90. Akt
Ich sitze an meinem Computer. An meinem neuen Buch. Eigentlich ist
das genau das, was ich nach Häagen Dazs Pralines & Cream und
Fußmassagen am meisten liebe. Aber heute läuft es einfach nicht.
Oft kann ich mich hinsetzen und drei bis vier Stunden fast ohne
Unterbrechung durch schreiben. Aber im Moment rutschen meine Finger
immer wieder aus und ich lande bei Facebook oder Ebay.
Irgendwie will ich gern arbeiten, aber krieg es nicht hin. Mir ist
das Motto „Du kannst es nicht erzwingen“ durchaus bekannt. Aber
wenn mir was nicht passt, hab ich auch kein Problem dämliche Mottos
zu ignorieren.
Also sitze ich da und überlege, wie meine eigene Geschichte
weitergeht. Natürlich nicht meine persönliche Geschichte, sondern
die eines grenzdebilen Uniformfetischisten in den besten Jahren.
Ein Kollege hatte mal gesagt „Du kannst es dir nicht erzwingen,
aber ersaufen kannst du es dir schon.“ Dementsprechend stehe ich
auf und schaue, was mein Kühlschrank außer dem Wein, den ich zum
Kochen verwende noch für mich bereit hält.
Ich stoße auf eine angebrochene Flasche Chardonnay. Okay. Prima. Ich
schenke mir ein Glas Kreativität ein, setze mich wieder vor den
Rechner und überlege.
Nach dem zweiten Wein macht wenigstens das Überlegen Spaß und nach
dem dritten fällt mir eine völlig andere Geschichte ein.
Ich leere mein Glas und will anfangen zu schreiben.
Und stelle fest, dass ich die neue Geschichte schon wieder vergessen
habe.
Das erinnert mich an meine Studentenzeit. Damals half man sich bei
mangelnder Kreativität mit... ähem... Gras. Wobei – man behalf
sich damals auch bei Langeweile, Stress, Partylaune, Ruhephasen,
Denkblockaden, überbordender Arbeitswut und allem möglichem mit dem
Zeug. Also nicht ich persönlich. Denn ich bin nach so was immer
gleich eingeschlafen. Gerne auch mit dem Gesicht in einer Pizza.
Zu dieser Zeit gehörte Marihuana bei den Kreativen zum guten Ton.
Ich erinnere mich an Konferenzen in Werbeagenturen, in denen der Art
Director sich kichernd auf dem Boden rollt, während der Grafiker in
einem Fressflash alle (!) auf dem Tisch stehenden Kekse, Salzbrezeln
und Kuchenstücke auffuttert. Das Ganze, während der Rest vom Team
sich in einer Nebelwolke anlächelt, und erklärt, dass sie echt
super drauf sind, auf dieser total freigeistigen und
freundschaftlichen Ebene.
Da ich aber weder über Gras, noch über das geringste Interesse am
Rauchen verbotener Substanzen verfüge, schließe ich meinen Rechner
jetzt wieder. Ich leere den Rest aus der Flasche in mein Glas und
lasse grenzdebile Uniformfetischisten grenzdebile Uniformfetischisten
sein. 33 Grausamkeiten fallen einem ohnehin am besten bei
beschaulichen Spaziergängen in der Nachbarschaft oder bei
Telefonaten mit der Verwandtschaft ein.
Ich glaube, ich rufe mal eben meiner Mutter an.
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