Freitag, 6. Mai 2016

90. Akt 

Ich sitze an meinem Computer. An meinem neuen Buch. Eigentlich ist das genau das, was ich nach Häagen Dazs Pralines & Cream und Fußmassagen am meisten liebe. Aber heute läuft es einfach nicht. Oft kann ich mich hinsetzen und drei bis vier Stunden fast ohne Unterbrechung durch schreiben. Aber im Moment rutschen meine Finger immer wieder aus und ich lande bei Facebook oder Ebay.
Irgendwie will ich gern arbeiten, aber krieg es nicht hin. Mir ist das Motto „Du kannst es nicht erzwingen“ durchaus bekannt. Aber wenn mir was nicht passt, hab ich auch kein Problem dämliche Mottos zu ignorieren.
Also sitze ich da und überlege, wie meine eigene Geschichte weitergeht. Natürlich nicht meine persönliche Geschichte, sondern die eines grenzdebilen Uniformfetischisten in den besten Jahren.
Ein Kollege hatte mal gesagt „Du kannst es dir nicht erzwingen, aber ersaufen kannst du es dir schon.“ Dementsprechend stehe ich auf und schaue, was mein Kühlschrank außer dem Wein, den ich zum Kochen verwende noch für mich bereit hält.
Ich stoße auf eine angebrochene Flasche Chardonnay. Okay. Prima. Ich schenke mir ein Glas Kreativität ein, setze mich wieder vor den Rechner und überlege.
Nach dem zweiten Wein macht wenigstens das Überlegen Spaß und nach dem dritten fällt mir eine völlig andere Geschichte ein.
Ich leere mein Glas und will anfangen zu schreiben.
Und stelle fest, dass ich die neue Geschichte schon wieder vergessen habe.
Das erinnert mich an meine Studentenzeit. Damals half man sich bei mangelnder Kreativität mit... ähem... Gras. Wobei – man behalf sich damals auch bei Langeweile, Stress, Partylaune, Ruhephasen, Denkblockaden, überbordender Arbeitswut und allem möglichem mit dem Zeug. Also nicht ich persönlich. Denn ich bin nach so was immer gleich eingeschlafen. Gerne auch mit dem Gesicht in einer Pizza.
Zu dieser Zeit gehörte Marihuana bei den Kreativen zum guten Ton. Ich erinnere mich an Konferenzen in Werbeagenturen, in denen der Art Director sich kichernd auf dem Boden rollt, während der Grafiker in einem Fressflash alle (!) auf dem Tisch stehenden Kekse, Salzbrezeln und Kuchenstücke auffuttert. Das Ganze, während der Rest vom Team sich in einer Nebelwolke anlächelt, und erklärt, dass sie echt super drauf sind, auf dieser total freigeistigen und freundschaftlichen Ebene.
Da ich aber weder über Gras, noch über das geringste Interesse am Rauchen verbotener Substanzen verfüge, schließe ich meinen Rechner jetzt wieder. Ich leere den Rest aus der Flasche in mein Glas und lasse grenzdebile Uniformfetischisten grenzdebile Uniformfetischisten sein. 33 Grausamkeiten fallen einem ohnehin am besten bei beschaulichen Spaziergängen in der Nachbarschaft oder bei Telefonaten mit der Verwandtschaft ein.


 Ich glaube, ich rufe mal eben meiner Mutter an.

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