118. Akt
"Wenn es die junge Frau macht, dann sag „extra scharf“, und wenn es
ihr Vater macht, dann sag einfach nur „scharf“. Nicht
verwechseln. Merk dir das bitte, Mama."
Klar doch. Bin doch nicht blöd. Meine Tochter bittet mich für uns
beide Döner zu holen, damit sie in Ruhe Mathe lernen kann. Und sie
hält die Instruktionen für zwingend notwendig. So ein Quatsch. Ist
ja nicht wirklich Kernspaltung, zweierlei Döner zu besorgen.
Tss tss.... ich verlasse das Haus mit Einkaufskorb, Brieftasche und
scharf/nicht scharf im Kopf.
Der Dönerladen im Dorf wird von einer Frau und ihrem Vater geleitet
und es gibt sogar Veggie-Döner und allerlei sonstiges leckeres Zeug.
Heute ist ein sonniger Tag, man watet nicht knietief im
Sommerschauer, wie die armen Leute in Niederbayern und ich gehe
beschwingt meines Weges.
Draußen sitzt die junge Frau und redet mit einer Freundin. Ich gehe
hinein und schaue mir die Süßigkeiten in der Auslage an. Dann bin
ich dran.
„Einen Döner mit Salat und Tomaten und einen Dürüm Döner mit
allem außer Fleisch, beide Soßen.“
„Scharf?“
„Ja, Extra scharf.“
Ich schaue auf mein Handy, während der ältere Herr unsere Speisen
herrichtet und verpackt. Alles in den Korb, bezahlen und „einen
schönen Tag noch.“.
Bei den ca. 468 Schritten nach Hause dämmert mir, dass ich unter
Umständen einen klitzekleinen Fehler gemacht haben könnte. Ich
hatte doch jetzt nicht „extra scharf“ bestellt oder? Ähem... na
ja... so schlimm wird der Unterschied schon nicht sein.
Zehn Minuten später sitze ich mit meiner Tochter bei Tisch und
glaube, ich blute aus den Augen. Der Alte will uns umbringen oder
was? Wenn man „extra scharf“ bestellt, heißt das dann „Töte
mich!“ oder „Ich leide gerne.“?
Das Gemüse da drinnen muss sich doch schon von selber auflösen.
Meine Lippen brennen wie Feuer und der strafende Blick meiner Tochter
trifft mich quer über den Tisch.
„Mama, hast du da was verwechselt?“
„Nö, natürlich nicht!“
Meine Eingeweide stellen einen Auswanderungsantrag und ich befürchte,
dass diese Mahlzeit für eine sehr kreative Verdauung sorgen wird.
„Wer hat dich bedient?“ Meine Tochter kann es nicht lassen.
„Der Alte.“
„Und du hast „extra scharf“ gesagt?“
„Nein, natürlich nicht. Glaubst du, ich kann mir so eine
Kleinigkeit nicht merken? Kann ich ja nix für, wenn dem Mann dann
die Chillidose aus der Hand fällt.“
„Zweimal?“
„Also ich finde es gar nicht so scharf. Stell dich nicht so an.“
Ich esse weiter, als ob nichts wäre, und der Schweiß sammelt sich in
meinem Rücken.
Auch Tochterkind isst auf. Sie trinkt dabei eineinhalb Liter Wasser
und ich bekomme ganz seichte Schuldgefühle. Sobald sie nachher
wieder in ihrem Zimmer ist, werde ich mich ein Viertelstündchen
unter den geöffneten Wasserhahn legen. Und beim nächsten Mal
bestelle ich „extra mild“. Egal, wer bedient.
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