129. Akt
„Lange Nacht der Chöre“ hieß es vor ein paar Tagen bei uns. Und
meine Tochter bat mich, den Auftritt ihres Teams zu fotografieren.
Ihr Team nennt sich Kammerchor und ist einer der genialsten Chöre,
den ich je gehört habe. Muss ich natürlich sagen. Ich bin ihre
Mutter. Aber mir fiele auch nichts anderes ein, wenn ich nur zufällig
in die Kirche gestolpert wäre. Qualität muss man würdigen. Basta!
Fünf Chöre treten auf, und um 19.30 Uhr geht es los. Als Erstes
singt eine gemischte Gruppe aus Gospel und örtlichem-Chor. Sie
singen echt prima. Blöd nur, dass man im Programm aufgefordert
wird, die Augen zu schließen und die Musik zu genießen. Dafür
hätte ich nicht die beiden Weinchen am Stand vor der Kirche trinken
dürfen. Wenn ich jetzt die Augen schließe, dann wach ich erst zum
finalen Applaus auf.
Der Chor, der folgt, ist der Männergesangsverein. Schwarze Hosen,
weiße Hemden, grüne Westen, Janker und rote Krawatten. Dazu ein
farblich passendes Gesangbuch. Ich bin ein bisschen... sagen wir "besorgt".
Drei Männer aus dem U-50-Team senken das Durchschnittsalter in den
zweistelligen Bereich. Ansonsten tippe ich auf pensionierte
Zahnärzte, Rektoren und höhere Beamte. Jeden von ihnen kann ich mir
auf einem Hochsitz mit Flinte im Anschlag vorstellen. Den Hirsch fest
im Blick. Im Kontrast dazu, singen sie vom Abschied von jungen Mädchen auf
irgendwelchen Weiden. Ein bisschen beängstigend, bei dem Anblick, aber es
klingt trotzdem nicht übel.
An Schlaf ist nun definitiv nicht zu denken.
An Schlaf ist nun definitiv nicht zu denken.
Dann kommt ein Chor, der mit einem geographischem Sprechgesang
begeistert. „Fuge aus der Geographie“ heißt das Ding. Alles
lacht sich schlapp, wegen des Textes. Aber zum Schluss wird vor
Freude getobt. Yepp. Lautstarker Applaus in der Kirche. Das gibts
auch.
Dann kommt eine Pause.
Dass ich schon wieder die Erste am Getränke-Stand bin, liegt daran,
dass ich halt recht weit hinten sitze. Prost.
Kurz bevor es weiter geht, steige ich die Treppe nach oben auf die
Empore. Meine Kamera fest im Anschlag. Mein Herz klopft. Das liegt
nicht nur daran, dass mir langsam das Sonnenlicht verschwindet,
sondern daran, dass ich gleich diesen Haufen genialer junger Menschen
auf der Bühne sehe.
Jedes Mal wenn dieser Chor auftritt, könnte ich heulen vor Stolz. Die
achten bis zwölften Klassen unseres Gymnasiums stehen hier
mit ihren besten Sängern. Alle in schwarzen Kleidern und schniekem
Anzug. Wenn jetzt noch jemand etwas über eine verkommene Jugend
sagt, dann strecke ich ihn mit einem rechten Schwinger für die
nächsten zwei Stunden nieder. Unter der Empore nehmen sie
Aufstellung und marschieren dann fröhlich und motiviert nach vorne
auf die Bühne.
Den Chorleiter würden vermutlich 80% meiner Freundinnen als Mega-Schnittchen bezeichnen und direkt von der Bühne in ihren Bau schleifen. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so sehr für das brennt, was er tut. Er hat den Chor in mehr als fünfzehn Jahren mit den immer nachwachsenden Schülern zu dem gemacht, was er ist. Meinen Respekt hat er.
Den Chorleiter würden vermutlich 80% meiner Freundinnen als Mega-Schnittchen bezeichnen und direkt von der Bühne in ihren Bau schleifen. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so sehr für das brennt, was er tut. Er hat den Chor in mehr als fünfzehn Jahren mit den immer nachwachsenden Schülern zu dem gemacht, was er ist. Meinen Respekt hat er.
Und los geht es. Die nächsten fünfundzwanzig Minuten lausche ich
und versuche den Chor aus jeder Perspektive mit meiner Kamera
einzufangen. Zwischendurch würde ich gerne auf die Bühne laufen und
meine Tochter knuddeln. Mutterstolz eben. Aber sie würde mich
vermutlich vierteilen. Mindestens. Also lasse ich das. Sie beginnen mit „Sunny“
von Bobby Hepp und enden mit einem phänomenalen „Were you there“.
Als sie fertig sind, beschließe ich, die Kirche zu verlassen. Dass
ich damit den letzten Chor verpasse, nehme ich in Kauf. Mehr Euphorie
kann ich ohnehin nicht mehr ertragen.
Drei Stunden später ist meine Tochter im Bett und die Fotos sind
bearbeitet. Blöd nur, dass mir die Lieder von Wald und Heide nicht
aus dem Kopf gehen. Ich glaube, der Männergesangsverein hat mich
traumatisiert. Egal. Am Donnerstag tritt der Kammerchor wieder auf.
Dann tacker ich mich am Stuhl fest. Sonst werde ich in meiner
Begeisterung noch über die Maßen auffällig.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen