Sonntag, 29. Mai 2016

112. Akt 

Jeder hat bestimmte Talente. Jeder. Garantiert! Der eine kann genial tanzen, der andere ist handwerklich phänomenal, wieder andere können tolle Geschichten schreiben und ganz andere können großartig singen.
Tanzen, Handwerk und Geschichten schreiben, schrecken mich nicht. Alles mein Bereich. Aber das mit dem Singen hat mein ganzes Leben so ziemlich deprimierend gestaltet.
Im Schulchor – der nun wirklich nahezu jeden aufnahm – wurde ich abgelehnt. Zack! War ich traumatisiert. Jahre später, bei der ersten Radiostation, bei der ich arbeitete, vergaß ich mal den Regler zuzuziehen und sang lauthals mit. Zack! Waren meine Hörer traumatisiert. Das mit mir und der Singerei ist einfach nicht - Achtung Wortspiel – in Einklang zu bringen.
Im ersten Semester auf der Schauspielschule, meinte einer meiner Lehrer, dass jeder Mensch singen könne. Auch ich. Nach meinem verzweifelten Versuch, irgendwas von den Beatles auch nur ansatzweise wiedererkennbar von mir zu geben, sagte er überrascht: „Ja, es gibt doch Ausnahmen. In der Tat, es gibt Ausnahmen!“
Nach der Geburt meines Sohnes, wollte ich, so wie alle anderen Mütter auch, mein Kind in den Schlaf singen. Das Ende vom Lied war (ups, schon wieder so ein dilettantisches Wortspiel), dass die ganze Neugeborenen-Station brüllte, wie am Spieß. Also alle, die mich hören konnten. Die Neu-Mütter schauten mich bittend an, und ich stellte meinen „Der Mond ist aufgegangen“-Rap wieder ein.
In Japan gelingt es mir jedes Mal mich standhaft zu wehren, wenn man mich in einer Karaoke-Bar auf die Bühne nötigen will. Damit habe ich die deutsch-japanischen-Beziehungen sicherlich vor einigen eklatanten Krisen gerettet.
Heute singe ich nur noch, wenn ich ganz, ganz, ganz sicher bin, dass mich keiner hört.
Also im Badezimmer z.B. Mit verschlossener Badezimmer-, Flur- und Haustür. Oder im Auto, bei 150 km/h. Mit geschlossenem Fenster.
Wenn andere anderswo mitsingen, dann wippe ich mit dem Fuß und halte die Klappe. Damit habe ich einfach die beste Erfahrung gemacht.
Solltet ihr allerdings mal Schwierigkeiten haben, eine laue Party zu beenden, bin ich gerne für euch da.

Spätestens nach der zweiten Strophe könnt ihr anfangen auszufegen. Dann sind nämlich alle Gäste weg. Mit Tinnitus und Hörsturz.   

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