Montag, 23. Mai 2016

106. Akt

Oha. Es besteht ein großer Unterschied, etwas über Menschen zu wissen, und darin, etwas mit eigenen Augen gesehen zu haben.
In diesem speziellen Falle ist es ein Foto auf Facebook. Aber von vorne.
Eine meiner Freundinnen hat mir vor geraumer Zeit erzählt, dass sie und ihr Lebensgefährte regelmäßig ganz besondere Fetischpartys besuchen.
Ich musste mich erst ein bisschen informieren, bis ich wusste, dass das so ziemlich genau gar nix mit Swingertreffen oder schmutzigem Sex in schmuddeligen Kellern zu tun hat. In edlen Outfits wird sich dort getroffen, bestaunt, promeniert und unterhalten. Und oft bestehen diese Outfits eben aus Lack, Latex oder Leder. Ich fand das hochinteressant.
Abgesehen davon, dass diese Frau für mich ohnehin ein wildes, fröhliches, umwerfend attraktives und zusätzlich schwäbisches Ausbund an Leben ist, konnte ich mir nichts weiter vorstellen.
Nun hat sie aber ein Foto bei Facebook gepostet, welches sie in vollem Ornat zeigt. Ihre wunderschönen feuerroten Haare hochgesteckt zu einer Frisur, die sie Minimum auf 2,10m aufragen lässt, dazu ein Latex-Dress in schwarz und rot.
Ich habe erst Mal eine halbe Stunde hyperventiliert, bevor ich das Bild mit einem satten Kompliment kommentieren konnte.
Die Haare, das Outfit, die Maske. Wahnsinn! Und das ist meine Freundin, auf deren Couch man so lässig Tee trinken, quatschen und lachen kann?
Bei dem Gedanken, mich in Latex zu kleiden, bekomme ich klaustrophobische Gefühle. Ich müsste aus dem zweiten Stock springen, um mich komplett in solch einen Anzug unterzubringen. Und dann würde ich mir vermutlich, in einem Akt von Selbstironie, „Bridgestone“ auf die Stirn schreiben. Ich bin definitiv zu unerwachsen für so etwas. Denke ich. Und dennoch.
Ich finde das alles sehr aufregend und frage mich, was passieren würde, wenn ich ein solches Bild von mir posten würde.
Würden sich meine Kinder freiwillig zur Adoption freigeben? Meine Mutter würde sicher vor Lachen vom Stuhl fallen. Vielleicht würde sie einfach nur nicken. „Yo. Die kenne ich. Wir besuchen die selben Partys.“
Ich hatte ja schon gesagt. Meine Mutter ist ein ausgesprochen lebhafter und kreativer Mensch.
Bevor jetzt einige Freunde panisch werden. Ganz ruhig. Ehe ich das hier von mir gebe, frage ich natürlich nach, ob ich unter Umständen irgendwas oute, was noch gar nicht raus ist. Natürlich tue ich das nicht. Meine Freundin hat gesagt, dass es völlig okay ist, wenn ich meine Entdeckung der, ähem... glänzenden Seite ihres Lebens hier beschreibe. Und das beste ist, sie hat mich gefragt, ob ich sie im Sommer zu einem ähnlichen Event begleite.

Und ich habe nicht „Nein“ gesagt. So!

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