Sonntag, 22. Mai 2016

105. Akt

Ich bin auf dem Weg ins Krankenhaus.
Keine Sorge, mir geht es prächtig. Ich möchte nur eine liebe Freundin besuchen. Und weil man lieben Freundinnen gerne eine Freude macht, möchte ich das triste Krankenzimmer mit einem schönen Blumenstrauß aufhübschen. Also sause ich noch schnell in ein Blumengeschäft.
Alles so schön bunt hier. Ich mag den Laden. Es ist nicht so stylisch arrangiert, dass man überlegen muss, ob man beim Floristen ist oder in einer Hotellobby. Hier gibt es Blumen, so weit das Auge reicht. Wer hier zu lange inhaliert, der wird für eine Woche nicht mehr klar geradeaus sehen können.
Ich schaue mich ein bisschen um, und gehe langsam mit einem bereits vorgefertigten Strauß in Richtung Kasse, als ein kleiner untersetzter Mann in den Laden stürmt. Im Gegensatz zu mir - die hier gleich einen Strauß raustragen will - trägt er einen rein.
Er wirkt ein bisschen zerknirscht. Und er fragt, ob er den Strauß wieder zurückbringen darf.
Der Florist und ich schauen uns an und tippen uns geistig an die Stirn. Der Mann gibt aber nicht auf. Seine Freundin will die Blumen nicht. Und ihn will sie auch nicht mehr. Sie hat Schluss gemacht.
Die Blumen wären noch in dem gleichen Zustand, in dem er sie vor gut zwei Stunden gekauft hätte, meint der untersetzte Mann im gestreiften Hemd. Sie – also die Freundin - hätte sie noch nicht mal angefasst.
Ich frage mich, wie grobmaschig man gestrickt sein muss, um ein solches Anliegen vorzutragen. Der Florist weist ihn ab. Er nimmt bereits verkaufte Blumen nicht zurück. Man kann seine Pizza ja auch nicht wieder zurückbringen, wenn man sich letzten Endes entschieden hätte, nur die Nudeln vom Lieferdienst zu essen.
Der gerade Verlassene schaut sich unzufrieden um. Dann grinst er mich an und drückt mir den Strauß in die Hand. Er würde sie mir schenken, sagt er.
Und der Florist und ich schauen uns jetzt noch viel verblüffter an, als zuvor. Nun habe ich zwei Sträuße in den Händen. Den einen, den ich meiner Freundin kaufen mag und den abgelehnten. Ich bin irritiert und sage „Danke schön“. Dann zwinkert mich der Neu-Single an und meint, dass ich dafür nun auch mit ihm Essen gehen müsse.
Ich sage: „So weit kommt´s noch.“ und dann sage ich „Nö!“
„Gut,“ sagt der im Streifenhemd „dann gibt´s auch keine Blumen.“
Er rupft mir den ungewünschten Strauß wieder aus den Fingern, dreht sich um und stürmt aus dem Laden. Der Blumenhändler und ich lachen uns schlapp. Mehr können wir gar nicht sagen. Ich zahle meine Blumen und laufe die paar Meter bis zur Klinik. Ach ja. Und für die Dame, die den Streifenhemd-Träger und seine Blumen verweigert hat: Herzlichen Glückwunsch. Alles richtig gemacht. 




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