Freitag, 18. März 2016

41. Akt 

Die Nacht ist rum und die Messe steht an. Mit dem Hotel-Shuttle fahre ich erst mal ins Presse-Zentrum. Weil – genau – da gibt es Kaffee! Auf dem Weg in die erste Halle stolpere ich über ein Fabelwesen. Vor mir steht ein Junge (?) mit blassem Gesicht, grauem Haar, schwarzem Zaubererhut und feuerroten Kontaktlinsen. Er läuft gemächlich in Richtung der unteren Eingänge und ich frage mich, ob das Schlafdefizit schon mal solch exorbitante Auswirkungen auf mich hatte. Ein Blick über die Brüstung zeigt mir, dass sich vor dem Eingang weitere dieser eigenartig gekleideten Gestalten befinden. Rosa Perücken, Flügel, groß geschminkte Augen, Besucher männlichen und weiblichen Geschlechts im japanischen Schulmädchen-Look. Langsam dämmert es mir. Im Rahmen der Buchmesse findet hier die Manga-Comic-Con statt. Das heißt rudelweise fallen die meist jugendlichen Besucher in den ausgeflipptesten Outfits ein. Da sag mal einer der Osten ist nicht bunt. Auf dem Weg zu meinem ersten Gespräch muss ich die auf Einlass wartende Menge einmal komplett durchqueren. Ich überlege, was ich tun würde, wenn meine Kinder sich hier befänden, bin froh, dass sie es nicht tun und beschließe ihr Taschengeld zu erhöhen.
Ich treffe meinen Literaturagenten und stelle fest, dass ich bereits meinen fünften Kaffee trinke. Wenn das so weiter geht, blute ich nachher aus den Augen und meine Interviews werden nur noch in Zeitlupe verständlich sein. Jenseits der Manga-Halle wirken die Besucher dann wieder blass und farblos wie zuvor. Kleidung in den grauesten Graustufen bestimmen das Bild. Mit meiner roten Bluse und der Lederjacke komme ich mir exotischer vor, als die Manga-kids vorhin. Ich besuche Podiumsdiskussionen, diverse Radiostationen und Journalisten, die mich zum Gespräch eingeladen haben.

Als ich alle meine Termine durch hab, setze ich mich noch in eine Diskussionsrunde. Einer der Zuschauer fragt, warum in der Literatur ständig Mord und Totschlag thematisiert werde. Alles sei so grausam geworden. Ich schleiche mich still und leise aus dem Publikum. Mit einem Titel der „33 Grausamkeiten“ heißt und einem Roman, wo einer mit einem Aufzug getötet wird, fühle ich mich zu unausgeschlafen, um diese Diskussion zu verfolgen. Zwei Stunden vor der Zeit fahre ich zum Flughafen. So wie es aussieht, werde ich mit dem Einschlafen dieses Mal schon vor dem Boarding beginnen. Also stelle ich mir einen Wecker. Sicher ist sicher.      

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen