Montag, 6. Juni 2016

120. Akt 

„Guten Tag. Mein Name ist XXX (steht für „ich bin ein Idiot, lasse es mir aber nicht gleich anmerken“). Spreche ich mit Frau Manuela Thoma-Adolfo?“
Ich könnte ihm jetzt sagen, dass da ein „L“ zu viel im Namen ist, aber ich halte das für vernachlässigbar. Auch die Frage danach, woher er meine Nummer hat, ist müßig. Das Internet ist ziemlich ungnädig, wenn man in irgendeiner Form öffentlich arbeitet.
„Ja. Guten Tag. Um was geht es bitte?“
„Es geht um Mode. Sie arbeiten schon noch als Fotomodell und Mannequin?“
Wer benutzt eigentlich heute noch diese beiden Begriffe? Das ist ja High-Class-Vintage. Aber ich weiß, was er meint und frage erneut, um was es denn geht.
„Ich wollte Ihnen einen Auftrag im Modebereich vermitteln. Ist das denn möglich?“
Nun ja. Ich laufe nur noch selten über den Catwalk. Entweder bekomme ich dafür einen Haufen Geld oder es handelt sich um einen befreundeten Designer. Charity ist auch noch drin. Für diesen Kandidaten hier würde allerdings wohl nur Ersteres in Frage kommen.
„Ja. Hin und wieder arbeite ich noch als Model. In der Regel bekomme ich Aufträge von Menschen, die ich nicht kenne, allerdings ausschließlich über meine Agenturen. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ähem, soll ich mich vielleicht an Ihre Fotomodell-Agentur wenden?“
„Na ja, jetzt sind Sie schon dran. Um was geht es denn jetzt?“
„Ähem... ähem... also es geht um eine Modenschau und einen Fototermin. Also gleichzeitig.“
„Sie möchten mich also für eine Modenschau und einen Fototermin buchen?“ Ich schaue mit einem Auge auf meinen Terminkalender. „Sind sie Designer?“
„Nein.“
„Vertreiben Sie Mode für andere Menschen?“
„Ähem... nein, auch nicht.“
Es sind mir dann mittlerweile doch eindeutig zu viele „Ähems“.
„Können Sie bitte auf den Punkt kommen? Um was geht es konkret? Eine Modenschau und ein Shooting? Wer ist der Veranstalter? Um welches Label oder welchen Designer handelt es sich? Wann und wo soll das Ganze stattfinden, und wer genau ist denn nun bitte schön der Kunde?“
„Tja. Ich.“
Pause...
„Sie?“
„Ja. Ich. Also es wäre so: Sie kommen hierher...“
„Zu Ihnen?“
„Ja ja genau. Hierher zu mir.“ (Ich glaube der Typ kollabiert gleich und ich will die Gründe dafür beim besten Willen nicht wissen) „Und dann führen Sie mir die Kleider vor, die ich bis dahin ausgesucht habe.“
„Sie meinen eine private Modenschau bei Ihnen Zuhause? Mit Fummel, den Sie vorher im Karstadt aufgetan haben?“
„Nein, nein, sie verstehen mich falsch. Es handelt sich natürlich um ganz, ganz feine Nachtwäsche und so...“
Mann mann mann... ich will gar nicht wissen, wofür „und so“ steht. Für Valium oder Baldrian ist nu auch zu spät. Ich brülle ins Telefon und frage, ob der Kandidat am anderen Ende gerade mit dem Kopf in einen Auffahrunfall geraten ist.
Der Typ hat offenbar immer noch nicht kapiert, dass er da keinen ernsthaft überdenkenswerten Vorschlag gemacht hat.
„Anfahrt und Honorar bezahle ich natürlich. Geld spielt da keine Rolle. Und eine Übernachtung ist in meinem Gästezimmer möglich.“
Aaaaaaaaaarghhhhhhhhh!!!! Das wird ja immer besser. Ich schlage ihm einige Möglichkeiten für einen erfolgreichen Suizid vor und rate ihm dann, sich in der Bahnhofsgegend umzusehen. Dort wird er bestimmt eine Hübsche finden, die ihm das Privat-Model gibt.
Er antwortet: „Nein, es kommt nur ein professionelles Mannequin in Frage.“
„Professionell sind die da ganz sicher auch!“


 Ich lege auf und überlege, ob ich mir den Hörer noch zwei dreimal auf die Rübe hauen soll, um die letzten fünf Minuten zu vergessen. Dann lass ich es aber. Meine eigene Schuld, wenn ich mich immer wieder auf dämliche Gespräche einlasse. Aber was soll´s. Wenn man fünf Minuten mit so einer gestörten Gestalt gesprochen hat, dann genießt man wieder das halbwegs normale Umfeld. Also hat doch alles sein Gutes.

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