Sonntag, 3. Juli 2016

147. Akt
Ich liebe es. Eine weitere Lesung steht an, und ich bin auf dem Weg nach Ingolstadt. Um 11 Uhr bin ich mit den Leuten verabredet, die das Event organisieren. Ort des Geschehens ist der Showroom eines Schreiners. Klingt banal, ist es aber nicht. Das Geschäft ist an einer Ecke, mitten in der Stadt. 
Nicht zu groß und nicht zu klein ist der Laden. Die Akustik perfekt, und bestuhlen lässt er sich auch. Während wir Termine und Logistik besprechen, stehe ich in einem Schrank. Also einem von Schreinerhand gefertigten Wandschrank. Von genau hier aus werde ich mein Publikum mit meinen „33 Grausamkeiten“ erheitern. Zumindest werde ich es versuchen. Aber irgendwie bin ich abgelenkt. Dieser Wandschrank hat ein Stangen- und Fächersystem, das meine Phantasie beflügelt. Okay, ich habe ja ein klitzekleines begehbares Schrankzimmer, aber wieso habe ich nicht sowas hier? Auf wenig Platz lässt sich ziemlich viel unterbringen. Wenn mir bisher die IKEA-Schranksysteme nicht schlecht gefallen haben, bin ich jetzt ganz aus dem Häuschen. Also sitzend im Wandschrank UND aus dem Häuschen. Hier denkt man nicht beim Schranktüröffnen darüber nach, ob das Scharnier noch eine weitere Öffnung übersteht oder wo der Inbus-Schlüssel ist. Zwischen Terminbestimmung (29. Juli) und Wahl der Getränke, setzt bei mir ein klassischer Reflex ein. Ich inspiziere den Schrank und verteile gedanklich meine Blusen, Pullis, Kleider, Wäsche und allerlei Schnickschnack. Dann überlege ich, wo ich bei mir Zuhause so etwas einbauen kann. In mein Schlafzimmer passt das Ding leider nicht, also vorausgesetzt, ich möchte mein Bett nicht hochkant an die Wand stellen. Im Flur ist auch blöd. Ich komme ins Grübeln. Vielleicht könnte ich eines der Kinder überreden auszuziehen? Aber das ist ja auch doof. Ich würde sie vermissen. Also meistens jedenfalls.

Am Ende haben wir alles besprochen, geplant und aufgeschrieben, was die Lesung betrifft. Aber so wirklich zu meinem Auto zieht es mich nicht. Vielleicht sollte ich einfach mal schauen, welche Wände im Haus tragend sind, es könnten sich völlig neue Raumaufteilungen ergeben, bei denen dann ein Wandschrank dieser Art... Ach Quatsch. Die Handwerker sind ja erst ein paar Monate raus. Nochmaliges Aufstemmen der Wände würde bei mir eher eine Gummizelle nötig machen. Ich muss grinsen. Ob die hier auch Gummizellen machen könnten? Also, so schnieke, wie das Ding in dem ich gerade stehe? Mit hübschen Fächern und Kleiderstangen, auf die ich dann meine Zwangsjacken hängen könnte...Ich packe meine Unterlagen zusammen. In ein paar Wochen bin ich zur Lesung wieder hier. Vielleicht ist mir bis dahin ja ein guter Platz eingefallen. Oder ich rede doch noch mal mit den Kindern.



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