Sonntag, 24. Juli 2016

168. Akt

Ich laufe durch den Tengelmann. Bestimmt schon das dritte Mal heute. Schon recht. Wer´s nicht im Kopfe, auf dem Einkaufszettel oder als Tattoo am Handgelenk hat, der muss halt mehrfach laufen, um das Vergessene zu besorgen.
Neben dem Notwendigen, landen eine Flasche Wein und zwei Tüten Chips im Einkaufskorb. Dann geht es vorbei an den Süßigkeiten nach vorne in Richtung Ausgang. Kurz vor der Kasse werde ich von einem älteren Herrn gestoppt. Ich habe ihn schon ein, zweimal im Dorf gesehen und weiß, dass er manchmal ein bisschen durcheinander ist. Das ist nicht schlimm. Durcheinander sind so ziemlich genau alle meine Freunde, und ich selbst ebenfalls. Nur ein bisschen anders.
Gebückt steht er vor mir. Freundlich. Und herzlich lächelt er mich an.
Wie teuer sind die? Ich kann den Preis nicht lesen.“
Er steht direkt vor den Zeitschriften und hält mir zwei Magazine entgegen. Es sind so spezielle Magazine. Also die, in denen der Inhalt weniger aus Worten, denn aus Fotos und animierten Berichten besteht. Abgebildet ist jeweils eine Dame mit offensichtlichen Kleidungs-Phobie. Lasziv lächeln sie den Opa vor mir an, und der lächelt zurück. Also zu mir. Und fragt allen Ernstes nach dem Preis für die Hefte.
Ich sage ihm, was die Erotikmagazine kosten.
"Oh, oh... das ist aber teuer. Welches ist den besser? Hübsch sind sie doch beide." 
Irgendwie komme ich mir vor, wie bei „Verstehen Sie Spaß“. Gleich hüpft jemand zwischen den Kassen durch und sagt mir, dass ich hereingefallen bin. Die beiden Kassiererinnen springen dazu auf und wedeln mit schwarz-rot-goldenen Pompoms. Und der Alte vor mir reißt sich den Schnäuzer aus dem Gesicht, stellt sich gerade hin und ist auf einmal Wayne Carpendale. Aber nix dergleichen passiert. Keine Pompoms und auch kein Wayne Carpendale. Der alte Herr schaut mich immer noch unschuldig fragend an und hält mir zwei Damen mit Doppel-D vor die Nase.
Ich tippe auf das rechte Heft. Nicht, weil mir diese Oberweite weniger bedrohlich erscheint, sondern bloß damit er die Magazine wieder runternimmt.
Ich glaube, das hier ist besser.“ sage ich. Außerdem kostet es zwei Euro weniger. Der Herr nickt freundlich und freut sich, dass ich ihm die Entscheidung erleichtert habe. Dann packt er beide (!!) Zeitschriften in seinen Korb und geht zu den Kassen.
Eigentlich wurst. Er ist erwachsen. Und wenn sein langes Leben ihm bisher das ein oder andere Kerzlein ausgeblasen hat, dann hat mich das nicht zu stören. Ob ihn die dicken Möpse angemacht haben, oder ob er ohnehin bloß noch Farben erkennt ist doch egal. Er freut sich und hat gute Laune. Und ich werde künftig einen größeren Bogen um die Zeitschriften-Ecke machen. Wenn ich gewusst hätte, was da außer Gong, Vogue, Hanni und Nanni so alles liegt... nee, nee, nee.. Da ist ja das komplette Fortbildungsprogramm von pubertierenden Jugendlichen vorhanden. Na ja. Und von fröhlichen Senioren eben auch.


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