Dienstag, 6. Dezember 2016

301. Akt

Über Geschmack lässt sich streiten, heißt es. Ich bin der Meinung, dass gerade Geschmack etwas ist, über das man sich im besten Fall köstlich amüsieren kann. Für einen Streit braucht es da schon ein bisschen mehr.
All diese herrlichen Ungleichheiten machen doch das Leben erst richtig bunt und lustig. Vor allem dann, wenn irgendetwas damit angestrebt wird. Zum Beispiel Coolness.
Ab wann ist cool wirklich cool und ab wann bloß noch Anlass zur Erheiterung? Ein freches Grinsen, ein durch die Haare fahren und auch ein lässiger Gang, haben etwas. Nicht immer, aber jaja, doch doch, manchmal wirkt das richtig sexy. Wenn jemand natürlich permanent mit der Hand durch´s lichter werdende Haupthaar streicht und dabei schaut, wie ein Zweitklässler, der der Lehrerin ein Furzkissen auf den Stuhl gelegt hat, wirkt das Ganze schön völlig anders. Das ist dann wirklich nicht unbedingt cool. Aber das mit dem Fremdschämen geht noch ein bisschen weiter.
Ich laufe durch die Stadt, auf der Suche nach ein paar Weihnachtsgeschenken für Leute, denen ich eigentlich nix schenken wollte. So ist es jedenfalls abgesprochen. Spaßig, wenn man die selben Leute trifft, die sich – so wie ich – über dieses eherne Gebot hinwegsetzen, weil die Schenkerei dann doch wieder Spaß macht. Und während ich so laufe, sehe ich einen Mann im besten Alter. Sein Gang wirkt ein bisschen so, als hätte er Schamhaar-Extensions bis zum Knie. Die dauergewellte und toupierte Version. Und das bei einer Hose, die ihm locker zwei Nummern zu eng ist. Das schwarz gefärbte Haar hätte ihm in grau besser gestanden, und die Veneers blinken wie Keramikteller. Auf jedem Zahn. Er läuft, bleibt stehen und macht eine Art dezente Pose. Ich schaue mich um und suche eine Kamera. Aber da ist keine. Als er an mir vorbeiläuft, scheint mein etwas irritierter Blick ihn zu bestätigen. Er bleibt kurz stehen, zwinkert mir zu und sagt etwas in der Art „Hallo Honey.“ Dabei stemmt er beide Hände in die etwas wellige Taille und spreizt das rechte Bein nach außen.
Ich nicke nur und gehe dann mit sanft fassungslosem Blick weiter.
Chance vertan.“ ruft er mir nach. Und mir ist klar, dass ich selten eine Chance so gerne vertan habe, wie diese.
Der Typ will allen Ernstes cool sein. Aber alles was er ist, ist bloß und ausschließlich lächerlich.
Cool ist authentisch. Egal, ob Rolli mit Pullunder oder Spitzenbluse zum Lederrock. Cool ist nicht „Hallo Honey.“ mit einem Outfit, das schreit, „Ich will alles sein, bloß nicht der, der ich bin.“
Nein, das ist nicht cool. Ganz bestimmt nicht.


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