Donnerstag, 30. Juni 2016

144. Akt 

Heute erhielt ich die Absage einer der Agenturen, die mich als „vor der Kamera Manu“ vertritt.
Der Model-Job für Parship ging an eine Andere. Ich kam in die engere Auswahl, aber wurde letztendlich doch nicht gewählt. Eigentlich das Beste was passieren konnte. Herr Hinz und Herr Kunz können hormonell nämlich zur Zeit nicht zwischen Privatleben und Beruf unterscheiden. Wenn das hier so weitergeht, dann handelt mein nächstes Buch von der Herangehensweise paarungswilliger Männchen an die kommunikative Ü-40 Frau.
Ich dachte ja, dass mir bis jetzt jede Peinlichkeit in Sachen Anmache mindestens einmal untergekommen ist. Mehr als ein müdes Gähnen über das Angebot, meinen Schuhschrank mit edlen Highheels in der 41-42 zu bestücken, kann ich mir nicht abringen.
Einladungen zu Reisen, zum Essen oder auf kürzestem Wege in die Horizontale, werden ohne das geringste Schmunzeln gelöscht. Und wenn jemand mich buchen will, um an irgendwelchen Shows oder Shootings teilzunehmen, läuft das mittlerweile über mein Büro.
Damit bin ich sicher vor Klampfe spielenden Herren (und Frauen(!)), die mich auf welche Weise auch immer in „romantische“ Stimmung bringen wollen. Dachte ich. Und liege verkehrt.
Heute wurde ich von einer völlig neuen Variante der ich-kriege-dich-auf-die-Recamiere-auch-wenn-du-gar-nicht-müde-bist-Masche überrascht.
Getarnt als eine Anfrage als Sprecherin bei einem Event, soll mich Amors Pfeil mal wieder zwischen den Augen treffen. Gerne auch woanders. Aber treffen halt.
Alles klingt prima. Die Anfrage kommt auch von der persönlichen Assistentin des Chefs. Ein Magazin. Genial, denke ich. Presse ist immer gut. Hübsch buchstabiere ich meinen Namen ein paarmal. Ganz langsam und deutlich. Wenn Medien meinen Namen drucken, dann bin ich immer recht froh, wenn ich richtig geschrieben werde.
Nach dem ersten Hin- und Her, schreibe ich dann persönlich mit dem Chef. Cool. Ich halte die Wege gerne kurz. Geht schneller und ist in der Regel kostensparender. Er kennt meinen Blog, meinen „WORD!“-Bereich und tut so, als ob er auch meine Bücher kennt. Na ja... er kennt zumindest die Titel und verwechselt mich nicht mit Ildiko oder Julia.
Termine und Konditionen sind geklärt, das Gespräch ist locker und ich beende es, bevor es auch noch zu freundlich wird.
Ich notiere alles, was wir besprochen haben, als in meinem Emailfach eine neue Nachricht aufploppt. Und gleich noch eine.
Die erste verwirrt mich enorm. Sie kommt direkt von der Assistentin des besagten Kandidaten und enthält einen... Kleidungswunsch!!!
Anbei findet sich ein Foto aus meiner Facebook-Chronik. Es wäre nett, wenn ich das Kleid auch auf besagter Podiumsdiskussion tragen würde. Als zweites kommt eine Nachricht von einem freenet-account.
Der gleiche Name wie bei der super-busy-Geschäfts-Emailadresse, aber eben mit freenet.de -Endung. Da bedankt sich jemand für das anregende Gespräch.
Äh ja... und hofft, dass wir nach der Podiumsdiskussion das Gespräch noch eingehend vertiefen können. Zwinker-Smiley, zwinker-smiley, Küsschen, Küsschen.
Kann mir mal bitte jemand einen Eimer reichen?
Da ich ja weiß, dass dieser Blog hier mitgelesen wird, möchte ich hierzu noch eines sagen.
Ja. Ich komme trotzdem. Und am Abend fahre ich in MEIN Hotelzimmer, ziehe mir meinen Karo-Pyjama und die dicken Socken an und schlafe den Schlaf der Autorinnen. Mein Honorar erhalte ich – wie Sie vorhin gesagt haben – für meine brillanten Worte. Nicht für meinen Augenaufschlag oder ähnliches.
OKAY???
Zwinker-Smiley, zwinker-smiley, Küsschen, Küsschen!



Mittwoch, 29. Juni 2016

143. Akt 

Aaaarghhhhh.... gerade gelesen: Fahrraddiebe haben eine völlig neue Masche. Ich klicke auf das Video und bin gespannt, was nun kommt. Wie gehen diese Missetäter denn neuerdings vor? Klauen sie die Zweiräder in Einzelteilen? Wirken sie in Teams, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen den Radler vom Sattel zwingen? Nach der üblichen Werbung startet das heiße Info-Filmchen.
Ich bin verblüfft. Dort sagt man mir doch tatsächlich, dass es Fahrraddiebe gibt, die – Achtung, jetzt wird es spannend – Fahrräder klauen! Nein. Damit hab ich ja so überhaupt nicht gerechnet. Weiter geht’s. Diese Drahtesel-Terroristen benutzen nun nämlich Kneifzangen, um die Schlösser zu knacken. Dann schließen sie die Räder zwei Straßen weiter mit billigen Schlössern an einer anderen Stelle wieder an.
Äh... ich schau noch mal auf die Titelzeile. Dort stand und steht immer noch 2016 als Datum der Veröffentlichung dieser heißen News.
Ich komme ins Grübeln.
Was ist denn, wenn ein anderes Klauer-Team dort auch wieder das Rad stiehlt und noch ein bisschen weiter abstellt? Kriegt man ein Rad so durch die halbe Stadt? Die Reise nach Jerusalem in der Zweirad-Version?
Aber nun folgt der heiße Tipp des Spezialisten:
Tadaaaaaa! Schließen Sie Ihr Rad immer mit zwei (!) Schlössern ab. Und sperren Sie es an einen Gegenstand. Sonst kann man ihr Fahrrad nämlich inklusive der Schlösser einfach wegtragen.
Nein sowas! Jetzt bin ich aber beruhigt. Bisher habe ich natürlich immer nur mein Zahlenschloss um den Lenker gebunden. Nur ein Schloss und das auch noch freischwingend. Da hab ich aber Glück gehabt, dass mein Radl nicht böswillig entführt wurde. Ab jetzt benutze ich natürlich zwei (!) Schlösser und befestige das Teil an einer mitgeführten Parkbank. Dann steht nämlich der böser Fahrraddieb davor, weint und sagt:“Boah! Zwei Schlösser. Das krieg ich nicht hin.“

Super, dass es für alles Spezialisten gibt, die einem durchs Leben helfen.  

Dienstag, 28. Juni 2016

142. Akt

Es gibt Dinge, die passen irgendwie nicht zusammen. Nicht, dass eines besser ist als das andere. Nein. Völlig wertfrei.
Pommes und Erdbeeren, dieser Sommer und Sonnencreme, Fast Food und Kleidergröße 36.
Und eben auch eine Hippie-Party mit gleichzeitiger Übertragung der Fußball EM.
Nachdem ich meine Polizeikontrolle in Hippie-Montur einigermaßen verdaut habe (ob die Polizisten immer noch lachen???), erreiche ich die Location. Noch ist nicht so viel los und die ersten Fotos werden geschossen. Um 18 Uhr füllt sich der Außenbereich. Nicht um ordentlich zu den Klängen des Musicals HAIR abzuzappeln, sondern um sich im Zelt zu versammeln. Auf Stühlen. Vor dem Fernseher.
Denn jetzt geht es los. Das Spiel Deutschland-Slovakei.
Anstatt psychedelischer Klänge und happy-Hippie-Musik hört man den Kommentator das Spiel anmoderieren.
Und dann geht es rund. Also im Zelt.
Ich nutze die Möglichkeit das nahezu jungfräuliche Buffet abzugrasen, welches nun einsam und verlassen in der Wirtschaft steht.
Dann setze ich mich innen auf eine Bank, esse gemütlich auf und genieße die angenehme Beschallung. Im Anschluss noch ein bisschen mit Freunden quatschen, die ähnlich Fußball-affin sind wie ich und einige Hippies bewundern, die das 1:0 für Deutschland bejubeln.
Meine Freundin Steffi macht einen Vorschlag, der mir ausgesprochen entgegen kommt.
Und zwar: Abgang!
Wir ziehen uns gepflegt im Torjubel der fröhlich und bunt gekleideten Menschen zurück und hoffen, dass wir bei dem nächsten Event etwas mehr Energie mitbringen und weniger Fußball übertragen wird.
Auf dem Rückweg nehme ich vorsorglich meine Perücke wieder ab. Noch so eine Polizeikontrolle oder eigenartige Blicke anderer Autofahrer brauche ich nun nicht auch noch. Eine Stunde später liege ich frisch geduscht mit meinem Computer auf dem Sofa. Noch ein bisschen arbeiten.

Sicher geht die Party jetzt nach dem Spiel etwas heftiger ab und einige Leute hätte ich schon noch gerne getroffen. Aber was solls? Es hat sich für heute ausge-Hippiet. Zu viel Party schlägt mir aufs Gemüt. Außerdem fühlt sich mein Pyjama gerade besser an, als mein Jimi Hendrix-Outfit. Viel besser.     

Montag, 27. Juni 2016

141. Akt 

Man könnte ja meinen, dass ich unfassbar viel unterwegs und auf Parties bin. Dem ist aber gar nicht so. Lediglich das zeitversetzte Posten von Bildern, auf denen ich zu sehen bin, erweckt den Eindruck, dass ich bei jedem Halligalli im Zentrum stehe. Heute ist es aber ein bisschen anders. Heute habe ich quasi tatsächlich den Event-Overflow. Am Vormittag war ich zu Gast bei einem ganz phänomenalen Ladies Brunch, und jetzt stehe ich vor dem Spiegel und mache mich für den Abend zurecht. Und das dauert ein bisschen länger als sonst.
Heute ist die Flower Power Party angesagt, und wir kommen alle als Hippies. Das heißt Sixties Deluxe. Gedanklich hänge ich noch dem Frauenfrühstück hinterher, während ich mich farbenfroh in türkis und gelb und rosa schminke. Ich sehe ein bisschen aus, wie Jimi Hendrix´ kleine Schwester. Zumal die auffallend ausbordende Afroperücke mich zum ultimativen Hippie-Girl (okay – Senior-Version) macht. Noch das Häkeltop, die Paisley-Hose, psychedelische Ohrringe und das passende Tralala und schon bin ich komplett.
Kaum bin ich fertig, steige ich ins Auto und mache mich auf den Weg.
Die Caribbean Embassy ist als Location klasse gewählt, und ich freue mich, dort ein paar Freunde zu treffen. Die Strecke ist mir nicht neu. Ich war schon mal da.
Was allerdings neu ist, ist der grüne Mann auf der Straße, der mich mit dieser völlig unmodernen Kelle an den Straßenrand winkt.
Oha... Ich halte an und öffne das Fenster.
Er stutzt, mustert mich und ich überlege, ob ich mich erklären muss.
Alles okay bei Ihnen?“ Sein Blick schweift durch meinen Wagen und es sieht aus, als ob er süßliche Gerüche zu erschnuppern versucht.
Äh, ja, alles bestens. Ich bin auf dem Weg zu einer Party, wissen Sie?“
Ja ja, schon klar. Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte!“
Mir wird kurz heiß und kalt. Vorhin habe ich von meiner schlichten schwarzen Ledertasche zu einer Hippie-Fransentasche gewechselt. Habe ich auch wirklich mein Portemonnaie umgepackt?
Während ich in der Tasche wühle, fragt mich der nette junge Mann, ob ich Alkohol getrunken habe. Ich verneine wahrheitsgemäß.
Drogen?“
Ich schwitze unter meiner Riesenperücke und schaue immer noch in meine Handtasche. „Nee, soll ich?“
Ups... findet er dann nicht so lustig. Endlich habe ich alle nötigen Papiere gefunden. Er geht nach vorne zum Wagen. Mir wird immer heißer und ich friemel mir die Blumenkette vom Hals.
Zu zweit kommen sie zurück.
Der eine reicht mir meine Unterlagen zurück, der andere grinst.
Wo ist denn die Party?“
Ich nenne ihm das Lokal als Zieladresse.
Nur, falls uns noch mehr Gäste in die Kontrolle fahren.“
Ich nicke und weiß nicht, wie ich sonst reagieren soll.“ Vielleicht ein Peace-Zeichen machen und ihnen Frieden wünschen?
Der weniger irritierte Beamte klopft mir aufs Dach und wünscht mir viel Vergnügen. Dann drehen beide ab und gehen zurück zum Polizeiwagen.
Ich starte den Motor erneut und richte mich nach meinem Navi.
Na ja... vielleicht kommt ja einer von den beiden Kollegen nachher auch zur Party. Aber einen Blumenkranz sollten sie sich dann schon über die Mütze legen. Sonst ist das Ganze ja gar nicht authentisch.    

Sonntag, 26. Juni 2016

140. Akt

Mein Kind hat Zeug gemacht. Also lecker Zeug meine ich. Ich komme von einer abendlichen Besprechung, als ich die kleinen Becher stehen sehe. Über Tag hat sie da locker achtzig Stück von zubereitet, und netterweise hat sie mir zehn davon in der Küche zurückgelassen. Supi. Genau das, was ich jetzt brauche.
Es ist mir schon klar, dass da auch Alkohol drin ist. Sie hat die Dinger ja auch zum achtzehnten Geburtstag einer Freundin bereitet. Aber so schlimm wird es schon nicht sein.
Ist eigentlich bloß Wackelpudding mit ein bisschen Likör drin. Und herrlich bunt sieht das aus. Rot, gelb, grün und weiß. Cool. Mein Kind kann was. Und im Gegensatz zu den Haschkeksen, die mein Kunstlehrer gerne zu Partys mitbrachte, ist das hier echt harmlos. Ich fange bei rot an (eindeutig Kirsche – lecker!) und gehe über gelb (Zitrone, klar!) langsam zu den weißen über (Pinacolada, fantastisch!), Hui, das Zeug macht aber fröhlich. Zum Schluss nehme ich dann auch noch die Grünen (Waldmeister, aber jetzt auch wurscht!)
Dann setze ich mich in der Küche auf die Arbeitsplatte und wundere mich, dass so ein bisschen Wackelpudding so unfassbar kreativ macht.
Mir fällt ein, dass ich die Küche mal umorganisieren könnte, und ich räume ein bisschen an den Schubladen rum.
Holla, die kleinen Wackelpuddinge sind nicht nur im Magen angekommen, sondern suchen sich gerade ihren Platz in meinem Hirn.
Aber ehrlich gesagt ist da für zehn ungeplante Jelly-Shots nicht genügend Raum. Ich gehe in den Keller und schaue in den Kühlschrank. Oha... wo ist denn der Vodka hin? Und die Flasche Limoncello ist auch weg. Hab ich das erlaubt? Ich kratze mich am Kopf und befürchte, dass ich das abgenickt habe.
Dann versuche ich zu rechnen. Wenn eine Flasche Vodka und eine Flasche Limoncello für achtzig Wackeldinger draufgehen, wie viel ist dann in zehn von diesen Teilen drin? Ich komme zu keiner Lösung.
Ich lege mich aufs Sofa und beschließe, meine Tochter zu fragen, wenn sie von der Party nach Hause kommt.
Wach werde ich allerdings erst, als sie direkt vor mir steht und mich mit großen Augen anschaut.
Äh... Mama... du hast nicht allen Ernstes die ganzen Jelly Shots gegessen oder?“
Hmpf.... na ja... vielleicht.“ Ich grinse mein Kind ein bisschen an. Kommt aber wohl zu debil rüber.
Die waren falsch zubereitet. Da war viel zu viel von dem Vodka drin. Und vom Limoncello auch. Deswegen hab ich sie auch nicht mitgenommen.“
Na ja... und jetzt sind sie weg.“
Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass ich quasi nicht aktiv von meiner Tochter mit diesen Leckereien bedacht wurde, sondern am Ausschuss hängen geblieben bin.
Dann gehe ich ins Bett. Ich träume von Herrn Cs. Keksen in der Oberstufe. Und weiß nicht mehr, was wirklich schlimmer ist.

Ist aber auch egal. Weg ist weg. Und hübscher als so ein paar Hanf-Cracker sehen diese kleinen Becher auf jeden Fall aus. 

Samstag, 25. Juni 2016

139. Akt

Ich sitze in der S - Bahn nach Hause. Ein bisschen Candy Crush, ein bisschen aus dem Fenster schauen und sich am Sommer freuen.
Schräg vor mir sitzen zwei Paare im besten Alter. Ich bin zu müde, um lange über die Vier nachzudenken. Aber sie sehen alle nett aus. Schön ist´s. Völlig entspannt und unvermittelt steht eine der beiden Damen auf, um einer anderen den Platz anzubieten. Ich schaue nach links und sehe die Frau mit der Sturmfrisur und dem etwas verstörten Blick. Was dann kommt überrascht aber selbst mich. Die Frau, die ihren Sitz anbietet wird nämlich von der Frau, der das Angebot gilt, ziemlich rüde angeranzt.
"Ich bleibe lieber stehen. Sie sind garantiert nicht jünger als ich!"
Bei genauerem Hinsehen mögen wirklich nicht so viele Jahre zwischen den beiden liegen, aber einen angebotenen Platz gleich derart als Beleidigung zu werten. Ich weiß ja nicht.
Als mir ein kleiner Junge mal seinen Platz im Bus anbot, fühlte ich mich zwar ein bisschen welk, aber ich hab ihn nicht gleich beleidigt angeblökt, dass er mir jetzt Rente UND Therapie zahlen muss.
Manchen Menschen kann man es echt nicht recht machen. Künftig lass ich mir auch vorher den Ausweis zeigen, bevor ich jemandem den Platz anbiete. Vielleicht ist der alte Mann oder die alte Frau, die schwächer als ich auf den Beinen zu sein scheint, in Wirklichkeit erst 20 und bloß stärker gezeichnet vom Leben als andere.




Freitag, 24. Juni 2016

138. Akt

Im Flugzeug nach München. Die Klimaanlage bringt meine Körpertemperatur langsam wieder aus dem fieberhaften Bereich, aber ich will nicht jammern. Ich wollte Sommer und nu isses halt heiß. Ich mag das. Neben mir sitzt niemand. Das mag ich auch. Kein unnötiger Smalltalk über wer, wohin und warum und wie die letzten Tage waren. Einfach ab ans Fenster und eine Stündchen schlafen.
Vor mir setzt sich eine monatlich erblondende Frau. Sie hat einen coolen Stil und wirkt extrem gediegen. Eigentlich lobenswert.
Entgegen dem Trend raspelt sie auch nicht wie alle anderen (mich eingeschlossen) auf ihrem Handy rum, sondern löst ein Kreuzworträtsel.
Zwischendurch fährt sie sich mit dem Stift immer wieder in ihre Hochsteckfrisur. Ganz aparte Gestalt, denke ich.
Dann wird mir die Stift im Haar Geste aber doch zu auffällig.
Ich schaue genauer hin und lehne mich nach vorne. Fast berühre ich mit meiner Nasenspitze ihre Kopfstütze. Und ich glaube kaum, was ich da zu sehen bekomme.
Wer schon mal Kinder durch den Kindergarten gebracht hat, der weiß gleich, um was es geht. Auf dem fein säuberlich gezogenen Scheitel meiner Vorderfrau findet offenbar eine Versammlung statt. Die Dame hat Läuse. Ich lege mich weit zurück in meinen Sitz.
Und wieder kratzt sie sich mit dem Stift auf dem Kopf. Dann rätselt sie weiter. Ich überlege, ob die nächste Frage vielleicht heißt: „Wie heißt die klassische Bezeichnung der Pediculus humanus capitis?“
Vier Buchstaben, quer.
Was soll ich machen? Mich nach vorne lehnen und flüstern „Ich sehe kopulierende Läuse auf Ihrem Scheitel.“?
Oder auf einer imaginären Harmonika den Flohwalzer spielen und hoffen, dass sie kapiert, was ich meine?
Mittlerweile juckt es mich ja schon selber überall. Jede Frau mit Naturkrause weiß, was es bedeutet, dieses Geviech auf dem Kopf zu haben. Nissenkämme in Naturkrause sind wie Großstadt-Rasenmäher im Dschungel. Wertlos.
Ich beschließe nichts zu sagen. Muss mir ja nicht jeden mit meiner Entdeckungsfreude und Wahrheitsliebe zum Feind machen. Außerdem habe ich nicht vor mit der Dame zu kuscheln. Eine Reihe vor mir ist Abstand genug. Von da bis hier kommen die Dinger sicher nicht. Aber an Schlaf ist trotzdem nicht zu denken. Okay. Bleib ich halt wach.

Und als es ans Aussteigen geht, halte ich ein bisschen Abstand. Ich weiß, das ist nicht nötig. Aber sicher ist sicher. Wie gesagt. Akku-Mäher im Dschungel... vergiss es.   

Donnerstag, 23. Juni 2016

137. Akt

Es geht immer schlimmer. Manche jammern, wenn ihnen eine Fliege ins Auge rauscht. Andere wiederum, wenn ihnen ein Vogel aufs Auto sch***t. Und dritte erst dann, wenn der Vogel, der ihnen aufs Auto macht, auch noch der Wellensittich der eigenen Tochter ist.
Aber im Prinzip – und das wissen wir alle – ist sowas alles bloß unwichtiges Tralala. Uns geht es prima. Wir sind weitgehend gesund und haben mehr als genug von allem was wir brauchen. Bei wenigen Menschen sieht das aber ganz anders aus.
Kurz vor dem Abitur habe ich die Gebärdensprache gelernt. Nicht unbedingt so gut, dass ich eine Enzyklopädie hätte übersetzen können, aber doch so gut, dass es mich durch die ein oder andere Abi-Prüfung bugsiert hat. Ich war nämlich nicht die einzige in meiner Stufe die sich wortlos verständigen konnte und ich war damals gar nicht schlecht im Gebärden. Heute ist das anders.
Sollte ich jetzt jemanden in der Gebärdensprache fragen, wo der nächste Bäcker ist, dann würde ein Taubstummer in meinen Gesten lesen, dass ich gerne seinen Chihuahua vergewaltigen möchte. Wenn man nicht dranbleibt, verlernt man Dinge eben.
Jetzt könnte man natürlich sagen, dass taubstumme Menschen sehr unter dem Fehlen dieses Sinnes leiden. Aber meine Erfahrung ist, dass jedes Fehlen eines Sinnes die anderen Sinne noch besser schult. Das Genialste, was mir ein taubstummer Freund mal gebärdet hat, war die Aussage: „Es geht mir prima. Ich muss viele Dinge nicht hören. Außerdem stell dir mal vor, ich hätte zusätzlich keine Arme. Dann ginge es mir doch erst richtig mies, oder?“ Was haben wir an dem Tag gelacht.
Seitdem bin ich mir sicher. Menschen denen ein Sinn versagt bleibt, haben wirklich besser geschulte verbliebene Sinne. Zumindest der Sinn für Humor ist hier stärker ausgeprägt als bei denen, die glauben, dass ihnen nichts fehlt.

Mittwoch, 22. Juni 2016

136. Akt

Sooooo... nachdem wir uns alle dem Familienzuwachs gewidmet haben, verbringen meine Mutter, meine Tochter und ich die Nacht im Hotel. Ich habe für jeden von uns ein Einzelzimmer gebucht. Zum einen gibt es so kein Streit ums Fernsehprogramm und zum anderen können wir uns nicht gegenseitig Schnarchen oder Quatschen im Schlaf vorwerfen. Um 9 Uhr treffen wir uns zum Frühstück. So ist es verabredet. Da ich weiß, dass Tochterkind ihren Wecker bisweilen überhört, klopfe ich an ihre Tür.
Ich klopfe lang und ausgiebig. Und genau dann, als vermutlich der letzte auf der Etage aufgewacht ist, öffnet sie einen Spalt und steckt müde ihren Kopf heraus.
Bin in fünf Minuten da.“
Okay, aber bitte nicht in dem Pyjama, den du noch trägst.“
Am Aufzug treffe ich meine Mutter. Tja, wir Senioren der Familie sind halt pünktlich. Kaum im Frühstücksraum angekommen, legen wir unsere Handtaschen zu einem Tisch und orientieren uns in Richtung Brötchen.
Noch beim Kaffee stehend, spricht mich ein Mann an. „Guten Morgen junge Frau.“ Ich drehe mich um und sehe einen Kerl vor mir. Etwa 1,85m groß, grauhaarig und nicht völlig gesichtsverhagelt.
Aber der meint mit dem Morgen-Gruß gar nicht mich. Sondern meine Mutter. Oha... ich ziehe mich bis hinter das Obst zurück und beobachte die Szene. Wenig später bin ich mit der Honigauswahl beschäftigt, als ich sehe, wie sich der Typ langsam an unseren Tisch heranpirscht. Und während meine Mutter völlig unschuldig ihr Brötchen schmiert, fängt der Kerl an übers schlechte Wetter, die Lage des Hotels und seine Reisepläne zu parlieren. Ich fass es nicht. Der baggert meine Mutter einfach so von der Seite an.
Ich stelle meinen Teller an den Tisch und schaue, was es so zu bereden gibt. Als ich höre, dass er mit Mitte 50 leider viel zu oft alleine reist, drehe ich mich wieder in Richtung Buffet, da ich sonst vor Lachen mein Rührei über den Tisch verteilen werde. Mitte 50? Hallo meine Mutter ist die hotteste Ü-Siebzigerin der Welt. In sicherer Entfernung geht das Ganze weiter.
Ich beobachte, wie meine Tochter den Raum betritt und sich zu meiner Mutter und ihrem „neuen Freund“ gesellt. Eine Minute später steht sie grinsend auf und kommt zu mir hinter die Bananen.
Oma ist ja ein ganz schöner Feger.“
Wir kichern beide.
Irgendwann schleicht sich Muttis neuer Fan dann von dannen und wir beenden das Frühstück in unserer Drei-Generationen-Kombo.
Vor uns liegen drei Stunden Rückfahrt. Ich bin sicher, dass wir heute schneller sind als gestern auf dem Herweg.
Na ja... als wir eine Stunde später auf der Autobahn wieder vor einer Vollsperrung stehen, haben wir wenigstens ein Gesprächsthema. Tochterkind und ich planen Omas Hochzeit mit dem Frühstücks-Baggerer, während sie uns für bekloppt erklärt.



Dienstag, 21. Juni 2016

135. Akt

Yesssssss! Unsere Familie hat sich essentiell erweitert. Das mag für den einen oder anderen, angesichts unserer nahezu mafiösen Präsenz etwas bedrohlich klingen. Ist es aber nicht. Mit Jonathan Ben wurde ich zum zweiten Mal zur Großtante, meine Kinder zu Großcousins und meine Mutter zur Uroma. Also herzlich Willkommen kleiner zauberhafter Kerl.
Mein Sohn meint, dass er den Kleinen spätestens ab der Kindergartenzeit mit ständig wechselnden Namensgebungen ordentlich traumatisieren will, damit er richtig in die Familie passt.
Ich nenne ihn abwechselnd Joe, Nate, Ben, JoBe, Nathan, Jona und so weiter.“ meint er. „Und wenn ich ihn richtig ärgern will, dann nenne ich ihn nach Justin Bieber J.B.“
Tja... irgendwo ist bei meinem Nachwuchs in Sachen Kreativität etwas anders gelaufen als bei anderen.
Um den Kleinen ordentlich zu begrüßen, beschließen meine Mutter, meine Tochter und ich, uns drei Stunden ins Auto zu setzen, um die Neu-Eltern und ihr Junges zu besuchen. Wie die heiligen drei Könige, bzw. Königinnen begeben wir uns also auf die A8.
Wir sind nicht die Einzigen, die in die Richtung wollen, dementsprechend dauert die Fahrt dann auch satte fünf Stunden. Egal. Ein Kind ist uns geboren. Da wollen wir hin. Basta!
Die Übernachtung ist gebucht und beladen mit Geschenken machen wir uns auf zum Haus der erweiterten Familie. Kurz eventuelle Stillzeiten abgecheckt. Geklingelt. Aufzug. Traraaaaaa! Hier sind wir.
Es beginnt das klassische „Hach ist der süß“ und ehrlich gesagt muss ich gestehen, hach der ist nicht nur süß, sondern absolut zum knutschen. Um ein paar Leute zu erschrecken und die Gerüchteküche anzuheizen posten wir erst mal ein Foto meiner Tochter mit dem Neugeborenen bei Facebook. Tja, das wäre doch mal ein Grund für ein paar Tage schulfrei.
Dann gibt´s Kaffee und Kuchen. Es ist schon ein bisschen komisch für mich, wenn mein eigenes Baby nun diesen kleinen Knopf im Arm hält. Auch wenn mein Baby schon sechzehn ist.
Ich frage mich, wie viel Zeit mir noch bleibt, um irgendwann mal die schärfste Oma des Planeten zu werden. Ich gebe mir noch gute zehn Jahre.

Und dann halte ich Jonathan Ben ihn auch ein bisschen. So knuddelig, süß und warm. Und das Beste ist, wenn er schreit, dann kann ich ihn immer noch süß und knuddelig finden. Und seinen schönen und glücklichen Eltern in den Arm drücken. Happy Birthday, kleiner J.B. :-)

Montag, 20. Juni 2016

134. Akt

Du, ich hab dein Buch gekauft, aber ich verstehe da was nicht...“
Kein Problem, denke ich mir. Wenn mich jemand auf meiner Autorenseite so nett anfunkt, dann antworte ich in der Regel gern und zügig.
Also frage ich nach, um welches meiner Bücher es sich handelt und wo die Verständnisschwierigkeit liege.
Na um 33 Grausamkeiten geht es. Kannst du mir da mal was erklären?“
Ja. So gut es eben geht. Welche Geschichte meinst du?“
Ich checke schnell, ob es sich bei dem Schreibenden um einen Geistlichen handelt, der mit der Gedichte-Sequenz „Die sieben Todsünden“ ein Problem haben könnte.
Ist aber nur ein Unternehmer aus dem Schwäbischen. Ich bin beruhigt.
Das geht so nicht. Es geht ja um mehrere Geschichten und prinzipiell um ein paar Dinge.“
???“
Wann können wir uns sehen? Ich lade dich der Einfachheit halber zum Essen ein und dann kannst du mir erklären, wie du das ein oder andere meinst. Ich fühle mich nämlich an ein paar Stellen persönlich angesprochen.“
Nicht schon wieder... Wenn ich mit jedem dieser oder ähnlicher Fälle essen ginge, dann hätte ich die Grenze zur Adipositas schon vor ein paar Monaten überschritten. Was mich allerdings ein bisschen verstört, ist die Tatsache, dass sich jemand persönlich angesprochen fühlt. In einem Buch, das „33 Grausamkeiten“ heißt.
Lieber xyz. Ich gehe prinzipiell nicht mit Menschen essen, die ich nicht persönlich oder gemeinsam mit Dritten kenne. Ich beantworte deine Fragen gerne. Schriftlich. Aber ein persönliches Treffen schließe ich leider aus. Mit besten Grüßen. Manuela
Hab ich mir gleich gedacht. Du bist bestimmt ein Fake! Brauchst mir auch nichts zu erklären. Bin ja nicht zu blöd zum selber lesen. So eine wie dich brauch ich gar nicht. Solltest du deine Meinung zu einem Treffen noch mal ändern, dann kannst du dich gerne an mich wenden. Gruß xyz.“ 
Nun bin ich aber hochgradig irritiert. Innerhalb von vier Zeilen werde ich als Fake tituliert, und lese gleich zwei Meinungsumschwünge. Und...äh.... nö! Ich denke nicht, dass ich meine Einstellung hier noch mal ändern werde. Aber vielleicht kannst du ja einen kleinen Stuhlkreis zusammenstellen und meine Bücher dort inhaltlich mit Gleichgesinnten diskutieren. Und dann geht ihr alle gemeinsam essen.

Sonntag, 19. Juni 2016

133. Akt 

Nein, du hier?“ „Na sowas.“ „Schön dich zu sehen.“ „Schade, muss direkt weiter.“ „Melde dich mal.“
Küsschen rechts, Küsschen links.
Weg isser.
Äh ja... klar. Mach ich. Wenn mir bloß wieder dein Name einfiele.
Ist schon blöde, so ein kleiner juveniler Alzheimer-Anfall, wenn man einem alten Freund, ehemaligem Mitschüler oder früherem Kollegen gegenübersteht.
Ganz offenbar ist mir der Name in keiner Gehirnwindung hängen geblieben. Umso anhänglicher ist aber sein Rasierwasser. Ich weiß zwar nicht wie es heißt, aber irgendwas wie „Penetranz“ oder „unverfliegbar“ muss im Namen vorkommen. Wie viel hat er denn heute morgen aufgesprüht? Kann man das noch in Litern messen?
Ab jetzt laufe ich in einer Wolke von irgendwas rum, das ich mir weder selber aufgetragen, noch auch nur ansatzweise gewünscht habe.
Sandelholz, Moschus, Zitrus, Leder, Tabak. Und von allem zu viel. Also, keine Duftnoten, sondern gleich ein fulminantes Konzert.
Das Blöde ist nur, dass Parfums bei mir immer völlig anders riechen, als in der Flasche oder bei anderen. Was bei einer Freundin nach lauem Sommerabend auf einer Blumenwiese riecht. Wirkt bei mir eher so, als hätte ich innig mit einem Iltis geknuddelt.
Wenn ich Moschus auftrage, dann riecht es spätestens nach zwanzig Minuten nur noch nach Ochse. Und Chanel No.5 riecht bei mir nach „oh... da bin ich im Bordell aufgewacht.“
Nur mit zwei, drei Parfums kann ich etwas anfangen, ohne dass sie mich olfaktorisch völlig entstellen.
Nun ja. Das mir aufgedrängte Rasierwasser verwandelt mich geruchlich mittlerweile in ein Minenfeld aus Geruchspartikeln. Und weil ich mich schon kaum noch selber riechen kann, fahre ich heim und springe erst mal unter die Dusche. Und da fällt mir dann auch wieder der Name des Rasierwasser-Begatters ein.

Okay. Ex-Kollege. Werde mich tatsächlich mal melden. Vielleicht können wir beruflich irgendwas gemeinsam auf die Beine stellen. Aber eins ist klar. Wenn ich mich melde, dann mach ich das außerhalb des Rasierwasser-Einzugsgebiets. Ich rufe an. Besser ist´s.      

Samstag, 18. Juni 2016

132. Akt

Der Frühling ist vorbei und man könnte meinen, dass durch Hitze bedingte hormonelle Defekte dem Regen zum Opfer fallen. Aber nein.
Manche Menschen sind zu jeder Jahreszeit und jeder Wetterlage auf der Suche. Und zwar auf absolut jeder sich bietenden Plattform. Bei Facebook schüttelt frau ja nicht mal mehr müde mit dem Kopf, wenn man mit Ein- bis-Zweiwort-Anmach-Sprüchen wie „Spitz?“ oder „Will dich“ romantisch überzeugt werden soll. Bei anderen Internet-Netzwerken bleibt man diesbezüglich weitgehend verschont. Wenn dann aber mal ein begattungswilliges Männchen den Weg zu LinkedIn oder XING findet, dann liest sich das weit verblüffender. Folgende Bewerbung finde ich heute in meinem LinkedIn Verlauf:

Frauen sind für mich einfach göttliche Wesen! Meine Passion ist es, Ihnen zu ihrem Wohlbefinden und Vergnügen zu dienen. Meine Dienstleistungs- und Service-Angebote richten sich an selbstbewußte Damen in führenden Positionen, die bestimmen, lenken und wissen was sie wollen. Ich selbst pflege einen völlig entspannten Umgang mit meiner Nacktheit, körperlichen Berührungen und sinnlich-erotischen Reizen. Berufserfahrung.“

Aha! Denke ich. Eine gesteigerte Version des potentiellen Nackt-Putz-Dienstleisters, dem die Mama früher so lange den Hintern versohlt hat, bis es ihm gefiel. Aber die Bewerbung geht ja noch weiter. Denn nun wurde auch noch explizit auf den extravaganten physischen Part eingegangen:
Personal Fitness 2015 Zu meiner körperlichen Ertüchtigung suche ich starke und überlegene Frauen zum Mixed Wrestling, aber gerne auch Männer zum Nude Wrestling. Zur Erheltung meiner Arbeitskraft und körperlichen Leistungsfähigkeit benötige ich eine harte und konsequente Personal Fitnesstrainerin. Für meine Freizeit suche ich Kontakt zu Personen und Gruppen, die nackt Sport treiben, z.B. Wandern, Radfahren, Nacktyoga, Schwimmen, Reiten, Ringen, Mannschaftssport u.ä.m.weniger“

Na ja. Überlegen fühle ich mich schon, denn der Lachflash, der mich gerade überfällt, haut mich nicht langfristig aus den Latschen. Mixed Wrestling? Nackt Sport? Nackt Fahrradfahren? Fahrradfahren?
Der fährt bestimmt auch ohne Sattel! Sonst noch was? Vielleicht auch noch nackig Rasen mähen und nackig zum Tengelmann? Schon mal nackig einen Elternsprechtag besucht? Hat bestimmt was. Dann kann man vermutlich erst mal ein Weilchen in der Klapse verbringen. Aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht mal nackig. Aber so ne Zwangsjacke kleidet vielleicht auch ungemein.
Noch mal zum ganz langsam mitlesen (egal ob nackig oder bekleidet):
Facebook, LinkedIn und XING sind nicht Parship oder „hui-bin-ich-heut-aber-wieder-scharf-auf-blöde-Anmachen.de“. Dafür müsst ihr dann woanders suchen. Jeder Topf findet seinen Deckel. Aber die Seiten, die euren Deckel präsentieren, die haben vielleicht andere Endungen als .com und .de.
Nachdem ich meine Mutter und meine Schwestern mit den Zeilen des Bewerbers erheitert habe, habe ich die Anfrage gelöscht. Unter meinen Bekannten ist keine, die gerne wrestled. Aber keine Sorge Mädels. Den nächsten Heini, der mal wieder nackig das Haus wienern will, leite ich dann wieder an euch weiter. Sachen gibt’s...



Freitag, 17. Juni 2016

131. Akt

Ist mir jetzt völlig schnuppe, ob es regnet oder nicht. Sommer ist, was in meinem Kopf passiert, heißt es. Und so isses jetzt auch. Basta!
Und deswegen kommt es zum halbjährlichen Schrankumbau. Das heißt, alle Wintersachen und was nach „Mist, ich hätte den Schneeschieber nicht so weit wegräumen sollen.“ aussieht, kommt jetzt in den Keller. Im Gegenzug kommen die „Hui-das ist aber mal sommerlich kurz/dünn/lockerflockig“-Kleider rauf ins Ankleidezimmer. Ähnlich verhält es sich auch mit den Schuhen. Alles was Profil braucht und sich der Wade nähert kommt runter in den Schuhschrank und Riemchen etc. kommen rauf.
Auf dem Weg nach oben oder unten wird dann auch noch aussortiert, was definitiv nicht mehr getragen wird oder einfach völlig hinüber ist.
Und so, wie jedes Jahr, fallen mir bei den Wintersachen Stücke auf, auf die ich mich im letzten Herbst gefreut habe, aber die ich nicht ein einziges Mal zwischen Oktober und jetzt anhatte. Das wird sich ändern, denke ich. Beim nächsten Kleiderwechsel, hänge ich das schöne Strickkleid ganz nach vorne. Dann ist es fällig. Und die hübsche Strickjacke auch. Aber jetzt geht der ganze Senf erst mal aus dem sommerlich eingestellten Blickfeld.
Bei den Sachen, die ich nach oben räume, springen mir auch ein paar Teile ins Auge, die ich ab jetzt, gleich, sofort unbedingt anziehen will. Vorausgesetzt, es passen Gummistiefel dazu oder es hört endlich mal auf zu regnen. Wie inkonsequent ich bei der Hin- und Herräumerei und dem Aussortieren bin, zeigt sich, als ich noch eines meiner Schwangerschaftskleider finde. Tja. Ist wohl auch schon Vintage? Aber mit ´nem Gürtel?
Diesmal ist es fällig. Es wird in eine der „Erinnerungs-Boxen“ gesteckt, zu den Stramplern von Kind 1.0 und 2.0.
Aber kaum mache ich die Erinnerungsbox auf, fällt mir eine Leo-Print-Jacke ins Auge, die ich vor ein paar Jahren als untragbar aussortiert habe.
Gar nicht so übel, denke ich mir. Und auch wenn die vernünftige Stimme in meinem Kopf schreit: „Lass das Ding im Karton. Das wirst du garantiert nicht anziehen.“, kann die Fashionista in mir nicht widerstehen.
Passt doch prima zu dem schmalen schwarzen Rock (den ich noch gar nie angehabt habe) und den sandfarbenen Body (den ich ebenfalls noch nicht getragen habe). Mist! Dilemma! Ich räume alles hoch in den Schrank und überlege, ob es nicht besser gewesen wäre, mit dem Umräumen bis zum echten Sommerbeginn zu warten. Aber was solls. Zur Not passt über alles der schöne helle Trenchcoat. Der ist wasserfest.


Donnerstag, 16. Juni 2016

130. Akt 

Die super Style-Berater bei Facebook oder sonstwo im Internet geben ja bisweilen ordentliche Tipps, was man so aus sich machen kann. Manchmal verdonnern sie einen aber auch zu irgendeinem blöden Trend, den man selbst dann nicht mitmachen würde, wenn die Alternative wäre, nackt durch die Straßen zu laufen. Diesmal ist es ein Frisurentipp, der mit großen Lettern darauf hinweist, wie ich meinen Dutt unbedingt tragen MUSS. Genau so. Nicht anders. Sonst wirst du als out und retro durchs Raster fallen, und jeder wird erkennen, dass du modisch ein Honk bist.
Ich poste den Artikel und schreibe dazu, dass ich dumm-dämlicher Dussel gerade versehentlich gar keinen Dutt trage. Schon allein, weil so was bei mir aussieht wie der Griff zum Wegschmeißen. Es entbrennt eine Diskussion, ob diese Frisurenform generell spießig, altbacken und Frau-Rottenmeier-like ist, oder doch irgendwie hip und trendy.
Ich zwirble mir mal kurz so einen Knoten auf den Kopf, und es wirkt, als ob man daran meine Lautstärke hoch und runter drehen kann, oder als wäre es der Button, bei irgendeinem doofen Quizspiel.
Nee, das ist nix für mich. Klar sieht man das gerade überall, und manch eine sieht damit echt scharf aus. Aber ich kann nix anderes feststellen, als dass ich damit ein bisschen albern wirke. Vielleicht irgend eines Tages. Wenn man das Teil so heftig hochdröseln kann, dass es auch noch eventuelle Falten aus dem Gesicht zieht. Ja. Dann denke ich da nochmal drüber nach. Aber so? Nö. Lass mal.
Es steht eben nicht immer Jedem alles. Egal, wie hip es ist.

Und sogar egal, wie alt man ist. Es gibt Rentnerinnen, die haben mehr Style, Mut und Genie in ihren Kombinationen, als jede Instyle, Vogue und Elle sich auf ihre Seiten zu drucken traut. Und im Gegenzug gibt es manch eine, die sich für eine Trendsetterin hält, aber letztendlich lediglich ein Fashion-Victim ist. Und zwar im wahrsten Wortsinne. Gerade eben nicht alles zu tragen, was alle tragen, sondern zu wissen, was einem steht und worauf man gerade Bock hat, ist meines Erachtens „in“. Also überlasse ich das mit dem Dutt auch mal denen, die damit so aussehen, wie sie aussehen wollen. Und nicht, weil man das Zwirbel-Teil gerade unbedingt tragen MUSS.    

Mittwoch, 15. Juni 2016

129. Akt

„Lange Nacht der Chöre“ hieß es vor ein paar Tagen bei uns. Und meine Tochter bat mich, den Auftritt ihres Teams zu fotografieren. Ihr Team nennt sich Kammerchor und ist einer der genialsten Chöre, den ich je gehört habe. Muss ich natürlich sagen. Ich bin ihre Mutter. Aber mir fiele auch nichts anderes ein, wenn ich nur zufällig in die Kirche gestolpert wäre. Qualität muss man würdigen. Basta!
Fünf Chöre treten auf, und um 19.30 Uhr geht es los. Als Erstes singt eine gemischte Gruppe aus Gospel und örtlichem-Chor. Sie singen echt prima. Blöd nur, dass man im Programm aufgefordert wird, die Augen zu schließen und die Musik zu genießen. Dafür hätte ich nicht die beiden Weinchen am Stand vor der Kirche trinken dürfen. Wenn ich jetzt die Augen schließe, dann wach ich erst zum finalen Applaus auf.
Der Chor, der folgt, ist der Männergesangsverein. Schwarze Hosen, weiße Hemden, grüne Westen, Janker und rote Krawatten. Dazu ein farblich passendes Gesangbuch. Ich bin ein bisschen... sagen wir "besorgt". Drei Männer aus dem U-50-Team senken das Durchschnittsalter in den zweistelligen Bereich. Ansonsten tippe ich auf pensionierte Zahnärzte, Rektoren und höhere Beamte. Jeden von ihnen kann ich mir auf einem Hochsitz mit Flinte im Anschlag vorstellen. Den Hirsch fest im Blick. Im Kontrast dazu, singen sie vom Abschied von jungen Mädchen auf irgendwelchen Weiden. Ein bisschen beängstigend, bei dem Anblick, aber es klingt trotzdem nicht übel.
 An Schlaf ist nun definitiv nicht zu denken.
Dann kommt ein Chor, der mit einem geographischem Sprechgesang begeistert. „Fuge aus der Geographie“ heißt das Ding. Alles lacht sich schlapp, wegen des Textes. Aber zum Schluss wird vor Freude getobt. Yepp. Lautstarker Applaus in der Kirche. Das gibts auch.
Dann kommt eine Pause.
Dass ich schon wieder die Erste am Getränke-Stand bin, liegt daran, dass ich halt recht weit hinten sitze. Prost.
Kurz bevor es weiter geht, steige ich die Treppe nach oben auf die Empore. Meine Kamera fest im Anschlag. Mein Herz klopft. Das liegt nicht nur daran, dass mir langsam das Sonnenlicht verschwindet, sondern daran, dass ich gleich diesen Haufen genialer junger Menschen auf der Bühne sehe.
Jedes Mal wenn dieser Chor auftritt, könnte ich heulen vor Stolz. Die achten bis zwölften Klassen unseres Gymnasiums stehen hier mit ihren besten Sängern. Alle in schwarzen Kleidern und schniekem Anzug. Wenn jetzt noch jemand etwas über eine verkommene Jugend sagt, dann strecke ich ihn mit einem rechten Schwinger für die nächsten zwei Stunden nieder. Unter der Empore nehmen sie Aufstellung und marschieren dann fröhlich und motiviert nach vorne auf die Bühne.
Den Chorleiter würden vermutlich 80% meiner Freundinnen als Mega-Schnittchen bezeichnen und direkt von der Bühne in ihren Bau schleifen. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so sehr für das brennt, was er tut. Er hat den Chor in mehr als fünfzehn Jahren mit den immer nachwachsenden Schülern zu dem gemacht, was er ist. Meinen Respekt hat er.
Und los geht es. Die nächsten fünfundzwanzig Minuten lausche ich und versuche den Chor aus jeder Perspektive mit meiner Kamera einzufangen. Zwischendurch würde ich gerne auf die Bühne laufen und meine Tochter knuddeln. Mutterstolz eben. Aber sie würde mich vermutlich vierteilen. Mindestens. Also lasse ich das. Sie beginnen mit „Sunny“ von Bobby Hepp und enden mit einem phänomenalen „Were you there“.
Als sie fertig sind, beschließe ich, die Kirche zu verlassen. Dass ich damit den letzten Chor verpasse, nehme ich in Kauf. Mehr Euphorie kann ich ohnehin nicht mehr ertragen.
Drei Stunden später ist meine Tochter im Bett und die Fotos sind bearbeitet. Blöd nur, dass mir die Lieder von Wald und Heide nicht aus dem Kopf gehen. Ich glaube, der Männergesangsverein hat mich traumatisiert. Egal. Am Donnerstag tritt der Kammerchor wieder auf. Dann tacker ich mich am Stuhl fest. Sonst werde ich in meiner Begeisterung noch über die Maßen auffällig.


Dienstag, 14. Juni 2016

128. Akt

Letztens in der BILD: „Forscher beweisen Tätowierte sind öfter arbeitslos“
Wow!!! Das müssen ja super-wahnsinns Forscher sein. Sind es gar tätowierte Forscher? Ach nee... die lungern ja vor den Labors rum, weil sie keine Arbeit haben. Ist ja auch ein brennend heißes Eisen, ob man mit Segelschiff und dem Schwiegermutter-Konterfei auf dem Arm schlechtere Karten im Büro hat. Vorurteile gegenüber Tätowierten, Kleinen, Großen, Blonden, Brünetten, Rothaarigen, Schwarzen, Weißen, Schlauen und Idioten sind ja so neu eigentlich nicht. Aber jetzt werden sie also mit Studien und durch Forscher belegt.
Manche Headline ist derart superdämlich, dass man sich fast einen „Brech-Smiley“ auf die Stirn tätowieren lassen will. Ich lass es aber besser sein. Vermutlich verliere ich dann meinen Job. Äh... nee. Ich bin selbstständig. Das heißt, ich kann mir Ernie und Bert auf den Hintern und das Krümelmonster auf die Brust zeichnen lassen. Da bin ich flexibel.
Was kommt also als nächstes?
"Menschen, die Ufo-Sichtungen erlebt haben, leiden häufiger unter Nackenstarre"?
"Personen mit Autos oft aktiv in Verkehrsunfälle verwickelt"?
"Highheels-Trägerinnen leiden stärker unter Föhn und Hochdruck-Gebieten"?
Die Dinge, an denen manches festgemacht oder gemessen wird, wirken derart an den Haaren herbeigezogen, dass einem die Extensions ausfallen würden, wenn man denn welche hätte.
Es werden Sachen in Relation gestellt, die so ziemlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben.
Wie wäre es mit: „Raumfahrer, die als Baby ihr Obstgläschen nicht aufgegessen haben, schwitzen deutlich mehr in ihren Raumanzügen"? 
Hipp und Raumfahrt? Warum nicht. Irgendeine Verbindung kann man da sicher stricken.

Sollte jemals ein Chef die Qualifikation eines Mitarbeiters an einem vorhandenen oder nicht vorhandenen Tattoo messen, dann wünsche ich ihm genau das, was er/sie dafür verdient. Und das kann nix Gutes sein.

Montag, 13. Juni 2016

127. Akt

Es ist Sonntagmorgen und ich gehe Brötchen holen. Auf dem Weg durch eine Siedlung kurvt ein etwa Vierjähriger fröhlich auf seinem Fahrrad um den Spielplatz. Ich mag Kinder.
Ich mag die Unbeschwertheit, die ihnen dann in der Schule mühevoll abtrainiert wird und die sie sich als Erwachsene für teuer Geld beim Therapeuten wieder abholen können.
Als der Kleine vor mir stehen bleibt und mich angrinst, erinnere ich mich allerdings an das Trauma, das ein etwa Dreijähriger auslöste, als er mir aus seinem Buggy heraus „Hey, du geile Sau.“ hinterher rief.
Damals war ich drauf und dran den Buggy-schiebenden und breit grinsenden Vater ordentlich zu vertrimmen. Aber was solls? Das hätte vermutlich auch nicht korrigierend in die Erziehung eingegriffen.
Jetzt steht als dieser Kurze vor mir. Den gelben Helm ein bisschen schief auf dem Kopf. Den Lenker fest in beiden Händen und ein Grinsen, dass den ersten Wackelzahn andeutet.
„Wie heißt du denn?“
„Ich heiße Manuela. Und du?“
„Dennis.“
„Wohnst du hier?“
„Nicht hier direkt, aber zwei Straßen weiter.“
„Kann ich mitkommen?“
„Zu mir?“ Es treibt mir den Angstschweiß in den Nacken. Nicht, weil mir hier ein kleiner Junge fröhlich einen Besuch aufdrängt, sondern weil ich mir vorstelle, was passiert, wenn er die Frage einem Falschen stellt.
„Du Dennis, du darfst niemals mit fremden Leuten mitgehen.“
„Aber du bist nicht fremd. Ich weiß wie du heißt, und ich habe dich schon mal gesehen.“
Na prima. Dann können wir ja heiraten. Das sag ich natürlich nicht. Ich überlege, ob und wie ich dem Kleinen verklickern kann, dass es ziemlich gefährlich ist, was er hier macht.
„Bist du schon alt?“
„Äh... na ja. Deutlich älter als du, auf jeden Fall.“
„So alt wie meine Oma?“
„Wie alt ist denn deine Oma?“
„Die ist schon tot. Die war tot-alt.“
Ich überlege, ob das Gespräch jetzt die Wendung nimmt, nach der ich ihn vom Rad schubsen und selbiges über einen Gartenzaun schmeißen muss, aber er bleibt freundlich.
„Gehst du noch zur Schule?“
Jetzt bin ich dann doch wieder geschmeichelt.
„Nein, Dennis. Ich habe schon Kinder, die zur Schule gehen.“
Ich muss einen Moment nachdenken. Dann verzichte ich aber darauf, zu erklären, dass einer von beiden sogar schon aus der Schule raus ist und studiert.
Dennis stellt seine Füße auf die Pedale und meint: „Ich muss jetzt los.“
Klar. Der Spielplatz gehört ordentlich umrundet.
Ich verabschiede mich und laufe weiter. Eigentlich süß, denke ich mir. Und wünsche Dennis, dass es noch lange dauert, bis er seine Offenheit verliert.