333. Akt
Das Vernachlässigen meines
Blogs fühlt sich ein bisschen so an, wie die 90er, in denen mir
ständig mein Tamagotchi verreckt ist. Der Unterschied ist
allerdings, dass sich hier nicht mit einfachem Tastendruck wieder
Leben einhauchen lässt. Der innere Schweinehund hat sich halt für
ein paar Tage auf die Seite der Menschen geschlagen, die ich gerne
hier im Blog verwurste. Aber ewig kann das natürlich nicht so weiter
gehen.
Und gerade heute läuft mir
wieder so ein passendes Thema vor die Flinte, mit dem ich diese Seite
wieder ein bisschen reanimieren möchte.
Im großen und ganzen geht es
hierbei um eine Kritik, die blöder nicht sein kann. Denn, wie ich
(seitdem ich die 30 schon länger überschritten habe) schon häufiger
gehört habe, regen sich manche Menschen wieder mal über das Leben
und Verhalten Anderer auf.
Dann fordern sie zum Beispiel
die anderen auf, in Würde zu altern.
Aber was soll das sein? Muss man
sich nach dem sechzigsten Geburtstag prinzipiell ein Sockenstrickset
kaufen und alle Verwandten mit neuem Fußkleid erfreuen?
Landfrauenturnen als Alternative zu Pilates und Poweryoga? Ab wann
altert man in Würde? Was wenn Helga nun mit über fünfundsechzig
die Swinger-Clubs für sich entdeckt und Sarah mit Anfang siebzig
herausfindet, dass Klamotten in Knallfarben ihre Persönlichkeit viel
mehr unterstreichen, als das farbunlustige Mausgrau und das Wasserleichen-ähnliche blass-Beige?
Bedeutet in Würde zu altern,
angepasst unter jedermanns Radar dahinzusiechen und sich zu
überlegen, ob einem Eiche, Mahagoni oder doch preisgünstiges
Holzkleid aus Kiefer gut zu Gesicht steht? Vielleicht Bestattermesse
statt Ispo und Inhorgenta?
Mir ist jeder Mensch mit 50, 60,
70 oder auch älter, der sich und sein Leben feiert, tausendmal
lieber, als die weiblichen und männlichen Honks, die nichts besseres
zu tun haben, als sich selber als cool, hip und maßgebend zu
betrachten. Jemand kleidet sich bunt und auffällig? Prima! Grau
gibt’s genug!
Jemand singt, spricht und feiert
laut und ausgelassen? Geil! Wir liegen alle noch beizeiten still und
kerzengerade im Holzfummel.
Menschen, wie die superlebendige
95-jährige Modepionierin Iris Apfel oder die wahnsinns-megasexy
Carmen dell´Orefice (85), die immer noch als Top Model vor der
Kamera steht, altern meines Erachtens hammergenial in Würde. Weil
sie in Würde leben. Sie würdigen ihr Leben und das derer, die
meinen sie müssten blass und farblos in der Ecke sitzen, ist ihnen
schnuppe. So ist recht. Jeder der mir sagt, wie ich zu leben oder zu
altern habe, kann sich schleichen. Wenn ich mir mit achtzig eine
Harley kaufen will und mit sechzigjährigen, jugendlichen Liebhabern
durch die Diskotheken ziehe, dann ist das meine Sache. Ich werde die
schärfste Oma des Planeten. Meine Enkel werden sich daran gewöhnen,
alle paar Monate bei der nächsten Polizeiwache Kaution für mich
stellen zu müssen. Aber die, die so eigenartig in Würde altern
wollen, ihr könnt ja omimäßig und freundlich lächelnd dem Gras
beim wachsen zuschauen. Eure Zeit, in der ihr das nämlich von oben
tun könnt, läuft ab. Von unten betrachte ich es dann auch
irgendwann mal. Allerdings nicht in Würde, sondern mit einer Menge
wildem Leben im Gepäck.
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