157. Akt
Heute bin ich Babysitter. Ich
darf die zauberhafte Tochter einer Freundin von der Vorschule
abholen, mit ihr Essen gehen und sie dann, wenn die Mama gelandet
ist, wieder nach Hause bringen. Das macht Spaß. Ich mag die Kleine.
Fünf Jahre alt. Pfiffig. Gänzlich unzickig und zauberhaft
aufgeschlossen. Jetzt, wo meine eigenen Kinder schon groß sind,
genieße ich die Gegenwart von so kleinen Großgeistern ganz
besonders. Ab in den Kindersitz und dann geht es in die Stadt.
Kaum fahren wir los, wird mir
aus dem Leben von Vorschülern berichtet. Eindeutig spannender, als
das, was man so im Erwachsenenleben oder bei Facebook so erfährt.
Wir einigen uns auf Sushi und
ich bin begeistert, dass ich damit eine weitere Gemeinsamkeit mit der
Dame habe.
Mein Auto gefällt ihr. Es sei
so schön hoch, da kann man gut in die anderen Autos reinschauen.
Recht hat sie. Ich mach es nicht anders. Ich bin quasi der ultimative
Vehikel-Spanner. Das Interieur und der Vermüllungsgrad verschiedener
Fahrzeuge inspiriert mich ungemein. Wenn ich im Gegensatz Autos sehe,
die innen aussehen, als hätte nie jemand dringesessen, dann macht
mich das eher nervös.
Mit einem Mal springt die Kleine
auf. Also zumindest so weit es der Kindersitz zulässt.
Sie reißt ihren Arm hoch und
deutet auf ein riesiges Plakat.
„Das Ding hat die Mama auch.
Das weiß ich genau. Das liegt nämlich bei ihr im Schrank.“
Ich bin froh, dass wir an einer
roten Ampel stehen, sonst wäre ich vermutlich gegen die nächste
Laterne gefahren.
Die Kleine rechts hinter mir
zeigt ganz begeistert auf die Plakatwand schräg vor uns. Dort hängt
groß und bunt die Werbung von Amorelie. Einem Sex-Toys-Anbieter.
In zauberhaftem Pink mit einem
eigenartigen gelben Band zwischen zwei Elementen wird dort auf gut 10
Quadratmetern ein riesiger Vibrator angepriesen. Ich verschlucke mich und huste länger, als es nötig ist. Aber es reicht
nicht aus.
„Weißt du, was das ist,
Manu?“
Ich muss Zeit schinden. Ich
hasse Lügen, aber was soll ich der Kleinen nun sagen? Das ist ein
technisches Gerät, das der Mama Spaß macht, wenn der Papa nicht
Zuhause ist? Nee, das geht doch nicht. „Das ist, glaube ich ein
Küchengerät.“ sag ich und denke und vielleicht gehört es ja
auch dem Papa. Ich muss grinsen. Madamchen neben mir plaudert
fröhlich weiter. Glücklicherweise schon wieder über andere Dinge.
Am späteren Nachmittag erzähle
ich meiner Freundin von der Begebenheit. Sie lacht sich schlapp. Der
Vibrator sei ein Geschenk von einer gemeinsamen Bekannten.
Ausgerechnet von der, der ich so was niemals zugetraut hätte. Dann
fragt sie mich, ob ich ihn haben will. Sie kann nichts damit
anfangen. Ich bin ja eigentlich tiefenentspannt, aber nun wechsle ich
die Farben.
Äh... nö... Danke. Allein der
Gedanke, dass ihre Tochter mal durch meine Schubladen stöbert und
dann so ein Teil fröhlich in meiner Kaffeerunde präsentiert, lässt
mich um Jahre altern. Und wenn unsere gemeinsame Bekannte mal ein
Gastgeschenk für mich mitbringt, dann packe ich es erst aus, wenn
keiner in meiner Nähe ist. Ganz sicher.
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