Mittwoch, 13. Juli 2016

157. Akt

Heute bin ich Babysitter. Ich darf die zauberhafte Tochter einer Freundin von der Vorschule abholen, mit ihr Essen gehen und sie dann, wenn die Mama gelandet ist, wieder nach Hause bringen. Das macht Spaß. Ich mag die Kleine. Fünf Jahre alt. Pfiffig. Gänzlich unzickig und zauberhaft aufgeschlossen. Jetzt, wo meine eigenen Kinder schon groß sind, genieße ich die Gegenwart von so kleinen Großgeistern ganz besonders. Ab in den Kindersitz und dann geht es in die Stadt.
Kaum fahren wir los, wird mir aus dem Leben von Vorschülern berichtet. Eindeutig spannender, als das, was man so im Erwachsenenleben oder bei Facebook so erfährt.
Wir einigen uns auf Sushi und ich bin begeistert, dass ich damit eine weitere Gemeinsamkeit mit der Dame habe.
Mein Auto gefällt ihr. Es sei so schön hoch, da kann man gut in die anderen Autos reinschauen. Recht hat sie. Ich mach es nicht anders. Ich bin quasi der ultimative Vehikel-Spanner. Das Interieur und der Vermüllungsgrad verschiedener Fahrzeuge inspiriert mich ungemein. Wenn ich im Gegensatz Autos sehe, die innen aussehen, als hätte nie jemand dringesessen, dann macht mich das eher nervös.
Mit einem Mal springt die Kleine auf. Also zumindest so weit es der Kindersitz zulässt.
Sie reißt ihren Arm hoch und deutet auf ein riesiges Plakat.
Das Ding hat die Mama auch. Das weiß ich genau. Das liegt nämlich bei ihr im Schrank.“
Ich bin froh, dass wir an einer roten Ampel stehen, sonst wäre ich vermutlich gegen die nächste Laterne gefahren.
Die Kleine rechts hinter mir zeigt ganz begeistert auf die Plakatwand schräg vor uns. Dort hängt groß und bunt die Werbung von Amorelie. Einem Sex-Toys-Anbieter.
In zauberhaftem Pink mit einem eigenartigen gelben Band zwischen zwei Elementen wird dort auf gut 10 Quadratmetern ein riesiger Vibrator angepriesen. Ich verschlucke mich und huste länger, als es nötig ist. Aber es reicht nicht aus.
Weißt du, was das ist, Manu?“
Ich muss Zeit schinden. Ich hasse Lügen, aber was soll ich der Kleinen nun sagen? Das ist ein technisches Gerät, das der Mama Spaß macht, wenn der Papa nicht Zuhause ist? Nee, das geht doch nicht. „Das ist, glaube ich ein Küchengerät.“ sag ich und denke und vielleicht gehört es ja auch dem Papa. Ich muss grinsen. Madamchen neben mir plaudert fröhlich weiter. Glücklicherweise schon wieder über andere Dinge.
Am späteren Nachmittag erzähle ich meiner Freundin von der Begebenheit. Sie lacht sich schlapp. Der Vibrator sei ein Geschenk von einer gemeinsamen Bekannten. Ausgerechnet von der, der ich so was niemals zugetraut hätte. Dann fragt sie mich, ob ich ihn haben will. Sie kann nichts damit anfangen. Ich bin ja eigentlich tiefenentspannt, aber nun wechsle ich die Farben.

Äh... nö... Danke. Allein der Gedanke, dass ihre Tochter mal durch meine Schubladen stöbert und dann so ein Teil fröhlich in meiner Kaffeerunde präsentiert, lässt mich um Jahre altern. Und wenn unsere gemeinsame Bekannte mal ein Gastgeschenk für mich mitbringt, dann packe ich es erst aus, wenn keiner in meiner Nähe ist. Ganz sicher.

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