121. Akt
„Oma hat gesagt, dass du sehr wohl mal im Fernsehen gesungen hast.
Bei der NDR Talkshow warst du als Gast eingeladen, sagt Oma.“
Meine Kinder stehen vor mir und grinsen aus einer Höhe von 1,93 m
und 1,80 m auf mich herab.
Ich grinse zurück. Allerdings nur um Zeit zu schinden. Warum hat
meine Ma mich nicht einfach als Kind im Wald ausgesetzt. Dann müsste
ich mich nicht mit den Dingen auseinandersetzen, die sie mir zur
eigenen Unterhaltung in den Weg legt.
„Äh, ja. Ist lange her und war auch nicht wichtig.“
Ich versuche abzulenken und öffne unauffällig das Süßigkeiten-Fach.
Leider sind die Beiden nicht ansatzweise so leicht zu manipulieren,
wie ich es gerne hätte.
„Kann man das irgendwo im Internet sehen?“ Mein Sohn will es
wirklich wissen und ich überlege, ob ich Mutti dafür das nächste
Mal ohne Essen in den Keller sperren muss.
„Nö, ist zu lange her.“ Eigentlich kann ich beruhigt sein.
Talkshows der späten 80er Jahre sind in der Regel nicht
digitalisiert worden. Ich bleibe entspannt.
Wie fatal wäre das bitte schön? Die komplette Erziehung der letzten
Jahre könnte ich pädagogisch in die Tonne treten, wenn meine Kids
ihre Mutter als Playback-singende Hupfdohle in schwarzem Leder im TV
sehen könnten. Viel lieber würde ich ihnen die ein oder andere
Talkshow zeigen, die nicht ganz so lange zurück liegt. Da hab ich
wenigstens mehr oder weniger still gesessen und mich ordentlich
artikuliert.
Also durchforste ich das Internet nach z.B. Wieland Backes
„Nachtcafé“ und der früheren ZDF Sonntags-Talkshow „Dolce
Vita“.
Aber ich finde: Nix. Also zumindest aus den Anfang 2000ern.
Es ist ja nicht so, dass ich nicht über Aufzeichnungen der Sendungen
verfüge. Aber über einen VHS Rekorder verfüge ich im Gegensatz
nicht mehr.
Na ja, wer weiß, wofür es gut ist. Der Gedanke, dass mein Sohn und
meine Tochter die Choreographie aus der NDR Talkshow nachtanzen, nur
um mich an meine Jugendsünden zu erinnern, traumatisiert mich.
Manchmal sollte man alte Sachen einfach ruhen lassen. Vor allem, was
TV-Auftritte angeht.
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