329. Akt
Vor ein paar Tagen, habe ich es
mir mal wieder so richtig gegeben. Beauty and grace in Vollendung.
Manche betrachten den Contest auch als ein Probetraining für den
Kurs „Wie winke ich mir anmutig eine Sehnenscheidenentzündung“.
Natürlich meine ich die Wahl zur Miss Universe.
Jede der Damen präsentiert sich
in Abendkleid und Bademode und wird mit tiefschürfenden
Anmoderationen präsentiert. Ein bisschen verblüffend finde ich,
dass hierbei familiäre Todesfälle ebenso in die Moderationen
integriert werden, wie ein abgeschlossenes Studium in Mikrobiologie.
Beide Themen werden mit anmutigem Lächeln und liebevollem Winken in
Richtung Publikum gewedelt. Die Damen singen in Kirchen, fahren –
wenn sie rebellisch sind – auch mal mit dem Motorrad, sammeln
Spenden für den örtlichen Katzenverein oder lieben es Puzzle
zusammenzusetzen. Von brillanten Hochschulabsolventen bis stolzen
Fußpflegestudio-Besitzerinnen ist alles dabei. Die Kleider versetzen
mich in Schnappatmung, aber die Interviews amüsieren mich nur
leidlich. Ich warte darauf, dass mal eine kommt, die sagt:
„Hallöchen! Ich habe drei abgebrochene Studiengänge hinter mir,
übersetze das Kamasutra in sieben Sprachen und habe soeben den
Kamera-Assistenten hinter der Bühne flachgelegt.“ Dann müsste sie
sanftmütig wie die anderen ins Publikum winken und abtreten. Aber
sowas passiert ja nur in meiner kranken Phantasie. Am Ende gewinnt
die Frau, die mir auch am allerbesten oder zumindest sehr gut
gefällt.
„Jedes Mädchen möchte Miss
Universe sein“, sagt sie. Sie kommt aus Frankreich, studiert
Zahnmedizin und ist so, wie die anderen Damen auch, wirklich
atemberaubend schön. Aber... äh... hmmm... wie kommt sie denn da
drauf? Ja, gut, einige Damen haben immer noch ihre Schärpe von der
„Miss Baumarkt 1988“-Wahl über dem Bett hängen und sind ganz
sicher, dass die Zeit seitdem keine Abdrücke am strammen Leib
hinterlassen hat. Aber so pauschal alle zu Miss Universe
Wünscherinnen zu machen? Nee. Ich glaube nicht. Die meisten sind ja
schon froh, wenn sie ihre Ehe mit Henning aus der Buchhaltung über
die zehn Jahres-Grenze hinausbringen oder wenn es ihnen gelingt, ihre
Schwiegermutter nicht mit der Wickeltasche zu erschlagen.
Ein bisschen tief in die
Klischee-Kiste gedrückt fühle ich mich, als die neue Miss Universe
in den „Weltfrieden-Modus“ fällt. Für sie ist eine Schärpe
nicht nur eine Schärpe, sagt sie. Für sie ist es die Möglichkeit
auf das Elend und die Menschen am Rande einzugehen und die Welt ein
bisschen besser zu machen. Ja. Schöner Gedanke.
Der Kollege von der
„Welt.de/Iconist“ bringt es auf den Punkt.
„Wann jemals eine „Miss
Universe“ Schlagzeilen mit sozialen Projekten und nicht mit ihrem
ebenmäßigen Gesichtszügen gemacht hat? Noch nie. Aber man darf die
Hoffnung auch nicht aufgeben.“
Und Recht hat er. Man muss ja
auch nicht alles so ernst nehmen. Das wäre ja, als ob man glaube,
dass Red Bull wirklich Flügel verleiht und Toffiffee „zusammener“
macht.
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