Nun habe ich zwei Sträuße in den Händen. Den einen, den ich meiner Freundin kaufen mag und den abgelehnten. Ich bin irritiert und sage „Danke schön“. Dann zwinkert mich der Neu-Single an und meint, dass ich dafür nun auch mit ihm Essen gehen müsse.
Ich sage: „So weit kommt´s noch.“ und dann sage ich „Nö!“
„Gut,“ sagt der im Streifenhemd „dann gibt´s auch keine Blumen.“
Er rupft mir den ungewünschten Strauß wieder aus den Fingern, dreht sich um und stürmt aus dem Laden. Der Blumenhändler und ich lachen uns schlapp. Mehr können wir gar nicht sagen. Ich zahle meine Blumen und laufe die paar Meter bis zur Klinik. Ach ja. Und für die Dame, die den Streifenhemd-Träger und seine Blumen verweigert hat: Herzlichen Glückwunsch. Alles richtig gemacht. 




Samstag, 21. Mai 2016

104. Akt

Ich habe eine Diskussion von Frauen verfolgt, die mich ein bisschen nachdenklich macht. Es geht um Schönheits OPs (von anderen Frauen natürlich.). So wie diese Damen über Schönheitsoperationen reden, klingt das ein bisschen, als ginge es um Geschlechtskrankheiten. Böse, böse Infektionen, die man sich einfängt, weil man es auch genau so verdient.
„Ih, die hat sich ihre Möpse machen lassen und kann jetzt nur noch auf dem Rücken schlafen.“
„Bäh, die sieht aus, als ob sie mit dem Gesicht auf einen Hydranten gefallen wäre. Aus dem 10. Stock“
„Boah, wenn sich bei der der Gummizug im Nacken löst, dann hat das Gesicht nur noch Zifferblattgröße.“
Alles vorgetragen mit einer kleinen Spur Schadenfreude und einer großen Prise Neid.
„Schönheitsoperationen seien nur für Leute mit einem Minderwertigkeitskomplex und zu viel Geld.“ sagt die eine.
„Ich würde nie und nimmer ein Skalpell an meine Haut lassen.“ sagt eine andere.
Ich muss fast laut loslachen. Nö, wer sich mit Botox die letzte Chance auf Mimik versaut hat, der braucht auch kein Skalpell mehr.
Die Gnadenlosigkeit mit der auf Menschen eingehauen wird, die sich chirurgisch oder wie auch immer aufhübschen lassen, sorgt schon fast für Zornesfalten auf der nicht zu kräuselnden Stirn.
Im Mittelpunkt steht unter anderem Cher. Die ist nämlich dieser Tage 70 geworden. In Teilen, heißt es. Und so ist es wohl auch. Ich persönlich finde Cher cool. Sie ist eine tolle Künstlerin und sie hat an sich rummachen lassen. So what?
Vielleicht würden einige Leute das große Talent lieber hinter einem faltigen Gesicht akzeptieren. Dann könnte man versonnen in sich reingrinsen und sagen: „Gut ist sie ja. Aber ganz schön alt geworden mit ihren Hängebacken und Tränensäcken.“
Für mich ist eine Frau (Menschen generell) schön, wenn sie was Schönes ausstrahlt. Das kann dann gerne eine Siebzigjährige sein, die aus einem faltigen Gesicht in die Welt lächelt oder eine Siebzigjährige, die mit dem Gesicht, für das sie bezahlt hat, glücklich ist.
Natur schön ist toll. Mit Liebe gebastelt, kann auch schön sein. Wenn es dem Träger der Bastelei eben gefällt.  
Hey, ich persönlich schließe gar nix aus. Im Moment bin ich froh und happy, wie alles ist. Das finde ich schön. Aber sollte mich die Schwerkraft mal zu meiner eigenen Gehbehinderung machen, dann geh ich auch los und sorge für adrette Abhilfe.
Definitiv nicht schön sind die, die vor Neid nicht mehr aus den gestrafften oder naturhängenden Lidern gucken können.
Sich darauf zu berufen, dass ausschließlich die unveränderte Natur wirklich schön ist, halte ich für Blödsinn. Natur pur würde ja auch bedeuten: Kein Make up, keine Haarfarbe etc.
Das kann man dann für sein Leben gerne auch für Haus und Wohnung fortsetzen. Bis hin zur Raufasertapete.
Nö! Will ich nicht. Die Menschen sind von Natur aus bunt. Da kann man dann auch noch ein bisschen nachlegen. Wo die Grenze ist, entscheidet jeder für sich selbst. Und niemand gefällt allen. Reicht völlig, wenn man sich selbst gefällt. Egal ob die Haare naturbraun, blondiert, grau, weiß, rot oder blau sind und die Nägel echt oder falsch.

Es soll ja sogar Frauen geben, die lassen sich falsche Wimpern ankleben, um ihren Bambi-Style zu unterstreichen. Nee, sowas aber auch ;-)  

Freitag, 20. Mai 2016

103. Akt 

Okay. „Call me Schnösel“, aber ich fahre einen SUV. Groß, schwarz und stark. Fast bin ich versucht zu sagen, dass die Beschreibung auf mich höchstpersönlich zutrifft, aber das ist mir dann doch eine Nummer zu viel. Ich bin ja gar nicht schwarz. Nur so ein bisschen.
Auf dem Weg in die Stadt treffe ich auf einen anderen SUV. Also nicht frontal, sonst hätte die Geschichte schon ein Ende, sondern an der Ampel. Links von mir ein BMW Tralala. Ähnlich hoch, aber in karamelligem Braun. Vier Personen sitzen drin. Vorne zwei junge Männer und hinten ein junger Mann und eine Blondine.
Der junge Mann auf der Rückbank lächelt mich an. Vielmehr gehe ich davon aus, dass er mich meint, denn er trägt eine Sonnenbrille, so dass ich nicht genau erkennen kann, ob er vielleicht doch nur meinen Seitenspiegel toll findet.
Ich fühle mich ein bisschen geschmeichelt, und denke mir: „Burschi, du bist doch viel zu jung für so ein offensives Angrinsen.“
Aber er reagiert nicht auf den kurzen, abweisenden Intervall in meinem Blick. Die blonde Frau neben ihm findet die Flirterei sicher doof. Aber sie reagiert überhaupt nicht.
Eine Ampel weiter steht der Wagen wieder neben mir. Wieder Lächeln von links. Ich schau am besten gar nicht hin, denke ich mir. Und schaue wieder rüber.
Wieder dieses Lächeln. Niedlich. Vielleicht halb so alt wie ich. Da kommen Muttergefühle auf. Mehr nicht. Trotzdem witzig, dass ich so hartnäckig angelächelt werde.
Oder grinst der etwa alle so an? Für einen Moment werde ich rein prophylaktisch eifersüchtig. Dann muss ich über mich selber lachen.
Wie es der Zufall will, halten wir beide – also der karamellige BMW – und ich, an der Tankstelle.
Na hoffentlich wird das jetzt nicht peinlich. Von einem Twen zum Tankstellen-Kaffee eingeladen zu werden, ist dann doch nicht so meins. Aber es kommt ganz anders.
Zum Einen ist die Blondine von der Rückbank ein Kerl. Halt bloß mit langen, blonden Haaren. Und Blondie öffnet die Tür, hinter der mein Smiley sitzt.
Und reicht ihm einen Stock. Ich muss schlucken. Der schnieke Junge von der Rückbank hat gar nicht mich angelächelt. Er ist blind und trägt wohl auch deswegen diese dunkle Brille. Etwas beschämt tanke ich und steige dann wieder in meinen Wagen. Dann grinse ich ihn aber doch noch einmal breit an. Vielleicht kann er es nicht sehen, aber spüren. Denn das hätte er auf jeden Fall verdient. Wer so schön lächelt, hat ein Zurücklächeln verdient. Egal ob blind oder nicht.



Donnerstag, 19. Mai 2016

102. Akt

Ich halte mich eigentlich für ziemlich unzickig. Eine persönliche Barbie-/Prinzessinnen-/Alles-tanzt-nach-meiner-Pfeife-Phase hat es nie gegeben und hab ich auch nicht vermisst. Aber bei einer Sache geh ich dann doch ziemlich steil. Und das beginnt gerne mit der Aussage oder der Nachricht:
„Gerade im Gespräch. Ruf dich in 5 Min. zurück“
Ja. Denke ich. Kein Problem. Dann warte ich eben noch mit dem Essen, dem Staubsaugen, der Besprechung, irgendeinem anderen wichtigen Telefonat, oder stelle halt so lange die Atmung ein.
Man kann es für naiv halten, aber wenn jemand sagt: „Ich rufe dich in 5 Minuten an.“,  dann gehe ich davon aus, dass ich in vier bis zehn Minuten tatsächlich zurückgerufen werde. Dasselbe gilt für:
„Ich komme in zehn Minuten.“, „Das habe ich in einer halben Stunde fertig.“ Und so weiter und fort.
Mein Problem ist zum einen nämlich, dass eine Minute bei mir bloß lächerliche sechzig Sekunden hat (dementsprechend sind fünf Minuten eben nach 300 Sekunden rum), zum anderen warte ich nicht gerne.
Und das eigentliche Warten beginnt bei mir NACH dem angegebenen Zeitfenster.
Es ist völlig in Ordnung, wenn man mir mitteilt, dass er/sie/es für was auch immer mehr Zeit braucht, als ich annehme.
Unabhängig davon, ob es sich bloß um ein paar Minuten oder gleich eine Woche dauert. Aber dann kann ich mich darauf einstellen, mach zwischenzeitlich andere Sachen und bin fröhlich und nett. 
Sagt jemand, dass ich bloß fünf Minuten kurz warten soll, dann bin ich nach der fünfzehnten Minute entweder ziemlich angefressen oder eben weg.
Übrigens eine Erweiterung des Zeitrahmens mit dem Satz:
„Dauert noch. Melde mich später.“ innerhalb der angegebenen Zeit, ist auch okay. Es kann ja immer irgendwas dazwischen kommen. 
Essen angebrannt, Tank leer, Schwiegermutter noch nicht tief genug im Garten verbuddelt. Alles mögliche Gründe, die einen mehr Zeit brauchen lassen, als geplant. 
Vielleicht ist dieser Tick ja doch zickig? Na und? Dann hab ich die Prinzessinnen-Phase vielleicht bloß einfach nicht mitgekriegt.

Weil ich auf irgendeinen Anruf gewartet habe.       

Mittwoch, 18. Mai 2016

101. Akt

Mit mir und meinem Rechner ist es wie mit einer Beziehung. So lange wir beide funktionieren, ist alles prima. Ich kaufe ihm hin und wieder ein hübsches neues Programm. Und damit er sich bei mir auch ganz sicher fühlt, bekommt er regelmäßig seine Dosis Kaspersky.
Wir sind gut zu einander. Ich zu meinem Rechner und er zu mir.
Ja, hin und wieder werde ich dennoch gerügt. Die Verteilung eines knusprigen Honigbrötchens auf der Tastatur sei von Rechner-Seite her nicht ganz so beglückend. Aber was soll´s. Dafür lässt er mich ja hin und wieder auch länger warten als ich will.
Einmal musste er auch zum Arzt. Er hatte sich nämlich etwas eingefangen, was beim Menschen als schwere Grippe durchgeht.
Vermutlich war ich mit meiner Neugierde im Internet für diese grässliche Infektion auch noch verantwortlich.
Den Laptop zum Computer-Doc zu bringen, ist ein bisschen wie ungewaschen zum Arzt gehen. Bei der Durchsicht des Programmverlaufs laufe ich rot an. „Ähem... wenn ich auf anderen Seiten als Facebook, Ebay und so war, dann nur aus Recherche-Gründen.“
Der kleine dicke Mann grinst mich an. „Schon klar!“
Dieses Mal ist kein Computer-Doc fällig.
Lediglich mein Nervenkostüm wird für fast eine Stunde zerfleddert. Der Rechner fährt nämlich völlig unaufgefordert und ungeplant herunter.
Ich sitze da, die Finger noch auf der Tastatur und schaue, wie sich ein Programm nach dem anderen schließt, und dann – SCHWARZ!
Nicht erst noch mein hübscher „Weißer Strand in Hawaii“-Bildschirmschoner. Nein! SCHWARZ.
Okay. Mein erster Gedanke ist: „Nicht hyperventilieren, Manu!“
Mein zweiter ist: Äh... wann hast du das letzte Mal gesichert? Und, schon mal was von Backup gehört???“
Dann hyperventiliere ich doch. Also zumindest ein bisschen.
Ich kann tun, an- und rumschalten, wie ich will. Tastenkombinationen drücken, mit denen man die NSA aufweckt und die Illuminati alarmiert. Aber nichts passiert.
Ich versuche ruhig ein- und auszuatmen und den Rechner nicht wütend aus dem ersten Stock auf die Straße zu werfen. Mir fallen viele Foltermethoden für das Teil ein. Zum einen hab ich einen Kamin. Dann hab ich noch ein großes Auto mit mächtigen Reifen. Und zur Not ertränke ich ihn in einem bunten Mix aus Acrylfarbe.
Ich entschließe mich aber dafür, nichts dergleichen zu tun. Ich werde, völlig gegen meine Mentalität, einfach abwarten.
Nach etwa einer Stunde wacht er dann endlich wieder auf. Ich liege demoralisiert auf dem Sofa und höre die Töne, die er von sich gibt, wenn sich das Windows-Programm öffnet.

Mit einem Satz sitze ich wieder auf meinem Stuhl. Alles ist wieder da. Ich bin happy. Und nachher mach ich auch ein Backup. Oder morgen. Ganz bestimmt. Und jetzt wische ich erst Mal meine Labello-Spuren vom Bildschirm. Ich bin einfach immer zu überschwänglich, wenn ich mich freue.  

Dienstag, 17. Mai 2016

100. Akt

Uff! Man könnte meinen, das hier verkommt zu einem richtigen Fress-Blog. Dem ist aber nicht so. Es ist vielmehr so, dass sich Essen und Trinken geradezu vorzüglich mit bekannten Bekannten oder neuen Kontakten verbinden lässt.
Deswegen dieses Mal: Brunch-time!
Ich hatte mich schon mindestens fünf Mal für diese Treffen angemeldet und ständig kam etwas dazwischen. Aber heute nicht. Heute bin ich, bzw. sind die anderen Brunch-Gäste fällig.
Das Wort Brunch setzt sich ja eigentlich aus Breakfast (ähem... Frühstück) und Lunch (ja genau, Mittagessen) zusammen. Laut Internet liegt die beste Zeit für eine „Brunch-Planung“ zwischen 9.30 Uhr und 15 Uhr.
Nicht so aber in München. Hier beginnt der Brunch erst um 14 Uhr. So kann man ausschlafen, noch weiterschlafen, sich einen Kaffee einverleiben, sich fertig machen und abzischen. Ich freue mich.
Christian hat das Ganze geplant. Dafür bekommt er auch eines meiner Bücher geschenkt (ab nächste Woche frage ich ihn dann diskret die einzelnen Geschichten ab). Maria hat sich wiederum um den Tisch gekümmert (Maria ist cool. Ich mag Kümmerer). Und Mete richtet die ganze Sache aus (besser geht nicht). Genial. Ich brauche also nix anderes zu tun, als hinzugehen, zu futtern und zu quatschen.
Yepp! Das liegt mir.
Alle sind super nett und „super nett“ steht hier für „super nett“ und nicht für „Das muss ich jetzt schreiben, sonst werde ich nicht mehr eingeladen“. Und zwischen Lachs und Tiramisu wird fraternisiert, gelacht und gequatscht, was das Zeug hält. Rechts von mir sitzt ein Paar. Sie hat eine faszinierende Tätowierung auf dem Arm und ich will sie unbedingt fragen, was die ganzen Sterne bedeuten, aber da kommt mir die Eröffnung des Buffets dazwischen und mein Hunger schießt quer. Beim ersten Vorspeisenteller zeigt mir meine Tischnachbarin zur Linken Bilder von ihrem kleinen Sohn. Ein unfassbar niedlicher kleiner Bursche. Würde ich sofort adoptieren. Aber fragen lohnt nicht. Den will sie sicher behalten.
Mir gegenüber sitzt ein Mutter-Tochter-Gespann und ich überlege, welche Märchenfiguren man mit den beiden besetzten könnte. Ich entscheide mich für Dornröschen für die Mutter und Cinderella für die Tochter. Nicht, weil sie so verträumt aussehen. Sondern weil sie einfach atemberaubend schön und hammermäßig umwerfend sind. Sie sehen sich zwar kaum ähnlich, aber sie sind optisch und von der Art der Kommunikation ein Dreamteam.
Während ich meine dritte Tiramisu verspeise, überlege ich mir, wie ich die gerade volljährige Tochter in meine Verwandtschaft integrieren kann. Die Mutter ist cool und integer und wäre sicher für die Idee zu begeistern, aber dann lass ich es doch wieder. Unsere Kinder sind alle frei und selbstständig.
Als ich nach zwei Stunden gehe, bin ich fröhlich. Nicht weil ich weg bin, sondern weil ich a.) Ausgesprochen lecker gegessen habe – ja, okay, Fress-Blog und b.) Einen Haufen Menschen begegnet bin, die ich ohne die neuen Medien nie kennengelernt hätte.
Alle waren viel echter, netter und witziger, als ich es erhofft habe. Vielleicht sollte ich nochmal zurückgehen und fragen, ob ich den Kleinen von links vielleicht doch adoptieren... Ach, lassen wir das. Es war ein cooler Brunch. Und das soll reichen.


Montag, 16. Mai 2016

99. Akt

Ich bin eingeladen. Ja, okay, schon wieder essen. Aber nicht nur das. Ich begleite einen guten Freund zu einem Dinner bei einem befreundeten Ehepaar. Er ist Filmmensch, so wie mein Kumpel, und sie ist Hausfrau – was in der Regel nicht weniger gut ist, als Regisseur oder Produzent. Ich freue mich.
Als wir an das Haus kommen, habe ich den Eindruck, dass der Gärtner die Bepflanzung mit dem Geodreieck vorgenommen haben muss. Ich bekomme das Gefühl, dass alles was nicht schnurgerade und farblich passend wächst, in teuflischen Ritualen aus dem Mutterboden gerissen wurde.
Es sieht alles perfekt aus. Nicht zwingend schön, aber perfekt.
Nach dem ersten Händeschütteln höre ich den Satz, der im Laufe des abends so oder ähnlich noch ein paar Mal fällt.
Es beginnt mit.
„Hach, wenn ich gewusst hätte, dass ihr so schick kommt, dann hätte ich mir etwas Schönes angezogen. Das Kleid hier habe ich mir nur so übergeworfen, weil ich dachte, es wäre ein zwangloses Dinner.“
Äh... ja klar. Nie zuvor schließen sich die Worte „Dinner“ und „zwanglos“ derart aus, wie an diesem Abend.
Das Kleid ist von Diane von Fürstenberg und es ist alles andere als das deklarierte Fähnchen. Sowohl optisch, als auch preislich.
Die Dame des Hauses tut aber so, als ob sie gerade nackig im KIK war und nichts anderes in ihrer Größe gefunden hat.
Egal. Es wird noch besser.
Das ganze Haus – also den Teil, den ich sehe – ist fast schon aseptisch rein.
Falls ich noch einen Blinddarm hätte, würde ich ihn mir problemlos auf dem Glastisch im Wohnzimmer entfernen lassen. Das letzte Staubkorn, das dieses Haus gesehen hat, wurde vermutlich mit sieben Litern Sagrotan aus der Bude gespült. Hier war es keimfreier als im OP.
Auf dem Sofa liegt eine Vogue.
Die Hausherrin schaut auf das Sofa, als ob sich dort ein verendetes Lama befindet.
„Hach, hier sieht es wieder aus. Ich bin kaum zum Aufräumen gekommen.“
Nee, klar. Ich fühle mich auch wie in einer Messi-Anstalt.
Überall. Nichts. Also zumindest keine Unordnung.
Ich selber habe es ja gerne ordentlich und mein Tochterkind meint gerne, dass es bei mir aussieht, wie im Möbelhaus, aber das hier schießt den Vogel ab. Auch gut. Wer´s mag.
Beim Essen dann wieder das selbe.
„Seid nicht böse, ich habe nur was in die Pfanne geworfen. Es ist mir ein bisschen peinlich, aber ich habe es heute einfach nicht besser hingekriegt."
Gut. Wenn das ein B-Klasse-Essen sein soll, dann gehe ich morgen zu Schuhbeck und schreibe „Dilettant“ an die Tür.
Alles ist super lecker, und ich bin froh, dass meinerseits keine Gegeneinladung erwartet wird.
Ein Happy Meal erkennt man nämlich auch auf Porzellan.
Ich bin ein bisschen verblüfft, dass ein Mensch so unsicher sein kann. Ich halte aber meine Klappe. Bei anderen Leuten hätte ich vermutlich durchaus gesagt:
„Recht hast du. Ein Fummel, wie aus der Kleiderkammer, das Essen aus Nachbars Biotonne, und das Haus weckt einen infernalischen Juckreiz bei mir. Habt ihr Flöhe?“
Aber so. Nee. Besser nicht.
Um Mitternacht bin ich wieder Zuhause. Ich gehe ins Wohnzimmer und lege alle Sofakissen unordentlich hin. Dann geht es mir besser. Und dann mache ich mich bettfertig.
Aber eines will ich nicht versäumen:
Liebe B.! Falls du diesen Blog irgendwann mal liest, lass dir eines gesagt sein: Du bist schön, so wie du bist. Du brauchst kein Downgrading. Du ziehst dich gerne hübsch an und machst dich auch gerne hübsch zurecht. Das ist schön, dafür brauchst du keine Rechtfertigung. Dein Essen war grandios und dein Haus beinahe schon zu sauber. Der Abend war gut. Du bist gut. Aber wenn du dich und das, was du tust kleinredest, dann ist alles nur noch halb so schön und du musst dich doppelt bemühen. Also, lass einfach mal gut sein. Alles war perfekt.
Na ja... außer im Bad. Da fehlt Klopapier.
Alles Liebe.
M.


Sonntag, 15. Mai 2016

98. Akt 

Wie können Männer und Frauen eigentlich zusammenleben??? Irgendwo muss es da auf beiden Seiten einen „Schmerz-/Nerv-/Agressions-AUS-Schalter“ geben, auf den Amor oder die heilige Göttin Östrogenia-Testosteroni im Falle eines Falles draufballert.
Man mag glauben, dass ich nur öffentlich esse, aber mit Restaurantbesuchen kompensiere ich nur meine Kindheit.
Ich bin mit Dosenravioli und Miracoli großgeworden, ich darf das.
(Sorry Mutti, aber man kann ja nicht alles können ;-) )
Heute im Restaurant.
Links neben mir ein Tisch, an dem zeitgleich fünf Frauen mittleren Alters eintreffen.
Es wird gebusselt und die Freude ist groß. Man könnte den Eindruck haben, die fünf hätten sich seit der Grundschule alle das erste Mal wieder gesehen. Ist aber wurscht. Sie haben Spaß. Das ist schön. Und dann geht es los.
„Du Elke, möchtest du lieber auf die Bank? Dann gehe ich hier auf den Stuhl. Mir ist es egal.“
„Ja, Karin gerne. Wenn es dir nichts ausmacht.“
„Na ja, ich sitze eigentlich auch gerne auf der Bank. Aber wenn es sein muss.“
„Carola, möchtest du nicht lieber auf den Stuhl? Ich würde dann doch lieber bei Elke auf der Bank sitzen.“
„Aber du sagtest doch, du nimmst den Stuhl. Weißt du, ich hasse es, mit dem Rücken zum Raum zu sitzen.“
Elke, der der erste Platz auf der Bank angeboten wurde, hat sich hingesetzt und ihr Blick zeigt klar, dass sie hier auch nicht wieder weichen wird.
Eine Art Reise nach Jerusalem beginnt und zuletzt sitzen drei Damen beengt und nicht mehr so fröhlich, wie am Anfang, auf der Bank und zwei auf den Stühlen mit dem Rücken zum Raum. Die Gespräche gehen verhalten weiter und jede ist auf jede sauer.
Zu meiner Rechten das komplette Gegenteil.
Es gehen gemächlichen Schrittes drei Kerle an den Tisch. Der Typ der dort sitzt, hat schon sein erstes Bier in der Hand. Er steht halb auf, boxt den zwei Größeren kurz in den Bauch und dem dritten haut er die Handfläche auf die Stirn. Man begrüßt sich mit.
„Na, du Sack.“, „Auch wieder fetter geworden“, „Bald haste gar keine Haare mehr.“ und „Heute Ausgang, wa?“
Jeder setzt sich. Irgendwohin! Dann geht es locker, flockig weiter.
Irgendwo bin ich auf halbem Wege zwischen Kerl und Lady wohl auf der Strecke geblieben.
Ich zahle und gehe heim. Auf dem Weg hole ich mir noch eine Dose Ravioli und eine Packung Miracoli. Meine Ma hat ihre Koch-Gene eindeutig an mich weitergegeben.

Aber einen Satz guter Nerven und Humor ebenfalls. Ich kann mich nicht beschweren.  

Samstag, 14. Mai 2016

97. Akt 

Wieso werde ich am Flughafen eigentlich immer auf Drogen kontrolliert?
Also ich meine jetzt nicht „Wieso werde ich AUCH auf Drogen kontrolliert?“. Sondern „Ich“. Keiner in Sichtweite davor und auch keiner dahinter.
Koffer und Handtasche auf einen Extra-Tisch, Teststreifen drüber „Nicht schwanger“, schönen Tag noch!
Sehe ich wirklich so „rauschbedürftig“ aus? Pudere ich mir verkehrt das Gesicht? Lächle ich eigenartig und habe Pupillen groß wie Polizeimützen?
Oder bin ich schlichtweg unglaubwürdig unauffällig?
Beim nächsten Test werde ich vielleicht mal fragen: „Wie, nix gefunden? Dann hab ich wohl den falschen Koffer dabei???“
Vermutlich passieren vor und hinter mir rudelweise Passagiere, die so breit sind wie das Rollfeld und high wie ein Space-Shuttle.
Aber der Drogentest ist ja nicht alles. Es gibt ja noch den Security-technischen Kontaktsport.
Am Amsterdamer Flughafen geht die ganze Abtasterei sogar mal fast ins Adressen-Austauschen über.
Eine brünette Security-Tante sucht sich zielsicher die völlig unauffällige Manu raus und tastet ab, was das Zeug hält. Bei einem Kerl würde ich zwischendurch vielleicht hilfesuchend um mich schauen, so bin ich aber einfach nur grenzenlos verblüfft. Erst Minuten später wird mir klar, dass die Dame sogar meine Arme abgetastet hat. Ich trage ein ärmelloses Kleid!
Wo sollte ich was verstecken? In der aufgetragenen Hautcreme?
Egal. Manchmal glaube ich, dass die super FTLs, Senator und Honour Member- Flieger nur so viel unterwegs sind, damit sie mal jemand anfasst. Das nächste Mal, wenn ich fliege, werde ich meine Handtasche mit einem Pfund Backpulver füllen, das ich leise herausrieseln lasse. Und wenn ich dann abgetastet werde, tue ich so, als ob ich kitzelig bin und fange hysterisch an zu kichern und mich zu winden. Yo! Genau so mache ich das. Ihr werdet in der Zeitung von mir lesen.       

Freitag, 13. Mai 2016

96. Akt

Die Liebe ist ja etwas ganz Wunderbares. Unabhängig davon, ob sich zwei Dreizehnjährige das erste Mal anhimmeln oder ob man gemeinsam den 90. feiert. Liebespaare sind immer so schön verzaubert. Also zumindest am Anfang.
Und oft können sie die Hände gar nicht voneinander lassen.
So weit so gut. Bei wüstem Rumknutschen habe ich ja auch noch Verständnis. So lange ich Speichel-technisch nicht in der Einflugschneise sitze hab ich kein Problem. Man kann ja immer noch wegschauen, wenn einem was nicht gefällt. Meistens jedenfalls.
Wenn das aber kaum möglich ist, ohne dass man rückwärts laufen oder sich einen Eimer über den Kopf ziehen muss, dann wird es für den Zuschauer - in diesem Falle mich – ziemlich unangenehm.
Und das „Sehen“ ist ja nicht alles.
Bei manch küssendem Paar klingt Küssen nämlich so, als ob jemand ein nasses Fensterleder über eine Sprossenleiter zieht. Immer wieder. Ganz schnell. Klingt unromantisch. Und es hört sich auch unromantisch an. Wenn das junge oder auch reife Glück dann auch noch lingual gegenseitig öffentlich die Ohrmuscheln erforscht, dann ist bei mir der Ofen aus.
So, wie heute. Am Flughafen.
Beim Einsteigen in den Flieger nach Hause steht (grabbelt, knutscht und fummelt) ein junges Pärchen vor mir. Wie gesagt, rückwärts gehen ist nicht. Und ein Eimer über meinem Kopf hätte vermutlich die Security alarmiert.
Und wie ich befürchte, wird das junge Paar, das sich schon während des ganzen Boarding-Vorgangs, lippentechnisch nicht voneinander lösen kann, eine Reihe vor mir platziert. Hier wird Liebe nicht nur gelebt, sondern hartnäckig jedem, der es sehen will oder auch nicht, demonstriert. Nur als er das Handgepäck oben im Fach verstaut, unterbrechen sie ihre Knutscherei ganz kurz. Allerdings hängt sie in diesem Moment, wie ein Pandabär am Eukalyptusbaum, an seinem Rücken.
Ich befürchte, dass es hier gleich einen Eintritt in den „Mile-High-Club“ zu feiern gibt, aber hoffe gleichzeitig auf die kurze Flugdauer von fünfundvierzig Minuten.
Vor mir geht es dann natürlich weiter. Ich kann gar nicht intensiv genug Candy Crush spielen, um dem Gefummel vor mir zu entgehen.
Ein bisschen froh bin ich allerdings, dass die beiden vor mir sitzen und nicht neben mir. Die brauchen nämlich wirklich alle drei Sitze. Nur zum Knutschen!
Die Stewardess lächelt mich freundlich an. Wir zucken beide mit den Schultern.
Der eigentliche Hammer kommt dann aber nach dem Aussteigen. Beide verlassen noch gemeinsam das Gate. Aber beim Ausgang biegt Herr „meine- Zunge-ist-biegsam-wie-Spaghetti-al dente“ nach links ab. Während Fräulein „Ohne-dich-kann-ich-nicht-leben“ plötzlich nach rechts rennt und einem mit Luftballons in der Hand wartendem jungen Mann um den Hals fällt.
Ich bin drauf und dran da hin zu latschen und zu fragen, ob er auch den Kiefer ausrenken kann, weil er sonst aus dem Rennen ist, aber ich lasse es.
Ein bisschen doof scheine ich aber schon zu gucken, denn eine Oma neben mir meint „Ist junge Liebe nicht was Schönes?“
Außer einem „Hmpfff" kriege ich nicht viel raus. Und dann fahr ich völlig ungeknutscht nach Hause. Zum Glück.



Donnerstag, 12. Mai 2016

95. Akt

Ja. Okay. Ich bin seelisch Retro. Emotional Vintage. Musiktechnisch Oldschool. Und alles in allem offensichtlich schon vor zu langer Zeit geboren, um noch hip und modern zu sein. (Wobei „hip“ ja auch schon wieder „out“ ist.)
MEINE Musik kommt aus den 80ern und 90ern und wurde noch von Musikern gemacht und nicht von Djs gemixt.
Wenn wir mit dem Hintern gewackelt haben, dann war das Hinternwackeln und kein „Twerken“.
Sex mit dem besten Freund war eine Katastrophe und nannte sich nicht „Friends with benefits“.
Alles war so herrlich moralisch unmoralisch und Erfahrungen wurden mit der besten Freundin verglichen und nicht gegoogelt und dann per Instagram geteilt.
Was mich letztendlich komplett als zu alt für Alles outet, ist aber die Art wie ich Smileys mache. Denn hier trennt sich Hipster-technisch vollständig die Spreu vom Weizen.
Ich mache Smileys auf meinem Rechner oder Handy mit Doppelpunkt, Minus, Klammer zu. Wenn ich einen Zwinker-Smiley mache, dann mit Semikolon, Minus, Klammer zu.
Und das ist:
Out!!!
Ich könnte gleichfalls Kataloge von schicken Urnen posten oder Goethe, Schiller und Heine als meine Buddys bezeichnen.
Heute reicht Doppelpunkt und Klammer zu. Es werden also schon die Icons abgekürzt.
Es ist nicht das, was ich schreibe, dass mich Oldschool-mäßig auf weiter Flur zurücklässt. Nein, es sind die Smileys.

Und jetzt bin ich deprimiert ;-).

Mittwoch, 11. Mai 2016

94. Akt

Wie niedlich. Erst kürzlich habe ich gesehen, dass es personalisierte Kinderbücher gibt. Finde ich eine tolle Idee. Da ist quasi „Peterchen im Wald“ tatsächlich der kleine Peter, dem genau diese Geschichte vorgelesen wird.
Was für ein hübsches Geburtstags-, Weihnachts-, einfach so Geschenk.
Ich denke nach und überlege, ob ich nicht so etwas ähnliches machen soll.
Personalisierte „33 Grausamkeiten“. Coole Idee.
Dann findet die Schwiegermutter ein Buch, in dem sie als mörderische Oma dargestellt wird. Der Großonkel verendet als Spanner auf einem Baum und die verhasste Mathelehrerin bleibt auskühlend im Straßengraben zurück.
Das wäre doch der Renner im Weihnachtsgeschäft. So etwas bringt Stimmung unter dem Christbaum.
Wenn dann noch einer „Stille Nacht“ singt, dann ist das vermutlich der einzige Überlebende.
„Hier Hilde, ich habe dir ein Buch mitgebracht. Deine Geschichte beginnt auf Seite 39. Und ja – am Ende wirst du von einem LKW überfahren.“
Dass ich da noch nicht vorher drauf gekommen bin. Was für ein Quell an Inspiration tut sich da auf?
Wenn ich nur offenen Auges durch die Gegend laufe, komme ich in zehn Minuten auf fünfzehn Geschichten.
Aber will ich das wirklich? Also, dass man nach angemessenem „Lesespaß“ in Mordstimmung kommt?
Eigentlich nicht. Ich will ja nicht, dass sich das Feld meiner Leser gegenseitig massakriert und ich dann auf meinen Büchern sitzen bleibe.
 Aber so ein klitzekleines bisschen werde ich mich für das kommende Buch dann doch aus meinem Umfeld inspirieren lassen. So wie immer. Aber nur ein klitzekleines bisschen.

Dienstag, 10. Mai 2016

93. Akt 

Mann, mann, mann....
Essen gehen ist so eine Sache. Manch einer weiß genau, was und wohin er will, was es dort gibt und was nicht. Wenn ich mit so einer Gruppe unterwegs bin, dann ist alles leicht, man hat Spaß und ist – wenn alles gut läuft – nach ein zwei Stunden satt und zufrieden.
Wenn eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Treffen allerdings die Diskussion entbrennt, ob man sich nicht doch lieber beim Sushi treffen solle, statt beim Griechen, oder wenn schon Grieche, dann doch lieber gleich beim Italiener (?!), dann wird es heikel.
Am Allerschärfsten finde ich das Ganze, wenn die Entscheidungsfindung dann auch noch von Leuten abhängig gemacht wird, die eigentlich überhaupt nicht eingeplant waren.
„Du, der Harry bringt seine neue Freundin Lisa mit und die mag keinen Fisch.“ und „Die Claudia hat ihre Schwester dabei. Die kann Griechisch nicht ausstehen.“
Zu guter Letzt landet man so in einem deutschen Wirtshaus, wo Claudias Schwester gleich mal verkündet, dass sie schon gegessen habe und überhaupt keinen Hunger mehr hat.
Soll mir Wurst sein. Und so nimmt die Kellnerin die Bestellungen auf, während Claudias Schwester abwehrend mit beiden Händen wedelt und nochmal darauf hinweist, dass sie absolut satt sei und nur mitgekommen ist, weil wir sie darum gebeten hätten.
Ich denke „Einatmen – Ausatmen“, habe Hunger und keine Lust mal kurz darauf hinzuweisen, dass ich kein großes Interesse daran geäußert habe, heute mit Menschen essen zu gehen, die ich nicht kenne und die über meine Art der Nahrungsaufnahme indirekt mitbestimmen.
Okay. Also Klappe halten und in mein Weißbier lächeln.
Von rechts kommt ein „Ich finde Frauen, die Weißbier trinken immer recht unweiblich.“
Ja liebe Lisa und ich finde dich schon seit dem ersten „Hallo“ nicht halb so nett, wie Harrys letzte, vorletzte und vorvorletzte Freundin. Aber auch das behalte ich für mich.
Als die Frage der Bestellung bei Lisa angekommen ist, geht es richtig los.
Es beginnt ganz harmlos.
„Ich nehme die 14.“
Die Kellnerin schreibt auf.
„Aber ohne Soße. Und kann ich statt der Pommes Frites bitte Kartoffelpüree haben? Ach ja. Ist das Schnitzel von Kalb oder vom Schwein?“
Mir dreht sich gleich der Magen um.
Die Kellnerin bestätigt das Weglassen der Soße und das Püree.
„Ach. Ich nehme lieber die 12. Da weiß ich, was ich habe.“
Nein, Manu beiß nicht in die Tischplatte... Ich tue mich etwas schwer damit, entspannt zu bleiben.
„Ach, und bei der 12 bitte, wie gesagt, Püree. Und keine Soße. Dafür vielleicht ein bisschen mehr vom Gemüse. Geht das?“
Die Kellnerin rollt mit dem Augen und bestätigt die Bestellung.
Dann ist sie weg.
Eine halbe Stunde später sehe ich, wie Harry versucht keine Miene zu verziehen, als Lisa ihren Teller nach einem kurzem Probieren gegen seinen austauscht. Sie küsst ihn auf die Wange und meint:“Das ist doch okay so Hasi oder?“
Da ist Hasi aber selber schuld, wenn er dieses Spielchen mitmacht. Die Dame hat sicherlich Qualitäten, die Essen als sekundär erscheinen lassen. Das hoffe ich zumindest für Harry.
Claudias Schwester hat in der Zwischenzeit geschafft, fast die Hälfte vom Teller ihrer Schwester zu futtern. Claudi meint, dass sie schon seit ihrer Kindheit von ihrem Essen stibitzt. Angesichts der Menge, die die satte Claudi-Schwester vertilgt hat, würde ich kaum noch von stibitzen reden, sondern eher von vorsätzlichem Mundraub.
Zwei Stunden später telefonieren wir uns zusammen und erklären uns gegenseitig, dass das alles nicht ganz so prickelnd war.
Und eins ist klar, beim nächsten Mal wieder ohne Anhang.

Wer auch immer dann trotzdem noch jemanden mitbringt, der muss halt für den ganzen Tisch zahlen.