365. Akt
Ich fahre Rad. Nicht, dass ich
damit die einzige bin, aber es ist verhältnismäßig selten, so
dass ich immer gerne mal drauf hinweise.
Ich will nur schnell mal die
zehn Kilometer zu meiner Freundin Anja nach Vaterstetten fahren. Also
keine große Tour, die Radlerwäsche bedarf. Stattdessen bloß eine
Jeansshort und ein T-Shirt. Schließlich hat es draußen etwas über
dreißig Grad.
Ich radel los und bin guter
Dinge. Bis sich mir wieder etwas bestätigt, was ich schon ein
paarmal erlebt habe. Ein Anzugträger in einer dunkelgrauen S-Klasse
fährt langsam ein bisschen neben mir her, hupt und winkt mir
fröhlich zu, bevor er mir eine Kusshand zuwirft und einäugig
blinzelt. Okay, vielleicht ist ihm durch das geöffnete Fenster auch
bloß eine Fliege ins Auge geflogen und er hat gar nicht geblinzelt.
Aber die Kusshand ließ wenig Interpretationsspielraum.
Als ich nicht reagiere hupt er
erneut und fährt dann Vollgas davon.
Ja, ja, denke ich mir. Wenn zu
niedrig eingestellte Klimaanlagen auf heiße Außentemperaturen
treffen, dann verursacht das bei dem ein oder anderen einen
kolossalen Hormon-Flash. Nicht weiter wild.
Ich radel weiter.
Nur zwei Kreuzungen später muss
ich stehen bleiben. Rot gilt auch für Radler. Neben mir signalisiert
ein LKW-Fahrer, wie toll er die rasante Bedienung seines
Schaltgetriebes beherrscht. Offenbar hat er den raschen rauf und
runter-Wechsel vom ersten in den zweiten Gang und zurück derart gut
geübt, dass er es mir nun zeigen muss. Anders lässt sich diese
Handbewegung kaum erklären.
Egal. Ich fahre weiter. Sind ja
nur noch vier Kilometer.
Auf einer langen Geraden rollen
dann zwei Jungs auf einer Vespa neben mir her. Sie tragen lustige
Helme und sehen aus, als ob sie gerade die Mittlere Reife hinter sich
haben. Als sie auch noch beginnen lustige Dinge zu sagen, weise ich
sie darauf hin, dass ich alterstechnisch sicher ihre Mutter sein
könnte. Dementsprechend verabschieden sie sich dann auch mit dem
eigenartigen Kompliment „Traum-Milf“ von mir und sausen davon.
Ich schaue an mir herunter. Kann
es sein, dass ich unterwegs mein T-Shirt verloren habe? Irre ich mich
und ich fahre gar nicht in Shorts, sondern in Wäsche und mit
Victorias Secrets Flügelchen auf dem Rücken durch die Botanik?
Mache ich bei hohen Temperaturen irgendwelche obszönen, kreisenden
Bewegungen mit der Zunge, um mich abzukühlen? Nee? Alles nicht.
Okay, dann muss es an der
Strecke liegen. Denn so scharf ist mein klappriges, altes Kettler
Fahrrad nun auch wieder nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen