301. Akt
Über
Geschmack lässt sich streiten, heißt es. Ich bin der Meinung, dass
gerade Geschmack etwas ist, über das man sich im besten Fall
köstlich amüsieren kann. Für einen Streit braucht es da schon ein
bisschen mehr.
All
diese herrlichen Ungleichheiten machen doch das Leben erst richtig
bunt und lustig. Vor allem dann, wenn irgendetwas damit angestrebt
wird. Zum Beispiel Coolness.
Ab
wann ist cool wirklich cool und ab wann bloß noch Anlass zur
Erheiterung? Ein freches Grinsen, ein durch die Haare fahren und auch
ein lässiger Gang, haben etwas. Nicht immer, aber jaja, doch doch,
manchmal wirkt das richtig sexy. Wenn jemand natürlich permanent mit
der Hand durch´s lichter werdende Haupthaar streicht und dabei
schaut, wie ein Zweitklässler, der der Lehrerin ein Furzkissen auf
den Stuhl gelegt hat, wirkt das Ganze schön völlig anders. Das ist
dann wirklich nicht unbedingt cool. Aber das mit dem Fremdschämen
geht noch ein bisschen weiter.
Ich
laufe durch die Stadt, auf der Suche nach ein paar
Weihnachtsgeschenken für Leute, denen ich eigentlich nix schenken
wollte. So ist es jedenfalls abgesprochen. Spaßig, wenn man die
selben Leute trifft, die sich – so wie ich – über dieses eherne
Gebot hinwegsetzen, weil die Schenkerei dann doch wieder Spaß macht.
Und während ich so laufe, sehe ich einen Mann im besten Alter. Sein
Gang wirkt ein bisschen so, als hätte er Schamhaar-Extensions bis
zum Knie. Die dauergewellte und toupierte Version. Und das bei einer
Hose, die ihm locker zwei Nummern zu eng ist. Das schwarz gefärbte
Haar hätte ihm in grau besser gestanden, und die Veneers blinken wie
Keramikteller. Auf jedem Zahn. Er läuft, bleibt stehen und macht
eine Art dezente Pose. Ich schaue mich um und suche eine Kamera. Aber
da ist keine. Als er an mir vorbeiläuft, scheint mein etwas
irritierter Blick ihn zu bestätigen. Er bleibt kurz stehen, zwinkert
mir zu und sagt etwas in der Art „Hallo Honey.“ Dabei stemmt er
beide Hände in die etwas wellige Taille und spreizt das rechte Bein
nach außen.
Ich
nicke nur und gehe dann mit sanft fassungslosem Blick weiter.
„Chance
vertan.“ ruft er mir nach. Und mir ist klar, dass ich selten eine
Chance so gerne vertan habe, wie diese.
Der
Typ will allen Ernstes cool sein. Aber alles was er ist, ist bloß
und ausschließlich lächerlich.
Cool
ist authentisch. Egal, ob Rolli mit Pullunder oder Spitzenbluse zum
Lederrock. Cool ist nicht „Hallo Honey.“ mit einem Outfit, das
schreit, „Ich will alles sein, bloß nicht der, der ich bin.“
Nein,
das ist nicht cool. Ganz bestimmt nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen