Dienstag, 21. Februar 2017

333. Akt

Das Vernachlässigen meines Blogs fühlt sich ein bisschen so an, wie die 90er, in denen mir ständig mein Tamagotchi verreckt ist. Der Unterschied ist allerdings, dass sich hier nicht mit einfachem Tastendruck wieder Leben einhauchen lässt. Der innere Schweinehund hat sich halt für ein paar Tage auf die Seite der Menschen geschlagen, die ich gerne hier im Blog verwurste. Aber ewig kann das natürlich nicht so weiter gehen.
Und gerade heute läuft mir wieder so ein passendes Thema vor die Flinte, mit dem ich diese Seite wieder ein bisschen reanimieren möchte.
Im großen und ganzen geht es hierbei um eine Kritik, die blöder nicht sein kann. Denn, wie ich (seitdem ich die 30 schon länger überschritten habe) schon häufiger gehört habe, regen sich manche Menschen wieder mal über das Leben und Verhalten Anderer auf.
Dann fordern sie zum Beispiel die anderen auf, in Würde zu altern.
Aber was soll das sein? Muss man sich nach dem sechzigsten Geburtstag prinzipiell ein Sockenstrickset kaufen und alle Verwandten mit neuem Fußkleid erfreuen? Landfrauenturnen als Alternative zu Pilates und Poweryoga? Ab wann altert man in Würde? Was wenn Helga nun mit über fünfundsechzig die Swinger-Clubs für sich entdeckt und Sarah mit Anfang siebzig herausfindet, dass Klamotten in Knallfarben ihre Persönlichkeit viel mehr unterstreichen, als das farbunlustige Mausgrau und das Wasserleichen-ähnliche blass-Beige?
Bedeutet in Würde zu altern, angepasst unter jedermanns Radar dahinzusiechen und sich zu überlegen, ob einem Eiche, Mahagoni oder doch preisgünstiges Holzkleid aus Kiefer gut zu Gesicht steht? Vielleicht Bestattermesse statt Ispo und Inhorgenta?
Mir ist jeder Mensch mit 50, 60, 70 oder auch älter, der sich und sein Leben feiert, tausendmal lieber, als die weiblichen und männlichen Honks, die nichts besseres zu tun haben, als sich selber als cool, hip und maßgebend zu betrachten. Jemand kleidet sich bunt und auffällig? Prima! Grau gibt’s genug!
Jemand singt, spricht und feiert laut und ausgelassen? Geil! Wir liegen alle noch beizeiten still und kerzengerade im Holzfummel.

Menschen, wie die superlebendige 95-jährige Modepionierin Iris Apfel oder die wahnsinns-megasexy Carmen dell´Orefice (85), die immer noch als Top Model vor der Kamera steht, altern meines Erachtens hammergenial in Würde. Weil sie in Würde leben. Sie würdigen ihr Leben und das derer, die meinen sie müssten blass und farblos in der Ecke sitzen, ist ihnen schnuppe. So ist recht. Jeder der mir sagt, wie ich zu leben oder zu altern habe, kann sich schleichen. Wenn ich mir mit achtzig eine Harley kaufen will und mit sechzigjährigen, jugendlichen Liebhabern durch die Diskotheken ziehe, dann ist das meine Sache. Ich werde die schärfste Oma des Planeten. Meine Enkel werden sich daran gewöhnen, alle paar Monate bei der nächsten Polizeiwache Kaution für mich stellen zu müssen. Aber die, die so eigenartig in Würde altern wollen, ihr könnt ja omimäßig und freundlich lächelnd dem Gras beim wachsen zuschauen. Eure Zeit, in der ihr das nämlich von oben tun könnt, läuft ab. Von unten betrachte ich es dann auch irgendwann mal. Allerdings nicht in Würde, sondern mit einer Menge wildem Leben im Gepäck. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen