Sonntag, 8. Mai 2016

91. Akt 

Kürzlich stehe ich zum Aus-Checken in der Lobby eines Hotels. Die Frage, ob alles bestens war, beantworte ich mit einem Lächeln. Wenn ich anfangen würde, wo es alles dran gehapert hat, dann müsste ich noch eine weitere Nacht bleiben. Noch bevor ich irgendwas Belangloses sagen kann, plappert eine Dame hinter mir los. Groß, schlank, blondierter Pferdeschwanz und Gucci-Sonnenbrille in der durchaus schattigen Lobby.
Also sie meint ja, dass alles ganz in Ordnung war, lediglich dieses entsetzliche Vogelgezwitscher am Morgen sei nahezu unerträglich.
Mir fällt fast der Stift aus der Hand.
Aber sie hört nicht auf.
Man würde ja schier wahnsinnig bei all dem Gepiepe. Außerdem wird es schon erschreckend früh hell. Sie habe kaum schlafen können.
Ich überlege, ob ich anfangen soll, rhythmisch mit meiner Stirn auf den Tresen der Rezeption zu knallen, um auf das Niveau dieses Gespräches herunter zu kommen, aber da wendet sie sich schon ab und stöckelt hinaus auf den Parkplatz. Ich schüttel mit dem Kopf, äußere mich aber nicht weiter.
Es ist doch immer das selbe.
Die gleichen Leute, die am 2. Januar motzen, dass es noch winterlich kalt ist, mokieren sich sechs Monate später dann über Hitze und Mücken. Selbstverständlich kann man sich dann auch noch darüber beschweren, dass man soviel Rasen sprengen muss.
Chronische Jahreszeiten - und Wetternörgler. Ständig passt ihnen was nicht. Und klar! Früher war sowieso alles anders. Viel besser!
Was denn? Waren die Vögel leiser? Die Hitze kühler? Der Schnee wärmer?
Maulen diese Leute auch im privaten Bereich derart blödsinnig?
Nach der Geburt des ersten Kindes? Oh, den hab ich mir aber hübscher vorgestellt?
Beim Kunstkauf? Tolles Bild, gibt es das auch in grüner, größer und als Skulptur?
Kann man so glücklich werden? Oder sagt man dann, wenn man eigentlich glücklich ist. „Boah.... wenn ich happy bin und lächle, hab ich immer so hässliche Falten um die Augen.“
Na ja... zur Not kann man ja auch nörgeln geil finden. Dann hat man jedenfalls was davon.



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