169. Akt
An manchen Tagen bin ich vom
morgendlichen Aufstehen bis zum abendlichen in die Kissen Fallen in
der ständig gleichen Verfassung.
Und an anderen Tagen wechsle ich
halt mal von der besonnenen Manu über die hyperventilierende
Rampensau bis hin zur Muttergefühls-umgehauenen Zuschauerin.
So auch jetzt in Immendingen.
Eine gute Bekannte von mir veranstaltet ein Charity Event zu Gunsten
von Frauen in Not. Katharina ist Ärztin und setzt sich regelmäßig
für gute Zwecke ein. Alle Einnahmen des Abends werden entsprechenden
Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Das finde ich toll. Da bin
ich dabei. Eigentlich bin ich als Ehrengast eingeladen, aber das
reicht mir nicht. Ich möchte geben was ich habe oder kann. Hier
passt beides. Zum einen stifte ich somit einige meiner Bücher zur
Verlosung und zum anderen „schenke“ ich der Veranstalterin meine
Teilnahme als Model.
Kaum in der Halle wacht dann
auch gleich mal die sonst eher schläfrige Rampensau in mir auf.
Catwalk. Laufsteg. Ich liebe es!
Seit ein paar Jahren laufe ich
nur noch bei Charity Events oder für einen Haufen Kohle. Es steht
mir ja frei. Mein Hauptberuf ist das schon lange nicht mehr.
Nach drei Mal Catwalk setze ich
mich zu meinen Begleitern. Ab jetzt schaue ich mir das Ganze von
vorne an. Den Obstkorb, der vor mir steht, stelle ich auf den Boden.
Ich möchte nicht immer zwischen einer Bananenstaude und einem Rudel
Trauben durchschauen müssen, um die schön Show zu sehen.
Die Rampensau in mir kommt
langsam zur Ruhe, aber etwas ganz anderes bricht aus. Mein
Muttergefühl nämlich. Gestern noch habe ich mit einigen Mädchen
auf dem Laufsteg geübt. Und nun stolzieren sie hier lang, als hätten
sie nie etwas anderes gemacht. Zwischen den wenigen Profis wie
Adelma, Romy und Patrizia, die hier mitlaufen, fallen sie keinen
Millimeter zurück. Ich platze fast vor Stolz. Ich sehe die
bezaubernde Jacqueline, die bildschöne Jenny, die umwerfenden drei
Schwestern mit dem fantastischen Lächeln, die kecke Melanie und all
die anderen auch. Sie laufen, lächeln in die Runde und freuen sich
über den berechtigten Applaus. Und dann passiert es. Zwischen
Anfällen von Jubel und Begeisterung, fange ich immer wieder ein
bisschen an zu heulen. Yepp! Mir kommen die Tränen vor lauter Stolz
und Begeisterung. Es ist ein bisschen so, wie bei Auftritten unseres
Kammerchores Zuhause. Ich sehe junge Menschen, die sich Mühe geben
und einfach vor Lebensfreude platzen. Vielleicht sollte ich den
Obstkorb wieder vor mich hinstellen. Hinter Bananenstauden heult es
sich einfach unauffälliger.
Als alles vorbei ist, nehme ich
einige Mädchen noch mal in den Arm und bedanke mich für die Freude,
die sie mir bereitet haben. Dass ich ihretwegen die Tischdecke
gewässert habe, sage ich natürlich nicht. Ich möchte ja nicht,
dass sie bei künftigen Modenschauen mit einem Bündel Taschentücher
auf die Bühne gehen, weil sie mich irgendwo im Publikum vermuten.
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