116. Akt
Ich hatte mir ja mal vorgenommen hier nicht allzu privat zu werden.
Also quasi nicht die verbale Form vom klassischen
„Mein-Schatz-und-ich-kochen-heute-und-unsere-Spaghetti-sind-echt-lecker“-Foto
hier niederzuschreiben.
Geht gerade aber nicht. Jetzt wird es nämlich familiär. Erstgradig
sogar. Es geht nämlich um meine Mutter.
Meine Ma ist optisch lediglich Ü 60, faktisch sanft über 70 und von
der Anzahl der erreichten und besprungenen Fettnäpfchen runde 120.
Mindestens. Ach ja, von ihrer Energie her ist sie so Mitte 20.
Jeder, ob verwandt oder nicht, nennt sie Mutti. Und ich glaube sogar
mein Postbote spricht sie schon so an. Hat was, finde ich.
Alle drei bis sechs Monate dekoriert sie ihre Wohnung um. Inklusive
Wandfarbe und Bodenbelag. Außerdem berät sie die Menschen in ihrem
Umfeld in Sachen Farbwahl bei der Kleidung. Mittlerweile ist der Ort
in dem sie lebt sicher der mit den trendigsten Pensionären.
Bis vor kurzem war sie noch fest davon überzeugt, unbedingt den
Motorradführerschein machen zu müssen. Und in unserer Phantasie
sahen meine Geschwister und ich sie bereits auf einer Harley, als
Anführerin einer Gang mit dem Namen Random Randy Rentners.
Die Argumente, die wir gegen das Zweirad-Hobby brachten, zogen nicht
ernsthaft. Aber glücklicherweise empfand sie dann den Gedanken, was
so ein Helm aus ihrer Frisur macht, als Ausschlußkriterium.
Heute morgen ruft mich meine Mutter an. Eine ihrer Freundinnen hat
ihr ein Video über Pinguine geschickt. Natürlich über Facebook.
Und nun hat sie sich verliebt. In Pinguine. Schon wieder. Meine
Geschwister und ich haben ihr schon häufig vorgeschlagen, ihren
Haushalt um ein Haustier zu ergänzen. Einen Goldfisch, eine Katze
oder einen Hund. Im Tierheim gibt es so viele Tiere, die bei einer
Rentnerin mit viel Zeit echt glücklich wären, aber nun hat sie so
einen dämlichen Pinguin im Kopf. Natürlich weiß sie, dass ein
Pinguin nix für eine Etagenwohnung ist, und dass man diese Tiere
nicht als Haustier halten kann. Es ist ihr auch klar, dass diese
Beziehung weder für sie noch für den Pinguin auf Dauer lebbar wäre.
Aber allein der Gedanke in ihrem Kopf macht mich nervös.
Vielleicht sollten wir ihr einen netten Mann an die Seite stellen,
der im Smoking einen Pinguin nachahmt. Aber so eine Stelle bietet das
Arbeitsamt auch bei Langzeitarbeitslosen nicht an.
Nun denn. Sollte einer meine Ma im Zoo sehen. Mit Schraubenschlüssel,
Dietrich und Halsband in der Hand. Ruft mich an. Und rettet die
Pinguine.
Ach so. Eines noch:
Mir braucht jetzt keiner hier zu kommen und zu sagen „Sei froh,
dass du noch eine Mutter hast“. Das bin ich nämlich. Und das weiß
sie auch. Ich will auch nicht tauschen und gebe sie nicht in Zahlung.
Besser kann es nicht werden, eher langweiliger.
P.S.
Und sollte hier jetzt eine Frau Weber mit verschmitztem Blick
irgendwas kommentieren, dann beschreibt ihr doch bitte, die Vorzüge,
die einem die Gesellschaft eines Goldfisches bietet.
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