Freitag, 29. Juli 2016

173. Akt

Ich sitze mit einer Freundin auf einer Bank. Vor uns liegt ein mittelgroßer Spielplatz und die Zwillinge spielen, schaukeln, toben irgendwo in Sichtweite. Ich bin immer beeindruckt, wenn ich sehe, wie viel manche Menschen in den Griff kriegen können. Drei Kinder – davon zwei vierjährige Mädchen – einen Ehemann, der beruflich nur am Wochenende nach Hause kommen kann, einen Job und den Haushalt. Ganz schön was los. Und das Beste ist, dass ich sie trotz alledem nicht ein einziges Mal habe jammern hören (okay, es sei denn der FC Bayern verliert).
Beide Mädchen müssen vermutlich vor Verlassen des Spielplatzes an den Beinen hochgehalten und geschüttelt werden. Sonst fehlt nämlich die Hälfte des Sandkastens und ein zwei Förmchen, die sie zum Spielen eingesteckt haben werden auch aus den Jeans fallen.
Ich finde alles ziemlich idyllisch, und mir tut es ein bisschen leid, dass ich mit meinen eigenen Kindern so selten auf dem Spielplatz war.
Nachher nach Hause zu gehen und zu fragen, ob sie mit mir schaukeln kommen, wäre dann doch eher unangemessen. Mit sechzehn und neunzehn kriege ich sie einfach nicht mehr gemeinsam auf die Wippe oder ins Piratenschiff. Die Zeit ist wohl leider rum.
Während wir sitzen und schwatzen kommt eine hübsche junge Frau mit einem ausgesprochen hübschen kleinen Jungen.
Ich wundere mich ein bisschen. Das mintfarbene Polohemd des Jungen ist von Ralph Lauren. Die Jeans ebenfalls. Und der Gürtel ist – schluck – von Gucci! Ein Kindergürtel von Gucci. Auf dem Spielplatz. Die Sneaker sind ebenfalls von Tralala und ich bin platt. In dieser Ausstattung wird das Spielen an den Wasserbahnen zum wirtschaftlichen Totalschaden. Aber das juckt Mutti nicht. Ich hasse Vorverurteilungen und blöde Klischees, aber hier kommt wirklich alles zusammen. Die blonde Föhnfrisur und das hübsche Gesicht des Kleinen sehen eigentlich ganz niedlich aus.
Aber der Blick spricht Bände.
Schon nach wenigen Minuten wird klar - auch die größten Arschlöcher haben mal klein angefangen. Manche sogar auf dem Spielplatz.
Der Junge ist vielleicht fünf Jahre alt, aber sein größter Spaß ist es, andere Kinder zu drangsalieren. Sandburgen werden zertreten, Eimerchen weggekickt und ein dunkelhäutiger Junge als „Schokoarsch“ bezeichnet.
Während der ganzen Zeit sitzt seine Mami am Handy, kichert und schaut kaum hoch. Die wenigen Male, die sie ihren Sohn ansieht, ruft sie schlaue Sachen wie „Spiel schön, Hase“ oder „ist das Mädchen deine Freundin?“ (klar, seiner Freundin tritt man auch den Eimer aus der Hand und schubst sie gegen die Rutsche). Hin und wieder ruft sie „Mach dich nicht schmutzig. Wir gehen gleich noch zu Oma.“
Super Idee. Mit einem Kind, das sauber bleiben soll auf den Spielplatz zu gehen. Ich bin begeistert. Nein, bin ich nicht!
Meine Freundin und ich beobachten die Szenen. Ich überlege, was sie wohl macht, wenn der Satansbraten ihren Mädchen was tut. Egal, was sie dann vorhat, ich werde ihr Rückendeckung geben.
Während wir sitzen, naschen wir Mikado. Also diese Gebäckstäbchen mit Schokolade. Es dauert nicht lang und das kleine Ar.... der süße blonde Fratz steht vor uns.
Gib ma!“
Nö!“ sag ich. Während meine Freundin schon fast reflexartig teilen mag.
Gib ma! Los!“
Wie heißt du?“
Felix, wieso willst du das wissen? Gib jetzt her!“
Nö!“ sag ich und schiebe mir gleich zwei von diesen Stäbchen in den Mund.
Nachher geht’s zu Oma. Die hat dir bestimmt schon einen Kuchen gebacken.“
Das kleine Ar.... Bengelchen schaut mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. Dann dreht er sich um und rennt zu seiner Mutter.
Oma hat Kuchen gebacken. Ich will jetzt gehen.“
Die Mami schaut verstört. Vermutlich ist es bloß ein blödes Vorurteil, aber wahrscheinlich ist Oma noch im Nagelstudio, legt ihren Personal Trainer flach oder lässt sich gerade die Haare ondulieren.
Was sie dem süßen kleinen Ar... Felix sagt, kann ich nicht hören. Aber er schaut böse zu mir rüber.
Als die beiden an uns vorbeigehen, um den Spielplatz zu verlassen, versucht mir der Junge noch gegen das Schienbein zu treten. Pech. Er erwischt mit seinem eigenen Schienbein das Holz.
Und während er laut schimpfend seiner Mutter hinterher humpelt ist mir eines klar.

Wenn der Rotzlöffel mal groß ist, dann mag er beruflich machen was er will. Seine Karriere als Arschloch ist bereits in trockenen Tüchern.      

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