Sonntag, 21. Mai 2017

357. Akt

Ich war übers Wochenende weg. Von Freitag bis Sonntag. Nichts Spektakuläres. Einfach ein ruhiges Wochenende. Kind 1.0 und 2.0 hüten derweil das Haus. Beide sind ja (Hosianna-praise-the-lord) mittlerweile der gröbsten Pubertät entwachsen und ich muss sie nicht mehr rund um die Uhr bis an die Zähne bewaffnet beaufsichtigen. Wenn ich das Haus verlasse, geht es ihnen gut und sie sind versorgt und wenn ich zurückkomme ist in der Regel auch noch alles prächtig. Wenn, ja wenn man nicht einen entscheidenden Fehler macht.
Ich weiß ja, dass manche Eltern schon das erste sturmfreie Hinterlassen des Hauses mit niedergerbrannten Grundmauern, vierzig Strafanzeigen wegen Ruhestörung und Erregung öffentlichen Ärgernisses bitter büßen, aber bei mir? Nee, immer alles in Ordnung. Kein Nachbar schaut mich schief an und ich muss auch keine restalkoholisierten Teenager oder Twens aus dem Keller ins Freie zerren. Ja, ja, auf Ratz und Rübe ist Verlass.
Auch dieses Mal. Sicherlich. Heute Mittag haben mich beide noch angeschrieben, wann ich wieder Zuhause bin. Ich bin ganz gerührt von so viel Fürsorge und Interesse. Ich schreibe zurück „So gegen 19 Uhr.“
Jetzt im Auto ist es zwar erst 17 Uhr, aber was soll´s? Überrasche ich sie eben mit meiner früheren Rückreise. Ist doch nett. Wenn sie schon so lieb nachfragen.
Ich biege mit meinem Auto auf´s Grundstück und rolle in der Garage aus.
War das gerade meine Tochter mit panischem Blick am Fenster? Nö, kann nicht sein. Warum auch?
Zündschlüssel raus, Gepäck geschultert und Schlüssel ins Schloss. Eine Welle hektischer Betriebsamkeit wabert mir entgegen. Vom Flur aus ist gar nichts Schlimmes zu erkennen. Mich irritiert, dass mein Sohn mich mit Nichtigkeiten ablenkt, während es in der Küche scheppert.
Übers Wohnzimmer (Äh... was ist mit dem Sofa passiert? Wieso liegen alle Kissen auf dem Boden und was machen die Socken auf der Fernbedienung?) drehe ich in mich in Richtung Küche. Mich trifft fast der Schlag. Tochterkind grinst mich mit einer Flasche Spüli und einem Küchentuch in der Hand an.
Ich schaue mich um. Wie viele Kartons sind das? Wie viele von diesen Tiefkühl-Pizzen kann man denn innerhalb von 48 Stunden zu sich nehmen? Für wen wurden denn die ganzen Kuchen gebacken, deren Zutaten jetzt noch unterhalb der Dunstabzugshaube und an drei verschiedenen Backblechen kleben?
Ist das eine Anti-Rutsch-Beschichtung auf dem Boden oder ist hier Superkleber ausgelaufen? Ich drehe mich zurück zu Kind 1.0 und 2.0. Ich bin ein bisschen fassungslos. Beide stehen in nettester Eintracht Seite an Seite  nebeneinander. Geschwisterlich vereint wie Hänsel und Gretel und zucken mit den Schultern.
Mein erster Impuls ( verlasse dieses Haus und komme vor 2021 nicht zurück) weicht dem Wissen, dass das nur eine Form von desaströser Katastrophen-Prokrastination ist.
Also stelle ich meine Handtasche weg, lege das Handy auf den Kühlschrank und reagiere auch nicht auf Anknuddeln durch Erst- und Zweitgeborene(n).
Es gibt viel zu tun. Packen wir´s an.“ hieß irgendein Werbespruch und mir wird klar, dass dieser Text von einem alleinerziehendem Elternteil kommen muss. Nach einigen „Wir helfen dir.“- und „Du kommst ein bisschen früh“- Bekenntnissen ist beiden eingefallen, dass man noch dringend für Uni und Abi lernen muss. Naja... so habe ich zumindest Platz um Ordnung zu schaffen. Und beim nächsten Mal sage ich, ich komme um neunzehn Uhr heim und komme dann erst am nächsten Morgen. Vielleicht haben sie dann die Zeit genutzt und auch noch die Fenster geputzt und den Keller aufgeräumt. Hach...

Man wird ja noch träumen dürfen.       

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