173. Akt
Ich sitze mit einer Freundin auf
einer Bank. Vor uns liegt ein mittelgroßer Spielplatz und die
Zwillinge spielen, schaukeln, toben irgendwo in Sichtweite. Ich bin
immer beeindruckt, wenn ich sehe, wie viel manche Menschen in den
Griff kriegen können. Drei Kinder – davon zwei vierjährige
Mädchen – einen Ehemann, der beruflich nur am Wochenende nach
Hause kommen kann, einen Job und den Haushalt. Ganz schön was los.
Und das Beste ist, dass ich sie trotz alledem nicht ein einziges Mal
habe jammern hören (okay, es sei denn der FC Bayern verliert).
Beide Mädchen müssen
vermutlich vor Verlassen des Spielplatzes an den Beinen hochgehalten
und geschüttelt werden. Sonst fehlt nämlich die Hälfte des
Sandkastens und ein zwei Förmchen, die sie zum Spielen eingesteckt
haben werden auch aus den Jeans fallen.
Ich finde alles ziemlich
idyllisch, und mir tut es ein bisschen leid, dass ich mit meinen
eigenen Kindern so selten auf dem Spielplatz war.
Nachher nach Hause zu gehen und
zu fragen, ob sie mit mir schaukeln kommen, wäre dann doch eher
unangemessen. Mit sechzehn und neunzehn kriege ich sie einfach nicht
mehr gemeinsam auf die Wippe oder ins Piratenschiff. Die Zeit ist
wohl leider rum.
Während wir sitzen und
schwatzen kommt eine hübsche junge Frau mit einem ausgesprochen
hübschen kleinen Jungen.
Ich wundere mich ein bisschen.
Das mintfarbene Polohemd des Jungen ist von Ralph Lauren. Die Jeans
ebenfalls. Und der Gürtel ist – schluck – von Gucci! Ein
Kindergürtel von Gucci. Auf dem Spielplatz. Die Sneaker sind
ebenfalls von Tralala und ich bin platt. In dieser Ausstattung wird
das Spielen an den Wasserbahnen zum wirtschaftlichen Totalschaden.
Aber das juckt Mutti nicht. Ich hasse Vorverurteilungen und blöde
Klischees, aber hier kommt wirklich alles zusammen. Die blonde
Föhnfrisur und das hübsche Gesicht des Kleinen sehen eigentlich
ganz niedlich aus.
Aber der Blick spricht Bände.
Schon nach wenigen Minuten wird
klar - auch die größten Arschlöcher haben mal klein angefangen.
Manche sogar auf dem Spielplatz.
Der Junge ist vielleicht fünf
Jahre alt, aber sein größter Spaß ist es, andere Kinder
zu drangsalieren. Sandburgen werden zertreten, Eimerchen weggekickt
und ein dunkelhäutiger Junge als „Schokoarsch“ bezeichnet.
Während der ganzen Zeit sitzt
seine Mami am Handy, kichert und schaut kaum hoch. Die wenigen Male,
die sie ihren Sohn ansieht, ruft sie schlaue Sachen wie „Spiel
schön, Hase“ oder „ist das Mädchen deine Freundin?“ (klar,
seiner Freundin tritt man auch den Eimer aus der Hand und schubst sie
gegen die Rutsche). Hin und wieder ruft sie „Mach dich nicht
schmutzig. Wir gehen gleich noch zu Oma.“
Super Idee. Mit einem Kind, das sauber bleiben soll auf den Spielplatz zu gehen. Ich bin begeistert.
Nein, bin ich nicht!
Meine Freundin und ich
beobachten die Szenen. Ich überlege, was sie wohl macht, wenn der
Satansbraten ihren Mädchen was tut. Egal, was sie dann vorhat, ich
werde ihr Rückendeckung geben.
Während wir sitzen, naschen wir
Mikado. Also diese Gebäckstäbchen mit Schokolade. Es dauert nicht
lang und das kleine Ar.... der süße blonde Fratz steht vor uns.
„Gib ma!“
„Nö!“ sag ich. Während
meine Freundin schon fast reflexartig teilen mag.
„Gib ma! Los!“
„Wie heißt du?“
„Felix, wieso willst du das
wissen? Gib jetzt her!“
„Nö!“ sag ich und schiebe
mir gleich zwei von diesen Stäbchen in den Mund.
„Nachher geht’s zu Oma. Die
hat dir bestimmt schon einen Kuchen gebacken.“
Das kleine Ar.... Bengelchen
schaut mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. Dann dreht er
sich um und rennt zu seiner Mutter.
„Oma hat Kuchen gebacken. Ich
will jetzt gehen.“
Die Mami schaut verstört.
Vermutlich ist es bloß ein blödes Vorurteil, aber wahrscheinlich
ist Oma noch im Nagelstudio, legt ihren Personal Trainer flach oder
lässt sich gerade die Haare ondulieren.
Was sie dem süßen kleinen
Ar... Felix sagt, kann ich nicht hören. Aber er schaut böse zu mir
rüber.
Als die beiden an uns
vorbeigehen, um den Spielplatz zu verlassen, versucht mir der Junge
noch gegen das Schienbein zu treten. Pech. Er erwischt mit seinem
eigenen Schienbein das Holz.
Und während er laut schimpfend
seiner Mutter hinterher humpelt ist mir eines klar.
Wenn der Rotzlöffel mal groß
ist, dann mag er beruflich machen was er will. Seine Karriere als
Arschloch ist bereits in trockenen Tüchern.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen