Mittwoch, 1. Februar 2017

328. Akt

In Sachen hübsch-Machen und Make up ist seit einiger Zeit der Begriff „Contouring“ das neue Zauberwort. Man konturiert.
Na ja, eigentlich hat man schon immer heller gemacht, was man betonen wollte und dunkler, was im Gesicht eben ein bisschen zurücktreten sollte.
Zusätzlich werden rote Augenringe mit leichtem Grün abgedeckt, und als natürlicher Lift, der Pferdeschwanz halt ein bisschen straffer gebunden.
Während man früher Schritt für Schritt abgearbeitet hat, schmiert man sich heute ohne Zwischenschritte gleich mal ein paar helle Streifen und Punkte ins Gesicht und ergänzt das Ganze mit Markierungen in dunkelbraun. Das mit dem Grün kann ich weglassen. Augenringe habe ich nicht. Zumindest keine roten. Den ganzen Prozess vollziehe ich bei mir im Erdgeschoss-Gäste-WC. Dort ist das beste Licht. Da kann ich konturieren, schattieren und verblenden wie ein Weltmeister.
Ich schaue in den Spiegel und erkenne Winnetous kleine Schwester. Nach einer Kollision mit einem Termitenhügel. Egal. Wenn man das erstmal alles richtig mit dem kleinen roten Schwämmchen eingewalkt hat, dann sieht es natürlicher aus, als vorher ohne Make up.
Im Spiegel erkenne ich nunmehr nicht nur Winnetous kleine Schwester, sondern auch noch etwas herannahen.
Mist!!! Der hat mir gerade noch gefehlt. Was hab ich denn nun schon wieder bestellt und völlig vergessen? Der DHL Wagen rollt langsam aus.
Wieder schaue ich in den Spiegel. Pfeif auf das Schwämmchen. Wie eine Wilde rubbel ich an hellen und dunklen Streifen, verwische und entferne.
Ich höre die Autotür. Noch schneller rubbeln und wischen. Jetzt sehe ich aus wie ein begattungswilliges Streifenhörnchen.
Ich greife zum Handtuch. Kurz darauf ist mein Gesicht leicht gerötet aber nahezu streifenfrei und das Handtuch sieht aus, als bräuchte es drei Durchgänge in der Kochwäsche.
Wieder höre ich die DHL-Wagentür.
Hä?? Wie? Kein Paket für mich? Noch nicht mal ein „Ich hab´s versucht, aber Sie waren nicht da“-Zettel im Briefkasten?
Nur Pakete für die Nachbarn gegenüber? Na super. Warum habe ich denn nun den Picasso aus meiner Visage entfernt? Für nix und wieder nix.
Okay. Dann fange ich halt wieder von vorne an. Und wenn dann jemand klingelt, dann geh ich auch gestreift und gepunktet an die Tür.
Ist mir doch schnuppe, ob er mich beim Gesundheitsamt wegen einer nicht entdeckten Hautkrankheit meldet. Schließlich halte ich mich ja nicht mehr mit langweiligem Schminken auf, sondern bin in meinem Hardcore-Contouring-Modus. Und da darf man sich schon mal erschrecken, wenn man vor Abschluss der Fertigstellung auf die Leinwand schaut.  

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