Dienstag, 9. Mai 2017

356. Akt

Ich reiße mich gerade figürlich am Riemen. Nicht, dass es schon aus dem Ruder läuft, aber ich habe in den nächsten Monaten einen Haufen Fototermine und Modenschauen. Und da will ich vollständig aufs Bild, beziehungsweise auf den Laufsteg passen. Also kaufe ich mir Salat, Tomaten und das ganze bunte Zeug. Um Chips, Schokolade und Eiscreme mache ich anfangs einen großen Bogen. Dann kaufe ich doch ein Eis für meine Tochter und etwas Süßes für Kind 1.0.
Weil ich ja aber schlau bin, greife ich hier nur zu dem Eis und der Schokolade, die bei mir sowieso nicht auf der Hitliste stehen. Erdbeereis – pöh, reizt mich nicht, und Ritter Sport Marzipan – damit kannste mich jagen.
Tja, was sag ich? Problem gelöst. Kinder glücklich und ich komme nicht in Versuchung. Innerlich klopfe ich mir auf die Schulter.
Weil ich aber noch was am Gemüse vergessen habe, geh ich zurück in den vorderen Bereich des Ladens. Der große Aufsteller neben dem Beerenobst ist mir vorhin gar nicht aufgefallen.
Kann ich da was für? Nein, kann ich nicht. Direkt im Eingangsbereich vom Tengelmann steht so ein riesiger Aufbau mit diesem Genuss in Nuss-Zeug. Also Edle Tropfen-Dingens in Schokolade. Ich erinnere mich, dass ich mal ganz schrecklich auf diese Form der Süßigkeiten abgefahren bin. Kleine Einheiten von Kirschwasser, Zwetschgen- und Birnenschnaps und Himbeergeist in Mantel dunkler Nussschokolade,
Und weil ich gleich einen Freund besuchen will, nehme ich gleich mal eine Packung mit. Quasi als Geschenk. Ist ja eingeschweißt, reizt mich üüüüüüüüüüberhaupt nicht.
Als ich Zuhause alle Einkäufe wegräume, hab ich natürlich auch wieder die Pralinenschachtel in der Hand. Komisch. Was hatte mich damals so sehr daran gereizt? Ich kann sie mir ja mal kurz anschauen. Nur mal ansehen. Nicht essen natürlich. So ein Quatsch. Essen will ich sie gar nicht. Nur mal anschauen.
Während ich noch darüber sinniere, wie dämlich der Gedanke ist, sich Pralinen bloß anschauen zu wollen, hab ich die Folie schon runter und eines dieser Schokodinger in der Hand.
Mannmannmann... das ist ja nun doof. Ich kann doch keine Pralinen verschenken, die ich schon mal angelangt habe oder? Nee, das geht ja wirklich nicht. Und schwupps, Ist das Ding entsorgt.
Äh... ja... lecker. Aber den Rest sperre ich weg. Verschenken geht ja jetzt nicht mehr, aber ich muss sie aus meinem Blickfeld räumen. Also alle anderen, außer die beiden, die sich nun auch schon wieder in meiner Hand befinden.
Ich horche nach oben. Wenn die Kinder mich jetzt hier so sehen, dann bricht wieder ein Eckchen aus meiner pädagogischen Mutter-Konsequenz-Krone. Hab ich doch vorhin erst gesagt, dass ich auf Salat umsteige. Aber es kommt keiner.
Die Packung landet ganz oben im Regal in der Besenkammer. Nur noch zwei, dreimal muss ich sie in die Hand nehmen. Mal um nachzuzählen, wie viele noch da sind und mal um zu verifizieren, dass ich schon wieder zwei gegessen hab.
Jetzt habe ich ein ganz anderes Dilemma. Ich kann nämlich angebrochenes Zeug nicht gerne rumstehen lassen (zumal, wenn für den vollzogenen Konsum der Packung nur einer in Frage kommt), andererseits kann ich doch keine ganze Packung Pralinen aufessen.

Doch! Ich kann! Den Besuch heute muss ich verschieben. Der Schnaps wirkt auch im Schoko-Versteck. Ansonsten tu ich einfach so, als wär nix gewesen. Und diese dämliche, verführerisch-verräterische Verpackung knall ich ganz unten in den Müll. Künftig betrete ich den Tengelmann nur über den Kassenbereich. Für alles andere bin ich offenbar zu schwach. 

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