299. Akt
Ich
brauche eine Hose. Nicht für mich. Kind 1.0 braucht ein neues
Beinkleid. Und da er schon allein beim Wort „Shoppen“ Ausschlag
kriegt, habe ich ihm eine bestellt. Via Internet. Das Versandhaus
gibt es schon ewig, bloß sind die dicken Kataloge mit den vier
Buchstaben schon lange einem Online-Auftritt gewichen. Die Hose kommt
an, wird probiert und als deutlich zu kurz befunden. Ich schaue nach,
und ja, es wurde die falsche Länge geschickt. Also wieder ab in die
Tüte mit der Hose und für den Rückversand klar gemacht. Um
sicher zu gehen, dass als nächstes die richtige Hose ankommt, will ich
noch schnell beim Versandhaus anrufen. Wenn schon so dick die Nummer
vermerkt ist, dann werde ich halt über Gebühr kommunikativ. Es
klingelt und innerhalb von wenigen Sekunden wird mein Anruf
entgegengenommen. Ein Mann ist dran und ab dann wird es skurril.
„Hallo
hier ist Roberto Dingenskirchen, Sie sprechen mit dem Kundenservice
des Tralala-Versands. Vielen, vielen Dank, dass sie den Kundenservice
des Tralala-Versands anrufen, welchen Wunsch darf ich Ihnen
erfüllen?“
Reflexartig
kommen mir ein paar monitär erwerbliche und eine Hand voll
unaussprechlicher Wünsche in den Sinn. Ich kann mich aber gerade
noch zusammen reißen. Wäre ja noch schöner. Wir kennen uns ja gar
nicht.
Seine
unterwürfige Stimme hat ein südländisches Timbre und seine Worte
eine leicht schwäbische Tendenz. Ich unterdrücke einen Lachkrampf.
Wenn
ich eine schmutzige Phantasie hätte, würde ich ihm unterstellen,
nachts, nach seinem Dienst im Callcenter, einen ähnlichen Spruch am
Tresen einer Disko zu flöten. So wie er klingt, ist er vielleicht
gar kein schlechter Wünscheerfüller. Vielleicht gehen aber gerade
bloß meine Gedanken mit mir durch. Ich nenne den Reklamationsgrund.
Die bestellte Hose wurde in der falschen Größe geliefert. Er
klingt zerknirscht und bedauert den Vorfall so intensiv, als hätte er
meine nicht vorhandene Katze überfahren. Zwei mal.
Es
macht fast den Eindruck, als hätte er die Hose persönlich falsch
eingetütet und rollt sich nun in Scham über seinen gravierenden
Fehler auf dem staubigen Callcenter-Boden.
Er
versichert, die Sache wieder gut zu machen. Und vermutlich wird er
gleich aufstehen, gemeinsam mit seinem Vorgesetzten und unter
Aufsicht der Firmenleitung die richtige Hose aus dem Regallager
ziehen und mit Verzeih-mir-Aufklebern in die Tüte packen.
Ich
muss mich zusammenreißen, nicht schallend zu lachen. Er klingt
einerseits wie ein stolzer Spanier. Rassig und kraftvoll. Und
andererseits ist der Inhalt seiner Worte derart devot, dass jeder
Frau mit dominanter Ader vor Aufregung kollabiert.
Glücklicherweise
nimmt er mein Kichern nicht zur Kenntnis und nimmt die
Größenkorrektur am Computer vor. Zwischendurch streut er nach wie vor
ein „Wie konnte das passieren“ oder „Das tut mir schrecklich
leid“ ein.
Ich
bestätige die neue Bestellung und den Rückversand der falschen
Hose. Dann lege ich auf und kicher noch ein wenig. Wie viel lieber
ist mir eine Verkäuferin im Laden, die mir ein Kleidungsstück in
die Hand drückt und auf Wunsch eine andere Größe bringt. Aber
Roberto, nix für ungut. Zur Not klappt es auch mit einer
Telefon-Hotline für andere Zwecke. Talent hast du auf jeden Fall.
Garantiert!
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