120. Akt
„Guten Tag. Mein Name ist XXX (steht für „ich bin ein Idiot,
lasse es mir aber nicht gleich anmerken“). Spreche ich mit Frau
Manuela Thoma-Adolfo?“
Ich könnte ihm jetzt sagen, dass da ein „L“ zu viel im Namen
ist, aber ich halte das für vernachlässigbar. Auch die Frage
danach, woher er meine Nummer hat, ist müßig. Das Internet ist
ziemlich ungnädig, wenn man in irgendeiner Form öffentlich
arbeitet.
„Ja. Guten Tag. Um was geht es bitte?“
„Es geht um Mode. Sie arbeiten schon noch als Fotomodell und
Mannequin?“
Wer benutzt eigentlich heute noch diese beiden Begriffe? Das ist ja
High-Class-Vintage. Aber ich weiß, was er meint und frage erneut, um
was es denn geht.
„Ich wollte Ihnen einen Auftrag im Modebereich vermitteln. Ist das
denn möglich?“
Nun ja. Ich laufe nur noch selten über den Catwalk. Entweder bekomme
ich dafür einen Haufen Geld oder es handelt sich um einen
befreundeten Designer. Charity ist auch noch drin. Für diesen
Kandidaten hier würde allerdings wohl nur Ersteres in Frage kommen.
„Ja. Hin und wieder arbeite ich noch als Model. In der Regel
bekomme ich Aufträge von Menschen, die ich nicht kenne, allerdings
ausschließlich über meine Agenturen. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ähem, soll ich mich vielleicht an Ihre Fotomodell-Agentur
wenden?“
„Na ja, jetzt sind Sie schon dran. Um was geht es denn jetzt?“
„Ähem... ähem... also es geht um eine Modenschau und einen
Fototermin. Also gleichzeitig.“
„Sie möchten mich also für eine Modenschau und einen Fototermin
buchen?“ Ich schaue mit einem Auge auf meinen Terminkalender. „Sind
sie Designer?“
„Nein.“
„Vertreiben Sie Mode für andere Menschen?“
„Ähem... nein, auch nicht.“
Es sind mir dann mittlerweile doch eindeutig zu viele „Ähems“.
„Können Sie bitte auf den Punkt kommen? Um was geht es konkret?
Eine Modenschau und ein Shooting? Wer ist der Veranstalter? Um
welches Label oder welchen Designer handelt es sich? Wann und wo soll
das Ganze stattfinden, und wer genau ist denn nun bitte schön der
Kunde?“
„Tja. Ich.“
Pause...
„Sie?“
„Ja. Ich. Also es wäre so: Sie kommen hierher...“
„Zu Ihnen?“
„Ja ja genau. Hierher zu mir.“ (Ich glaube der Typ kollabiert
gleich und ich will die Gründe dafür beim besten Willen nicht wissen) „Und
dann führen Sie mir die Kleider vor, die ich bis dahin ausgesucht
habe.“
„Sie meinen eine private Modenschau bei Ihnen Zuhause? Mit Fummel,
den Sie vorher im Karstadt aufgetan haben?“
„Nein, nein, sie verstehen mich falsch. Es handelt sich natürlich
um ganz, ganz feine Nachtwäsche und so...“
Mann mann mann... ich will gar nicht wissen, wofür „und so“
steht. Für Valium oder Baldrian ist nu auch zu spät. Ich brülle
ins Telefon und frage, ob der Kandidat am anderen Ende gerade mit dem
Kopf in einen Auffahrunfall geraten ist.
Der Typ hat offenbar immer noch nicht kapiert, dass er da keinen
ernsthaft überdenkenswerten Vorschlag gemacht hat.
„Anfahrt und Honorar bezahle ich natürlich. Geld spielt da keine
Rolle. Und eine Übernachtung ist in meinem Gästezimmer möglich.“
Aaaaaaaaaarghhhhhhhhh!!!! Das wird ja immer besser. Ich schlage ihm
einige Möglichkeiten für einen erfolgreichen Suizid vor und rate
ihm dann, sich in der Bahnhofsgegend umzusehen. Dort wird er bestimmt eine Hübsche finden, die ihm das Privat-Model gibt.
Er antwortet: „Nein, es kommt nur ein professionelles Mannequin in
Frage.“
„Professionell sind die da ganz sicher auch!“
Ich lege auf und überlege, ob ich mir den Hörer noch zwei dreimal
auf die Rübe hauen soll, um die letzten fünf Minuten zu vergessen.
Dann lass ich es aber. Meine eigene Schuld, wenn ich mich immer
wieder auf dämliche Gespräche einlasse. Aber was soll´s. Wenn man
fünf Minuten mit so einer gestörten Gestalt gesprochen hat, dann
genießt man wieder das halbwegs normale Umfeld. Also hat doch alles
sein Gutes.
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