93. Akt
Mann, mann, mann....
Essen gehen ist so eine Sache. Manch einer weiß genau, was und wohin
er will, was es dort gibt und was nicht. Wenn ich mit so einer Gruppe
unterwegs bin, dann ist alles leicht, man hat Spaß und ist –
wenn alles gut läuft – nach ein zwei Stunden satt und zufrieden.
Wenn eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Treffen allerdings die
Diskussion entbrennt, ob man sich nicht doch lieber beim Sushi
treffen solle, statt beim Griechen, oder wenn schon Grieche, dann
doch lieber gleich beim Italiener (?!), dann wird es heikel.
Am Allerschärfsten finde ich das Ganze, wenn die
Entscheidungsfindung dann auch noch von Leuten abhängig gemacht
wird, die eigentlich überhaupt nicht eingeplant waren.
„Du, der Harry bringt seine neue Freundin Lisa mit und die mag
keinen Fisch.“ und „Die Claudia hat ihre Schwester dabei. Die
kann Griechisch nicht ausstehen.“
Zu guter Letzt landet man so in einem deutschen Wirtshaus, wo
Claudias Schwester gleich mal verkündet, dass sie schon gegessen
habe und überhaupt keinen Hunger mehr hat.
Soll mir Wurst sein. Und so nimmt die Kellnerin die Bestellungen auf,
während Claudias Schwester abwehrend mit beiden Händen wedelt und
nochmal darauf hinweist, dass sie absolut satt sei und nur
mitgekommen ist, weil wir sie darum gebeten hätten.
Ich denke „Einatmen – Ausatmen“, habe Hunger und keine Lust mal
kurz darauf hinzuweisen, dass ich kein großes Interesse daran
geäußert habe, heute mit Menschen essen zu gehen, die ich nicht
kenne und die über meine Art der Nahrungsaufnahme indirekt
mitbestimmen.
Okay. Also Klappe halten und in mein Weißbier lächeln.
Von rechts kommt ein „Ich finde Frauen, die Weißbier trinken immer
recht unweiblich.“
Ja liebe Lisa und ich finde dich schon seit dem ersten „Hallo“
nicht halb so nett, wie Harrys letzte, vorletzte und vorvorletzte
Freundin. Aber auch das behalte ich für mich.
Als die Frage der Bestellung bei Lisa angekommen ist, geht es richtig
los.
Es beginnt ganz harmlos.
„Ich nehme die 14.“
Die Kellnerin schreibt auf.
„Aber ohne Soße. Und kann ich statt der Pommes Frites bitte
Kartoffelpüree haben? Ach ja. Ist das Schnitzel von Kalb oder vom
Schwein?“
Mir dreht sich gleich der Magen um.
Die Kellnerin bestätigt das Weglassen der Soße und das Püree.
„Ach. Ich nehme lieber die 12. Da weiß ich, was ich habe.“
Nein, Manu beiß nicht in die Tischplatte... Ich tue mich etwas
schwer damit, entspannt zu bleiben.
„Ach, und bei der 12 bitte, wie gesagt, Püree. Und keine Soße.
Dafür vielleicht ein bisschen mehr vom Gemüse. Geht das?“
Die Kellnerin rollt mit dem Augen und bestätigt die Bestellung.
Dann ist sie weg.
Eine halbe Stunde später sehe ich, wie Harry versucht keine Miene zu
verziehen, als Lisa ihren Teller nach einem kurzem Probieren gegen
seinen austauscht. Sie küsst ihn auf die Wange und meint:“Das ist
doch okay so Hasi oder?“
Da ist Hasi aber selber schuld, wenn er dieses Spielchen mitmacht.
Die Dame hat sicherlich Qualitäten, die Essen als sekundär
erscheinen lassen. Das hoffe ich zumindest für Harry.
Claudias Schwester hat in der Zwischenzeit geschafft, fast die Hälfte
vom Teller ihrer Schwester zu futtern. Claudi meint, dass sie schon
seit ihrer Kindheit von ihrem Essen stibitzt. Angesichts der Menge,
die die satte Claudi-Schwester vertilgt hat, würde ich kaum noch von
stibitzen reden, sondern eher von vorsätzlichem Mundraub.
Zwei Stunden später telefonieren wir uns zusammen und erklären uns
gegenseitig, dass das alles nicht ganz so prickelnd war.
Und eins ist klar, beim nächsten Mal wieder ohne Anhang.
Wer auch immer dann trotzdem noch jemanden mitbringt, der muss halt für den ganzen Tisch zahlen.
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