147. Akt
Ich liebe es. Eine weitere
Lesung steht an, und ich bin auf dem Weg nach Ingolstadt. Um 11 Uhr
bin ich mit den Leuten verabredet, die das Event organisieren. Ort
des Geschehens ist der Showroom eines Schreiners. Klingt banal, ist
es aber nicht. Das Geschäft ist an einer Ecke, mitten in der Stadt. Nicht zu groß und nicht zu
klein ist der Laden. Die Akustik perfekt, und bestuhlen lässt er sich
auch. Während wir Termine und Logistik besprechen, stehe ich in einem
Schrank. Also einem von Schreinerhand gefertigten Wandschrank. Von
genau hier aus werde ich mein Publikum mit meinen „33
Grausamkeiten“ erheitern. Zumindest werde ich es versuchen. Aber
irgendwie bin ich abgelenkt. Dieser Wandschrank hat ein Stangen- und
Fächersystem, das meine Phantasie beflügelt. Okay, ich habe ja ein
klitzekleines begehbares Schrankzimmer, aber wieso habe ich nicht
sowas hier? Auf wenig Platz lässt sich ziemlich viel unterbringen.
Wenn mir bisher die IKEA-Schranksysteme nicht schlecht gefallen
haben, bin ich jetzt ganz aus dem Häuschen. Also sitzend im
Wandschrank UND aus dem Häuschen. Hier denkt man nicht beim
Schranktüröffnen darüber nach, ob das Scharnier noch eine weitere
Öffnung übersteht oder wo der Inbus-Schlüssel ist. Zwischen
Terminbestimmung (29. Juli) und Wahl der Getränke, setzt bei mir ein
klassischer Reflex ein. Ich inspiziere den Schrank und verteile
gedanklich meine Blusen, Pullis, Kleider, Wäsche und allerlei
Schnickschnack. Dann überlege ich, wo ich bei mir Zuhause so etwas
einbauen kann. In mein Schlafzimmer passt das Ding leider nicht, also
vorausgesetzt, ich möchte mein Bett nicht hochkant an die Wand
stellen. Im Flur ist auch blöd. Ich komme ins Grübeln. Vielleicht
könnte ich eines der Kinder überreden auszuziehen? Aber das ist ja
auch doof. Ich würde sie vermissen. Also meistens jedenfalls.
Am Ende haben wir alles
besprochen, geplant und aufgeschrieben, was die Lesung betrifft. Aber
so wirklich zu meinem Auto zieht es mich nicht. Vielleicht sollte ich
einfach mal schauen, welche Wände im Haus tragend sind, es könnten
sich völlig neue Raumaufteilungen ergeben, bei denen dann ein
Wandschrank dieser Art... Ach Quatsch. Die Handwerker sind ja erst
ein paar Monate raus. Nochmaliges Aufstemmen der Wände würde bei
mir eher eine Gummizelle nötig machen. Ich muss grinsen. Ob die hier
auch Gummizellen machen könnten? Also, so schnieke, wie das Ding in
dem ich gerade stehe? Mit hübschen Fächern und Kleiderstangen, auf
die ich dann meine Zwangsjacken hängen könnte...Ich packe meine Unterlagen
zusammen. In ein paar Wochen bin ich zur Lesung wieder hier.
Vielleicht ist mir bis dahin ja ein guter Platz eingefallen. Oder ich
rede doch noch mal mit den Kindern.
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