Freitag, 20. Mai 2016

103. Akt 

Okay. „Call me Schnösel“, aber ich fahre einen SUV. Groß, schwarz und stark. Fast bin ich versucht zu sagen, dass die Beschreibung auf mich höchstpersönlich zutrifft, aber das ist mir dann doch eine Nummer zu viel. Ich bin ja gar nicht schwarz. Nur so ein bisschen.
Auf dem Weg in die Stadt treffe ich auf einen anderen SUV. Also nicht frontal, sonst hätte die Geschichte schon ein Ende, sondern an der Ampel. Links von mir ein BMW Tralala. Ähnlich hoch, aber in karamelligem Braun. Vier Personen sitzen drin. Vorne zwei junge Männer und hinten ein junger Mann und eine Blondine.
Der junge Mann auf der Rückbank lächelt mich an. Vielmehr gehe ich davon aus, dass er mich meint, denn er trägt eine Sonnenbrille, so dass ich nicht genau erkennen kann, ob er vielleicht doch nur meinen Seitenspiegel toll findet.
Ich fühle mich ein bisschen geschmeichelt, und denke mir: „Burschi, du bist doch viel zu jung für so ein offensives Angrinsen.“
Aber er reagiert nicht auf den kurzen, abweisenden Intervall in meinem Blick. Die blonde Frau neben ihm findet die Flirterei sicher doof. Aber sie reagiert überhaupt nicht.
Eine Ampel weiter steht der Wagen wieder neben mir. Wieder Lächeln von links. Ich schau am besten gar nicht hin, denke ich mir. Und schaue wieder rüber.
Wieder dieses Lächeln. Niedlich. Vielleicht halb so alt wie ich. Da kommen Muttergefühle auf. Mehr nicht. Trotzdem witzig, dass ich so hartnäckig angelächelt werde.
Oder grinst der etwa alle so an? Für einen Moment werde ich rein prophylaktisch eifersüchtig. Dann muss ich über mich selber lachen.
Wie es der Zufall will, halten wir beide – also der karamellige BMW – und ich, an der Tankstelle.
Na hoffentlich wird das jetzt nicht peinlich. Von einem Twen zum Tankstellen-Kaffee eingeladen zu werden, ist dann doch nicht so meins. Aber es kommt ganz anders.
Zum Einen ist die Blondine von der Rückbank ein Kerl. Halt bloß mit langen, blonden Haaren. Und Blondie öffnet die Tür, hinter der mein Smiley sitzt.
Und reicht ihm einen Stock. Ich muss schlucken. Der schnieke Junge von der Rückbank hat gar nicht mich angelächelt. Er ist blind und trägt wohl auch deswegen diese dunkle Brille. Etwas beschämt tanke ich und steige dann wieder in meinen Wagen. Dann grinse ich ihn aber doch noch einmal breit an. Vielleicht kann er es nicht sehen, aber spüren. Denn das hätte er auf jeden Fall verdient. Wer so schön lächelt, hat ein Zurücklächeln verdient. Egal ob blind oder nicht.



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