Samstag, 24. Dezember 2016

312. Akt

Der Baum steht. Aufrecht und so, als ob er schon immer dorthin gehört. Die Kugeln und der Schmuck liegen bereit. Säuberlich und fein kraxel ich durchs Geäst, um die Lichterketten ordentlich zu verteilen. Ich bin da eitel. Es muss ausgewogen leuchten. Einseitige Illumination macht mich nervös. Auf echte Kerzen verzichte ich vollständig. Ich habe es einmal probiert und bin in der Nacht dann fünfmal aufgestanden, um zu kontrollieren, ob wirklich, wirklich, wirklich alle gelöscht sind.
Tochterkind sitzt am Tisch und verpackt noch irgendwelche Geschenke. Kind 1.0 sitzt oben am Computer und arbeitet schon seit ein paar Stunden an irgendwas. Sobald ich hier fertig bin, sind die Kinder mit dem restlichen Schmücken des Baumes dran. Das machen wir schon immer so. Funktioniert sogar weitgehend ohne Nötigung.
Mit Nadeln in Haaren und Pulli betrachte ich mein Werk mit zwei Schritten Abstand. Dann fällt es mir ein. Ich muss die Birnchen ja erst anschalten, um zu sehen, ob alles ordentlich verteilt ist. Ich laufe in den Keller und hole die Verlängerungsschnur mit der Mehrfachsteckdose und der Zeitschaltuhr.
Beide Lichterketten werden rasch reingedrückt und dann ramme ich auf allen Vieren den Stecker in die Dose. Und Zack! Alles finster. Warum auch immer, hat irgendwas die Hauptsicherung verärgert.
Tochterkind bleibt entspannt und leuchtet mir mit der Taschenlampe auf ihrem Handy den Weg in den Keller. Ich komme leicht ins Schwitzen. Nicht wegen der Dunkelheit im ganzen Haus. Nein, mit dunkel kann ich umgehen.Von oben höre ich lautes Fluchen und höre Kind 1.0 sein Zimmer verlassen. Er hat die letzten Stunden wie gesagt am Computer gearbeitet und Worte wie Backup und Datensicherung rauschen mir durch den Kopf.
Als er im Keller vor mir steht, bin ich noch einen Moment froh, dass es finster ist. Dann drücke ich den Sicherungsschalter wieder hoch.
Alles in Ordnung?“ fragt er. Ich nicke und grinse entschuldigend.
Bei dir auch?“
Er bestätigt, dass alles okay ist und die Muskulatur zwischen meinen Schulterblättern entspannt sich wieder. Alles ist gesichert. Nix ist verloren. Ich freue mich und der Gedanke, die nächsten Tage Asche auf mein Haupt zu streuen verdünnisiert sich.

Stattdessen gehen wir hoch und ich probiere sanft, ganz sanft ein der anderen Steckdosen. Yepp! Es funktioniert. Alle Lichter geradezu perfekt verteilt und ausbalanciert. So kann der heilige Abend was werden. Zumindest Christbaumtechnisch. Ansonsten lassen wir das Ding eben aus.
Fröhliche Weihnachten!

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