Samstag, 3. Dezember 2016

299. Akt 

Ich brauche eine Hose. Nicht für mich. Kind 1.0 braucht ein neues Beinkleid. Und da er schon allein beim Wort „Shoppen“ Ausschlag kriegt, habe ich ihm eine bestellt. Via Internet. Das Versandhaus gibt es schon ewig, bloß sind die dicken Kataloge mit den vier Buchstaben schon lange einem Online-Auftritt gewichen. Die Hose kommt an, wird probiert und als deutlich zu kurz befunden. Ich schaue nach, und ja, es wurde die falsche Länge geschickt. Also wieder ab in die Tüte mit der Hose und für den Rückversand klar gemacht. Um sicher zu gehen, dass als nächstes die richtige Hose ankommt, will ich noch schnell beim Versandhaus anrufen. Wenn schon so dick die Nummer vermerkt ist, dann werde ich halt über Gebühr kommunikativ. Es klingelt und innerhalb von wenigen Sekunden wird mein Anruf entgegengenommen. Ein Mann ist dran und ab dann wird es skurril.
Hallo hier ist Roberto Dingenskirchen, Sie sprechen mit dem Kundenservice des Tralala-Versands. Vielen, vielen Dank, dass sie den Kundenservice des Tralala-Versands anrufen, welchen Wunsch darf ich Ihnen erfüllen?“
Reflexartig kommen mir ein paar monitär erwerbliche und eine Hand voll unaussprechlicher Wünsche in den Sinn. Ich kann mich aber gerade noch zusammen reißen. Wäre ja noch schöner. Wir kennen uns ja gar nicht.
Seine unterwürfige Stimme hat ein südländisches Timbre und seine Worte eine leicht schwäbische Tendenz. Ich unterdrücke einen Lachkrampf.
Wenn ich eine schmutzige Phantasie hätte, würde ich ihm unterstellen, nachts, nach seinem Dienst im Callcenter, einen ähnlichen Spruch am Tresen einer Disko zu flöten. So wie er klingt, ist er vielleicht gar kein schlechter Wünscheerfüller. Vielleicht gehen aber gerade bloß meine Gedanken mit mir durch. Ich nenne den Reklamationsgrund. Die bestellte Hose wurde in der falschen Größe geliefert. Er klingt zerknirscht und bedauert den Vorfall so intensiv, als hätte er meine nicht vorhandene Katze überfahren. Zwei mal.
Es macht fast den Eindruck, als hätte er die Hose persönlich falsch eingetütet und rollt sich nun in Scham über seinen gravierenden Fehler auf dem staubigen Callcenter-Boden.
Er versichert, die Sache wieder gut zu machen. Und vermutlich wird er gleich aufstehen, gemeinsam mit seinem Vorgesetzten und unter Aufsicht der Firmenleitung die richtige Hose aus dem Regallager ziehen und mit Verzeih-mir-Aufklebern in die Tüte packen.
Ich muss mich zusammenreißen, nicht schallend zu lachen. Er klingt einerseits wie ein stolzer Spanier. Rassig und kraftvoll. Und andererseits ist der Inhalt seiner Worte derart devot, dass jeder Frau mit dominanter Ader vor Aufregung kollabiert.
Glücklicherweise nimmt er mein Kichern nicht zur Kenntnis und nimmt die Größenkorrektur am Computer vor. Zwischendurch streut er nach wie vor ein „Wie konnte das passieren“ oder „Das tut mir schrecklich leid“ ein.
Ich bestätige die neue Bestellung und den Rückversand der falschen Hose. Dann lege ich auf und kicher noch ein wenig. Wie viel lieber ist mir eine Verkäuferin im Laden, die mir ein Kleidungsstück in die Hand drückt und auf Wunsch eine andere Größe bringt. Aber Roberto, nix für ungut. Zur Not klappt es auch mit einer Telefon-Hotline für andere Zwecke. Talent hast du auf jeden Fall. Garantiert!


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