105. Akt
Ich bin auf dem Weg ins Krankenhaus.
Keine Sorge, mir geht es prächtig. Ich möchte nur eine liebe
Freundin besuchen. Und weil man lieben Freundinnen gerne eine Freude
macht, möchte ich das triste Krankenzimmer mit einem schönen
Blumenstrauß aufhübschen. Also sause ich noch schnell in ein
Blumengeschäft.
Alles so schön bunt hier. Ich mag den Laden. Es ist nicht so
stylisch arrangiert, dass man überlegen muss, ob man beim Floristen
ist oder in einer Hotellobby. Hier gibt es Blumen, so weit das Auge
reicht. Wer hier zu lange inhaliert, der wird für eine Woche nicht
mehr klar geradeaus sehen können.
Ich schaue mich ein bisschen um, und gehe langsam mit einem bereits
vorgefertigten Strauß in Richtung Kasse, als ein kleiner
untersetzter Mann in den Laden stürmt. Im Gegensatz zu mir - die
hier gleich einen Strauß raustragen will - trägt er einen rein.
Er wirkt ein bisschen zerknirscht. Und er fragt, ob er den Strauß
wieder zurückbringen darf.
Der Florist und ich schauen uns an und tippen uns geistig an die
Stirn. Der Mann gibt aber nicht auf. Seine Freundin will die Blumen
nicht. Und ihn will sie auch nicht mehr. Sie hat Schluss gemacht.
Die Blumen wären noch in dem gleichen Zustand, in dem er sie vor gut
zwei Stunden gekauft hätte, meint der untersetzte Mann im
gestreiften Hemd. Sie – also die Freundin - hätte sie noch nicht
mal angefasst.
Ich frage mich, wie grobmaschig man gestrickt sein muss, um ein
solches Anliegen vorzutragen. Der Florist weist ihn ab. Er nimmt
bereits verkaufte Blumen nicht zurück. Man kann seine Pizza ja auch
nicht wieder zurückbringen, wenn man sich letzten Endes entschieden
hätte, nur die Nudeln vom Lieferdienst zu essen.
Der gerade Verlassene schaut sich unzufrieden um. Dann grinst er mich
an und drückt mir den Strauß in die Hand. Er würde sie mir
schenken, sagt er.
Und der Florist und ich schauen uns jetzt noch viel verblüffter an,
als zuvor. Nun habe ich zwei Sträuße in den Händen. Den einen,
den ich meiner Freundin kaufen mag und den abgelehnten. Ich bin
irritiert und sage „Danke schön“. Dann zwinkert mich der
Neu-Single an und meint, dass ich dafür nun auch mit ihm Essen gehen
müsse.
Ich sage: „So weit kommt´s noch.“ und dann sage ich „Nö!“
„Gut,“ sagt der im Streifenhemd „dann gibt´s auch keine
Blumen.“
Er rupft mir den ungewünschten Strauß wieder aus den Fingern, dreht
sich um und stürmt aus dem Laden. Der Blumenhändler und ich lachen
uns schlapp. Mehr können wir gar nicht sagen. Ich zahle meine Blumen
und laufe die paar Meter bis zur Klinik. Ach ja. Und für die Dame,
die den Streifenhemd-Träger und seine Blumen verweigert hat:
Herzlichen Glückwunsch. Alles richtig gemacht.
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