35. Akt
Das mit dem Fliegen ist ja so eine Sache. Früher bin ich immer sehr
gerne und viel geflogen. Dann kam eine Zeit, da bin ich ungern, aber
sehr viel geflogen. Und jetzt ist es mir wurscht. Flugzeug, Bahn,
Inlineskates. Hauptsache ich komme Zuhause an. In der Zeit, als ich
hin und wieder Panik im Flieger hatte, halfen nur noch
Beruhigungsmittel. Mittlerweile brauch ich noch nicht mal mehr einen
Prosecco. Und je nachdem von wo nach wo ich fliege, verschlafe ich
ohnehin alles zwischen Start und Landung. Dann steige ich ein, lehne
mich ans Fenster und die Lichter gehen aus. Und weil ich so ein
Gewohnheitstier bin, sitze ich deswegen auch fast ausschließlich auf
der rechten Seite irgendwo am Fenster. Beim Einschlafen hab ich
sonst Orientierungsschwierigkeiten und mein Kopf fällt wie bei einem
Wackeldackel die ganze Zeit recht unschön hin und her.
Blöderweise konnte ich in diesem vermaldeiten, ohnehin zu spät
abfliegenden Flugzeug keine Sitzplatzwahl vornehmen. Und
dementsprechend saß ich nun zur Abwechslung zwar am Fenster aber
links.
Es kommt wie es kommen muss. Das Flugzeug geht an und Manu geht aus.
Noch bevor der ganz zauberhaft geföhnte Flugbegleiter erklären
kann, wie man die bereits geschlossenen Gurte schließt und was man
nun genau mit der Sauerstoffmaske anstellen soll, bin ich im Land der
Träume. Alles halb so wild. Als ich aufwache, liegt mein Kopf
gewohnheitsmäßig rechts an der Scheibe. Nur dass da keine Scheibe
ist. Da ist ein Sakko. Es ist grau und hat Nadelstreifen. Und meines
ist es nicht. Ganz, ganz vorsichtig öffne ich meine Augen. Das Sakko
riecht gut, aber – oh Schreck – es hat einen Fleck. Dunkel zieht
sich eine Spur in Richtung Knopfleiste. Mir schwant Übles. Der
Sakko-Mann hat noch nicht entdeckt, dass die fremde Frau an seiner
Seite gerade aufgewacht ist. Und er hat auch nicht entdeckt, dass
selbige ihm in der letzten halben Stunde im Schlaf sein Sakko
vollgesabbert hat. Was tun? Weiter schlafend stellen, den Kopf auf
die andere Seite werfen und tun als wäre nichts gewesen? Oder
ruckartig ein Taschentuch aus der Handtasche reißen und rubbeln wie
eine Gestörte? Ich entschließe mich zu einem moderaten Aufwachen,
einem netten „Entschuldigung“-inklusive rot anlaufen und einem
„äh... Sie haben da was.“
Dann reiche ich ihm ein Taschentuch. Das Rubbeln an fremden Männern
geht leicht schief, deswegen lasse ich ihn den Schaden selber
beheben. Zehn Minuten später steigen wir aus. Ich sprinte Richtung
S-Bahn und sehe noch, wie er grinst und sich einen Mantel über das
Sabber-Sakko zieht. Pah! Vermutlich behält er den Fleck noch ein
kleines Weilchen als Trophäe.
Ist mir egal. Ich will jetzt heim. Und in der S-Bahn schlaf ich
garantiert nicht noch mal ein.
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