Sonntag, 10. Juli 2016

154. Akt 

Schätzchen, nein wie schön, dich mal wieder zu hören. 
Ich bin´s , die Anita*. Das ist ja toll, dass ich dich gleich erreiche. Ich sitze hier bei einem Kaltgetränk 
(Aha, sie säuft immer noch wie ein Loch) 
und google mich durch meine alten Freunde 
(Freunde? Hattest du schon mal Freunde?)
Und da stoße ich doch tatsächlich auf meine liebe Manuela. 
(Hallo? Was ist mir da entgangen? Du konntest mich nicht ausstehen. Und ich dich übrigens auch nicht.) 
Das ist ja großartig, was du so alles machst. Und so schade, dass wir uns nach dem Abschluss der Schauspielschule nicht mehr gesehen haben. 
(Ähem... ich habe abgeschlossen. Du bist rausgeflogen.)
Da denkt man sich nichts Böses (Denken?? Du?) und auf einmal trifft man sich sozusagen virtuell wieder. 
(Danke, Gott, dass du sie nur via Internet an mich ran lässt.) 
Wie geht es dir denn? Also, mir geht es fantastisch. Fantastisch! 
(Du hast mir keine Zehntelsekunde gelassen, um auf die Frage, wie es mir geht zu antworten.)
Ich bin übrigens von Thomas getrennt. 
(Wer ist Thomas? Ich kannte nur Gerd, Andreas, Alexander und ein paar andere, die du irgendwelchen Kommilitoninnen ausgespannt hast. Und das ist gefühlte 100 Jahre her.) 
Aber vor ein paar Monaten habe ich einen gaaaaaanz tollen Mann kennengelernt. Sergio. Ein bisschen jünger als ich, aber ein Kerl, sag ich dir, ein ganzer Kerl, wenn du verstehst, was ich meine. 
(Bilder aus dem Kopf, Bilder aus dem Kopf.)“
Bis jetzt, habe ich außer meinem Namen und „Hi!“ nicht viel sagen können. Aber mir ist klar, dass es in diesem Gespräch nicht um das Interesse an mir als Person oder um vergangene Zeiten geht. Ich schätze, in weniger als zwei Minuten...
Und wo ich dich jetzt schon mal am Telefon habe, musst du mir unbedingt einen Gefallen tun.“
Das geht ja fix, denke ich mir so und frage mich, was als nächstes kommt.
Also der Sergio und ich, wir würden gerne mal auf einen dieser Bälle gehen oder eine große Premiere. Und da sag ich dem Sergio, du, das ist kein Problem. Ich habe da eine Freundin, die ist bei all diesen Partys eingeladen. Die besorgt uns bestimmt ein paar Karten oder was man eben dafür braucht. Also so VIP-Bändchen. Du weißt schon, was ich meine.“
Äh ja...“ Ich kann kaum glauben, was ich da höre. „Und wer ist diese Freundin?“
Na du, du Dummerle. Ich habe im Internet gesehen, wo du überall bist. Das wird doch kein Problem sein, da zwei Einladungen zu besorgen.“
Hat sie mich allen Ernstes gerade „Dummerle“ genannt?
Ich verstehe nicht ganz. Ich soll dir und deinem Sergio Einlasskarten für irgendwelche Glamour-Events besorgen?“
Ja, genau. Das ist doch kein Problem, oder?“
Hallo? Bevor ich dieser Person auch nur ein Wassereis am Kiosk besorge, würde ich eher mit Betonstiefeln durch einen Badesee schwimmen.
Ich bin immer noch ein bisschen fassungslos.
Na ja, um es kurz zu machen. Ich werde tatsächlich hin und wieder zu einem Event eingeladen. Gerne auch mit Begleitung. Aber, da ich nicht davon ausgehe, dass du draußen warten willst, während ich deinem Sergio die ortsansässige Schickeria vorführe, muss ich leider ablehnen.“
Nicht dein Ernst, oder?“
Doch, aber einen Tipp hätte ich dann doch noch.“
Das „Ja, bitte schön, welchen?“ klingt ein bisschen frostig.
Bei vielen Veranstaltungen sind Karten käuflich zu erwerben. Wenn du über meinen Namen hinaus ein bisschen weiter googelst, dann findest du bestimmt ein paar Ticket-Shops. Allerdings sind das dann eben keine VIP-Bändchen. Und kosten tut es auch.“
Nee, das ist nicht das, was wir suchen. Schade, ich dachte, auf dich wäre Verlass. Na ja. Dann mach es mal gut. Vielleicht sieht man sich ja doch noch irgendwo.“ Anita* ist offenbar not amused.
Und ich bin froh, als sie endlich aus der Leitung ist. Leute, die dich immer nur dann exhumieren, wenn sie was von dir erwarten, gehen mir ja derart auf den Sender. Und die Anitas* des Lebens sollen sich lieber um ihre partywilligen Sergios kümmern, anstatt zu versuchen ehemalige Bekannte mit falscher Freundschaft auszuweiden. Ich schüttel mit dem Kopf. Dann mach ich mich fertig. Heute bin ich zu einem großen Event eingeladen. Das Bändchen für die Begleitung werde ich eher verbrennen, als es an so einen Honk weiterzureichen. 
Mögen nochmal zwanzig Jahre vergehen, bis wir wieder voneinander hören, Anita*. Gerne auch dreißig.

*Sie heißt nicht Anita, aber, wenn sie ihren Namen auch noch in meinem Blog liest, habe ich sie gleich wieder am Rohr. Und das gilt es zu vermeiden. 



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