Montag, 16. Januar 2017

323. Akt

Wow!!! Was für ein Abend! Ich bin hellbegeistert. Mit meinem alten Freund und Kollegen Michael Diehl bin ich in die Jury für einen Model-Contest gebeten worden und das Ganze findet im Marmorsaal im Stuttgarter Weißenburgpark statt.  So weit so gut. Hier handelt es sich aber nicht um die „Miss Aral Super Plus“ oder „Miss Rasendünger Senior 2017“, sondern um einen Model Wettbewerb unter gehörlosen Frauen. Die neun Teilnehmerinnen haben in den letzten Wochen bereits zehn Wettkampf-Runden hinter sich gebracht. Ja, okay, dieser Wettkampf hatte keinen Germanys Next Top Model Etat und deswegen wurde statt mit Schlangen mit Mehlwürmern geshootet, und die Reise ging auch nicht um die halbe Welt. Dafür mussten die Kandidatinnen aber auch nicht Heidi Klums Stimme ertragen und konnten sich selbst treu bleiben. Und die Mädels und das Team hatten bis jetzt jede Menge Spaß und Freude, wie man in den jeweiligen Einspielern sieht.
Dass hier keine Modelmaße erfüllt werden und auch die drei Durchgänge nicht auf einem glamourösen Laufsteg stattfinden, stört kein bisschen. Die Frauen geben sich selbstbewusst und von einer unfassbaren Lebensfreude.
Das Team gestaltet, moderiert und unterhält mit einer gestenreichen Hingabe und mit Tanja und Rita stehen den sehr, sehr wenig Hörenden im Raum gleich zwei witzige und herzliche Gebärden-Dolmetscherinnen zur Seite. Die Stimmung ist so gut, dass ich mich sogar mit meinen rudimentären Gebärdenkenntnissen aus dem Eck wage und herzlichen Zuspruch bekomme. Keiner wendet sich ab und gebärdet dem Nächsten, dass ich irgendwas Obszönes von mir gegeben habe oder einen Striptease im Park vor der Tür angekündigt hätte. Cool! Das muss ich ausbauen.
Aber eigenartig ist es für uns Hörenden manchmal schon.
Die gesamte Veranstaltung findet nämlich vollständig ohne Musik und (bis auf die Dolmetscherinnen ausgenommen) ohne Worte statt.
Statt Klatschen wird mit den Händen in der Luft gewedelt. Das hat was. Und dennoch geht mir an dieser Stelle ein bisschen lautstarke Begeisterung ab. Die Veranstalter, die Models, der Koch und die Kellner – alle taub. Nie zuvor habe ich mich so prächtig mit Menschen unterhalten, die mich nicht hören konnten (an dieser Stelle sprechen meine Kinder von einem eindeutigen Vorteil der Gehörlosen). Wenn irgendwo ein paar Gläser runterfallen, dann schreckt nur die Handvoll hörender Gäste auf. Der Rest lächelt weiter fröhlich in Richtung Bühne.
Mein Fazit: Es war leise, aber nicht ruhig, und Gehörlosen fehlt nur und ausschließlich ihr Gehör. Sonst fehlt ihnen nix! Nix! Nix! Die Lebensfreude hat mich in aller Stille einfach umgehauen.
Und wenn man ehrlich ist, dann ist es durchaus mal ganz angenehm, wenn einem nicht ständig ins Wort gefallen wird. Blöde Gelaber gibt es an vielen Stellen schon ausreichend genug.

Obwohl.... Blödes Gelaber gibt es sicherlich auch in der Gebärdensprache, aber so weit reichen meine erlernten Gesten vermutlich noch nicht. So hat „Nichtkönnen“ mal wieder einen klaren Vorteil.

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