Sonntag, 31. Juli 2016

175. Akt

Manche Dinge hat man schon drei, vier, dreißig Mal gemacht und denkt, man weiß, wie es geht. Und dann kommt das einunddreißigste Mal und es haut einen völlig um. Es geht hier nicht um Zwischenmenschliches, sondern banal um Lesungen. Wobei, banal sind die eigentlich nie.
Jetzt steht also eine Lesung in Ingolstadt an, und ich gehe davon aus, dass es von Aufwand und Durchführung den bisherigen Vorlese-Erlebnissen entspricht. Aber nix da. Es fängt schon damit an, dass der Veranstalter Florian drei Wochen vorher täglich Kontakt zu mir aufnimmt, um irgendwas zu besprechen. Irgendwann platzt mir der Kragen, und ich sage, dass das Alles dem Aufwand einer Nato-Sitzung in Krisenzeiten entspricht. Da weiß ich aber noch nicht, dass und wie sehr sich die ganze Mühe rentiert. Heute muss ich kleinlaut gestehen, dass sich jedes einzelne Gespräch, jede Nachricht gelohnt hat. Also, Asche auf mein Haupt.
Als es endlich soweit ist, reise ich an.
Super! Erster Ferientag. Ich hätte auch das Fahrrad nehmen oder auf einem Bein im dreiviertel-Takt in diese Richtung hüpfen können. Länger würde die Fahrt nur dauern, wenn ich einen zweiwöchigen Urlaub einschieben würde.
Vor Ort wartet nicht nur der Vorlese-Platz auf mich, sondern auch noch ein Hotel, das mir und einigen Gästen zur Verfügung gestellt wird. Ralf, der Eigentümer ist witzig (aber nicht nervig), ruhig (aber nicht langweilig) und engagiert (aber nicht erdrückend). Ich wähle ein Zimmer, gehe zum Soundcheck und ruhe mich dann noch ein bisschen aus.
Aufgeregt bin ich nicht. Meine Freundin Eva Leopoldi unterstützt die Lesung mit ihrer Kunst, denn sie ist eine grandiose Malerin. Und sie ist mein Baldrian, wenn ich nervös oder ungeduldig werde.
Um 19.30 Uhr soll es losgehen. Und um kurz vor 19 Uhr kommen die ersten Gäste zum Sektempfang. Alles ist liebevoll hergerichtet, junge Leute helfen beim Service, und mein Platz ist vorbereitet. Ich lese aus einem Wandschrank. Geöffnet natürlich. Sonst hätte es ja ein bisschen was Zoo-mäßiges. Über jeden Gast freue ich mir ´nen Knopf ans Knie. Zum Schluss sind es dann so viele Knöpfe, dass wir die Studiotüre offen lassen müssen und einige Menschen von einer Bierbank im Eingangsbereich zuhören. Genial!
Ich bin beeindruckt über die Herzlichkeit der vielen Ingolstädter Gäste und ebenfalls beeindruckt darüber, dass zahlreiche Menschen den Weg aus München auf sich genommen haben (nicht vergessen – erster Ferientag!!!)
Meine Freundin Eva und ich werden von einer ortsansässigen Politikerin präsentiert. Eigentlich. Aber so völlig uneigentlich würde ich diese Dame sofort in den Kreis meiner näheren Freundinnen aufnehmen. Veronika ist patent, klug, herzlich und witzig. Und durch und durch Powerfrau. So wie wir. Dann geht es los.
Ich leite die Lesung ein und weise darauf hin, dass wir unter den Gästen zwei Hochschwangere haben. In den folgenden neunzig Minuten zucke ich jedes Mal zusammen, wenn ich aus der Richtung der werdenden Mütter eine unerwartete Bewegung bemerke. Irgendwann mal behaupten zu müssen, dass mein Buch wehenfördernd ist, läuft nur bedingt unter Werbewirksamkeit.
Nach zwei mal vier Geschichten und einigen Gedichten klappe ich das Buch zu. Der Applaus ist riesig. Ich fühle mich wohl. Yepp. Ich bin geschmeichelt! Und wie ich noch so da sitze, denke ich, dass sich manchmal ein bisschen mehr Aufwand exorbitant auswirkt. Dann werde ich bei der nächsten Lesung halt auch ein mehr Gas geben. Denn das Event in Ingolstadt hat, inklusive vorheriger und anschließender Medienberichterstattung, die Latte ordentlich hochgehievt.

Und auch, wenn ich überall gerne lese, freue ich mich schon auf das nächste Mal hier bei Josef im Wandschrank.           

Samstag, 30. Juli 2016

174. Akt

Ob ich eitel bin??? Da muss ich doch lachen. Eitel? Ich?
Aber klar doch! Und zwar so was von. Also zumindest dieser kleine Mega-Glamour-Manu-Teil, der sich nicht vom Rest trennen lässt.
Yepp, es gibt auch Tage, da geh ich im Pyjama zum Brötchen holen. Die Haare auf Sturm und mit Pantoffeln an den Füßen. Wer mich so nicht leiden kann, der kann mich auch sonst gerne mal kreuzweise.
Aber dann gibt es diese Tage, an denen ich einfach zur Höchstform auflaufe. Kreativ an Pinsel, Puder und Lippenstift. Zusätzlich noch scharf auf erfreuliche Kommentare und Rezensionen. Eine befreundete Ärztin meinte mal, sowas sei zyklusabhängig. Aber ich habe nie die Zeit gestoppt zwischen „heute geh ich raus und seh aus wie Schlumpf“ und „give me the Diva!“
Mir ist also völlig wurscht, wann meine Eitelkeitskurve hoch- und runterrauscht. Es reicht mir zu wissen, dass ich Bedarfs-Eitel bin.
An diesen Tagen bin ich froh, dass wir mehr als ein Bad haben und ich mir nicht das stundenlange Tür-Geklopfe meiner Kinder anhören muss.
Das Bad ist dann „the place where the magic happens“.
Dann wird geglättet und geschmiert, geölt, onduliert, gemalt. Wenn der Spiegel mich nach angemessener Zeit mit zufriedenstellender Optik vom Farbtopf entlässt, wird die Kleidung gewählt. Und ich meine nicht bloß angezogen, sondern gewählt. Dann geht es runter an den Rechner. Die Kommentare bei Facebook oder Amazon werden gecheckt.
Im Anschluss klopfe ich mir ein Weilchen selber stolz auf die Schulter und fahre in die Stadt.
Wenn ich mich selber dabei beobachten würde, wäre Fremdschämen angesagt. Aber glücklicherweise ist das ja nicht der Fall.
So zieht sich dann meine egomane Eitelkeit über den ganzen Tag hinaus. So lange bis ich - mich selbst bewundernd - ins Bett falle.
Es kommt, wie es kommen muss.
Am nächsten Morgen bin ich dann wieder Pyjama Manu. Fünf Minuten Badezimmer inklusive duschen. Jeans und graues T-Shirt, und ab an die Arbeit. Einem Außenstehenden käme jetzt etwas von Jekyll und Hyde unter PMS in den Sinn. Aber das ist mir egal. Ich summe „I´m every woman“ und
freue mich über meine mir höchst eigene Vielfalt.


Freitag, 29. Juli 2016

173. Akt

Ich sitze mit einer Freundin auf einer Bank. Vor uns liegt ein mittelgroßer Spielplatz und die Zwillinge spielen, schaukeln, toben irgendwo in Sichtweite. Ich bin immer beeindruckt, wenn ich sehe, wie viel manche Menschen in den Griff kriegen können. Drei Kinder – davon zwei vierjährige Mädchen – einen Ehemann, der beruflich nur am Wochenende nach Hause kommen kann, einen Job und den Haushalt. Ganz schön was los. Und das Beste ist, dass ich sie trotz alledem nicht ein einziges Mal habe jammern hören (okay, es sei denn der FC Bayern verliert).
Beide Mädchen müssen vermutlich vor Verlassen des Spielplatzes an den Beinen hochgehalten und geschüttelt werden. Sonst fehlt nämlich die Hälfte des Sandkastens und ein zwei Förmchen, die sie zum Spielen eingesteckt haben werden auch aus den Jeans fallen.
Ich finde alles ziemlich idyllisch, und mir tut es ein bisschen leid, dass ich mit meinen eigenen Kindern so selten auf dem Spielplatz war.
Nachher nach Hause zu gehen und zu fragen, ob sie mit mir schaukeln kommen, wäre dann doch eher unangemessen. Mit sechzehn und neunzehn kriege ich sie einfach nicht mehr gemeinsam auf die Wippe oder ins Piratenschiff. Die Zeit ist wohl leider rum.
Während wir sitzen und schwatzen kommt eine hübsche junge Frau mit einem ausgesprochen hübschen kleinen Jungen.
Ich wundere mich ein bisschen. Das mintfarbene Polohemd des Jungen ist von Ralph Lauren. Die Jeans ebenfalls. Und der Gürtel ist – schluck – von Gucci! Ein Kindergürtel von Gucci. Auf dem Spielplatz. Die Sneaker sind ebenfalls von Tralala und ich bin platt. In dieser Ausstattung wird das Spielen an den Wasserbahnen zum wirtschaftlichen Totalschaden. Aber das juckt Mutti nicht. Ich hasse Vorverurteilungen und blöde Klischees, aber hier kommt wirklich alles zusammen. Die blonde Föhnfrisur und das hübsche Gesicht des Kleinen sehen eigentlich ganz niedlich aus.
Aber der Blick spricht Bände.
Schon nach wenigen Minuten wird klar - auch die größten Arschlöcher haben mal klein angefangen. Manche sogar auf dem Spielplatz.
Der Junge ist vielleicht fünf Jahre alt, aber sein größter Spaß ist es, andere Kinder zu drangsalieren. Sandburgen werden zertreten, Eimerchen weggekickt und ein dunkelhäutiger Junge als „Schokoarsch“ bezeichnet.
Während der ganzen Zeit sitzt seine Mami am Handy, kichert und schaut kaum hoch. Die wenigen Male, die sie ihren Sohn ansieht, ruft sie schlaue Sachen wie „Spiel schön, Hase“ oder „ist das Mädchen deine Freundin?“ (klar, seiner Freundin tritt man auch den Eimer aus der Hand und schubst sie gegen die Rutsche). Hin und wieder ruft sie „Mach dich nicht schmutzig. Wir gehen gleich noch zu Oma.“
Super Idee. Mit einem Kind, das sauber bleiben soll auf den Spielplatz zu gehen. Ich bin begeistert. Nein, bin ich nicht!
Meine Freundin und ich beobachten die Szenen. Ich überlege, was sie wohl macht, wenn der Satansbraten ihren Mädchen was tut. Egal, was sie dann vorhat, ich werde ihr Rückendeckung geben.
Während wir sitzen, naschen wir Mikado. Also diese Gebäckstäbchen mit Schokolade. Es dauert nicht lang und das kleine Ar.... der süße blonde Fratz steht vor uns.
Gib ma!“
Nö!“ sag ich. Während meine Freundin schon fast reflexartig teilen mag.
Gib ma! Los!“
Wie heißt du?“
Felix, wieso willst du das wissen? Gib jetzt her!“
Nö!“ sag ich und schiebe mir gleich zwei von diesen Stäbchen in den Mund.
Nachher geht’s zu Oma. Die hat dir bestimmt schon einen Kuchen gebacken.“
Das kleine Ar.... Bengelchen schaut mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. Dann dreht er sich um und rennt zu seiner Mutter.
Oma hat Kuchen gebacken. Ich will jetzt gehen.“
Die Mami schaut verstört. Vermutlich ist es bloß ein blödes Vorurteil, aber wahrscheinlich ist Oma noch im Nagelstudio, legt ihren Personal Trainer flach oder lässt sich gerade die Haare ondulieren.
Was sie dem süßen kleinen Ar... Felix sagt, kann ich nicht hören. Aber er schaut böse zu mir rüber.
Als die beiden an uns vorbeigehen, um den Spielplatz zu verlassen, versucht mir der Junge noch gegen das Schienbein zu treten. Pech. Er erwischt mit seinem eigenen Schienbein das Holz.
Und während er laut schimpfend seiner Mutter hinterher humpelt ist mir eines klar.

Wenn der Rotzlöffel mal groß ist, dann mag er beruflich machen was er will. Seine Karriere als Arschloch ist bereits in trockenen Tüchern.      

Donnerstag, 28. Juli 2016

172. Akt

Yesss!!! Früher - besser gesagt - als Teenager, habe ich geglaubt, das Leben werde jenseits der 30 dröge und spießig und jenseits der 40 ist es dann völlig vorbei. Langweiliges Warten auf den Platz in einer hübschen Urne, und ansonsten zuschauen, wie das Jungvolk auf die Pauke haut.
Nach meinem dreißigsten Lebensjahr konnte ich schon mal über den ersten Teil lachen. Endlich war dieses ganze kindliche Geziere überflüssig. Ich musste nicht mehr jedem gefallen.
Und ab vierzig ging der Spaß erst richtig los. Ich hörte restlos auf, mich ständig mit anderen zu vergleichen. Der einzige Mensch, dem ich gefallen muss, bin ich selber. Basta! Meistens tu ich das sogar, und wenn nicht, dann komme ich auch damit zurecht. Wenn andere toll sind, dann freut mich das von Herzen und verstört mich nicht.
Ich bin so erwachsen wie es eben nötig ist und finde mich prima.
Und das Allerbeste ist, dass es den Frauen in meinem Umfeld fast ausschließlich genauso geht.
Wenn wir uns treffen, dann haben wir den Spaß, den wir wollen und nicht den, den man „haben sollte“.
Also verabrede ich mich mit vier Freundinnen zum Sushi und plane gar nicht weiter. Zwischen Wasser, Wein und Bier bringen wir uns gegenseitig auf den neuesten Stand, was unsere Leben angeht. Wir reden wild. Lachen laut, sprechen ehrlich und haben jede Menge Spaß.
Kaum satt, entschließen wir uns noch eine Bar weiter zu ziehen. Die Frau, mit der Rechnung nennt uns einen Club.
Sagt ihnen schöne Grüße von Annette.“
Machen wir. Und wenn Annette nicht im Sushi-Laden abrechnen müsste, würde sie wahrscheinlich sogar mitkommen. Unser Alter. Freigeist. Passt!
In der Bar drehen wir dann noch ein bisschen weiter auf. Der Satz des abends wird „Ich habe ein Recht auf mein Klimakterium.“ Und ich falle fast vor Lachen vom Stuhl, als ich das höre. Wenn unser Ü-40-und-der-Rest-ist-wurscht-Team tatsächlich die Wechseljahre ansteuert, dann ist das bestenfalls ein Wechsel von „wir sind großartig“ zu „wir sind noch viel genialer als wir ahnten“.
Die Kleinste von uns haut eine Gruppe juveniler Bar-Gäste an, damit sie mal ein Foto von uns machen. „Mach´s ordentlich! Bedenke, wir könnten deine Mutter sein.“
Wie geil ist das denn???
Hochmotiviert macht der junge Mann ein Foto nach dem anderen. Danach setzt er sich hin und tipselt auf seinem Handy rum. Vielleicht möchte er sich nur davon überzeugen, dass seine eigene Mutter Zuhause ist und nicht gerade in irgendwelchen Bars Leute um ein Foto bittet.
Bei einem Cocktail namens „girls-night-out“ amüsieren wir uns über alles, was sonst anderer Leute Leben schwer macht.
Als ich zwei Stunden später auf dem Heimweg bin, grinse ich übers ganze Gesicht. Was für Hammer-Frauen. Was für ein tolles Leben. Was für ein großartiger Abend.

Als Ende der 90er die Serie Sex and the City herauskam, ging ich nicht davon aus, dass es solche Momente wirklich gibt. Heute weiß ich es genau. Das echte Leben als echte Frau ist noch viel, viel besser! 

Mittwoch, 27. Juli 2016

171. Akt

Es ist 5.30 Uhr, es ist heiß, und ich döse im Bett vor mich hin. In gut einer halben Stunde wird mein Wecker Alarm schlagen. Bis dahin verweigere ich jedes weitere, überflüssige und vorzeitige Aufwachen meines Körpers. Mein Geist dümpelt ohnehin noch irgendwo zwischen Traum und Morgensonne.
Und weil es heiß ist, sind alle drei Fenster in meinem Schlafzimmer gekippt.
So weit so gut. Ich überlege, was mich denn nun eigentlich eine halbe Stunde vor der Zeit geweckt hat, aber lange nachdenken muss ich gar nicht.
Da ist es wieder. Nein - Kein Vogelgezwitscher oder Raum illuminierende Sonnenstrahlen.
Sondern: Pfeifen.
Einer, der nächsten Nachbarn pfeift. Laut und kräftig. Und schräg! Nun ist Pfeifen in der Regel ein Zeichen von guter Laune, und das ist eigentlich was Gutes. Aber wer auch immer da pfeift, zerbröselt meine mir eigene gute Laune mit quälenden Tönen
Es klingt wie eine technisch verstärkte Kreuzung aus Asthma-Anfall und quietschendem Autoreifen. Hin und wieder erkenne ich Ansätze von Brother Louie und Helene Fischers „Atemlos“.
Auch wenn es nicht nett ist, ich wünsche mir, dass der Pfeifer oder die Pfeiferin von Atemlosigkeit überfallen wird.
Träge öffne ich ein Auge. 5.35 Uhr.
Wer ist denn um diese Zeit schon so in Stimmung, dass er seine überschüssige Energie in Form von Luft durch die gespitzten Lippen jagt?
Und warum mit Pfeifen? Ich bin in der Regel nicht empfindlich, ertrage schiefe Gesänge, laute Geräusche und mein eigenes Gequatsche, aber Pfeifen? Das macht mich wahnsinnig.
Ich habe jetzt natürlich die Möglichkeit aufzustehen und alle Fenster zu schließen. Allerdings bin ich der Typ für effiziente Bewegungsabläufe. Wenn ich mich morgens schon einmal der Schwerkraft widersetzt habe und in die Vertikale gekommen bin, dann setze ich mich dieser Anstrengung nicht noch ein weiteres Mal aus. Dann bleibe ich wach und sehe zu, dass ich meinen Tag auf die Reihe kriege.
Also bleibe ich liegen, versuche das Geflöte zu ignorieren und noch ein bisschen zu dösen.
Der Pfeifer in meinem Umfeld gibt nicht auf. Untermalt wird das Ganze nun auch noch von Radiomusik. Die Pfeif-Folter geht in die Vollen.
Zu „You can blow my whistle“ von Flo Rida
Ja, du mich auch!
Ich überlege, wer in der Nachbarschaft außer mir das Pech hat, dass der Wind so ungünstig steht.
Eigentlich mag ich ja alle meine Nachbarn. Und eigentlich ist es hier eine ziemlich ruhige Siedlung.
Aber faktisch wird mein Trommelfell gerade unerwünscht mit falschen Tönen penetriert.
Als es gar nicht mehr auszuhalten ist, stehe ich auf. Immer noch mehr als fünfzehn Minuten zu früh.
Ich gehe an das Fenster, aus dessen Richtung die Tonflut gekommen ist und stelle fest, dass sowohl Radio, als auch Pfeiferei in dem Moment beendet wurden, als ich den ersten Bodenkontakt hatte.
Na super! Ich schaue hinaus und überlege, wem ich gedanklich diese Ruhestörung vorwerfen kann. Beide Nachbarn in dieser Richtung haben die Fenster weit geöffnet. Klar. Bei denen hat es ja auch locker 30 Grad.
Auch in der anderen Richtung stehen die Fenster offen. Der Störenfried ist somit nicht klar auszumachen. Mist. Niemand, dem ich vorwerfen kann, mir den Start in den Tag versaut zu haben.
Was soll´s ich gehe ins Bad und mach das Radio an. Alles gut, so lange nicht wieder dieses „Whistle“-Lied kommt.


Dienstag, 26. Juli 2016

170. Akt

 „Natürlich nehme ich in der Regel den Nassrasierer. Aber wenn du abrutschst, dann ist erst mal Schluss mit fröhlichen Hoppelstunden.“
Es folgt wildes Gekicher.
Ich war ja mal in so einem Waxing-Studio, aber das mach ich nie wieder. Erstens war´s mir peinlich und zweitens tat es weh wie Hölle. Viertens war es auch noch teuer.“
Ich setze mich auf die gegenüberliegende Bank. Jetzt will ich es wissen. Welche Hühner unterhalten sich derart über die Entfernung ihres Intim-Haarkleids? Bei wem kommt nach „erstens“ und „zweitens“ gleich „viertens“? Das können doch nur irgendwelche Teenies sein oder?
Ups! Geirrt. Die Damen sind lässig Mitte dreißig, und kommen vermutlich gerade aus irgendeinem Großraumbüro. Sie reden, als säßen sie bei sich Zuhause in der Küche. Nicht in der vollbesetzten S-Bahn.
Also diese Enthaarungs-Cremes kannste auch vergessen. Ich hatte einen Ausschlag bis zu den Knien...“
Ich laufe rot an. Fremdschämen par excellence. Ein Herr im besten Alter mustert die beiden von oben bis unten. Sie merken es nicht und reden weiter.
Hin und wieder nehme ich den Epilierer. Aber so richtig ins Zentrum kommst du damit ja auch nicht. Ein-, zweimal eingeklemmt, macht auch keinen Spaß. Da ist mir auch egal, ob das länger hält.“
Oh mein Gott. Ich höre Dinge, die ich nicht hören mag und brenne trotzdem auf Informationen. Mein Blick schweift nach rechts. Während die Blonde offensichtlich schon bei dem Gedanken an ein Haar zuviel gestresst ist, sieht die Brünette aus, als hätte sie in Wirklichkeit schon vor längerer Zeit mit dem Thema abgeschlossen. Unter dem ärmellosen Kleid scheint sie in ihren Achseln jeweils ein Meerschweinchen zu verstecken. So viel zum Thema glattrasiert. Den Rest mag ich mir gar nicht vorstellen.
Es kann ja jeder machen wie er mag. Der Eine hat einen Flokati im Schritt, der Andere eine Landebahn. Wieder andere vielleicht das Konterfei vom Papst. Und wenn es ganz schlimm kommt, dann sieht man oberhalb der Schenkel halt aus wie Donald Trump auf dem Kopf.
Bei guten 30 Grad Außentemperatur kann ich jede Frau verstehen, die nicht noch ein eigenes Wollkleid unterm Schlüpper oder dem T-Shirt tragen will.

Als die beiden aussteigen, werfe ich einen Blick auf ihre nackten Beine. Bei der Meerschweinchen-Trägerin ist das Beinkleid wie erwartet etwas dichter. Bei der Glatten hingegen kann ich kleine Schnittverletzungen an den Beinen erkennen. Sie sollte vom Nassrasierer dann wohl doch besser Abstand nehmen. Und gedanklich lege ich ihr ein paar Kaltwachsstreifen ans Herz. Oder eben auf die Waden.   

Montag, 25. Juli 2016

169. Akt

An manchen Tagen bin ich vom morgendlichen Aufstehen bis zum abendlichen in die Kissen Fallen in der ständig gleichen Verfassung.
Und an anderen Tagen wechsle ich halt mal von der besonnenen Manu über die hyperventilierende Rampensau bis hin zur Muttergefühls-umgehauenen Zuschauerin.
So auch jetzt in Immendingen. Eine gute Bekannte von mir veranstaltet ein Charity Event zu Gunsten von Frauen in Not. Katharina ist Ärztin und setzt sich regelmäßig für gute Zwecke ein. Alle Einnahmen des Abends werden entsprechenden Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Das finde ich toll. Da bin ich dabei. Eigentlich bin ich als Ehrengast eingeladen, aber das reicht mir nicht. Ich möchte geben was ich habe oder kann. Hier passt beides. Zum einen stifte ich somit einige meiner Bücher zur Verlosung und zum anderen „schenke“ ich der Veranstalterin meine Teilnahme als Model.
Kaum in der Halle wacht dann auch gleich mal die sonst eher schläfrige Rampensau in mir auf. Catwalk. Laufsteg. Ich liebe es!
Seit ein paar Jahren laufe ich nur noch bei Charity Events oder für einen Haufen Kohle. Es steht mir ja frei. Mein Hauptberuf ist das schon lange nicht mehr.
Nach drei Mal Catwalk setze ich mich zu meinen Begleitern. Ab jetzt schaue ich mir das Ganze von vorne an. Den Obstkorb, der vor mir steht, stelle ich auf den Boden. Ich möchte nicht immer zwischen einer Bananenstaude und einem Rudel Trauben durchschauen müssen, um die schön Show zu sehen.
Die Rampensau in mir kommt langsam zur Ruhe, aber etwas ganz anderes bricht aus. Mein Muttergefühl nämlich. Gestern noch habe ich mit einigen Mädchen auf dem Laufsteg geübt. Und nun stolzieren sie hier lang, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Zwischen den wenigen Profis wie Adelma, Romy und Patrizia, die hier mitlaufen, fallen sie keinen Millimeter zurück. Ich platze fast vor Stolz. Ich sehe die bezaubernde Jacqueline, die bildschöne Jenny, die umwerfenden drei Schwestern mit dem fantastischen Lächeln, die kecke Melanie und all die anderen auch. Sie laufen, lächeln in die Runde und freuen sich über den berechtigten Applaus. Und dann passiert es. Zwischen Anfällen von Jubel und Begeisterung, fange ich immer wieder ein bisschen an zu heulen. Yepp! Mir kommen die Tränen vor lauter Stolz und Begeisterung. Es ist ein bisschen so, wie bei Auftritten unseres Kammerchores Zuhause. Ich sehe junge Menschen, die sich Mühe geben und einfach vor Lebensfreude platzen. Vielleicht sollte ich den Obstkorb wieder vor mich hinstellen. Hinter Bananenstauden heult es sich einfach unauffälliger.

Als alles vorbei ist, nehme ich einige Mädchen noch mal in den Arm und bedanke mich für die Freude, die sie mir bereitet haben. Dass ich ihretwegen die Tischdecke gewässert habe, sage ich natürlich nicht. Ich möchte ja nicht, dass sie bei künftigen Modenschauen mit einem Bündel Taschentücher auf die Bühne gehen, weil sie mich irgendwo im Publikum vermuten.  

Sonntag, 24. Juli 2016

168. Akt

Ich laufe durch den Tengelmann. Bestimmt schon das dritte Mal heute. Schon recht. Wer´s nicht im Kopfe, auf dem Einkaufszettel oder als Tattoo am Handgelenk hat, der muss halt mehrfach laufen, um das Vergessene zu besorgen.
Neben dem Notwendigen, landen eine Flasche Wein und zwei Tüten Chips im Einkaufskorb. Dann geht es vorbei an den Süßigkeiten nach vorne in Richtung Ausgang. Kurz vor der Kasse werde ich von einem älteren Herrn gestoppt. Ich habe ihn schon ein, zweimal im Dorf gesehen und weiß, dass er manchmal ein bisschen durcheinander ist. Das ist nicht schlimm. Durcheinander sind so ziemlich genau alle meine Freunde, und ich selbst ebenfalls. Nur ein bisschen anders.
Gebückt steht er vor mir. Freundlich. Und herzlich lächelt er mich an.
Wie teuer sind die? Ich kann den Preis nicht lesen.“
Er steht direkt vor den Zeitschriften und hält mir zwei Magazine entgegen. Es sind so spezielle Magazine. Also die, in denen der Inhalt weniger aus Worten, denn aus Fotos und animierten Berichten besteht. Abgebildet ist jeweils eine Dame mit offensichtlichen Kleidungs-Phobie. Lasziv lächeln sie den Opa vor mir an, und der lächelt zurück. Also zu mir. Und fragt allen Ernstes nach dem Preis für die Hefte.
Ich sage ihm, was die Erotikmagazine kosten.
"Oh, oh... das ist aber teuer. Welches ist den besser? Hübsch sind sie doch beide." 
Irgendwie komme ich mir vor, wie bei „Verstehen Sie Spaß“. Gleich hüpft jemand zwischen den Kassen durch und sagt mir, dass ich hereingefallen bin. Die beiden Kassiererinnen springen dazu auf und wedeln mit schwarz-rot-goldenen Pompoms. Und der Alte vor mir reißt sich den Schnäuzer aus dem Gesicht, stellt sich gerade hin und ist auf einmal Wayne Carpendale. Aber nix dergleichen passiert. Keine Pompoms und auch kein Wayne Carpendale. Der alte Herr schaut mich immer noch unschuldig fragend an und hält mir zwei Damen mit Doppel-D vor die Nase.
Ich tippe auf das rechte Heft. Nicht, weil mir diese Oberweite weniger bedrohlich erscheint, sondern bloß damit er die Magazine wieder runternimmt.
Ich glaube, das hier ist besser.“ sage ich. Außerdem kostet es zwei Euro weniger. Der Herr nickt freundlich und freut sich, dass ich ihm die Entscheidung erleichtert habe. Dann packt er beide (!!) Zeitschriften in seinen Korb und geht zu den Kassen.
Eigentlich wurst. Er ist erwachsen. Und wenn sein langes Leben ihm bisher das ein oder andere Kerzlein ausgeblasen hat, dann hat mich das nicht zu stören. Ob ihn die dicken Möpse angemacht haben, oder ob er ohnehin bloß noch Farben erkennt ist doch egal. Er freut sich und hat gute Laune. Und ich werde künftig einen größeren Bogen um die Zeitschriften-Ecke machen. Wenn ich gewusst hätte, was da außer Gong, Vogue, Hanni und Nanni so alles liegt... nee, nee, nee.. Da ist ja das komplette Fortbildungsprogramm von pubertierenden Jugendlichen vorhanden. Na ja. Und von fröhlichen Senioren eben auch.


Samstag, 23. Juli 2016

167. Akt

Ich habe trainiert. Ja, okay. Mach ich ständig irgendwie. Aber dieses Mal hab ich es mal wieder richtig wissen wollen. Vormittags Geräte und Ausdauer und am Nachmittag EMS. Also der mobile elektrische Stuhl für Anfänger. Und weil ich mich viel zu leicht provozieren lasse, habe ich meine körpereigenen Grenzen wohl überschritten. Um Meter. Kilometer. Ganze Kontinente. Und das hab ich jetzt davon. Treppen kann ich heute nur noch rückwärts rauf und runtergehen. Und das auch nur, wenn ich zwingend und unumgänglich das Geschoss wechseln muss. Anstatt, dass ich damit zufrieden bin, meinen inneren Schweinehund auf Pinschergröße geschrumpft zu haben, züchte ich einen Muskelkater in Puma-Format. Alles tut mir weh. Das Bett zu verlassen gleicht einer Kür im Bodenturnen. Sanftes auf die Seite rollen bis zum Rand, und dann zu Boden hinabgleiten in den Vierfüßerstand. Unter Begleitung heftigen Ächzens ziehe ich mich an einem Regal nach oben. Super gemacht, Manu. Vollständig außer Gefecht und nahezu handlungsunfähig. Unten an der Tür klingelt es. Im Trippelschritt flitze ich ans Badezimmerfenster. Ist der DHL-Bote. Es fühlt sich an, als bräuchte ich Stunden bis zur Tür. Es muss etwas Wichtiges sein. Sonst hätte er sich schon verzischt. Meine Arme bis zur Klinke zu heben kostet mich mehr Kraft als die Entbindungen meiner beiden Kinder.
Schmerzverzerrt schaue ich den Boten an.
"Ihre Nachbarn sind nicht da. Können Sie das entgegennehmen?"
Aaaaaarghhhh! !!!
Ich sterbe doch nicht für Zalando! Zumal es noch nicht mal für mich ist. Ich nehme das Päckchen trotzdem an und lasse es ihn auf die Treppe legen.
Ab jetzt erledige ich alles was möglich ist im Stehen. So weit es geht. Allein der Schmerz, den es kostet vom Klo hochzukommen, drosselt mich in der Getränkezufuhr. Das Handy trage ich am Körper, so dass keine Sprints zum Telefon nötig sind, und alles, was mehr Gewicht hat als ein Kugelschreiber und außerhalb meiner direkten eingeschränkten Reichweite liegt, wird ignoriert.
Als die Kinder nach Hause kommen, kriegen sie einen Lachflash. Ich würde mich bewegen, wie Pinocchio mit Gicht. Na super, wenn jede Bewegung bisher wehgetan hat, ist mir eines klar. Nichts ist in diesem Zustand schlimmer als einen Lachanfall zu kriegen. Alle Muskeln, die bis dahin noch irgendwie drumherum gekommen sind, gehen soeben in Feuer auf. Schönen Dank auch. Es ist 18 Uhr und ich schleppe mich ins Bett. Möge der nächste Tag noch ein Weilchen warten, oder zumindest nicht ganz so grausam zu mir sein. Und mein innerer Schweinehund kriegt vorerst wieder Mastfutter.


Freitag, 22. Juli 2016

166. Akt 

Ich sitze an Bord eines Flugzeuges. Mal wieder. Ganz offensichtlich reist eine Band oder ein kleines Orchester mit. Cool. Musiker. Die mag ich. Sind in der Regel gut drauf und wissen wie man feiert. Alle verteilen sich auf den entsprechenden Sitzen. Und neben mir platziert sich mit einem freundlichen Kopfnicken der Schlagzeuger. Nicht, dass man ihm auf Anhieb irgendetwas rhythmisches ansieht, aber schon nach wenigen Momenten besteht kein Zweifel. Und es ist nicht nur ein Schlagzeuger, es ist ein Drummer auf Entzug. Es beginnt mit wippendem Kopfnicken. Dann folgen die zuckenden Fußspitzen, die nunmehr nicht das Pedal für die Basstrommel finden und stattdessen das Gestell des Vordersitzes penetrieren. Es ist eine Frage von Sekunden, und dann steigen die Hände mit ein. Egal, welches Musikstück er im Geiste gerade durchgeht. Es muss schnell, basslastig und nur für sportliche Schlagzeuger geeignet sein. Ich ziehe mich ein bisschen Richtung Fenster zurück. Wer weiß, wie weit rechts in der Regel seine Becken oder Trommeln stehen. Mit einem imaginären Schlagzeugstock ein reales Auge ausgestochen zu bekommen, liegt nicht in meinem Interesse.
Der Flug dauert knapp eine Stunde, und der nette, bärtige Mann neben mir wird einfach nicht müde. Okay, kein Problem. Ich sitze offensichtlich außerhalb seines gedanklichen Drumkits und leide weniger, als die Dame, die auf dem Basstrommel-Stuhl sitzt.
Dauert ja alles nicht ewig. Gleich nach der Landung nickt er wieder freundlich und steht auf.

Ich bleibe dabei. Ich mag Musiker. Aber wenn ich das nächste Mal aus einem Orchester einen Sitznachbarn wählen könnte, dann wähle ich den Flötisten. Und hoffe, dass es kein Querflötist ist.

Donnerstag, 21. Juli 2016

165. Akt

Es ist früh am Morgen und ich bin mehr oder minder wachen Schrittes auf dem Weg zum Brötchen holen. Es regnet leicht. Ja klar. Ist ja Sommer 2016. Auf dem Rückweg sehe ich zwei herumliegende, leere Zigarettenschachteln und eine Papiertüte. Der nächste Mülleimer ist nur ein paar Schritte entfernt, also hebe ich das Zeug auf und schmeiße es in den Kübel. Ich finde es doof, wenn Leute eine derartige Schwäche überfällt, dass sie alles fallen und auf der Straße liegen lassen. Als ich weiter gehe höre ich eine Stimme hinter mir rufen.
Fräulein, Fräulein!“
Bei Fräulein fühle ich mich in der Regel nicht unbedingt angesprochen, aber es klingt immer noch besser als „Hey du Schnitte“ oder ähnliches.
Hallo, Fräulein. Sie haben hier was vergessen“.
Ich drehe mich um und sehe einen älteren Herrn mit Karoschirm auf dem Gehweg stehen. Um ihn besser zu verstehen, gehe ich ein paar Schritte zurück. Da steht er mit seiner Brille, strengem Blick und deutet auf ein Gebüsch. „Das da haben Sie vergessen.“
Ich schaue, was er meint und entdecke eine leere Plastiktüte.
Äh... warum soll ich die vergessen haben? Die ist doch gar nicht von mir.“
Ja, aber jetzt können Sie die ja wegräumen.“
Ich fass es nicht ganz und frage nach, was er damit meint. Der alte Herr antwortet, dass er gesehen hätte, wie ich Müll einsammle und entsorge. Die Tüte hätte ich übersehen und könnte sie ja jetzt ebenfalls wegräumen.“
Mein lieber Herr, ich räume Müll anderer Menschen weg, weil ich es unschön finde, wenn die Dinge hier so rumliegen. Ich räume Müll weg, den ich sehe. Diese Tüte haben SIE gesehen. Wie wäre es, wenn SIE die nehmen und in den Mülleimer dahinten schmeißen?“
Der Mann läuft rot an. „Das ist ja eine Unverschämtheit! Ich bin doch nicht für den Unrat fremder Menschen zuständig. Unverschämt!“
Dann wendet er sich ab und zieht mit seinem Karoschirm von dannen.
Ich atme tief durch. Ich verabscheue Gewalt und würde dem Herrn nur ungern zeigen, wie schwer sich ein Schirm entfernen lässt, wenn ich ihm den rektal eingeführt habe. Geöffnet!
Mit angemessenem Schritt gehe ich weiter. Und die Wut im Bauch versickert wie der Regen im müllfreien Gelände. Wenn die Tüte morgen immer noch daliegt, dann werde ich sie vielleicht tatsächlich wegräumen. Ganz einfach weil sie hässlich ist in dem schönen Gebüsch. Und falls ich mal einen Rentner mit Karoschirm in einer Hecke finde, dann werde ich ihn geflissentlich übersehen. Dann hat wohl seine Frau den Müll entsorgt.


Mittwoch, 20. Juli 2016

164. Akt

Meine Mutter ist mein größter Fan. So weit so gut. Allerdings befürchte ich, dass ich irgendwann mal Scherereien wegen Nötigung bekomme.
Es fängt im Penny Markt ihres Wohnortes an. Dort werden die Kassierer auf diese exorbitant großartige Schriftstellerin hingewiesen. Zwischen Scanner und Einkaufswagen wird dort mein Name zugerufen, buchstabiert, wiederholt und zur Not auch noch auf den Kassenzettel geschrieben.
Ich warte auf den ersten Kassierer, der mal sagt „Hab´s gelesen. Gefällt mir nicht.“ Der findet sich dann vermutlich in Sekundenbruchteilen mit dem Kopf in der immer wieder auf- und zuschnellenden Kasse wieder und muss zur Strafe drei Kapitel aus „33 Grausamkeiten“ auswendig lernen.
An Tagen, an denen der Blog nicht pünktlich um neun Uhr erscheint, ruft sie mich an. Um neun Uhr und zwei Minuten!
Wenn ich mich irgendwo wiederhole, dann wird das ein bisschen gerügt und wenn sie das Thema begeistert, dann werde ich noch drei weitere Male am Tag angerufen, um mich zu motivieren.
Es fehlt nur noch, dass sie ihre Nachbarn abfragt, um zu kontrollieren, ob sie meinen Blog oder meine Bücher wirklich gelesen haben. Ausreden werden von ihr nicht lange geduldet.
Wenn ich nicht aufpasse, dann hängen in ihrem Ort bald Banner und Fahnen mit meinem Namen. Und wehe, die nimmt einer ab. Da versteht sie dann keinen Spaß. Und irgendwann wird es dann heißen „Kannst du aus dem Müller, Meier, Schmidt eine Geschichte machen? Den hab ich nämlich durch den Zaun gezogen.“



Dienstag, 19. Juli 2016

163. Akt 

Verdammt! Ich gestehe. Ich tu es. Also ganz selten. Und vertragen tue ich es auch nicht. Aber manchmal muss es eben sein. Sorry. Ist so.
Dann ist alles, was ich will, ein Burger von McDonalds.
Eigentlich spricht alles dagegen. Er fühlt sich im Mund an wie eingeweichte Wellpappe, er beinhaltet Fleisch, und er hat den Preis eines ordentlichen Wraps. Zu allem Überfluss bekomme ich jedes Mal im Anschluss Bauchschmerzen. Im Grunde müsste ich, die wenigen Male, die ich dieses Lokal betrete, vor Blödheit vor die Glastür laufen. Alles spricht gegen eine Nahrungsmittelaufnahme dieser Art. Zumindest für mich und meinen Körper.
Dazu kommt auch immer diese sanfte Enttäuschung, wenn man vom Foto an der Wand auf das Ding in seiner Hand blickt. Ähnlichkeiten? Keine!
Das Brötchen ist ja noch solala. Ansonsten kann man nur sagen, die Gurke ist grün und die Tomate rot. Und ja. Der Burger ist drin. Man findet ihn leicht. Er ist das Ding, was die Soße gerne auf Finger und Jeans tropfen lässt.
Sobald ich angetriggert bin – sei es durch die Werbung oder irgendeinen blöden Gedanken - schaltet sich mein Hirn aus.
Vermutlich wurde uns schon als Kinder mit dem ersten Burger heimlich irgendein Virus eingepflanzt, der uns sensibel reagieren lässt. Immer wenn man an zwei sich berührende Bögen, Pommes oder schnell zubereitetes Essen denkt, setzt dieser nahezu ferngesteuerte Reflex ein.
Vielleicht sollte ich mich mal hypnotisieren lassen.
Ach. Oder ich nehme es für den Rest meiner Tage auch noch in Kauf. So schlimm ist auch wieder nicht. Und die Pommes...
Okay. Ich bin dann mal weg.

Montag, 18. Juli 2016

162. Akt 

Jedes Mal, wenn mir bei Facebook eine Frau eine Kontaktanfrage sendet, bin ich in erster Linie hocherfreut. Okay, zur Zeit geht eine Welle von Pornstars und Fakeseiten durchs Netz, da weiß man schon nach dem ersten Bild, dass es hier nicht auf eine interessante Kommunikation angelegt wird. Zumindest nicht verbal. Dann wird eben gelöscht und fertig.
Aber ansonsten freue ich mich über die Anfragen von Frauen einfach ein bisschen doller, weil sie schlichtweg viel zu selten sind.
Heute schreibt mich also eine Dame an, dass sie gerne mein Facebook-Buddy wäre. Kurz mal übers Profil geschaut, gemeinsame Kontakte gecheckt und - Tschakkkaaaaa – bestätigt. Eine Frau in meinem Alter, sieht nett und freundlich aus und hat keine politischen oder anderen Hasstiraden in ihrer Chronik. Einen Versuch ist es wert.
Eine Minute nach der Bestätigung bedankt sie sich für meine Freundschaft.
Zwei Minuten nach der Bestätigung fragt sie mich, ob ich Highheels trage.
Ich beiße fast in die Tischplatte. Nee, ne?
Als ich nicht antworte, kommt die Frage, ob ich mit Fotos von mir in Highheels Geld verdienen möchte. Ich höre auf, in die Tischplatte zu beißen und schreibe zurück, dass sie mich mit solchen Fragen in Ruhe lassen soll. Falsche Adresse, Basta! Aber meine neue Facebookfreundin gibt nicht auf. Die nächste Frage lautet:“Bist du treffsicher?“
Was meint die damit? 
Boah! Wie ich es hasse, wenn mich Leute auf Dinge neugierig machen, die ich gar nicht wissen will. Ich sende drei Fragezeichen. Die Antwort kommt prompt. Ein Foto von einer Frau in hohen Hacken, die einem Herrn mit Schwung und Freude in den Schritt kickt. Ich muss lachen. Auf zwei Aufforderungen, diese Art der Schreiberei zu unterlassen, folgt die nächste Phase. Mit einem Mal, finde ich mich in einer „geheimen“ Gruppe wieder, die den passenden Namen „Volltreffer“ trägt. Eine Gruppe, die sich quasi gezielt mit dem Anliegen meines neuen Kontaktes auseinandersetzt.
Einfach hinzugefügt. Ohne meine Kickerqualitäten auch nur im Ansatz zu kennen. Nun bin ich noch verblüffter als vor zehn Minuten. Was mich allerdings umhaut, ist die Tatsache, wie viele meiner weiblichen Kontakte dort ebenfalls Mitglied sind. Sicherlich ist ihnen der Gruppen-Inhalt entgangen, oder sie haben halt einen besseren Beinschwung als ich.
Selbst, wenn ich die Misses Ronaldo in Sachen auf die Zwölf Kicken wäre,  ist das dann doch eine Nummer zu weit für mich. Dementsprechend gibt es nur eine Lösung. 
Zack! Entfreundet, blockiert und aus die Maus. Ich weiß ja, dass es viele Dinge gibt. Und für alles, was es gibt existiert auch jemand, der es mag. 
Aber ehrlich. Wenn ich mal schlechte Laune habe, dann würde ich doch so zutreten, dass ich nachher den Schuh nicht wieder finde. Und dafür sind mir die Dinger einfach zu teuer. 



Sonntag, 17. Juli 2016

161. Akt

Mein Navi hasst mich. Ehrlich. Wenn ich an den Stellen wenden, geradeaus fahren oder abbiegen würde, wozu es mich auffordert, dann würde ich bereits zwei Meter unter der Grasnarbe liegen oder dachabwärts in einem Fluß treiben.
Andererseits bin ich ohne Navi völlig aufgeschmissen. Mein Orientierungsvermögen ist unterirdisch. Gerne weise ich darauf hin, dass ich es beinahe schaffe, mich auf meinem Laufband zu verlaufen.
Also höre ich, was mir die Dame beim Fahren zuruft und versuche die Anweisungen so weit es möglich ist umzusetzen.
Früher, ohne Navi, war es ruhiger. Allerdings waren die Wege wohl etwas weiter. Wann immer ich mich verfahren hatte, sagte ich den Kindern, dass ich ihnen bloß eine neue Strecke zeigen wollte. Ich nannte das auch gerne kreatives Fahren. Damals waren sie klein. Da war das kein Problem. Heute würden sie grinsen und fragen, ob ich für die neue Route genügend Getränke und Essen an Bord hätte.
Mein Navi erfindet Staus, die es nicht gibt und ignoriert Abfahrten, die schon seit hundert Jahren existieren müssen. Man wird umgeleitet oder auf Waldwege genötigt, und alles endet damit, dass ich „bitte wenden“ soll oder noch schlimmer, damit, dass sich dieses sch***-dämliche Teil letzten Endes aufhängt und mich Off Road nirgendwo mehr einfängt.
Diese Abhängigkeit macht mich ganz gaga. Ich kann dem Gerät ja noch nicht mal damit drohen, die CD wegzuschmeißen. Das ist meinem Navi doch wurscht. Wenn mich also jemand von euch mal mit Verzweiflung im Blick in Gegenden rumfahren sieht, in denen ich nix verloren habe, dann reicht mir eine Flasche Wasser, sprecht mir Mut zu und weist grob in die Richtung, in die ich fahren soll. Irgendwann komme ich in der Regel an. Später als andere, aber dann ist hier halt eben der Weg das Ziel.





Samstag, 16. Juli 2016

160. Akt

Während ich am Rechner sitze und an aktuellen Projekten arbeite, fehlt mir was. Ich muss nicht lange nachdenken. Es ist die richtige Musik, die fehlt. Okay, ist ja heute nicht mehr schwer. Also rasch Spotify, oder was auch immer geöffnet. Zack! Lande ich in den 90`. Jetzt noch nach der passenden Richtung gesucht. Ich bin ein bisschen überrascht. Unter Rythm & Blues findet sich gleich ganz oben ein Bereich, der heißt „90´ Baby Makers“. Tja... und nach dem ersten Song weiß ich auch warum. Das ist also die Musik zu der der ein oder andere Mittzwanziger gezeugt wurde. Yepp! Das kann ich mir vorstellen. Wenn diese doch recht beckenbodenstimulierende Musik bei der Zeugung lief, dann frage ich mich, was im Kreißsaal angestimmt wurde. „Die Ärzte“? Marylin Manson? Oder vielleicht Def Leppard?
Ich beschließe für ein paar Momente aufzuhören, an Büchern zu arbeiten. Das hat so keinen Sinn. Man kann einfach nicht über Rache, Mord und Totschlag schreiben, wenn man aus den Boxen von Leuten angeschmachtet wird, die interessante Sachen mit einem anstellen wollen, oder traurig sind, dass sie mich verloren haben. Zu dieser Musik kann ich bestenfalls Bilder bearbeiten. Und so kriegen alle Personen, die ich in letzter Zeit fotografiert habe, erst mal so einen leichten sinnlichen Glow. Ja, das gefällt mir. Das passt.

Aber morgen mach ich weiter. Und dann wieder ohne Musik. Oder bestenfalls ein bisschen Klassik. Da krieg ich die besten Grausamkeiten hin. Und wenn irgendwo einer gerade zu dem 90` Baby Maker Soundtrack einen kleinen Dennis, Fritz, eine Helena oder Lisa zeugt, dann wünsche ich viel Vergnügen. Die Musik passt auf jeden Fall.        

Freitag, 15. Juli 2016

159. Akt 

Hey Süße, dein Blog ist ja echt sweet. Aber so wird das nichts. Da muss mehr Pfeffer rein. So verdienst du nichts. Ich kenn mich da aus. Falls du Bock auf mehr Erfolg hast, dann meld dich einfach. Tschau Süße. Peace! Paul“
Ich sitze immer noch vor meinem Rechner und krieg vor lauter „Süße“ und „Sweet“ fast Karies. Generell reagiere ich auf „Süße“ ein bisschen unflexibel. Wenn mich meine Freundinnen so nennen, dann geht das schon mal in Ordnung. Bei fremden Männern finde ich es albern. Mir bekannte Männer nennen mich nicht so und fremde Frauen in der Regel ebenfalls nicht.
Nun ja. Jetzt meint dieser Peace!-Paul, dass es mit meinem Blog nix wird, weil da mehr Pfeffer rein muss. Und verdienen tu ich so auch nichts.
Ich bin verblüfft. An Verdienen habe ich beim Blogschreiben eigentlich noch nie gedacht. Was soll ich denn da verdienen? Den Literaturpreis für Kurzschriften? Das Mutterkreuz für meine dargestellten Kampf als Oberglucke? Den goldenen Kuli am Bande für täglichen Schriftverkehr?
Ich schreibe diesen verflixten Blog doch bloß aus Spaß. Und so wird er in der Regel auch aufgenommen. Da ich aber so ein klitzekleines bisschen neugierig bin, schreibe ich den Friedens-Paul mal an und frage ihn, welche Form von Pfeffer er meint.
Die Antwort kommt prompt.
Süße,“ (gleich muss ich brechen) „du weißt doch wie es geht. Ein bisschen mehr Pfeffer. Sex, Erotik. Du bist ja sogar ganz ne Hübsche.“ (und jetzt muss ich wirklich gleich brechen) „Zeig doch mal was. Nicht immer so prüde und reserviert. Sex sells“ (Sekunde, muss mal kurz auf´s Klo... brechen). „So kommt man auf Klicks und Klicks lassen sich leicht zu Kohle machen. Du hast echt Potential. Mach was draus. Und eins noch. So ne süße Schokomaus wie du“ (Moment, ich geh schnell nochmal) „kann doch schon über die Hautfarbe Fans generieren. Und falls du bei den Ideen haperst, dann kannst du dich gerne bei mir melden. Ich kenne mich aus. Auch mit Blogs ;-) ;-) ;-).“
So... hmm... okay... ich habe jetzt lange genug tief ein- und ausgeatmet und mir sein Foto im Internet angesehen. Jetzt kann ich entsprechend antworten.
Hör mal gut zu du Kalkleiste, das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?! Hier schreibt die Schokomaus! Gleich vorab: Noch einmal „Süße“ oder „Schokomaus“ und du kannst den nächsten Blog im Ganzkörper-Gips schreiben. Woher willst du wissen, dass „Sex sells“? Du schreibst deine Blogs offensichtlich noch aus dem Kinderzimmer. Weiß deine Mutter, was du da von dir gibst? Und wo wir dabei sind. Die „Schokomaus“ könnte altersmäßig garantiert deine Mutter sein. Kapiert? Bevor du weiter solches geistiges Tralala von dir gibst, schon mal was Respekt gehört? Kannst du googlen. Kriegst du hin. Und wenn nicht, dann frag jemanden. Aber bitte nicht mich. Ich bin nämlich immer noch viel zu verblüfft über deine Tipps. Und jetzt einfach mal ´nen Gang runter schalten und schauen, ob es noch ein paar andere Themen für deinen eigenen Blog gibt. Vielleicht auch mal was anderes anschauen als Youporn oder 50 Shades of grey. Ach Paul. Ich finde deinen Blog ansonsten auch echt „sweet“. Ist auch genug Pfeffer drin. Aber alles in allem ist er für mich dann doch ein bisschen zu farblos. Nichts für ungut. Peace! Manu.“


Donnerstag, 14. Juli 2016

158. Akt

Da isser wieder. Dieser Moment, an dem man an einem Schaufenster vorbeigeht, stutzt, am liebsten heulend nach Hause rennt und sich unter die Höhensonne legt. Die schönen, bunten und fluffigen Sommersachen weichen einem satten Anthrazit, einem trüben Braun und einem traurigen Schwarz. Der Wechsel von Sommer- auf Winterware hat nicht nur begonnen, er hat sich quasi über Nacht – Zack! - in allen Läden vollzogen. Hallo? Ich war mit Sommer noch gar nicht fertig. Ich habe ja kaum damit angefangen. Okay. Die Helligkeit ab kurz nach fünf am Morgen, die tat schon gut. Und auch die Randale der brütenden Vögel im Garten wirkte oft sommerlich. Aber eben nur dann, wenn man das vor lauter Regen hören könnte. Meinen Rasensprenger habe ich immer nur sporadisch raus- und reingeräumt. Vermutlich ist er jetzt verrostet. Stand wohl zu oft unbenutzt in irgendeinem Schauer.
Der Gedanke an Wolle, Mützen und Schals deprimiert mich. Ich habe ja noch gar nicht alle Kleidchen aufgetragen. Geschweige denn, bei den Sandalen die ersten Kratzer auf den Sohlen hinterlassen.
Wenn das jetzt so weiter geht, pack ich meine Sachen und geh zum Flughafen. Bei irgendeiner Familie, die in die Karibik fliegt, schließe ich mich dann an. Immer wenn einer fragt, sag ich, ich sei die Nanny. So wird’s günstiger.
Ich hatte nun wahrlich genug Wasser von oben. Was mir fehlt ist Sonne auf dem Kopf und Sand und Salzwasser um die Füße. Hin und wieder bücken und Muscheln sammeln. Ja. Das fehlt.
Stattdessen laufe ich mit Gummistiefeln durch den Garten und sammle Nacktschnecken von meinen Pflanzen. Im nächsten Jahr investiere ich weniger in schnieke Sandalen, und mehr in sommerliche grell-gelb-bunte Gummistiefel. Und ein schickes transparentes Regencape hol ich mir dann auch noch. Dann kann ich den Bikini da drunter wenigstens sehen, wenn ich mal wieder bei Regen im Garten Unkraut jäte.