357. Akt
Ich
war übers Wochenende weg. Von Freitag bis Sonntag. Nichts
Spektakuläres. Einfach ein ruhiges Wochenende. Kind 1.0 und 2.0
hüten derweil das Haus. Beide sind ja (Hosianna-praise-the-lord)
mittlerweile der gröbsten Pubertät entwachsen und ich muss sie
nicht mehr rund um die Uhr bis an die Zähne bewaffnet
beaufsichtigen. Wenn ich das Haus verlasse, geht es ihnen gut und sie
sind versorgt und wenn ich zurückkomme ist in der Regel auch noch
alles prächtig. Wenn, ja wenn man nicht einen entscheidenden Fehler
macht.
Ich
weiß ja, dass manche Eltern schon das erste sturmfreie Hinterlassen
des Hauses mit niedergerbrannten Grundmauern, vierzig Strafanzeigen
wegen Ruhestörung und Erregung öffentlichen Ärgernisses bitter
büßen, aber bei mir? Nee, immer alles in Ordnung. Kein Nachbar
schaut mich schief an und ich muss auch keine restalkoholisierten
Teenager oder Twens aus dem Keller ins Freie zerren. Ja, ja, auf Ratz
und Rübe ist Verlass.
Auch
dieses Mal. Sicherlich. Heute Mittag haben mich beide noch
angeschrieben, wann ich wieder Zuhause bin. Ich bin ganz gerührt von
so viel Fürsorge und Interesse. Ich schreibe zurück „So gegen 19
Uhr.“
Jetzt
im Auto ist es zwar erst 17 Uhr, aber was soll´s? Überrasche ich
sie eben mit meiner früheren Rückreise. Ist doch nett. Wenn sie
schon so lieb nachfragen.
Ich
biege mit meinem Auto auf´s Grundstück und rolle in der Garage aus.
War
das gerade meine Tochter mit panischem Blick am Fenster? Nö, kann
nicht sein. Warum auch?
Zündschlüssel
raus, Gepäck geschultert und Schlüssel ins Schloss. Eine Welle
hektischer Betriebsamkeit wabert mir entgegen. Vom Flur aus ist gar
nichts Schlimmes zu erkennen. Mich irritiert, dass mein Sohn mich mit
Nichtigkeiten ablenkt, während es in der Küche scheppert.
Übers
Wohnzimmer (Äh... was ist mit dem Sofa passiert? Wieso liegen alle
Kissen auf dem Boden und was machen die Socken auf der Fernbedienung?)
drehe ich in mich in Richtung Küche. Mich trifft fast der Schlag.
Tochterkind grinst mich mit einer Flasche Spüli und einem Küchentuch
in der Hand an.
Ich
schaue mich um. Wie viele Kartons sind das? Wie viele von diesen
Tiefkühl-Pizzen kann man denn innerhalb von 48 Stunden zu sich
nehmen? Für wen wurden denn die ganzen Kuchen gebacken, deren
Zutaten jetzt noch unterhalb der Dunstabzugshaube und an drei
verschiedenen Backblechen kleben?
Ist
das eine Anti-Rutsch-Beschichtung auf dem Boden oder ist hier
Superkleber ausgelaufen? Ich drehe mich zurück zu Kind 1.0 und 2.0.
Ich bin ein bisschen fassungslos. Beide stehen in nettester Eintracht Seite an Seite nebeneinander. Geschwisterlich vereint wie Hänsel und Gretel und
zucken mit den Schultern.
Mein
erster Impuls ( verlasse dieses Haus und komme vor 2021 nicht zurück)
weicht dem Wissen, dass das nur eine Form von desaströser
Katastrophen-Prokrastination ist.
Also
stelle ich meine Handtasche weg, lege das Handy auf den Kühlschrank
und reagiere auch nicht auf Anknuddeln durch Erst- und
Zweitgeborene(n).
„Es
gibt viel zu tun. Packen wir´s an.“ hieß irgendein Werbespruch
und mir wird klar, dass dieser Text von einem alleinerziehendem
Elternteil kommen muss. Nach einigen „Wir helfen dir.“- und „Du
kommst ein bisschen früh“- Bekenntnissen ist beiden eingefallen,
dass man noch dringend für Uni und Abi lernen muss. Naja... so habe
ich zumindest Platz um Ordnung zu schaffen. Und beim nächsten Mal
sage ich, ich komme um neunzehn Uhr heim und komme dann erst am
nächsten Morgen. Vielleicht haben sie dann die Zeit genutzt und auch
noch die Fenster geputzt und den Keller aufgeräumt. Hach...
Man
wird ja noch träumen dürfen.
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