356. Akt
Ich
reiße mich gerade figürlich am Riemen. Nicht, dass es schon aus dem
Ruder läuft, aber ich habe in den nächsten Monaten einen Haufen
Fototermine und Modenschauen. Und da will ich vollständig aufs Bild,
beziehungsweise auf den Laufsteg passen. Also kaufe ich mir Salat,
Tomaten und das ganze bunte Zeug. Um Chips, Schokolade und Eiscreme
mache ich anfangs einen großen Bogen. Dann kaufe ich doch ein Eis
für meine Tochter und etwas Süßes für Kind 1.0.
Weil
ich ja aber schlau bin, greife ich hier nur zu dem Eis und der
Schokolade, die bei mir sowieso nicht auf der Hitliste stehen.
Erdbeereis – pöh, reizt mich nicht, und Ritter Sport Marzipan –
damit kannste mich jagen.
Tja,
was sag ich? Problem gelöst. Kinder glücklich und ich komme nicht
in Versuchung. Innerlich klopfe ich mir auf die Schulter.
Weil
ich aber noch was am Gemüse vergessen habe, geh ich zurück in den
vorderen Bereich des Ladens. Der große Aufsteller neben dem
Beerenobst ist mir vorhin gar nicht aufgefallen.
Kann
ich da was für? Nein, kann ich nicht. Direkt im Eingangsbereich vom
Tengelmann steht so ein riesiger Aufbau mit diesem Genuss in
Nuss-Zeug. Also Edle Tropfen-Dingens in Schokolade. Ich erinnere
mich, dass ich mal ganz schrecklich auf diese Form der Süßigkeiten
abgefahren bin. Kleine Einheiten von Kirschwasser, Zwetschgen- und
Birnenschnaps und Himbeergeist in Mantel dunkler Nussschokolade,
Und
weil ich gleich einen Freund besuchen will, nehme ich gleich mal eine
Packung mit. Quasi als Geschenk. Ist ja eingeschweißt, reizt mich
üüüüüüüüüüberhaupt nicht.
Als
ich Zuhause alle Einkäufe wegräume, hab ich natürlich auch wieder
die Pralinenschachtel in der Hand. Komisch. Was hatte mich damals so
sehr daran gereizt? Ich kann sie mir ja mal kurz anschauen. Nur mal
ansehen. Nicht essen natürlich. So ein Quatsch. Essen will ich sie
gar nicht. Nur mal anschauen.
Während
ich noch darüber sinniere, wie dämlich der Gedanke ist, sich
Pralinen bloß anschauen zu wollen, hab ich die Folie schon runter
und eines dieser Schokodinger in der Hand.
Mannmannmann...
das ist ja nun doof. Ich kann doch keine Pralinen verschenken, die ich
schon mal angelangt habe oder? Nee, das geht ja wirklich nicht. Und
schwupps, Ist das Ding entsorgt.
Äh...
ja... lecker. Aber den Rest sperre ich weg. Verschenken geht ja jetzt
nicht mehr, aber ich muss sie aus meinem Blickfeld räumen. Also alle
anderen, außer die beiden, die sich nun auch schon wieder in meiner
Hand befinden.
Ich
horche nach oben. Wenn die Kinder mich jetzt hier so sehen, dann
bricht wieder ein Eckchen aus meiner pädagogischen
Mutter-Konsequenz-Krone. Hab ich doch vorhin erst gesagt, dass ich
auf Salat umsteige. Aber es kommt keiner.
Die
Packung landet ganz oben im Regal in der Besenkammer. Nur noch zwei,
dreimal muss ich sie in die Hand nehmen. Mal um nachzuzählen, wie
viele noch da sind und mal um zu verifizieren, dass ich schon wieder
zwei gegessen hab.
Jetzt
habe ich ein ganz anderes Dilemma. Ich kann nämlich angebrochenes
Zeug nicht gerne rumstehen lassen (zumal, wenn für den vollzogenen
Konsum der Packung nur einer in Frage kommt), andererseits kann ich
doch keine ganze Packung Pralinen aufessen.
Doch!
Ich kann! Den Besuch heute muss ich verschieben. Der Schnaps wirkt
auch im Schoko-Versteck. Ansonsten tu ich einfach so, als wär nix
gewesen. Und diese dämliche, verführerisch-verräterische
Verpackung knall ich ganz unten in den Müll. Künftig betrete ich
den Tengelmann nur über den Kassenbereich. Für alles andere bin ich
offenbar zu schwach.
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