103. Akt
Okay. „Call me Schnösel“, aber ich fahre einen SUV. Groß,
schwarz und stark. Fast bin ich versucht zu sagen, dass die
Beschreibung auf mich höchstpersönlich zutrifft, aber das ist mir
dann doch eine Nummer zu viel. Ich bin ja gar nicht schwarz. Nur
so ein bisschen.
Auf dem Weg in die Stadt treffe ich auf einen anderen SUV. Also nicht
frontal, sonst hätte die Geschichte schon ein Ende, sondern an der
Ampel. Links von mir ein BMW Tralala. Ähnlich hoch, aber in
karamelligem Braun. Vier Personen sitzen drin. Vorne zwei junge
Männer und hinten ein junger Mann und eine Blondine.
Der junge Mann auf der Rückbank lächelt mich an. Vielmehr gehe ich
davon aus, dass er mich meint, denn er trägt eine Sonnenbrille, so
dass ich nicht genau erkennen kann, ob er vielleicht doch nur meinen
Seitenspiegel toll findet.
Ich fühle mich ein bisschen geschmeichelt, und denke mir: „Burschi,
du bist doch viel zu jung für so ein offensives Angrinsen.“
Aber er reagiert nicht auf den kurzen, abweisenden Intervall in
meinem Blick. Die blonde Frau neben ihm findet die Flirterei sicher
doof. Aber sie reagiert überhaupt nicht.
Eine Ampel weiter steht der Wagen wieder neben mir. Wieder Lächeln
von links. Ich schau am besten gar nicht hin, denke ich mir. Und
schaue wieder rüber.
Wieder dieses Lächeln. Niedlich. Vielleicht halb so alt wie ich. Da
kommen Muttergefühle auf. Mehr nicht. Trotzdem witzig, dass ich so
hartnäckig angelächelt werde.
Oder grinst der etwa alle so an? Für einen Moment werde ich rein
prophylaktisch eifersüchtig. Dann muss ich über mich selber lachen.
Wie es der Zufall will, halten wir beide – also der karamellige BMW
– und ich, an der Tankstelle.
Na hoffentlich wird das jetzt nicht peinlich. Von einem Twen zum
Tankstellen-Kaffee eingeladen zu werden, ist dann doch nicht so
meins. Aber es kommt ganz anders.
Zum Einen ist die Blondine von der Rückbank ein Kerl. Halt bloß mit
langen, blonden Haaren. Und Blondie öffnet die Tür, hinter der mein
Smiley sitzt.
Und reicht ihm einen Stock. Ich muss schlucken. Der schnieke Junge
von der Rückbank hat gar nicht mich angelächelt. Er ist blind und
trägt wohl auch deswegen diese dunkle Brille. Etwas beschämt tanke
ich und steige dann wieder in meinen Wagen. Dann grinse ich ihn aber
doch noch einmal breit an. Vielleicht kann er es nicht sehen, aber
spüren. Denn das hätte er auf jeden Fall verdient. Wer so schön
lächelt, hat ein Zurücklächeln verdient. Egal ob blind oder nicht.
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